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Morgenausgabe

Nr. 523

A 263

46.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

Donnerstag

7. November 1929

Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.

111g Ronparetezefis 80 Bfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart Rletne Anzeigen das elige Drudte Wort 25 Bfennig zufällig mel fengebrudte Worte). tedes meitere Bor 12 Biennig Stellengefuche das erite Bort 15 Blennig, jebes mettere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben gablen für zwei Borte Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Famillenanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupt welchäft Lindenstraße 3, wochensägli con 8 bis 17 Ubr.

Hentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3 Vorwärts- Verlag G. m. b.H.

Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  .

Bolfsentscheid im Dezember.

Reichstag   27. November.  - Ergebnis der Besprechung beim Reichskanzler.

Am Mittwoch nachmittag traten in der Reichskanzlei die Führer der Regierungsparteien unter dem Borsiz des Reichs­tanzlers Müller und in Anwesenheit der Minister Curtius, v. Guérard, Hilferding   und Seve ring zu einer Sigung zusammen, auf deren Tagesordnung eine Besprechung über die bevorstehenden Arbeiten des Reichstages stand. Es herrschte darüber Einigkeit, daß dem Aeltestenrat des Reichstages die Einberufung des Reichstages für den 27. No vember vorgeschlagen werden soll. In dieser Tagung soll zuerst neben anderen dringenden Aufgaben, mie dem Re­publitschuhgesez, dem Gesetz über ältere staatliche Renten( Standesherrengesez), und dem Notgesetz zur Berlängerung des am 31. Dezember abgelaufenen 3011 tarifgefeges auch das Boltsbegehren beraten und verabschiedet merden.

Des weiteren waren die Regierungsparteien der Ansicht, daß der BoIfsentscheid sobald als möglich burchgeführt werden sollte, mas ja auch den pon

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deutsch nationaler Seite an maßgebender Stelle vor getragenen Wünschen entspricht.

Boftscheckkonto: Berlin   37536. Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65. Dt. B. u. Dist.- Ges., Depositenkasse Lindenstr. 3.

Ein Roggenskandal.

Privatgeschäfte auf Roften des Reiches.

Seit einigen Tagen ertönt in einigen Blättern der demo­fratischen Preffe das Wehgeschrei des sogenannten freien Getreidehandels darüber, daß ernsthafte Bersuche gemacht merden, zwischen der Deutschen   Getreide- Handelsgesellschaft m. b. H., die vorwiegend mit Mitteln des Reiches arbeitet der Preußenkaffe und der Rentenbank Kreditanstalt beherrscht und der Getreide- Industrie- und-Commission- 2.- G., die von wird, ein lebereinkommen zu schaffen, das die Grundlage einer mirtsamen Roggenstübung bilden soll

scheid in diesem Jahre durchgeführt würde. Dar­Die Regierung erflärte darauf, daß der Boltsent­aus ergibt sich, daß die von verschiedenen Seiten geäußerte Besorgnis völlig unbegründet ist, als könnte durch die weitere Behandlung des Boltsbegehrens und der Bolksabstimmung Diese Verhandlungen gehen zurück auf die unmittelbare die verfassungsmäßige Erledigung des Beschlüffe der bepornitiative des Reichsernährungsministers. stehenden zweiten Haager   Konferenz und des Young- Planes Irregeführt durch Angaben der Leitung der Deutschen Ge eine Berzögerung erleiden. treide Handelsgesellschaft und von Bertretern des freien Han dels, hatte Dietrich in einer Rede, die er vor einigen Wochen in Mannheim   hielt, der Getreide- Industrie- und Commission­| 2.-G. vorgeworfen, ihre Tätigkeit diene nicht den Interessen der Landwirtschaft. Die Getreide- Industrie- und Commission= A.-G. hat ihn alsdann von der völligen Unrichtigkeit seiner Vorwürfe überzeugt, die er dementsprechend auf der Tagung sten Weise zurücknahm. Gleichzeitig unternahm er Schritte, des Deutschen Landwirtschaftsrates in Münster   in der loyal um Mißverständnisse, wie sie hier zwischen den beiden Gesell­schaften zutage traten, ein für allemal unmöglich zu machen und ihre Zusammenarbeit sicherzustellen.

Auch die durch den Auszug der Zentrumsper treter aus dem Rechtsausschuß geschaffene Situation wurde zur Sprache gebracht. Man tam nach länge ren Debatten dahin überein, daß in der nächsten Zeit die Reform der Ehescheidungsgesetze und die anderen dem Rechts­ausschuß vorzulegenden Entwürfe in einer Ronferen 3 der Regierungsparteien diskutiert werden sollen.

Dem Andenken Hugo Haases. heidungsreform, die pratriſch ſchon mit dem Wiedereintritt Getreide- Induſtrie- und Commiſſion- A.- G. um Berieum­

Bu feinem 10. Todestag.

Heute vor zehn Jahren erlag Genosse Hugo Ha a je den Folgen eines Attentats, das ein Irrfinniger auf ihn verübt hatte. Die sozialistische Arbeiterbewegung verlor einen Mann, dem sie viel verdankte und von dem sie noch viel erwartete.

Haase, der am 28. September 1863 in Allenstein   in Oft preußen geboren war, hatte Rechtswissenschaften studiert und fich früh der sozialdemokratischen Bewegung angeschlossen. Schon als Referendar hatte er den harten Boden seiner oft­preußischen Heimat zu bearbeiten begonnen und sich Achtung und Vertrauen der Arbeiter erworben. Als Rechtsanwalt in Königsberg   war er ein mirflicher Anwalt des Rechts und Schüßer der Bedrängten. Er wurde bald in die Stadtverord­netenversammlung und 1897 auch in den Reichstag   geschickt, mo der glänzende Jurist und, weitschauende Politiker bald eine angesehene Stellung gewann. Nach dem Tode Paul Singers wurde er mit Bebel, nach dessen Tode mit Ebert Vor­fizender der Partei.

In den inneren Kämpfen der Partei hatte Haase stets auf der Linken gestanden, deren Führung er dann auch wäh rend des Krieges übernahm. Die Spaltung wurde ihm, wie jedem guten Sozialdemokraten, ein tieferschütterndes Er­lebnis, und er empfand es schwer, daß die vorübergehende gemeinsame Arbeit im Rate der Boltsbeauftragten mit einem Bruch endete. Es ist tieftragisch, daß dieser Mann, in dem tiefinnerst der Wille zur Einigkeit aufs stärffte ausge­prägt war, den Tag der Wiedervereinigung nicht mehr er­leben durfte.

Die diesjährige Revolutionsfeier im Sportpalast( Sonn­abend, den 9. November), wird sich zugleich zu einer Gedenk­feier für Hugo Haase   gestalten, dem Genosse Artur Crispien Worte der Erinnerung weihen mird.

Boffspartei und Zentrum. Minister als 3ntereffenten.- Brutalität im Ehefonflitt Dem Breffedienst des Zentrums wird aus Parteitreisen geschrieben:

Wir kennen die Wünsche und Forderungen der Deutschen Bolts­partei, die darauf hinauszielen, unter allen Umständen wieder das Reichswirtschaftsministerium zu besetzen. Es sind in erster Linie Wirtschaftstreife, denen persönliche Interessen näher zu liegen scheinen als die Interessen bes Staates und des gesamten Boltes. Gegenüber diesen Bestrebungen der Deutschen Volkspartei   haben wir berechtigte Be­denten, die nur auf fachlichem Gebiete liegen und in feiner Weise personelle Wünsche betreffen.

Während man so vom Zentrum aus Töne gegen die Volkspartei anschlägt, die alles andere als freundlich sind, läßt es auch die Bolkspartei dem Zentrum gegenüber an Deutlichkeit nicht fehlen. Ueber den Auszug des Zentrums­vertreters aus dem Rechtsausschuß schreibt die Kölnische Beitung":

politischer Rücksichtslosigkeit geboten. Die Sabotage der Ehe des Zentrums in das Reichskabinett und mit der llebertragung des Reichsjustizminifteriums an ein Mitglied der Zentrumsfrattion be gann, die aber bisher mit den unauffälligeren und bequemeren taum überbietbaren Brutalität auf die Spize getrieben worden Mitteln der Berschleppungstaktif betrieben wurde, ist jetzt mit einer Die Ertlärung des Sentrumsvertreters im Rechtsausschuß schlägt den Grundforderungen, die an jeden Partner einer Koalitionsregie rung zu stellen sind, ins Gesicht. Wenn sich wirklich die Befürchtung erfüllen sollte, die mir bei der ersten Kabinettskrise im Jahre 1928 aussprachen, daß, nämlich die Rücksicht auf den Koalitionsbestand und das Zentrum jebe positive Gesezesarbeit lähmen könnte, dann würden wir diese Koalition für diese und die nächste Zukunft nicht mehr empfehlen können.

Auch wir sehen die Schwierigkeiten wo ist der Aus­weg? Er wird erst dann zu finden sein, wenn die Sozial weise mit dem Zentrum oder den Liberalen eine Mehr­demokratie start genug geworden sein wird, um wahl heit bilden zu können. Will uns die Köllnische Zeitung" dabei helfen? Oder hat sie einen anderen Vorschlag?

Gemeindewahlfiege in Schottland  .

Absolute Labour- Mehrheit in Glasgow  .

London  , 6. November.( Eigenbericht.)

Die schottischen Munizipalwahlen haben der Arbeiterpartei einen Gesamtgewinn von 17 Sigen gebracht. Die Arbeiterpartel hat 35 Sige neu gewonnen und 18 bisherige Site verloren. Ju Glasgow erzielte die Arbeiterpartei mit 102 998 Stimmen eine absolute Mehrheit über die unter der Marte Gemäßigte" zusammengefchloffenen bürgerlichen Parteien, die ins­gefamt 83 635 Stimmen erhielten.

Ameritas Sozialisten hoffnungsvoll.

o New Yort, 6. November.( Eigenbericht.) Die amerikanischen   Sozialisten haben unter dem Einbrud ihres großen moralischen Erfolges bei den New- Yorter Bürgermeisterwahlen beschlossen, ihre politische Organisa tion nach dem Muster der Labour Party   auszubauen. Der sozialistische Kandidat Thomas erklärte nach der Befanntgabe des Wahlergebnisses, die Höhe der sozialistischen   Stimmen sei eine Warnung an das demokratische Hauptquartier und werde das Wachstum der sozialistischen   Bartei in Amerika  fördern.

Wähler- Versammlungen

Heute:

Prenzlauer Berg  , Neukölln, Lichtenberg  , Köpenick  , Tempelhof  , Lichterfelde  , Kreuzberg   und Lichtenrade  . Morgen:

Mitte, Wedding  , Prenzlauer Berg  , Schöneberg  , Char­ lottenburg  , Steglitz, Zehlendorf, W.ißensee, Tegel  und Reinickendorf  - West.

Näheres im Innern des Blattes!

Obwohl durch die Erklärung des Ministers ausreichend flargestellt ist, daß es sich bei diesen Angriffen gegen die bungen handelte, segen einige Zeitungen ihre Angriffe auch neuerdings noch fort und suchen die Zusammenarbeit der beiden Firmen zu hintertreiben. handels und einiger weniger Zeitungen, die man in folchen Hinter diesem Kampf des sogenannten freien Getreide­Fragen nicht mehr allzu ernst nehmen fann, stehen, wie dies immer zu sein pflegt, höchst reale Interessen. Es. ist an der Berliner   Produktenbörse schon längst fein Geheim­nis mehr, daß es ein Bergnügen ist, mit der Deutschen Getreide- Handelsgesellschaft Geschäfte zu machen, bei denen das Risiko klein und die Gewinnchancen um so größer sind. An der Berliner   Produktenbörse bedauert man freilich ebenso allgemein, daß nur wenige Firmen diese risikolosen Gewinne einstecken fönnen. Dies sind die Firmen Kampff­meyer, Rabel u. Co., Artur Lehmann, Martin L. Cohn, Gebr. Tiemann.

Borstande ber Broduttenbörse an! Die Firma Die Inhaber der erstgenannten vier Firmen gehören dem Kabel u. Co.( Inh. Gustav Reißner) hat vor der Aktivität der Deutschen   Getreide- Handelsgesellschaft vorwiegend mit Mehl gehandelt, ist also besonders berufen, sich jezt auf Roggen ume zustellen. Gleichzeitig sizt ihr Inhaber im Beirat der Deut­schen Getreidehandelsgesellschaft. Die Firma Artur Lehmann handelte in früheren Zeiten vorwiegend mit Futtermitteln. und Auslandsgetreide; auch bei ihr ist das Interesse am in ländischen Roggen erwacht, als das Geschäft mit der Getreide­handelsgesellschaft sich lohnte. Die Firma Gebr. Thiemann, deren Inhaber nicht zum Börsenvorstand gehört, handelte früher vorwiegend mit Saaten und Effekten.

Unternehmen, fo würden diese Vorgänge im höchsten Maße Wäre die Deutsche Getreibehandelsgesellschaft ein privates uninteressant sein. Tatsächlich aber handelt es sich hier um ein Unternehmen, an dessen Eigenkapital zwar nur Private ( die Bezugsvereinigung der deutschen Landwirte, das Kali­Syndikat und das Stidftoff- Syndikat) beteiligt sind, das aber To gut wie ausschließlich mit Reichsmitteln arbeitet, die ihm im Betrage von rund 28 Mil lionen Mart zu einem 3insjag von Proz ( Reichsbant- Diskontsag 7 Broz.) zur Verfügung stehen, ohne daß bisher das Unternehmen auch nur einen Pfennig Zinsen an das Reich abgeführt hätte. Zu dieſem billigen Kredit sind neuerdings noch Zuschüsse getreten; fie belaufen sich bisher auf fast 4 Millionen Mart, die zum Teil ohne parlamentarische Bewilligung gegeben worden sind. Es ist anzunehmen, daß darüber hinaus noch weitere Mittel angefordert werden dürften.

Der Reiz des Geschäftes mit der Deutschen Getreides handelsgesellschaft liegt darin, daß sie den Einkaufsfirmen, die für fie tätig sind, übermäßige Rommissionen zahlt. Bei den Einfäufen, die nicht auf der Grundlage des tommiffionsweisen Handels geschehen, ist mangels einer aus reichenden Kontrolle der Handel in der Lage, beim Land­wirt billig einzutaufen und der Deutschen   Getreide­handelsgesellschaft teuer zu vertaufen. Auf diese Weise find stellenweise Beträge von bis zu 20 Mart pro Tonne ver dient worden. Es soll sogar vorgefommen sein, daß die Deutsche Getreidehandelsgesellschaft das von ihr teuer gekaufte Getreide mit erheblichem Berlust abstieß. um es wenige Tage darauf wiederum teuer einzukaufen. Während in den drei Monaten der Stügungsaftion der Roggenpreis um über 30 Mart zurüdging und die Stügungsattion für die

Das Bentrum hat eben im Rechtsausschuß des Reichstags ein Kulturbeispiel kulturpolitischer Intoleranz und regierungs- Für Sozialistischen Aufbau! Für ein sozialistisches Berlin  ! andwirtschaft wirtungslos blieb, haben die