„Don Carlos" in Zehners Regie. Staatliches Schauspielhaus
Leopold Jeßner hat lange gekämpft und schließlich so entschieden gesiegt, daß man ihn im Triumph an die Rampe riß. chieraus be- gann im Parkett und auf den Rängen«in lauter und leidenschast- licher Parteikampf. Die Begeisterten teilten ihre Kräfte, die einen für den Intendanten, die anderen für ihren angebeteten Kortncr. Jeßner wünscht« die berechtigten Ansprüche der finanziellen Staatstheaterfreunde zu befriedigen. Er wollte fein« Pflicht als oberster Kaffenleiter und Kunstleiter tun. Es wurde ihm unendlich erschwert. Er hat die Widerstände bezwungen, beinahe doch nicht vollkommen. Denn Friß K o r t n e r, fein bester, sein besessenster. sicherlich auch sein genialster Schauspieler, hat alles rings um sich eiirgcschüchtert. Kortner hat nur dulden wallen, was ihm. dem großartigen, körperlich und geistig überlegenen König Philipp, be- scheiden die Stichworte zu prunkvollen Rodomontaden lieferte. So mußte aus der Tragödie„Don Carlos " sin Trauerspiel„König Philipp" werden. So mußte der lyrische Jüngling Don Carlos , Schillers strahlendes Ebenbild, die Gestaltung seines überschweng- lichen Freiheitsdranges, ausgerottet werden. Aus dem Drama wurde ein Don Carlos ohne den Prinzen. Trotzdem: die Macht der Schillerschen Jamben, der bezwingende Zauber seiner Phantasie und die Hellsichtigkeit seiner Ahnungen wirken noch heute so ungeheuer, daß die Logik der Ereignisse auch durch die verwirrende Selbstsucht des Kettensprengers Kortner nicht getrübt werden kann. Der Regisseur und Dramaturg hat das Werk teilweise gerettet, indem er mit psychologischer Einfühlung für jeden der Gegenspieler die bedeutendsten Momente herausschälte. Das war ein dramaturgisches Notmanöver. Der Don Carlos der Geschichte war ein verkrüppeltes-Stück Menschenunglück. Er wurde von Krämpfen geplagt und verkümmerte als ein elendes Versuchskaninchen der Aerzte und quacksalbernden Pfafsen. Schiller erhob ihn zum Rebellen und Ankläger der Tyrannei. Schiller belastet« ihn dazu noch mit der peinigenden Liebe zur jungen Stiefmutter. So wollte der Dichter den chaß des Sohnes gegen den grimmigen Vater vertiefen. Das war bei ihm aber nicht viel mehr als ein Gedankenspiel. Erst heute wird solche Verstrickung des Gefühls piychoanalytisch als ein scheußliches Schick- sal empfunden. Der Regisseur von heute rechnete mit dieser Angst moderner Menschen, indem er den Konflikt zwischen Dater und Sohn und den Haß des Gatten gegen die verdächtigte Gattin gespenstisch verdüsterte. Kortner konnte da Wundervolles an gruseligen Zweifeln austoben. Er warf sich, wahnsinnig vor Ungewißheit, zu den Füßen der Königin nieder. Er deckte ihr die Augen zu, damit er nicht ge- zwungen werde, die Wahrheit zu lesen. Dann tastete er den Hals
der Frau ob. Was der Mund nicht verriet, das redeten seine Finger: es wäre vielleicht am besten, dieses Weib, diesen Widerstand aus der Welt zu schaffen! Kortner spielt da«ine unbändige Auto- kratie, eine bestialische Hoheit und«inen dämonischen Stolz. Er er- schlittert uniibcrtresslich. Seine schrille verwundend« Stimme, seine schleichende Panthergeducktheit, sein Mienenspiel, das Zucken seiner Gesichtsmuskeln und Glieder, all dieses souveräne Entfalten der Komödiantenmittel greift bis an den entlegensten Nero des Zu- schauers. Die Passivität seiner Gegenspielerin, des Fräulein Eleonore M e n d e l s o h n, ist hier durchaus das Richtig«. Die Königszimmer des spanischen Palastes, die Gartenanlagen, selbst das Gefängnis sind weite Räume, nicht Stätten der Melancholie, wie der Dichter es dacht«. Der Bühnenbildner Cäsar Klein hat üppig gebaut und die erdrückend« Architektur vermieden. Schimmernd und bunt ist das spanische Gewand der Höflinge und Schranzen. Desto starrer wirken die Personen, die es tragen sollen. Jeßner will das Zitatengedächtnis der Zuhörer bluffen. Das Wohl- bekannte soll ganz neu und ursprünglich wirken wie das Kostüm. Selbst die berühmten Schillerschen Paradeaphorismen sollen als Improvisationen klingen. Doch hier hat der Regisseur, besonders am Anfang, wieder allzu willfährig seinem bourgeoisen Herzen nach- gegeben. Man merkt schmerzlich den Widerspruch zwischen dein Pomp der Problem« und dem Bemühen der Künstler, das Pathos zu vermeiden. Di« Künstler werden winzig, wie Fräulein Binder. die weder politische Intrigantin mach glühende Liöbhaberin, sondern nur eine Eboli>st, die sich ihr« Rolle wie«in zanksüchtiges und putz- süchtiges Duodezedelfräulein zurechtlegt. Auf Wunsch des Rc- gisseurs? So überwindet auch M ü t h e l, der Marquis Posa, erst in seiner großen Bekenntnisszene und bei seinem Ausschrei der Gc- dankenfrciheit die Banalität, die der Regisseur ihm vorschreibt. Max Pohl , der neunzigjährige Großinquisitor, lorikiert den fanatischen Fistelton der priesterlichen Mumie, und Paul Bildt zieht das imposante Mönchtum des königlichen Beichtvaters Domingo allzu bewußt ins Bagatellenreich des Königslakaien hinunter. End- lich der unglückselige Don Carlos , dessen Rolle für Kortner auf- geopfert wurde und für den sich mit jugendlicher Hofsnung auf Segen der strebsame Schrnispieler Norbert Schiller aufopferte. Er mußte unterliegen. Aber seip Mut ist zu achten. Er möge sich nicht grämen. Er war das Unschuldslamm, das umgebracht wurde. �Der Intendant, der Regisseur und Dramaturg müssen da Remedur schaffen. Wer sich nicht beugt, muß gebogen werden. Das Staats- theater darf eben nur dem Gesamt'unstwerk dienen und nicht einem einzelnen Künstler, mag sein Talent auch noch je tropisch strotzen und zum Protzen g«ueigt sein!. dlax Hochdorf.
Langanke-Milieu. Zung und alt vor dem Zeugentisch in Moabit . Der Langonke-Prozeß gcht erst am Montag zu Ende. Zwei Tage lang war das Gericht peinlich bemüht, die Glaubwürdig- leit der jetzt vierzehnjährigen und damals zwölfjährigen einzigen Tatzeugin zu ergründen, ihre frühreife Sexualität zu erforschen. Alle Lorhaltungen des Vorsitzenden zerschellen an der starren Behauptung des Mädchens:„Es war mein Vater." Als sie gestern immer wieder Lügen gestraft wurde, nahm sie der Vor- sitzende noch einmal vor.„War es wirklich Ihr Vater? Heute ist es noch Zeit, entlasten Sie Ihr Gewissen. Geben Sie Ihrem Bater die Ehr« wieder. Stellen Sie sich vor, wie furchtbar es wäre, wenn Sie einen Unschuldigen belastet hätten."—„Es ist wahr", sagt Erika leise.„Ist es Ihnen denn gleichgültig, was mit dem Vater geschieht? Hätten Sie denn kein Jnteresie, daß er frei käme?"— „Es ist mir nicht gleichgültig, er war es ober." Der Staats- anwall versucht fein Glück.„Erika, du warst doch immer offen zu mir, sage die Wahrheit, war es der Vater?"—„3a-" Der Staatsanwalt bittet um eine Pause. Er zieht sich mit Erika aus dem Gerichtssaal zurück. Es vergehen fünf Minuten voll banger Span- nung. Das Mädchen kehrt verweint zurück; der Staatsanwalt hat nur das«in« erreicht: die Kleine gibt zu. gestern einen Zeugen
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fälschlicherweise als denjenigen bezeichnet zu haben, der mit ihr Geschlechtsverkehr gehabt hat. Jetzt nennt sie einen anderen Namen, aber auch dieser jung« Mensch ist unauffindbar. Hat Erika etwa Grund, den richtigen Namen zu verbergen? Ein« Episode aus der gestrigen Verhandlung verdient ober ganz besonders erwähnt zu werden; sie erhellt fchlaglichtartig die Situation. Erika wollte am Siloesterobend zum Ball gehen. Um die Einwilligung der Mutter zu erlangen, flunkerte sie ihr vor, auch der Fürsorger würde anwesend sein. Hinterher verbreitete sie selbst eigenartig« Gerüchte über den Fürsorger: Er sei mit ihr in einem Lokal gewesen und habe Nackltänze aufgeführt. Erika hotte sich nicht gescheut, in leichtfertiger Weise die schweren Besckzuldigun- gen gegen den Beamten zu erheben. Sollte sie etwa in gleicher leichtfertiger Weise auch den Dater beschuldigt haben? In diesem Langanke-Milieu scheint manches möglich. Man sah gestern die Männlein und Weibleln, jung' und all aufmarschieren, das vier- zehnjährig« Töchterlein in der Pelzjacke, die Fünfzehnjährige mit den tänzelnden Bewegungen und herausforderndem Lächeln, die mit überlegener Schadenfreude ihre frühere Freundin Erika Lügen straft und immer neue Erlebnisse mit Jungen auskramt; die Sechzehn- jährig«, die noch als kleines Schulmädel eigentümliche Brief« schrieb; dt« Burschen aus der Elique„Lustig Blut"— auch von Cliquen „Niedlich" und..Mondkrebsc" war die Rede— die nur allzu gern mit den Schulmädeln anbändelten und dann schließlich die ällere Generation, die mit lüsterner Neugier das Verhalten der Mädchen beobachteten, ihre Gespräche belauschten und auch mancher ganz harmlosen Handlung unteuschen Sinn andichtete.
politische Schlägereien am Sonntag Kommunisten prügeln sich mit Hakenkreuzlern. Am Sonntag ist es am Zirkus Busch und im Lustgarten wieder zu politischen Zwischenfällen ge- kommen. Die Polizei war schnell Herr der Lage. Ungefähr am Schluß der Veranstallung, die die Kommunistische Partei am Sonntag mittag im Zirkus Dusch abhielt, ließ sie das Piscator-Kollektiv aus dem„Kaufmann von Berlin" von der Nollendorf-Bühn« auftreten. Wie bekannt, stellt dies eine Abteilung Schwarzer Reichswehr dar, die gegen Kommunisten hetzt. Das Endergebnis dieses Auftretens war neu, indem in der Arena des Zirkus Busch«in« Abteilung Roter Frontkämpfer der Reichswehr entgegentrat und sich ihrer Waffen bemächtigte. Daraufhin schritt die Polizei ein, um die uniformierten Rotsrontleute, deren Organisation bekanntlich verboten ist, festzunehmen. Dabei kam es zu Tumultszenen, in deren Verlauf mehrere Verhaftungen vorgenommen und Waffen beschlagnahmt wurden. Einige Zeit später passierte ein größerer Trupp uniformierter Nationalsozialisten die Kleine Promenade am Bahnhos Börse. Sofort war mit Kommunisten«ine Schlägerei im Gang«, der erst durch das Dazwischentreten der Polizei ein Ende bereitet wurde. Etwa 60 Hatentreuzler w u r de nwz w a n g s g e st el lt und nach dem Polizeipräsidium gebracht.— Schließlich versuchten noch einige Kommunisien, die Kundgebung des Verbandes Evangelischer Arbeiter, und Dolksvereine im Lustgarten zu stören. Die Polizei nahm mehrere Demonstranten fest.
,/Die neuen Herren." Ein antiparlamentarischer Film. Ausgesprochen politische Film« haben wir so gut wie gar keine, denn die Russenfilm«, an die man hier denken könnte, sind ja weit mehr, sind soziale Volksfilm«, und die patriotischen Geschichten vom Allen Fritz und der Königin Luise wird niemand zur Politik rechnen. Dieser ausgesprochene politische Film, der am Sonntag von der Ausstellung„Film und Photo" im Capitol gezeigt wurde, stammt von Jacques F e y d e a u, dem besten französischen Filmregisseur, dem wir so unvergleichliche Filme wie„Crainquebille" und„Theröse Raquin" verdanken. Man zeigt den Film, den bislang kein Filmverleih dem deut- schen Publikum zu zeigen wagte", wegen seines hohen filmkünstle. rischen Wertes! Hoffentlich. Denn der Tendenz nach ist der Film durchaus reaktionär. Er geißelt mit Recht die Lächerlichkeiten eines Parlamentarismus, der nur darauf aus ist, durch ewig neue Ministerkombinationen den Appetit der Cliquen und Persönlich- leiten zu befriedigen, er parodiert das Pathos der großen Politik, die ach so klein ist, brandmarkt die Protektionswirtschast der Minister und Abgeordneten und macht die Herren Abgeordneten, die im Parlament schlafen, lächerlich. Aber der Film begeht den Fehler, diesen parlamentarischen Kretinismus und die Streberei ausge- rechnet an einem jungen Arbeiter zu demonstrieren, der im Hand- umdrehen zum Gewcrkschaftssekretär und Minister aufsteigt und nun dieselben Dummheiten macht wie die anderen. Das Ganze ist reichlich mit französischem Esprit ausgezeichnet, nie plump und blöd wie etwa die deutsche Komödie„Der Minister", die ähnliche Ten- denzen verfolgt. Aber verfehll bleibt die Tendenz trotzdem. Speziell der französische Parlamentarismus ist eine bürgerliche Affäre sans phrase, und hier wären ganz ander« Ding« zu entlarven wie die Beförderung einer kleinen Tänzerin, die der neue Mimster liebt, die ihm aber der konservative Graf wieder abnimmt, als jener gestürzt wird. Filmisch ist auch dieser neue Feydeau ein Meisterwerk Alles ist mit leichter Hand gemacht, der Witz kommt von den Bildern und nicht von dem Text aus. Die„große Sitzung" des Parlaments, die sich für einen träumenden Abgeordneten in eine Ballettaufführung der Großen Oper verwandelt, ist eine Köstlichkeit besonderer Art. Die Parodie, der Ulk, die Satire quillt in allen Fugen. Und dabei bleibt alles hübsch menschlich, besonders auch die kleine Tänzerin, die zwischen dem Grafen und dem Mann ihrer Klasie hin und her pendelt. Wann wird Felideau das französische Bürgertum auss Korn nehmen, wie er im„Crainquebille" die bürgerliche Justiz und Polizei denunzierte? O.
Uraufführung des„Kremzug der Maschine�. Der Berliner V o l t s ch o r bringt unter Leitung seines Diri- genten Dr. Ernst Zander Mittwoch, 6. November, 20 Uhr, im großen Saal der„Neuen Well"(Hasenheide), ein Werk von Dr. Arthur Wolfs:„Kreuzzug der Maschine"(Dichtung von Lobo Frank), zur Uraufführung. Der„Kreuzzug der Maschine", ein Werk der Masse, stellt das® erst« größere abendfüllende proletarische Oratorium dar. Mitwirkende: der BerUner Boltschor und sein Kmderchor, Sprech- chor, Einzelsprecher, das Berliner Sinfome-Orchester und Lichtbilder von Käthe Kollwitz . Solisten: Fräulein Paul Lindberg und die Herren Bringolf und Kepich. Karten an der Abendkasse.(Preis 1.S0 Mark.)__ Der M((imano-£f)ot veranstaltet am Sonntaq, 10. b. M., im Zaalbau siriediichSbain unter Leitung seine» C'-orm-iOer« Josef Schmid sein die«. jährige» Herb st konzer t. Miltv tkendr tzrau?or« Builb und Frau Margot Hinnenberg-Lösebre. Konzertbeginn 6 Uhr, Eintritt 1 M. 25 mal.Früvilngseiwachcu-. Dienstag findet dl« 25. Auslilbrung von Dcdctinds.Frühlingserwochen- in der Dollsbähn« In der Inszenierung von Marlin slatt. Vorfiellua-sverleaung. Tie für Dienstag im Deutschen Theater an- geletzte Schauspieler�tachlvolstellung von.Kaiser von Amerika " wird ans den 12. d. SR., abend» 11-/. Uhr verlegt.
Yvonne Georg» und Harald Kreuzberg. Tanzmatinee im Theater am Äülowplah. Yvonne G e o r g i und Harald Kreuzberg— zwei Tänzer- namen, die höchste Erwartungen wecken. Die Tänze waren zum größten Teil neu. Aus dem Ballett„Don Worte" hatte Kreuzberg den„Tanz des Hofnarren" auf das Programm gestellt. Er tat recht daran: es ist einer seiner ausdrucksvollsten, packendsten Tänze. Dieses Gefangensein, Beengtsein im Narrenkteide, im Raum, dos jede Bewegung— das lächerliche Tollen wie das verzagt resignierende Greifen. Tasten, Zusammensinken, Auslöschen— bestimmt, ergreist den Zuschauer im tiefsten, zwingt ihn zum Miterleben der Tragik des Narren. Aber Kreuzbergs tänzerische Ge- staltungskroft ist so groß, daß er das Publikum eigentlich immse in die Atmosphäre seiner Tänze hineinzaubert, ob er feierlich, ernst oder traurig, heiter oder ausgelassen kommt. Einmal vielleicht, in dem„kriegerischen Tan z", gelang ihm das nicht.' Mit einem einfachen Kostüm, als technische Hebung, hätte diese Darbietung gc- zeigt, daß Kreuzberg selbst dabei Stimmungswerte zu schassen weiß. für einen Tanz, wie man ihn von diesem Tänzer erwartet, reichen dies« Stimmungswerte aber nicht aus. Yvonne Georgis bester Solotanz war der„Walzer" von herber, süßer Zartheit: so schön, wie man ihn sich nur träumen kann. Ein Seelchen tanzte: ohne jede Sentimentalität, ohne mit sich selbst oder mit dem Publikum zu kokettieren: tanzte, well es ! tanzen mußte. Mit einigen anderen Solotänzen schien sich Yvonne Georgi auf ein Gebiet begeben zu haben, das ihr kein« großen Mög-, lichkeiten bietet. Weder die große pathetische Geste einer„Kassa n- d r a", noch die Sentimentalität des„klagenden Liedes" sind ihr natürlich. Weshalb will sie ihre künstlerisch so reiche Natur mit unechten Flittern schmücken? Aber man darf glauben, daß si-: das selber erkennt und sich rechtzeitig wieder davon freimachen wird. Auch die Tanzduetts zeigten, daß man ihretwegen nicht Sorge zu haben braucht. Di« Ausgelassenheit und dabei die kunstvolle Zierlichkeit des„Bäuerlichen Tanzes" war in der Kompo- sition wie in der Ausführung eine Glanzleistung des Tänzerpaares. Die Parodie ihres Programms in der Schlußnummer„P o t- pourri", die auch den sehr begabten musikalischen Begleiter dieser Matinee, Friedrich W i l ck e n s, mit auf das Podium brachte und ihn nicht nur zu pianistischer, sondern auch zu tänzerischer Betätigung zwang, löste stürmische Helterkeitssalven aus.— Einer Darbietung muß wenigstens noch gedacht werden, die das Tänzerpaar in be- sonders eigenartigen Ausdrucksformen zeigte.„Böse Träume" nannte sich dieses Duett, das wirklich in spukhaften Gesten, in phon- tastischer Auswertung der Höhen- und Tiefenrichlung wie ein Alb- träum vorüberzog.— z.
Die Zensur in Rußland Eine Sonderkomistission, die von dem Direktorium der Schönen Künste in Rußland eingesetzt wurde, hat«ine Liste von Opern ausgestellt, deren Aufführung im Gebiete der Sowjetunion künftighin verboten sein wird. Man sollte«s nicht für möglich halten, daß Werke wie Othello, La Traviata , Aida, Madame Butterfly , Hoffmanns Erzählungen und andere mehr auf dieser schwarzen Liste zu finden sind. Andererseits machen sich die russischen Zeitungen über den„Faust" lustig und veröffentlichen solgendes offizielle Textbuch, das auch In der Staatsoper an das Publikum verteilt wird: Faust hat von Mephisto Jugend und Reichtum erhalten. Mit Hilfe von schönen Geschenken und eleganten Toiletten verführt Faust das kleine arme bürgerliche Mädchen, Margareche, deren Bruder Valentin herbeieilt, um sein Bäterland gegen die Feind« zu verteidigen.