Morgenausgabe
Nr 531 A 262
46.Iahrgang
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Der.Lonvürts- erscheint»ochentüg. kch zweimal. Sonntag» und Montag» einmal, die Abendausgaben für Berlin «,d im Rondel mit dem Aitel.Der Abend" Illustrierte Beilagen.Boll »nd Zeit" und.Kinderfreund' Ferne» Ä Unterhaltung und Dissen"..Frauen- imme".Technik".Blick in die .Bücherwelt" und.Iugend-Lorwärt»"
Verttner Vottsviatt
vienstag 12. November 1929 Groß-Äerlin 10 Pf- Auswärts 15 pf.
Die•mtgatllge Aonparetllezell» 10 Pfennig. Reklame�etl» 5.— Reich». mark..Kleine Anzeigen' da»»eng» druckt» Wort 25 Pfennig Zulässig zwei fettgedruckte Worte) iede» wettere Wort 12 Pfennig Stellengesuch» dae erst, Won 15 Pfennig, iede» weiter» Dort IV Pfennig Worte Übet 15 Buchstaben »Sdlen für zwe« Worte Arbe,t»marA Heile SO Pfennig. Fomtltenanzeigen Zeil» 40 Pfennig Anzeigenannahme imchaupt- «eschöst Lindenstraß» 3. wochentüglich ooa St/, die 17 Uhr.
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Krampfhaft bemühen sich mit vereinten Kräften Deutsch - nationale, Kommunisten und Hakenkreuzler, der sachlichen Grundlagen des K o m m u n a l w a h l k a m p fe s unter einer Welle von Schmutz und Verleumdung zu ver- decken. �Von Berlin aus wird über das ganze Land das Schlagwort„S k l a r e k- Korruption!" aus voller Lunge hinausgebrüllt, besonders von denen, die durch ihre G ö b e l und B r u h n, ihre Laverrenz und D e g n e r am tiefsten in diesen Sumpf stecken. Dadurch soll die Aufmerksamkeit der Wähler von den großen Problemen abgelenkt werden, um die es bei der Entscheidung am 17. November in Wirklichkeit geht. Eine gemeine und blöde Diffamierung der Berliner Stadtverwaltung soll die tat- sächlichen kommunalpolitischen Leistungen vergessen lassen, die gerade Berlin in den letzten Iahren unter sozialdemokratischer Führung aufzuweisen hat. Wenn nun schon das Zeugnis, das die am nächsten bs- teiligien Mitbürger von diesen Leistungen ablegen können, vielen verhetzten und verbohrten Gegnern nicht genügt, so wird vielleicht ein anderes Urteil aul die noch Zweifeln- den mehr Eindruck machen, weil es von ausländischen Kommunalpolitikern gefällt worden ist. Dabei handelt es sich beileibe nicht um das Zeugnis ausländischer Sozialisten, das manche als..Gefälligkeitsattest" abzutun ge- neigt wären. Nein.- wir führen das Urteil von„gut- bürgerlichen" Kommunalpolitikern an. die sich bestimmt nicht durch Boreingenommenheit zugunsten der Sozialdemokratie beeinflusien ließem . Es handelt sich um die kürzlich erschienene offizielle Denkschrift einer Studien ko mm ission der Pariser Stadtverwaltung über die Ergebnisse einer vor Jahresfrist durch verschiedene deutsche Städte unter- nommenen Studienreise. Ueberreicht— und auch in der Hauptsache verfaßt— wurde diese Denkschrift von dem Präsidenten des Pariser Gemeinderates Georges Le- m a r ch a n d und dem Pariser Gemeinderat Louis P e u ch. Beide sind eher als reaktionäre Gemeinde- Politiker anzusprechen, Anhänger des französischen „Natio- n a l e n Blocks", wie überhaupt die Mehrheit des Pariser Gemeindeparlaments aus Vertretern eines Kleinbürgertums besteht, das ungefähr bei uns einer Mischung zwischen Deutschnationalen und Wirtschaftsparteilern entsprechen würde. In dem einleitenden Kapitel der Denkschrift, das die gesammelten Erfahrungen zusammenfaßt und das vom Prä- sidenten Lemarchand redigiert ist, heißt es: „Unser Bericht über Groß-Berlin kann als Gesamt- e r g e b n i s unserer Wahrnehmungen gewertet werden. Es muß bei dieser Gelegenheit betont werden, daß die Angliederung der Ge- meinden, die um die ehemalige Stadtgemeinde herum lagen, durch die Republik verwirklicht werden konnte, während die kaiserliche Regierung dies nicht vermocht hatte. Wie dem auch sei. wurden die hauptsächlichen Ausdehnungsarbeiten— Straßenbau, Wasserversorgung. Hygiene, Beleuchtung, Parks— unterautzer- ordentlich billigen Bedingungen durchgeführt. Unter Ausnuftung der in einem bestimmten Zeltpunkt schnellen Entwertung der Mark hat die Berliner Komntunalvenvoltung dieses wahre Kunststück fertiggebracht. Es muß schließlich auch hervorgehoben werben, daß eine beträchtliche Kraftanstrengung ge» leistet wurde, um im Rahmen der Möglichkeit die Wohnuwgskrise zu lösen, um der arbeitenden Bevölkerung gesunde. saubere und hübsche Wohnungen zu erschwinglichen Preisen zu verschaffen." Nach diesem Vorwort folgt ein Kapitel über„Die Aus- dehnung Berlin ", das von G e o r g e s L e m a r ch a n d allein verfaßt ist. Es verdient um so stärkere Beachtung, als der Präsident des Pariser Gemeinderat-s— da Paris nach der französischen Gesetzgebung eine Ausnahmestellung de- sitzt derzufolge es keinen eigentlichen Bürgermeister hat— nach außenhin zugleich die repräsentativen Funktionen eines Oberbürgermeisters der Hauptstadt ausübt. Le- »narchand stellt einleitend eine„grundsätzliche Wahr- nehmung" fest: daß alle in Deutschland in den letzten Iahren erzielten Fortschritte, alle verwirklichten N e uerungen nicht allem auf den wirtschaftlichen Eni- wicklungetrieb zurückzuführen sind, sondern„auch auf eine
andere Ursache, die heutzutage eine wachsende und unvermeidliche Bedeutung gewinnt, nämlich aus die s o z i a l- politischen Bedürfniss e". „Aus dieser sozialen Ursache," so fährt Lemarchand fort,„ent- springen neue Initiativen, neue Verwirklichungen, und ihr Ziel ist ebenfalls sozialer Natur: dieses Zi-el beherrscht die Gliederung der Ideen und'der Tätigkeit der. deutschen Nation. Man kann das Ergebnis mit einem Worte zusammenfassen: Die Ausdehnung der Städte. Ob in Berlin , in München oder in Hamburg — alle Problem« des städtischen Lebens: Trinkwasierversorgung, öffentliche Verkehrsmittel, Gesundheitswesen. städtische Beleuchtung und Heizung und vor ollem Woh- nungsbau, beherrschen gegenwärtig die Existenz einer jeden Groß- stadt. Um nun die Problems zum Besten des allgemeinen Wohles einer Bevölkerung zu lösen, die in jeder Großstadt täglich wächst, und um dieser Bevölkerung das Maximum von Wohl- stand und Komfort zu verschaffen, haben überall in Deutschland die Ingenieure, Architekten, Gelehrten, Gesetzgeber systematisch Fortschritte geschafft und die technische Anwendung dieser Fortschritte organisiert. ' Am besten läßt sich die Wahrheit dieser Feststellung erfasse», wenn man die Entwicklung Groß- Berlins studiert, die allen übrigen beut- schen Städte« als Muster dient." Es folgt dann ein Loblied auf die Planmäßigkeit dieser Berliner Gemeindearbeit,„in der nichts der indivi- duellen Improvisation oder der bureaukra- tischen Routine überlassen wurde".„Nicht einzelne spezialisierte Fachleute oder spekulationsschwangere privat- wirtschaftlich interessierte Verbände" hätten diese Arbeit ge- leistet, sondern„die Zusammenfassung aller Fähigkeiten und aller Organismen". Mit einem Seufzer empfiehlt der Prä- sident des Pariser Gemeinderates, daß auch die französische Hauptstadt in Zukunft sich„ein derart rationelles und kluges System" aneignen möge. Er sagt seinen Mit- bürgern, insbesondere vom Pariser Magistrat, einige recht unangenehme Wahrheiten und führt ihnen die in Deutsch land und besonders in Berlin geleisteten Fortschritte als nachahmenswerte Beispiele vor, namentlich hin- sichtlich des Wohnungsbauproblems, das die eigentliche Grundlage der neuen sozialen und ökonomischen Ordnung bildet, aus der sich die Zu- kunft aufbauen wird." Es folgt eine sehr detaillierte und kritische Darstellung der in Deutschland und vor allem in Berlin geltenden Bor- schriften und Methoden für den Wohnungsbau— kritisch inliffern, als immer wieder Berlin als Muster für Paris empfohlen wird. Lemarchand faßte in einem Schlußkapitel seine Eindrücke zusammen und führt dabei über die Entwicklung der Berliner Grünflächen, Parks und Prome- n ad e n u. a. aus: „Die Deutschen haben es verstanden, mit viel Geschicklichkeit die Gelegenheiten auszumitzen, die ibcken die Topagraphie der Um-
Wählerversammlungen
gebung bot. Ohne allzu große Kosten wurde ein klug aus- gedachtes Programm größten Maßstabes durchge- führt und ergänzt: Spiel- und Sportplätze, Wassersport- anlagen, Strand- und Sonnenbäder, Flußschwimmbäder, Wald- restaurants und Waldkonzerte ziehen die Berliner Bevölkerung an, die sich dort erholt, erfreut und tummelt, ohne gewissermaßen die Stadt zu verlassen. Die Berliner . Kommunalbehörden haben sich von diesem elementaren Grundsaß leite» lassen, den man gut täte, überall sonst zu befolgen: daß nämlich eine täglich an Bevölke- rungszahl wachsende Stadt immer mehr Hygiene, immer mehr Komfort, immer mehr Gelegenheit zur körperlichen Betätigung und immer mehr Lebens- freude sicher» muß, besonders der arbeitende» Be- völkcrung und den kinderreichen Familien, die sich weite Reisen und Modebäder nicht leisten können. Fürwahr, das ist ein kommunalpolitischer und sozialer Fort- schritt, dessen schöne Und schnelle Verwirklichung ein Bei- spiel bietet, das Paris gut täte, nicht aus den Augen zu verlieren." So urteilt ein führender Kommunalpolitiker des Aus- landes, der eigentliche Bürgermeister von Paris , über die Leistungen der Berliner Stadtverwaltung. Sein Urteil ist um so interessanter und wertvoller, als er fein Sozialist ist, sondern durch und durch ein Bürgerlicher, dem die planmäßige soziale Aufbauarbeit der Ber - liner Bewunderung abgerungen hat. SeimZeugms kann uns, denen das Hauptverdienst an diesen Leistungen gebührt, m i t Genugtuung und Stolz erfüllen. Es ist zugleich be- schämend für die Lästermäuler, die das„rote Berlin " be- schimpfen, die die geleistete Arbeit leugnen, um ihre eigene Unfähigkeit zu verbergen und die über Mißwirtschaft schreien, um ihre eigene Profitgier zu verschleiern.
Mitte, Prenzlauer Berg , Wilmersdorf , Spandau , Steglitz , Britz -Buckow , Lichtenberg , Treptow , Hermsdorf, Mahlsdorf-Siid, Biesdorf , Buchholz.— Oeffentliche Frauen-Kundgebung in Tempelhof. — Kundgebung der Angehörigen der Graphischen Verbände in den Kammersälen. Mörsern Kreuzberg , Mitte, Wedding , Tempel hof , Tegel , Rosenthai. NSher«« Im Innern des Blattes.
Wähler u. Wählerinnen I
Kämpft mit uns für den Sieg des Gemeinde-Sozialismus!
Gerechiigkeit/ Zweckmäßigkeit Betrachtungen zvr Finanzresorm. Von Wilhelm KeiL Wie alle Ding« in der Welt, so ist auch der Begriff Ge- rechtigkeit relativ. Er ist es in erhöhtem Maße, wenn er auf ein Steuersystem angewandt wird. Es wäre vermessen, von absoluter Gerechtigkeit sprechen zu wollen, wenn bei- spielsweise das Arbeitereinkommen von jährlich 2500 M. mit insgesamt 15 Proz., das Einkommen von einer Million Mark, dessen Träger nebenbei ein Vermögen von 5 Millionen Mark besitzt, alles in allem mit 70 Proz. steuerlich belastet würde. Die Ansichten darüber, was in diesen Fällen„ge- recht" ist. werden nicht nur zwischen dem Arbeiter und dem reichen Manne auseinandergehen, auch innerhalb derselben sozialen Schicht werden sie verschieden sein. Trotzdem wird der Begriff der Gerechtigkeit von Alters her wohl auf keinem Gebiet so oft in Anwendung gebracht, wie auf dem der Steuerverteilung. Wir sprechen von einer gerechten Steuer- Politik und verbinden damit die allgemeine Borstellung, daß große Einkommen und Vermögen prozentual sehr viel schärfer zur Steuer herangezogen werden sollen, als kleine. In den Augen der auf kleine Einkommen angewiesenen breiten Massen ist jede Verschiebung in der Steuerverteilung, die zu Lasten der Großen geht,«ine gerechtere Gestaltung des Steuersystems. Die besitzenden Schichten treten dieser Anschauung entgegen mit ökonomischen Theorien, die dem Beweis dienen sollen, daß es den besitzlosen Massen um so besser gehe, je größer die Besitzanhäufung in den Händen einer kleinen Oberschicht sei. Wir Sozialdemokraten ver- mögen diesen von Selbstlosigkeit weit entfernten Beweis- führungsn nicht beizutreten. Es erscheint notwendig, diese Auffassungen in Erinne- rung zu rufe/r angesichts der lebhosten Auseinandersetzungen, die gegenwärtig in Wort und Schrift der bevorstehenden Finanzreform gewidmet werden. Von den burger» lichen Parteien, insbesondere von denen, die sich die Wahr- nehmung der Interessen des industriellen Unternehmertums zur Aufgabe machen, wird im Zusammenhang mit der