Die Aufgaben der Volksbühne. Hauptversammlung wählt Geidel in den Vorstand.
Die diesjährig- Haupkvecjammlung der Volksbühne war voa den Delegierten der MUgliedjchast stark besucht. Die üblich, gab es einige Zusammenstöße zwischen der großen vlehrheit der Delegierten und den Führern der Opposition, mit denen etwa der sechste Teil der Anwesenden stimmte. Doch war der Verlauf der Versammlung im allgemeinen ruhig. Die Versammlung wurde eröffnet mit einem instruktiven Referat Richard Seide??. Er charakterisiert« zunächst die Missidn, die die Volksbühne in den neunziger Iahren des vorigen Jahrhunderts erfüllte, und behandelte dann die Aufgaben der Volks- bühne in der Gegenwart. Er wies darauf hin, daß die Volksbühne heute unter mannigfach anders geart«ten Verhältnissen arbeite als vor 40 Iahren, daß insbesondere auch der Besitz des eigenen großen Theaters, heute Voraussetzung sür jede programmatische Betätigung der Organisation, neue Verantwortung bedeute. Nach wie vor müsse es Aufgabe der Volksbühne fein, im Rühmen des Künstlerischen auch Wagnisse zu unternehmen: aber es gäbe hier weit mehr als in früherer Zeit Grenzen, die vielleicht im letzten Jahr schon gelegentlich überschritten worden wären. Der Vortrag fand lebhaften Beifall. Dann verlas Nestriepkc den schriflich niederlegten Vor- stands- und Geschäftsbericht. Dieser bat zunächst«in Bild von der Entwicklung und den Ereignissen im Geschäftsjahr 1928/20. Die vorgefehene Mitglicderzahl konnte nicht voll erreicht werden, die Arbeit des Vereins wie des eigenen Theaters hatte mit einer sehr ungünstigen Stimmung der Oeffentlichkeit zu kämpfen, und die vom Verein für sein Theater Aufzuwendenden Mittel konnten nicht voll aus den laufenden Einnahmen aufgebracht werden, so daß es nötig war, etwa 180 000 Mark durch Anleihen zu decken. Immerhin gelang es, diesen Betrag zinslos von der Stadt Zu erhalten. Auch brachte das Jahr künstlerisch manch« schönen Erfolge, und die Angriffe von außen konnten das Gros der Mitgliedschaft nicht verwirren. Dem Bericht über das Gc- schäftsjahr 1928/29 folgten wertvolle Mitteilungen über das neue Spieljahr. Die vorgesehenen Abteilungen konnten restlos gefüllt werden, der Besuch der Vorstellungen entwickelle sich so günstig, wie seit langen Iahren nicht, und die künstlerischen Leistungen standen auf voller Höhe. Die anschließend« Diskussion behandelte neben den Referaten auch mehrere Anträge. In einer sehr langen Resolution waren die verschiedenen programmatischen und organisatorischen Forderungen des Arbeitsausschusses der
Sonderabteilungen zusammengefaßt. Die groß« Mehr- heit der Versammlung beschloß, darüber zur Tagesordnung über- zugehen. Mit der gleichen Mehrheit fand ein Antrag Ablehnung, die Volksbühne solle sich der unter koinmunistischcr Führung stehenden „Interessenpcnicinschast für Arbeit erkultur" anschließen, ebenso ein Antrag, der durch eine Satzungsänderung erreichen wollte, daß stets ein Mitglied des Arbeitsausschusses der Sonderabtcilungen der Ver- waltung angehören müsse. Annahme fand dagegen ein Antrag, der dem vorstand Dank und vertrauen aussprach. Die Redner der Sonderabtcilungen suchten diesmal ihre Kritik an der Vereinsleitung in gemäßigtem Ton vorzubringen und zögerten auch nicht, sehr energisch von den Sudclfritzen abzurücken, die seinerzeit das chaus der Volksbühne mit Agitationsphrasen beschmiert hatten. Manche ihrer Behauptungen und Forderungen riefen aber natürlich doch lebhaften Widerspruch hervor.'Mit Heiterkeit wurde der Vor- schlag aufgenommen, die Volksbühne solle Piscator ein Theater ein- richten, und wenn es auch nur„ein kleines" wäre. Natürlich fehlte es nicht an Zurückweisung der von den Sonderabteilungen geübten Kritik. Der Arbeitsausschuß mußte sogar heftige Kritik einstecken. Den Abschluß der Versammlung bildeten die Wahlen. An Stelle des verstorbenen Borsstzenden Springer, dem der Versamm- lungsleiter Eurt Baak« eingangs warm: Worte des Gedenkens gewidmet hatte, wurde mit sehr großer Mehrheit Richard Seidel gewählt. Ein Gegenkandidat war gar nicht vorgeschlagen. Im übrigen wurden alle ausscheidenden bisherigen Derwaltungsmitglieder wiedergewählt. Soweit von der Opposition Gegenkandidaten vorgeschlagen wurden, erhielten sie nur wenige Stimmen. Ein lebhafter Kampf entspann sich um die Berufung eines Ersatzmitgli�des für Seidel in die Bcrwaltung. Gegen den vom Vorstand vor- geschlagenen Robert Breuer wandte sich ein Oppositionsvertrcter, indem er Ausführungen Breuers aus der„Weltbühne", die im Jahre 1918 erschienen waren, zitierte. Breuer verwies darauf, daß schon der Abdruck des Artikels in der„Weltbühne" wohl vor dem Ver- dacht schützen könne, daß er bei seinem Artikel in nationalistischer Kriegsbegeisterung gemacht habe. Wenn sein« damaligen Aus- führungen Mißdeutungen zuließen, so wäre zu berücksichtigen, daß in jener Zeit die Zensur oft weitgehende Verstümmelungen vorge. nommen habe. Die Mehrheit der Dersammlung trug denn auch kein Bedenken, Robert Breuer gegen den von der Opposition vorge- schlagenen Kandidaten die Stimme zu geben. Mit einem H o ch a u f dieBolksbühne schloß der Borsstzende die Bersammlung.
OieGeheimtonten derGklarekS Disziplinarverfahren auch gegen Stadtrat Venecke. Wie die B. S.-Korrespondenz meldet, soll es der Polizei und der Staaisanwaltfchaft gelungen fein, Aufzeichnungen über Geheim- kanten der Gebrüder S k l a r e k zu finden. Die drei Brüder Sklarek sollen, um die Namen prominenter Kunden oder guter Freunde zu verschleicr», die Konten unter Decknamen führen. Hinter der Be- Zeichnung„Gustav" soll«in leitender hoher Beamter der Berliner Stadtverwaltung zu suchen sein, während hinter der Bezeichnung „Hammel" sich ein Beamter der Stadtbanik verbergen soll. Für das Konto des kommunistischen Stadtrats Gäbet soll man die Bc- Zeichnung„Gabriel" gewählt haben, während der kommunistische Stadtrat Degner den Uebernamcn„Dolch" erhielt. Für den Bürger- meister Schneider soll da- Pseudonym„Schuster" gewählt worden sein. Die Gebrüder Sklarek haben bisher die Taktik verfolgt, nichts offen zuzugeben, sondern nmner nur halbe Andeutungen zu machen, so in der Art, daß man zwar nicht offen von ihnen Geld verlangt, daß man aber in schwierigen Situationen die Augen zugedrückt habe, so daß sie sich verpflichtet gefühlt hätten, sich erkenntlich zu zeigen. Die GehcimkonteN werden vom tlntersuchungsrichier jetzt unter Zuziehung gewiegter Sachverständiger und erfahrener Kriminalisten weiter nachgeprüft, denn nur wenn es gelingt,«inen Zusammenhang zwischen der Annahme von Geldern und einem Einfluß auf die Amtstätigkeit der betreffenden Person nachzuweisen, wäre eine Be- strafung aller Angeschuldigten möglich. Zu der Mitteilung über die Geheim kanten der Gebrüder Sklarek wird der B. S.-Korrespondenz von den Stadträten Gabel und Degner, ebenso von dem Anwalt des Stadtbankdirektors Schmitt mitgeteilt, daß die drei Hcrern erklären, sie hätten von den Gebrüdern Sklarek kein« finanziellen Zuwendungen erhalten. Stadtrat Degner teilt ferner mit, daß seines Wissens sein Konto nicht unter dem Namen„Dolch", sondern unter dem Pseudonym „Lindem" geführt worden sei. Diese Mitteilung Hab« er gelegentlich seiner Vernehmung von Oberregierungsrat Tapolski schalten. » Stadtrat B c n e ck e hat gestern bei Bürgermeister Scholtz den Zlntrag aus Einleitung des Disziplinarverfahrens gestellt, um Gelegenheit zu haben, sich gegenüber den gegen ihn er- hobenen Beschuldigungen, die er für unrichtig erNärt, zu verteidigen.
Gefährlicher Warenhausbrand in Köln . Zwei Feuerwehrleute durch Rauchgase gelötet. Köln , 4. November. In der Filiale des Einheitspreiskaufhauses Ehapc in Köln- Ehrenfeld brach am Monkag morgen in dem Reservckellec aus bisher ungeklärter Ursache ein Brand aus. Da bisher der Keller keine Lüftungsanlage aufwies, war ein außerordentlich starker Bauch entstanden. Außerdem konnien durch den engen Keller jeweils nur zwei Feuerwehrleute nach unten vordringen. Als die beiden ersten Feuerwehrleute, m i l Gasmasken versehen, an den Brandherd vordringen wollten und lange ausblieben, sandle man zwei weilere Feuerwehrleute in den Keller, die ihre beiden Kameraden besinnungslos am Loden liegend vorfanden. Man schaffte die Bewußtlosen sofort ins Krankenhaus, wo sie inzwischen gestorben sind. Die Feuerwehr sah sich schließlich gezwungen, um den Brandherd bekämpfen zu können, im verkaussraun, m e h r e r e Lp t» den Fußboden zu schlagen, um zunächst einmot den stärken Rauch abziehen zu lassen. Erst dann gelang es in Mühevöller Arbeik, das Feuer zu löschen. Bei einer Karbidexplosion getöiet. Gasexplosion in der Vrunnenstraße. Gestern nachmittag ereignete sich im Norden Berlins in der Orlhslraße in einem Fabrikbetrieb eine schwere Karbid. explosion, die den Tod eines Arbeiters zur Folge Halle . Der Z2jährige Schmiermeister Artur Schrank hantierte mit einem Karbidapparat, der aus ungeklärter Ursache explodierte. Mit schweren Berletzungei, wurde Schrank in das Birchow-Krankenhaus gebracht, doch war bei seiner Einlieferung der Tod bereits eingetreten. Im Haufe Brunnenftr. 129 ereignete sich gestern abend kurz nach 18 Uhr eine heftige G a s e x p l o s i o n, die in der Haupt- ocrkchrsstraße lebhafte Beunruhigung hervorrief. Es gab plötzlich eine mächtige Detonation, und über den Fahrdamm der Brunnen- straße prasselten Glas- und Holzteile hernieder. Die erschreckten 'Passanten sahen, wie aus de» Fenstern einer Wohnung im zweiten Stockwerk auch gleichzeitig Flammen hervorschlugen. Di« alar- mierte Feuerwehr schlug die Wohnungstllr ein und löschte zunächst das Feuer. Wie die Untersuchung ergab, stand die Wohnung seit 11 Uhr vormittags leer. Der Schlauch des Gaskochers war schadhaft, und im Lause der vielen Stunden bildete sich durch ausströmende Gase ein starkes Gaslustgemisch, das sich an noch glimmenden Kohleteilchen in einem Kachelofen entzündete.
Mörder oder Heiratsschwindler? Festnahme eines Schwerverdächtigen in Duisburg . Am 19. Juni v. Z. wurde, wie damals ausführlich berichtet, das Händlerehepaar Schulz au» Staffelde im kreise Soldin in der Neumart aus der Ehaussce er. mordet und beraubt aufgesunden. Der Täter, der ungesehen entkommen war. muhte beide mil einer sicher gesührlen Parabellum-Pistole niedergeschossen haben. Nunmehr ist es, wie au» Duisburg gemeldet wird, zwei ver. lstchr'SrimStMKramlen ln Zvfammenarbeil mjt der Duisburger Kriminalpolizei gelungen, eine» Hausierer Wilhelm Stellen aus Verl !« festzunehmen, der In dem dringenden verdacht steht, das Händlerehepaar Schulz ermordet und be- raubt zu haben, ver verhaftete wurde nach Berlin über- geführt. Bei den Nachforschungen zur Aufklärung des furchtbaren Ber - brechen? lenkte sich nach der Tat der Verdacht auf einen Russen, der in der Gegend unter dem Namen„A lex" bekannt war. Er hatte erzählt, daß er früher russischer Ossizier gewesen fei. Jetzt betrieb er einen Handel mit Wäsche in den Schnitter- kafernen. Als man ihn vernehmen wollte, war er aus der Gegend verschwunden und ist bisher noch nicht wieder aufgetaucht. Er hatte Papiere auf den Namen„W ilhelm Sielten, geboren am 26. Januar 189S in Hinsbeck" bei sich. Bor einiger Zeit erstattete nun bei der Berliizer Kriminalpolizei ein junges Mädchen Anzeige gegen einen Mann namens Wilhelm Sielten wegen Heiratsschwindels, der sie um 1000 Mark geschädigt hatte. Auch er hatte sich als russischer Offizier bezeichnet. Nach diesem Sielten wurde jetzt gefahndet und er wurde jetzt in Duisburg fest- genommen und noch Berlin gebracht. Verschiedene Umstände, deren Prüfung noch nicht abgeschlossen ist, lassen es allerdings zweifelhast erscheinen, ob dieser Heiratsschwindler Sielten identisch ist mit jenem Alex, der zu dein Kreise der Mordverdächtigten gehört. Grünauer Strasienbahuunglück vor Gericht. Der Zusammenstoß zweier Straßenbahnwagen in Grünau am 21. Juli 1928 gegen 9 Uhr abends beschäitigi- das Schöffengericht Berlin-Mitte. An dem Unglückstage, einem sehr heißen Sonntagabend, war ein Wagen der Linie 83 E
infolge falscher Weichen st ellnng ans das andere Gleis geraten und auf einen aus entgegengesetzter Richtung kommenden Wagen aufgesahren. Bei dem Zusaunnenftoß wurden SO Per- sonen mehr oder weniger schwer verletzt. Angeklagt war der Fahrer der Linie 86 E, Willy B. Er gab zu seiner Ver- teidigung an. daß er das erstemal aus dieser«trecke gesahren sei und sich das Unglück nicht erklären könne. Das Gericht erkannte wegen fahrlässiger Körperverletzung aus eine Geldstrafe von 150 M. Meuterei in rumänischem Zuchthaus. 34 Sträflinge sind seit Qbkr einem Monat im Hungerstreik. Lokarest. 4. November. Im Zuchthaus zu D o j t e a n a. wo sich A 4 S t r ä f l i n g e seit mehr als einem Monat im H u n g e r st r e i k befinden, ist ein« Meuterei ausgebrochen, an der sich jedoch nur einige Sträflinge beteiligten. Die Meuterei steht in keiner Verbindung mit dem Hungerstreik, sondern ist darauf zurückzuführen, daß drei Straf- lingen, die in«ine andere Strafanstalt abtransportiert werden sollten, ihr« Wertsachen nicht ausgehändigt wurden. Die Zuchthaus- leitung ließ ein starkes Aufgebot von Polizeibeamten kommen, mit deren Hilfe die Ueberführung der drei Sträflinge ohne weiteren Zwischenfall durchgeführt wurde.
Tachftnhlbraud in Treptow . Am Montagabend brach gegen 20 Uhr im Dachstuhl des Hauses G r a e tz st r. S 1 in T r e p t o w— im Nachbarhaus befindet sich eine V o r w ä rt s f i l i a l e— aus noch unbekannter Ursache Feuer aus. Ein starker Feuerschein gab dein zuerst am Brandort erscheinenden Löschzng Veranlassung sofort II. Alarm an die Hmiptwache in der Lindenstraße uniiterzumelden. Obgleich die Flammen schon«inen erheblichen Teil des Dachgebälks ergriffen hatten, wurde der Brand bereits nach halbstündiger Tätigkeit gelöschr.
Die Ausstellung„kriegsgtäberfürsorge" in der Neuen Wache ' ist wegen des starken Besuches bereits bis einsck)Iießlich Sonntag. den 3. Novemiber, verlängert worden. Da auch jetzt noch das In- tsrefje für die Zlusstellung offenbar groß ist, wird der Balksbund Deutsche Kriegsgräbcriüriorge die?lu°stellung van Bußtag, den 20. Nooember, bi? einichließ'.ich Totensonntag , den 24. November. nochmals össncn. Eintritt ist tu:« bisher frei.