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Nr. 52546. Jahrgang

1. Beilage

1. Beilage des Vorwärts

Kommunist Lange geohrfeigt!

Sozialdemokratischer Parteiveteran vollzieht die Abstrafung.

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Die Berliner Stadtverordnetenversammlung trat gestern zum legten Male vor den Wahlen zusam­men. Sie fam nicht weiter als bis zum ersten Punkt der Tages­ordnung, zu der Beratung des tommunistischen Mißtrauens­antrages gegen Oberbürgermeister Böß. Die Kom­munisten hatten sich darauf vorbereitet, diese leßte Sigung zu einer Abschiedsfeier in ihrem Sinne zu gestalten und das gelang und das gelang ihnen. Das wüste Geschimpfe, mit dem der Kommunist Lange seine den Antrag begründende Rede schmückte", fand, wie üblich, bei den Deutschnationalen verständnisinnige Zustimmung. Bei der von unserem Genossen Flata u vorgetragenen Erklärung über die Stellungnahme der sozialdemokratis en Frattion und die Gründe ihrer abwartenden Haltung machyten wieder die Deutschnationalen mit den Kommunisten gemein­same Sache, und beide beantworteten die Erklärung mit höhnendem Lärm. Als im Schlußwort der Kommunist Lange die Mitglieder der sozialdemokratijchen Fraktion politische Be­trüger übelster Art" zu nennen sich erfrechte, übermannte unseren alten Genossen Tempel der Born. Der in schwerer Zeit der Partei bewährte, jetzt im 71. Lebensjahr stehende Parteiveteran schritt zur Tribüne und hieb dem Lange ins Gesicht. Der Kommunist Beschte warf unseren Genossen Tempel zu Boden, hinzuspringenden anderen Genossen gelang es aber, den Bedrohten aus den Händen des Kommunisten zu befreien. Die Sigung endete dann im Tumult.

*

Auf eine bringliche Anfrage der demokratischen Frattion antwortete Bürgermeister Scholtz, daß die eben beendete Amerikareise der Magistratsmitglieder geringere Kosten ver­ursachte, als die vorhergegangenen Reisen. Dann gab

nung

Bürgermeister Scholh folgende Erklärung ab:

Der Oberpräsident der Provinz Brandenburg hat heute den Antrag des Oberbürgermeisters Böß auf Eröff des Disziplinarverfahrens genehmigt. Böß ist zunächst auf vier Wochen beurlaubt. Der Ober­präsident hat gebeten, den städtischen Körperschaften Kenntnis davon zu geben, was hiermit geschieht. Zu dem Mißtrauensantrag der Kommunisten gegen den Oberbürgermeister wird sich der Magistrat nicht äußern.( Buruf des Stadtv. Lange( Romm.): Das ist die Schiebung! Glocke des Borstehers.) Während das Disziplinarverfahren läuft, tann der Magistrat sich nicht äußern. ( Zuruf des Lange: Das ist die Schiebung, auf die wir gewartet haben!)

Als dienstältester Stadtrat gab namens der Magistratsmitglieder Genoffe Wuhti ebenfalls eine Ertlärung folgenden Inhalts ab:

,, Ohne Befragung des Magistrats ist am Dienstag dieser Woche von einem Berliner Abendblatt der Telegrammwechsel mit dem auf der Amerikareise befindlichen Herrn Oberbürgermeister veröffentlicht und der Vorwurf gegenüber Herrn Bürger. meister Scholz daran geknüpft worden, daß er die in Amerika weilenden Magistratsmitglieder unzureichend informiert habe. Demgegenüber ist zunächst festzustellen, daß entgegen der eindeutigen und gerade deshalb irreführenden Ueberschrift der bezeichneten Beröffentlichung der Telegrammwechsel ver stümmelt wiedergegeben worden ist; denn er umfaßt nicht nur die veröffentlichten zehn, sondern noch weitere fechs Telegramme. Den gegen Herrn Bürgermeister Scholz er­hobenen Vorwurf aber muß der Magistrat entschieden als unbe= rechtigt zurückweisen, da Herr Bürgermeister Scholtz bei der Erledigung aller mit der Sflaret- Angelegenheit zusammen­hängenden Maßnahmen stets im Einvernehmen mit dem Magistratskollegium gehandelt und was ja auch die wieder­holten Reden in der Stadtverordnetenversammlung flar erkennen laffen einwandfrei und loyal zu den Angriffen gegen die ab­wesenden Magistratsmitglieder Stellung genommen hat."

Johann Komáromi:

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He, Korsaken!

Caus dem Ungarischen

von Cllexander von Sacher Maroch Copyright by Büchergilde Gutenberg, Berlin .

Wenn das Dorf schon weit zurücklag, suchte der junge Herr irgendeinen geeigneten Blag aus. Einmal eine Rajen ede, hinter welcher ein Zwergweidenwäldchen schlummerte, heffen Hintergrund die zwei bleistiftspigen Türme des Dorfes meiß hervorbligten. Ein anderes Mal schlugen wir unser Lager vor einem runden Hügel auf, auf dem Hügel schwiegen ein paar alte Buchen und im Hintergrund, piele Tagemärsche weiter, waren blaue Berge zu sehen, aber in märchenhaftem Blau, wie ein Hauch nur. Und jenseits der Linie dieser blauen Berge sprühten, halb an den Horizont gelehnt, in blendendem Weiß die mageren Grate noch fernerer Berge. Die Alpen waren es, die Alpen !

Ich legte mich in das hohe Gras und betrachtete mit auf­geftüßten Ellenbogen den blauen Himmel und die blauen Berge. Hier unten war alles grellgrün, in den Saaten brauste der verwegene Chor der Grillen und von Süden sahen uns die Grenzweiden der Ebene von Nezpeft graugedankenvoll an. Das Sumpfgebiet von Medvec stand regungslos im gifti­gen Grün und über dem Weidenwald und dem Ried spiegelten fich unentwegt die Waffer der Fata Morgana. In diesem trügerischen Wasser zitterte die Pferdeherde und die drei lang armigen Ziehbrunnen bebten und schwebten mit großer Ge­schwindigkeit vorbei. Dort mußte der Obertofaf irgendwo lagern.

Der junge Herr und das Fräulein malten inzwischen. Der junge Herr begann damit, daß er sich vor seiner Staffelet aufstellte und, den Binjel mit der Rechten vor sich hinhaltend, das eine Auge zusammengefniffen, vor sich hin zielte. Als nähme er Maß von etwas. Diese Bewegung wiederholte er öfter. Manchmal ging er zu Fräulein Emmi hinüber, die da bereits barhaupt arbeitete, mit etwas zer­zausten Haaren. Aber so war sie pielleicht noch hübscher.

Der junge Herr stellte sich hinter das Fräulein, hob den rechten Arm und auch das Fräulein machte es ebenjo mit dem Rinjel Ich dachte mir gleich, daß man jo das Malen zu er

Als der Kommunist Cange- Neukölln das Wort zur Begründung des kommunistischen

Mißtrauensantrages gegen Böß

nimmt er hat laut Beschluß des Aeltestenrates dreiviertel Stun­den Redezeit, verläßt ein großer Teil der Stadtverordneten den Saal; auch die Sozialdemokraten lassen nur Horchposten zurück. Lange redete noch einmal alle die Anschuldigungen und Verleum­dungen der Roten Fahne" herunter. Alles, was während des Stlaref- Standals an unwahren, unkontrollierbaren Behauptungen gegen den Oberbürgermeister und die Stadtverwaltung von rechts und links aufgestellt und in die Welt posaunt wurde, war Herrn Lange gut genug, in seiner Rede verwertet zu werden. Herr Lange gab schon eingangs seiner Schimpfereien den Tenor bekannt: Auf eine politische Abrechnung mit Böß( lies der Stadtver waltung) tomme es ihm und den Kommunisten an! Von der schwarzrotgoldenen Mehrheit im Rathause sei ein stinkender Misthaufen" übriggeblieben.( Lauter Beifall bei den Deutschnatio­nalen!) Hier eine der Aeußerungen des Redners: Ist es wahr(!), daß Herr Böß für die Vermittlung des Besuchs Amanullahs bei Wertheim einen Berserteppich erhalten hat? So ging es 45 Minuten lang zum Gaudium, aber auch mit stärkster Zustimmung der Deutschnationalen. Auf einen Zuruf von rechts her erwiderte Lange: Wir bedauern, daß der Staatsanwalt parteiisch eingegriffen hat und nur die beiden ,, Banditen" Gäbel und Degner festgelegt hat, während seine schwarzrotgoldenen Kumpane" frei umherlaufen. Lange schloß mit einer der üblichen sowjet­russischen Erflärungen, die diesmal in Anbetracht der bevor­stehenden Wahlen um einige Meter länger ausfiel. Einen guten iz leistete sich der Redner der Deutsch nationalen, Justizrat Lüdice. Er behauptete,

die Deutschnafionalen feien am Stlatet- Standal nicht beteiligt! ( Stürmische Heiterfeit.) Herrn Bruhn und seine Enthüllungen über die Zuwendungen der Sklarets an die Deutschnationale Partei waren dem Redner sehr unangenehm; er fündigte ,, Untersuchungen gegen Mitglieder, die etwa gefehlt haben sollten", an. Sonst waren seine Ausführungen genau so inhaltleer wie die Langes; man merkte nur zu deutlich, daß eine Ausbeutung des Falles Sklaret zu partei­politischen Zweden nicht mehr möglich ist. Am Schluß nannte Lüdicke die Verwaltung Berlins eine ud erwirtschaft".

Stadtverordneter Schwarz( D. Bp.) nannte die politische Aus­beutung der Angelegenheit einen Kampf aller gegen alle, der zum Nußen der Stadt recht bald eingestellt werden müsse.( Bravo !) Gegenüber den Erklärungen Böß' meinte Schwarz, daß man solche Erklärungen genug erlebt habe und daß es an der Zeit sei, endlich den Weg der reinen Wahrheit zu gehen. Man fönne nicht erwarten, daß ein Oberbürgermeister mit diesen Deutsche Boltspartei wird für den ersten Teil des kommu Belastungen wieder vor die Stadtverordnetenversammlung tritt. Die nistischen Antrages, der dem Oberbürgermeister das Mißtrauen aus­spricht, stimmen. spricht, stimmen. Für eine pensionslose Entlassung sei seine Fraktion nicht. Namens der sozialdemokratischen Frattion gab

ab:

Genosse Flatau folgende Erklärung

Die sozialdemokratische Stadtverordnetenfraktion er­hebt nach wie vor die dringende Forderung, daß alle Vorwürfe, die im Zusammenhang mit der Stlaret- Affäre gegen Mitglieder der Berliner kommunalen Verwaltung erhoben worden sind, ohne jede Rücksicht auf irgendeine Person restlos geklärt werden.

Die jozialdemokratische Fraffion wird entsprechend ihren früheren Erklärungen rüdsichtslos vorgehen, falls fich herausstellt, daß irgendeiner der Angeschuldigten seine Pflichten verlegt hat. Sie lehnt es jedoch nachdrücklichst ab, sich ihr Ber­halten diffieren zu laffen von einer strupellosen Sen­fationspreffe, der im Verlaufe diefer Standalaffäre wieder holt nachgewiesen worden ist, daß fie die Ehre kommunal­politisch tätiger persönlichkeiten ohne den Schatten

lernen pflegte. Da jedoch der junge Herr ganz nahe bei dem Mädchen stand, ließ er feinen Arm plößlich auf ihre Schufter fallen. Er zog sie an sich, umarmte sie. Das Mädchen ver­suchte sich zu wehren.

,, Ich klopfe dir auf die Finger, Geza

Sie machte sich frei, war jedoch nicht übermäßig böse. Denn der junge Herr schlich sich später wieder hinter sie und Fräulein Emmi perbat sich es nicht schon vorher, sondern erft, als das Malheur schon geschehen war. Ein- zweimal besann sie sich und wandte sich entschuldigend an mich. Aber sie lächelte: ,, Siehst du, Hänschen, man soll nicht zu vertrauensselig ſein Manchmal hielt auch ihr Bruder Bandi mit uns. Dann ftrolchten wir zwei halbe Nachmittage lang nach Bogelnestern. Einmal knöpfte ich ihn mir vor.

,, Sag mal, wer ist dieser junge Herr?"

Ein Verwandter", sagt mein Kamerad. Mein Bater ist sein Onfel. Aber mein Bater liebt es nicht, wenn er mit Emmi herumzieht."

,, Weshalb liebt er es nicht?"

,, Deshalb, weil er in Best Künstler ist und immer nur malt, und mein Vater hat es ihm gestern rund herausgesagt, er möge sich einen besseren Beruf suchen.

"

,, ünd weshalb mengt sich dein Vater in die Angelegen­heiten des jungen Herrn?" Bandi starrte mich mit freisrunden Augen an und dann begann er zu lachen. Aber so, daß er sich im Grase wälzte.

Weshalb? O du mein Gott, was bist du für ein Efel! Wie sollte er sich nicht darum fümmern, wo doch Onfel Geza Emmi heiraten will. Nun, deshalb sagte er ihm, du Alles­wisser, daß er sich einen anderen Beruf suchen solle, na. Tut er es nicht, dan bekommt er sie nicht. Berstanden?"

Natürlich verstehe ich's," antwortete ich verärgert, denn es tränkte mich, daß der Kerl über mich lachte. ,, und liebt Fräulein Emmi den jungen Herrn?"

Bandi winfte mit müder Geste:

,, Das ist es ja gerade. Und darum ist Bater böse, und damit Emmi nicht mit ihm außer Hause herumfteigt. Heute morgen sagte der Alte zu Mutter: er wird ihr noch den Kopf verdrehen, aber dann erlebt ihr etwas!"

,, Daß der junge Herr ihn verdreht?" Nun, freilich

..Und auf welche Weise verdreht er ihn?"

Bandi zuckte die Achseln, daß er es auch nicht wisse und jo blieb ich weiter unaufgeklärt. Und je ausgelaffener ich das Mädchen non nun an jah, um jo mehr bedauerte ich sie.

Freitag, 8. November 1929

eines Beweises in den Schmutz gezogen hat. Ebenso wenig kann die fozialdemokratische Stadtverordnetenfraktion die durch diese Presseerzeise aufgepeitschten, auf den Straßen standalierenden Elemente als Richter anerkennen. Diesen Standpunkt nimmt die sozialdemokratische Fruttion au ch gegenüber den Angriffen auf den Oberbürger­meister ein. Sie wartet das Ergebnis des auf seinen Antrag eingeleiteten Disziplinarverfahrens ab und wird dann auf Grund dieses Untersuchungsergebnisses ihre Entschlüsse endgültig faffen. An der Abstimmung über den Mißtrauensantrag be­teiligt sich die sozialdemokratische Fraktion deshalb nicht. Der Demokrat Meyer berief sich darauf, daß ein Mißtrauens­antrag in der Stadtverordnetenversammlung andere gesetzliche Grundlagen habe, als in Reichs- und Länderparlamenten. Die Demokraten würden sich deshalb an der Abstimmung nicht beteiligen. Die Sache mit dem Belz billige und verteidige seine Fraktion nicht, Böß hätte sich jedoch in jahrzehntelanger ehrenvoller Laufbahn um Berlin Verdienste erworben. Das Zentrum und die Wirtschaftler erflärten, für den ersten Teil des Antrages ( Mißtrauenserklärung) ft im men zu wollen, den zweiten( Pensions­entziehung) lehnten fie ab. Rechtsgerichtete Splitterparteien wollten dem Mißtrauensantrag zustimmen, die unabhängige Stadtverord­nete Frau Wiegmann lehnte den Antrag ab, weil er von ,, einer Kommunistischen Partei " tommt. Frau Wiegmann mußte sich dafür persönlich anrempeln lassen. Herrn Lange war diese Kennzeichnung sehr unangenehm, man merkt das immer an der Stärte seiner Aus­drücke. Lange erklärte, die während der Werbewoche in die Sozial­ demokratische Partei eingetretenen neuen Mitglieder seien alle Krippenjäger, die nur auf Posten rechneten.( Empörung bei den Sozialdemokraten.) Lange fand nicht Maß und Ziel in seinen Beschimpfungen. Als er in den Saal schrie: Jawohl,

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die Sozialdemokraten find alle Betrüger, war die Erregung über diesen Psychopathen auf dem Höhepunkt. Unjer alter, 71jähriger Genoffe Tempel, der über 50 Jahre im Dienste der Partei steht, der 26 Jahre Stadtverordneter und Ehrenbeamter der Stadt ist, ging ruhigen Schrittes auf die Rednertribüne und verabreichte Lange eine Ohrfeige! Lange wich zurüd, Kommunisten und Sozialdemokraten stürmten auf die Tribüne, ein Handgemenge entstand, der Kommunist Peichte stieß den Genossen Tempel zurüd, so daß er zur Erde fiel, Die Stadträte Reuter und Schlichting traten dazwischen, um weiteres zu verhindern. In den Bankreihen der Linken herrscht großer Lärm, Fäuste werden geschwungen, doch scheinen die Kommu­nisten die Situation für sich doch als bedenklich einzusehen. Der Borsteherstellvertreter Dr. Caspari hatte inzwischen die Sigung durch Verlassen seines Blazes aufgehoben; der Aeltestenrat trat zusammen.

Bei Wiedereröffnung der Sizung erklärte Vorsteher­stellvertreter Dr. Caspari: Die Deffentlichkeit ist wiederhergestellt, die Sigung ist eröffnet. Meine Damen und Herren! 3m Aelfeftentat ift teine Einigung erzielt worden, die Sigung ist deshalb geschlossen. Daher fonnte natürlich auch die Abstimmung über den kommu­ nistischen Antrag nicht vorgenommen werden. Darauf verließen die Stadtverordneten den Saal.

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Im Aeltestenrat erklärten unsere Genossen, daß eine Ent= schuldigung durch Herrn Lange die Voraussetzung für die Weiterverhandlungen im Plenum fei. Die Kommunisten ver weigerten diese Entschuldigung und so unterblieb die Einigung. -Dem Bernehmen nach haben sich Deutschnationale und Kommunisten verbündet, um eine neue Sigung zustande zu bringen. Es gehören dazu die Unterschriften von einem Drittel der Stadtverordneten. Das Drittel würden diese beiden Parteien auf­bringen.

Kommunisten über Lange- Neufölin.

A

Kurz nach den turbulenten Auftritten in der Sigung jaß Genosse Tempel mit einigen Parteifreunden im Vorraum des Sigungs­saales. Da trat der Kommunist Roth Schöneberg an Tempel heran und fragte ihn, warum er als alter Mann sich denn an dem jungen Lange vergriffen habe? Als Tempel ihn darauf hinwies, daß er als Einundsiebzigjähriger sich doch unmöglich einen Betrüger nennen lassen tönne, bemerkte Herr Roth: Aber Tempel, du kannst doch diesem jungen Mann nichts übel nehmen, du weißt doch, wer es gesagt hat!" Wir haben dieser Kennzeichnung des Lange durch seinen Parteigenossen nichts hinzuzufügen.

Und ich begleitete fie nicht mehr in die Gegend hinaus, nur noch ein einziges Mal. Danach sah ich sie monatelang nicht mehr, denn sie verschwand eines Nachts und ließ nicht einmal die Spur ihrer fleinen Schuhe auf den winteligen Pfaden des Gartens zurück.

Bei diesem letzten Ausflug verwirrte mich Fräulein Emmi so, daß es mich bei der bloßen Erinnerung noch heute heiß überläuft.

Aber ich will am Anfang beginnen.

Am zweiten Tage nach dem leßten Mal malten die beidet. wieder in der Gegend, aber an diesem Nachmittage war ich nur allein mit ihnen. Der junge Herr hatte einen Winkel ausgesucht, in einer Biegung des Helmecbaches. Drei breite Pappeln rauschten am nahen Hügel, ein Mohteppich flammte auf der grasgrünen Saat und die zwei Kupfertürme des Dorfes glänzten von weitem. Friedliche Stille lag über der Gegend und an einzelnen fernen Punkten arbeiteten die Men­fchen wie emfige Ameisen. Jenseits des Baches grafte eine Rinderherde, und das Geläut der Kuhglocken scholl herüber. Aber in großen Zwischenräumen und faum vernehmlich. Die Hügel, die runden Wäldchen und drüben das Ried badeten in tiefem Goldton. Schweigen war im All, tiefes Schweigen. Nicht einmal das Krähen der Hähne vernahm man hier, das an so schläfrigen Nachmittagen häufig zu hören ist. Aber das Dorf war fern, sehr fern... Und jenseits des Dorfes, der Hügel, der runden Wäldchen, schlummerten die Berge opalblau am Rande des Horizontes und über ihren Schultern blizten die mageren Grate der Alpen aus der Ferne... Da stehen diese Alpen noch heute, aber ich jehe sie nicht mehr. Sie gingen mir verloren, wie meine alte Laune mit der unwiederbring­lichen Jugend...

An diesem sonnigen Nachmittag, lag ich im Grase und mein Herz war so gefüllt mit füßem Sehnen, daß ich fast weinte. Der junge Herr und Fräulein Emmi pinselten in einiger Entfernung auf ihrer Leinmand. Ich beachtete fie nicht sehr. Denn seitdem es für mich unzweifelhaft geworden war, daß Emmi in den jungen Herrn vernarri fei, betrübte mich ihre leichte Untreue. Manchmal traf mich die glocken­helle Stimme des Mädchens:

Ich klopfe dir auf die Finger. Geza!"

Dann beschlich Wehmut mein Herz. Denn in der Abwehr des Mädchens war nicht ein Schimmer ernstlicher Ber stimmung. Sie drohte dem jungen Herrn eher scherzend.

Und während ich im Grase lag, begann das Gras mit einemmal aus einer Richtung zu rauschen. Als näherte sich jemand, ( Fortjehung folgt.)