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BERLIN  Freitag 8. November

1929

Der Abend

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Spätausgabe des Vorwärts

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Nr. 526

B 262 46. Jahrgang

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Lampel verhaftet.

Er wird der Beteiligung an einem Fememord beschuldigt.

Heute früh ist in Berlin   eine in politischen Kreisen großes Aufsehen erregende Verhaftung erfolgt. Der be­tannte und in letter Zeit besonders hervorgetretene Schriftsteller Peter Marfin 2ampel wurde in seiner Wohnung in der Beethovenstraße von Beamten der politischen Polizei unter Morbberdacht fest.

genommen.

Lampel  , der Verfasser der Revolte im Erziehungs­haus, Bennäler" und Giftgas über Berlin  ", mirb beschuldigt, an einem Fememord, der sich in Oberschlesien   abgespielt hat, beteiligt gewesen zu fein. Wie weit diese Beschuldigungen zu treffen, wird von dem Ergebnis der Vernehmung, die bisher noch

nicht erfolgt ist, abhängen.

Von dem Untersuchungsrichter des Landgerichts in Liegniß ist gestern spät abends das Erfuchen eingegangen, Lampel  , der im bringenden Verdacht steht, in Oberschlesien   zur Zeit des Selbst­schuhes bei dem Mord eines Kameraden mitgewirkt zu haben, un­verzüglich festzunehmen. Wie bekannt wird, gehörte Peter Martin Lampel   der Organisation Oberland an und war fpäter mit glied der Schwarzen Reichswehr in Küstrin  . Ob Lampet nach Liegniß übergeführt wird oder aber vom Landgericht Liegnig die vorläufige Unterfuchung in Berlin   vorgenommen wird, ist noch ungewiß.

Wie wir erfahren, sind die Akten Fememord Sampel und Genossen", die alle Einzelheiten enthalten, unterwegs nach Berlin  .

Die Ursache der Berhaftung.

Es handelt sich dabei um einen Mordfall, der erst fürzlich unter eigenartigen Umständen an das Licht der Deffentlichkeit gekommen ist. Im Berlauf des Ehescheidungsprozesses des Rittergutsbesizers Freiherrn   v. Richthofen   auf Gut Kohlhöhe bei Striegau   in Schlesien  erfolgte eine Anzeige von einer dem Gutsbesiger bisher nahestehen den Seite, wonach sich im Jahre 1921 auf dem Besiz Richthofens ein sogenannter Fememord ereignet habe. Es war damals die Zeit der Polentämpfe in Oberschlesien  , zu deren Niederschlagung sich deutsche Selbstschutzorganisationen und ehemalige Freikorpsformationen in Niederschlesien  , wo sie auf Güter verteilt wurden, bereit hielten. Auf dem Gut Kohlhöhe war eine Abteilung ehemaliger Baltikumer, die größtenteils dem Freikorps Oberland  angehörten, untergebracht, und zwar unter Führung eines gewiffen Müller, der sich Leutnant Brand" nannte. Bei dieser Abteilung befand sich ein Baltikumer Fritz Köhler  , der unter dem Namen ,, v. Banden" auftrat. Köhler geriet eines Tages bei seinen Kame­raden in Berdacht, daß er die Anwesenheit der Selbstschutz­formationen verraten habe, und nach den bisherigen Feststellungen soll er daraufhin bei einer unter Führung Müllers mit drei weiteren Baltikumern unternommenen Autofahrt erschossen und in der Gegend von Neustadt i. Schl. in einem Walde verscharrt worden sein.

Das Geständnis eines der Beteiligten hat bereits zu der Ber­haftung des Kommandoführers Müller geführt, und es scheint, als ob deffen Aussagen ich werbelastend für Lampel   waren, der auch zu dieser Abteilung gehört haben soll. Daraufhin erfolgte das entsprechende Ersuchen an die Berliner   Bolitische Bolizei, Lampel zu verhaften. Bisher steht es noch nicht fest, ob Lampel  nach Liegnitz   übergeführt werden oder ob der dortige Untersuchungs­richter, Landgerichtsrat Dr. Goslan, Lampel hier vernehmen lassen wird. Im übrigen stehen in diefer Angelegenheit noch weitere Berhaftungen bevor.

Peter Martin Lampel   hat ein ziemlich mechselvolles Dasein geführt. Nachdem er am Kriege als Fliegeroffizier teilgenommen hatte, ging er mit dem Korps ,, Oberland" ins Baltikum und nach Schleften, wo er auch zu Oberleutnant Roßbach in Fühlung trat. Später mechselte er von der rechtsradikalen nach der linksradikalen Seite, betätigte sich studienhalber als Jugendpfleger in einem Erziehungsheim der Stadt Berlin  , wo er das Material für seine vielumstrittene Revolte im Erziehungshaus" fammelte.

Weiter wird uns über den Werdegang Lampels mitgeteilt: Beter Martin Sampel hat eine sehr bewegte Bergangen heit hinter sich. Er gehört zu jenen aufgeregten, immer zu Ertre men neigenden Naturen, die zwischen äußerster Rechter und außer. fter Linker hin und her pendeln. Lampel mar im Jahre 1922 Reut nant in der thüringischen Schußpolizei, damas extrem rechts eingestellt. Führer der Thüringer   Schußpolizei mar zu gleicher Zeit der Polizeimajor Müller Brandenburg, eine dem Lampel in vielem ähnliche Natur: vor dem Kriege Flotten­vereinler, nach der Revolution begeisterter Republitaner und Mit­( Forthegung auf der 2. Geite.)

Sie lassen sich nicht entwaffnen.

Desterreichs Heimwehren gegen die innere Abrüftung.

Wien  , 8. November.

verfassunggebende Körperschaft des Bundesstaates allein zur Rege­lung dieser Verfassungsbestimmungen berechtigt sei, und wenn die Opposition eine fachliche Disfuffion der Artikel über die Stellung Wiens im Bunde ablehne, so sei es auch für die Mehrheitsparteien nicht möglich, auf eine Erörterung der von der Opposition gemachten Vorschläge, die übrigens ja ganz allgemein gehalten seien, eina zugehen. Im übrigen verharrten sie auf den Bestimmungen der Regierungsvorlage.

Die Preffeftelle der öfferreichischen Selbstschutzverbände veröffent­licht eine Rundgebung, in der es heißt: Die sozialdemokratische Preffe Defterreichs und die von ihr mehrfach zur Hilfe gerufenen Ge­finnungsverbände des Auslandes sprechen neuerdings wieder von dem Plan der inneren Befriedung durch Entwaffnung der beiderseitigen Wehrorganisationen, eine Maßnahme, die praktisch immer nur die Selbstschuhverbände treffen würde. Demgegenüber erklärt die Bundesführung mit allem Nachrud, daß jeder Versuch. ihre Organisation zu entwaffnen, entschlossenen wehrhaften widerstand hervorrufen müsse und daß sie die Entwaffnung, von welcher Seite fie auch immer fommen möge, unter teinen Um­ständen dulden könne, da dadurch die Zukunft des österreichischen Boltes und Staates bedroht würde. Das sollten sich besonders jene Bolles und Staates bedroht würde. Das sollten sich besonders jene politischen und wirtschaftlichen Körperschaften gesagt sein laffen, die in dem falschen Glauben an einen ernffen Friedenswillen der öfter- au ftreichen. Die Sozialdemokraten sprachen sich gegen die Bestim reichischen Sozialdemokratie geneigt seien, durch Auflösung der Heim­wehrbewegung die Zustimmung der Sozialdemokratie zur Ber­faffungsreform zu erhandeln,

Berfaffungskampf um Wien  .

Wien  , 8. November.

Der parlamentarische Unterausschuß zur Beratung der Ber­faffungsreform hat gestern die Erörterung über die Verfassungs­novelle zu Ende geführt. Bezüglich der Stellung des Landes Wien  erflärten die Sozialdemokraten, fie müßten jede Bestimmung, welche Bien seiner Stellung als Land beraube oder es schlechter behandeln würde als die anderen Länder, ablehnen. Ueber eine vollständige Trennung der Aufgaben von Gemeinden und Land und über eine Neuregelung der Aufgaben, die das Land Wien   für den Bund im übertragenen Wirkungsfreis führt, sei eine Diskussion möglich, aber mur im Wiener Landtag und Gemeinderat, da diese Fragen nur in der Wiener   Landesverfassung und in der Wiener   Gemeindeord­mung geregelt werden können. Im Rahmen der Verhandlung über die Bundesverfassung müßten die Sozialdemokraten daher jede Diskussion über diese Frage ablehnen. Demgegenüber vertraten die Mehrheitsparteien den Standpunkt, daß der Nationalrat als die

DNV

DNV

Kennen wir!

SCHWEIGE GELD

KPD Lumy  

!

KPD  

VON SKLAREKS

SPD  

Arbeiterveräſter!

Der GPD.Arbeiter: 3hr braucht euch gar t vorzustellen!"

Zur Frage des Länder und Ständerats gab die Regierung eine Erklärung ab, monach fie die allgemeinen Bestimmungen über diese Körperschaft aufrechterhalte, um gemäß den aus der Bevölkerung heraus laut gewordenen Wünschen den Ständerat in der Verfassung zu verankern. Da aber die Frage der ständischen Organisationen noch nicht ausgereift Jet, beantrage fie, bie Bestimmungen über die Zusammensetzung und Kompetenzen des Länder- und Ständerats

mungen über den Länder- und Ständerat aus und beantragten die Schaffung eines Bundes Wirtschaftsrats, der ungefähr die gleichen Kompetenzen zugewiesen erhalten soll wie der Deutsche  Reichswirtschaftsrat. Auch die beantragte Zusammensetzung der Bundesversammlung lehnten die Sozialdemokraten ab.

Opfertod für St. Lorenzen.

Wien  , 8. November.

Nach mehrmaliger Operation ist der Arbeiter Giotowitsch gestorben, der seinerzeit in St. Lorenzen von der Heimwehr  mehrere Schüsse in den Rücken erhalten hat... Er ist das dritte Todesopfer jener Schlacht, alle drei waren Sozialiste n

Athlet oder Charlatan.

Jubel und Zadel   für Tardieu.

Paris  , 8. November.  ( Eigenbericht.) Die Regierungserklärung Tardieus mird in der Morgenpresse von der Linken abgelehnt, von der Rechten bejubelt. Die reaktio= näre Presse sieht ihre Stunde gekommen, um die Offensive gegen die Politi? vpn Locarno   und für ihren Exponenten Briand   mit erneuter Heftigkeit aufzunehmen. Sie feiert Tardien als den Vertreter eines amerikanisierenden Reformgeistes auf finanz­potilischem Gebiet und zieht aus seinen außenpolitischen Erklärungen alle Ronsequenzen, die ihr genehm find. Bertinar fonstatiert im ,, Echo de Paris", daß endlich einmal in einer Regierungserklärung die alten Couplets über Kellogg  - Paft und Völkerbund usw. aus­geblieben find. Endlich ein Athlet," jubelt das Echo de Paris  ", nach all den Schwächlingen, die bisher Politik gemacht haben. Es gelte heute, den Grenzschuß auszubauen, die Armee zu reorganisieren,

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der franzöfifchen Floffe ihren alten Rang wiederzugeben, die Berfräge von Genf   und Locarno  , sofern diese mit den außen­politischen Prinzipien Tardieus in Widerspruch stünden, zu revidieren

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und für die Räumung des Rheinlandes befriedigendere Gas rantien zu fordern. Die Lintspresse macht teinen Hehl daraus, daß es ihr schwer fällt, die Regierungserklärung des kleinen Musso­ lini   in dem großen Kabinett", auf den Herr Tardieu hinaus spielt, ernft zu nehmen. Tardieu hat wirklich ein außerordentliches Programm entwidelt, erflärt der sozialistische Populaire". Man tönnte glauben, daß er den Ausrufer auf einen Jahrmartt spiele. Beider habe Tardieu, um dieses Programm zu verwirklichen, sich Mitarbeiter ausgesucht, die feinen wesentlichen Punkten durchaus feindlich seien, und eine Majorität, die dieses Program ablehnt. Ebenso lächerlich sei es, Briand   und Maginot auf außenpolitischem Gebiet unter eine Kappe bringen zu wollen. Das ganze Schauspiel fei tomisch und erbärmlich.

Radifale Ueberläufer  .

Paris  , 8. November.  ( Eigenbericht.) Bier Mitglieder der rabitalen Rammerfraktion, darunter der Herausgeber des homme Libre", tündigen ihren Austritt aus der Fraktion der radikalen Partei an, da fie nicht gegen das Kabinett Tardieu stimmen wollen.