Nr. 148.
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Vorwärts
8. Jahrg.
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Redaktion: Beuth- Straße 2.
Sonntag, den 28. Juni 1891.
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Expedition: Beuth- Straße 3.
Untergrund, ursprünglich Flußboden, im Laufe der Jahr nichten könnte, haben die Grundbesitzer der Elbmarschen tausende sich allgemach durch den abgesetzten thonerdehal- Biegeleien über Ziegeleien angelegt. Sie rechneten sich tigen Schlamm erhöhte. Je weiter dem Meere zu, desto aus, daß bei den gegenwärtigen günstigen Absatzverhältbemerkbarer machen sich diese Ablagerungen, da das Stag- nissen für Ziegel sie durch den völligen Abbau der ThonWieder einmal hat der emeritirte Schutzpatron des niren des Wassers beim Fluthwechsel eine Beschleunigung schichten in kurzer Zeit eine viel höhere Summe herausdeutschen Großbetriebes die Gelegenheit wahrgenommen, des Niederschlages bewirkte, und da die Ablagerungsmassen schlagen würden, als sie je hoffen könnten, auch nur anin Friedrichsruh einigen Bewunderungspilgern, mit denen selbst durch den aus dem Meere herbeigeführten Schlick nähernd durch den freihändigen Verkauf ihres Besitzthums er sich als ihr Betriebsgenosse in doppelt erfreulicher Jn verstärkt wurden. Sobald die Ablagerung so hoch wurde, als Objekt des landwirthschaftlichen Betriebes zu erzielen. teressengemeinschaft befindet, seinen sachverständigen Segen daß nur in Ausnahmefällen die Fluß- oder Meergewässer Was schiert es sie, daß der Nationalwohlstand auf das zu ertheilen. Was Fürst Bismarck den deutschen Ziegel- sie überfluthen konnten, siedelten sich Menschen darauf an, schwerste durch die Umwandlung weiter Strecken fruchtund Kalkbrennern vorplauderte, kann uns allerdings wenig zunächst auf künstlichen gegen die Hochfluth gesicherten Er- baren Landes in Dedland geschädigt wird, daß die künftigen intereffiren, obgleich in zahlreichen deutschen Zeitungen mit höhungen, den„ Worthen". Eine der Wesermarschen, das Generationen unseres Volkes darunter zu leiden haben wichtiger Miene diese herzlich breite Wassersuppe dem ehrsamen" Land Wursten ", bewahrt noch heute die Erinnerung an werden, wenn gegenwärtig die Geldgier einiger GrundReichsbürger als willkommene Geistesnahrung aufgetischt fene Zeit in seinem Namen, denn Wursten ist eine Bu- befizer befriedigt wird! Nach der herrschenden Auffassung wird. Aber daß überhaupt der arrondirungssüchtige Besitzer sammenziehung von Worth- Saten. Später haben die vom Wesen des Grundeigenthums haben sie durchaus des Sachsenwaldes und mit ihm die andern Ziegelbrenner" worthfässigen" Ansiedler ihre Marschen eingedeicht und noch recht. ,, worthsässigen" Ansiedler ihre Marschen eingedeicht und noch recht. Ihre Kalkulation stimmt auffallend: Sie verder Elbmarschen es für angezeigt gehalten haben, sich mit ihrem heute werden solche Polder genannte Marschstücke dem Flusse werthen ihr Eigenthum" im offenen Markte zum größt Betriebe vor der Oeffentlichkeit zu brüsten, läßt es uns oder Meere abgewonnen, unter Anderem an der Unterelbe bei möglichen Nutzen für sie selbst. Manchesterliche Theoretiker, nicht minder rathsam erscheinen, einmal diesen Betrieb Dithmarschen . Geschah die Einpolderung zu früh, so sind die es ganz in der Ordnung finden, daß Tausende von und seine gemeinschädlichen Folgen näher zu beleuchten. Die Marschen der Gefahr der Versumpfung durch ein- Menschenleben vernichtet werden, sofern nur der klingende Zum Ziegelbrennen nimmt man die Thonerde, die sickerndes Flußwasser ausgesetzt, wie denn eine solche Ver- Verdienst der Unternehmerklasse, der sich nach ihrer Aufschwerste und fruchtbarste Erdart, welche wir der Auf- fumpfung von dem Lande Stadingen am linken Weserufer fassung mit dem Nationalwohlstande deckt, mächtig anlösung gewisser Gesteinarten durch die Jahrtausende nur durch die ständige Thätigkeit der windmühlengetriebenen schwillt, werden noch weniger etwas dagegen einzuwenden haben, daß Grund dauernde Arbeit des Wassers und den Niederschlägen Schöpfräder abgewendet werden kann. daß der und Boden zu dem diefer aufgelösten Massen in den Betten fließender Ge- Aus der Darlegung dieser Verhältnisse erhellt wohl nämlichen löblichen Zweck verthan wird. Und doch wässer verdanken. Wenn im Binnenlande folche Thon schon zur Genüge, welche große Gefahr durch den Abbau liefert dieser Auspowerungsprozeß, der sich in den Elbschichten zum Biegelbacken ausgebeutet werden, so hat das des eingedeichten Marschbodens für diese Marschen herauf- marschen unter der Mithilfe und Segenspendung des feine große Gefahr für die fernere Nutzbarkeit des Bodens, beschworen werden kann. Ganz abgesehen davon, daß der Fürsten Bismarck vollzieht, einen so schlagenden Beweis sofern nur wenigstens die Vorsicht beobachtet wird, den gänzliche Abbau bis auf die Sandsohle die Nutzbarkeit des für die Verderblichkeit des geltenden Besitzrechts, insbe Thon nicht bis zur völligen Erschöpfung bis auf den jetzt einer dichten Bevölkerung Unterhalt gewährenden sondere des Bodenbesitzrechts, wie wir ihn uns gar nicht sandigen Untergrund, sondern nur bis zu einer gewissen Bodens völlig vernichten würde, kann auch schon eine Er- besser wünschen können. Gebieterisch drängt sich da die Tiefe abzubauen. Anders liegt die Sache aber in solchen niederung des Marschniveaus durch beschränkten Abbau Frage auf, ob es nicht die höchste Zeit ist, daß dem Landstrichen, welche das Gestade fließender Ströme, be- die Versumpfung eines Landstrichs zur Folge haben. Und bodenverwüstenden Treiben der Marschbauern sofort ein sonders von deren dem Fluthwasser des Meeres aus diese Gefahr haben wir thatsächlich ins Auge zu fassen. Halt geboten wird. Der Wohlstand, ja die Existenz jener Die Zunahme der Bauthätigkeit in Hamburg und Gegenden für alle Zukunft ist in Frage gestellt, und da geseztem Unterlauf bilden. Dort kann der Abbau der Thonschichten zur voll- feinen Nebenorten schuf in den letzten Jahrzehnten ein muß trotz der Unzulänglichkeit unserer bestehenden Rechtsständigen Vernichtung des Grund und Bodens führen. immer stärkeres Bedürfniß an Ziegelsteinen. Da geriethen sagungen der alte Grundsatz sich Geltung verschaffen: Diese Gefahr droht thatsächlich den Marschen der Unter- die Marschbauern der Unterelbe, die gleich allen Grund- Das öffentliche Wohl ist das höchste Gesetz". elbe, wo der ehemalige Reichskanzler, der durch eifriges besitzern stets von der Vorstellung verfolgt werden, daß " Bauernlegen" in Hinterpommern sich um die Entvölke- fie lange nicht genug aus ihrem privaten Grundbesitz rung des platten Landes und die Uebervölkerung der von herausschlagen, auf den Gedanken, ihren schweren Thonihm so sehr gehaßten Großstädte mit Erfolg bemüht hat, boden zu Ziegeln zu verarbeiten, für welche bei der bejetzt auch durch die Auspowerung" der Marschen sein quemen und billigen Wasserverbindung die Stadt Ham uneigennütziges Intereffe für die Landwirthschaft beweist. burg ein lohnendes Absatzgebiet darbot. Verstärkte Nach- Theil als halboffiziös gelten kann, damit, die russischen Das Binnenland, sowohl rechts wie links der Unter- frage nach Biegeln erwuchs dort zu Lande in der jüngsten Rüstungen als ganz besonders drohend auszumalen. Wir elbe, besteht aus der sogenannten Geest, einem nur spär- Beit aus dem Bau des Nord- Ostseekanals, dessen Bedarf sind nicht im Detail über die russische Heeresorganisation inlichen Anbau gestattenden Haideboden, in dessen Mulden gleichfalls durch billigen Wassertransport von der Unter- formirt; da aber die in Rede stehende Presse ungefähr dieselbe ist, Ünbekümmert darum, welche im Frühjahr 1887 den großen Lügenfeldzug im Interesse sich große Moore gebildet haben. Zwischen der Geeft elbe aus befriedigt werden konnte. des Kartells unternommen hat, so können wir ihr keinen Glauben und den Flüssen, zu beiden Seiten der Elbe und der daß ihr gemeingefährliches Bodenabbau- Verfahren die Nuß - schenken. Wie damals gelogen worden ist, kommt jetzt erst nachWeser, erstrecken sich die fruchtbaren Marschen, deren barkeit ihres Besitzthums für spätere Beiten gänzlich ver- träglich heraus. Wie ist nicht bei jenen Wahlen unseren Spieß
Feuilleton.
Nachbruc verboten.]
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Die Falkner von St. Vigil. Roman aus der Zeit der bayerischen Herrschaft in Tyrol von Robert Sa, weichel.
Die europäische Gefahr.
Seit einiger Zeit beschäftigt sich eine gewisse Presse, die zum
hatte, bis nichts mehr aus ihm herauszupressen gewesen Jetzt konnte Jerg auf dem Hofe den unumschränkten war. Max Lichtenstern hatte sich auch gleich bereit erklärt, Gebieter spielen, wenn ihn noch danach gelüftete. Und es gedem Klosterbauer beizustehen. Wenn er dafür bei den un- lüftete ihn danach, zunächst aus Rache. Hatte das Gesinde sicheren Zeiten Zwanzig von Hundert und für seine Mühe- ihn bisher nicht als Haussohn anerkennen wollen, so vergalt waltung denn er selbst besaß natürlich das Geld nichter es ihm nun in kleinlicher, brutaler Weise und erbitterte ein Wechselchen auf sechs Monate über zweitausend Gulden dasselbe dadurch in solchem Grade gegen sich, daß er eines verlangte, so waren das gewiß günstige Bedingungen. Dem Tages von einem Knechte, an dem er ohne Grund herumKlosterbauer war der kalte Schweiß auf die Stirn getreten nörgelte, mit der Mistforke erschlagen worden wäre, wenn und er war schweigend fortgegangen. ihn der zufällig anwesende Großknecht nicht rechtzeitig bei
Es war zu Ende! Er mußte das Gehöft seiner Väter Seite gerissen hätte. Diese Warnung fruchtete jedoch nur Der Klosterbauer fuhr in die Höhe, als ob er wirklich verlassen, war aus seiner Höhe herabgestürzt, sein Hoch- so viel, daß er später, wenn er die Leute hudelte, sich geschlafen hätte, stieg mühsam ab und schweren Schrittes muth gelähmt, sein Ehrgeiz zertrümmert. Es giebt Leute, weislich hütete, ihnen zu nahe zu kommen. Am meisten die Treppe hinauf, während ein dazu gekommener Knecht die nichts haben, nichts bedeuten und sich dennoch das Höchste ergrimmte ihn, daß der Klosterbauer ihn, den pfiffigen das Gespann wegführte. In der Stube ließ er sich wie dünken. Der Klosterbauer besaß ihre Einbildungskraft nicht. Jerg, übertölpelt hatte, wie er sich ausdrückte, und von aller Kraft verlassen in den Armstuhl fallen. Jerg be- Das Fußgestell seiner Größe war der Klosterhof; es war er infolge dessen in den Augen der Vigiler als ein trachtete ihn mit haßfunkelnden Augen und wieder schüttelte zerschlagen und er lag verstümmelt am Boden, ein Spott Dummikopf erscheinen mußte. Der Hof war für ihn vers er ihn heftig an der Schulter und zischte, er sollte endlich den der Leute, auf die er bisher herabgesehen hatte. Das nagte loren; aber Lisei blieb ihm das mußte der Welt als der Mund aufthun und sagen wie es stände? Der Klosterbauer und zerrte und fraß fortwährend an ihm; das war der Gipfel der Lächerlichkeit erscheinen und es ist nicht zu starrte ihn einige Sekunden lang aus völlig verglasten Augen an schwarze Punkt, auf den feine Augen unablässig gerichtet sagen, welchen Haß er gegen die Unglückliche zu hegen und röchelte, indem er den Kopf auf die Brust sinken waren, und er verdunkelte ihm die ganze Welt. War er begann. selbstsüchtig im Glücke gewesen, so war er es in seinem Als er seinen Rausch ausgeschlafen, in dem er Lisei als ließ: Unglück nicht minder. Lisei suchte ihn zu trösten, zu den Zerstörer ihres Liebesglückes sich offenbart, hatte er auf Ferg wechselte die Farbe. Der letzte Versuch, den Hof erheben, oder wenigstens von dem Brüten, in dem er seine einen höchst unerquicklichen Auftritt mit seiner Frau fich zu retten, war gescheitert: das bedeuteten diese Worte, und Tage verbrachte, abzulenken. Er duldete, daß sie bei ihm gefaßt gemacht. Allein er hatte umsonst mit einer ehernen er verließ die Stube, ohne sich weiter um den Klosterbauer, saß und zu ihm redete; allein er blieb für ihren liebevollen Stirn fich gepanzert. Es giebt eine Schlechtigkeit, die so dem ein Schlagfluß drohte, zu bekümmern. Zuspruch eben so unempfänglich, wie für den Spott und ungeheuerlich ist, daß man ihr gegenüber nur verstummen und Lisei erwähnte der Aeußerungen, die ex Bon Jerg gedrängt, hatte der Klosterbauer nach hartem Hohn, mit denen Jerg sich jetzt für seine getäuschte Habsucht tann, mit feinem Worte. Wie bei Kampfe mit sich selbst den Schritt gethan, vor dem Hart- an ihm rächte, wo er konnte. Den Hof verließ der Kloster- im Rausche gethan, wanger gewarnt hatte. In der schmalen und schmutzigen bauer nicht mehr, aus Furcht, in den Mienen der Menschen einem Erdbeben der Boden sich spaltet, so war bei Jergs Hintergasse Brunecks, die sich an dem Fuße des Schloßberges den schadenfrohen Triumph über seinen Fall zu lesen. Kaum, Geständniß, daß seine Machenschaft Wolf Lechner aus Vigil hinklemmt, haufte ein dunkler Ehrenmann, der schon Manchem daß er überhaupt einmal aus dem Hause ging. Um die vertrieben hätte, ein Abgrund zwischen ihnen aufgeborsten, der bis in die tiefften Tiefen ihres Gemüths ging. Erst in ähnlicher Lage geholfen und ihn über Wasser gehalten Wirthschaft kümmerte er sich nicht.
Es ist alles zu Ende!"