Dienstag
12. November 1929
Unterhaltung und Wissen
Das Geheimnis der Osterinfel
Es ist sehr merkwürdig, daß man den alten Melanefiern und Bolynesiern nicht mehr und nicht weniger zutraut als die Eroberung des Stillen Ozeans . Das ist, an ihrer Zivilisation gemessen, eine unbergleichlich größere Leistung als alle europäischen Entdeckungsfahrten von Marco Polo bis Columbus zusammengenommen.
Man stellt sich vor, daß das so gegangen sein tönnte: Bor sehr langer Zeit drangen über Afrifa, Indien und Auftralien dunkel farbige Bölker, die sich vielfach spalteten, nach Osten. Sie erfüllten, von Insel zu Insel sich vorwärtswagend, alle Archipele, hefiedelten fie, 30gen weiter und weiter, faft bis zur amerikanischen Küste hinüber. Dann aber, so verlängert man diesen Faden der Bermutun gen, tam eine hellfarbige Bölferwelle, ausgefpien von der Hochsteppe der Mongolei und den stets übervölkerten Rändern der malanischen Bezirke, die wohl oder übel den gleichen Beg ging. Aus ihr fet der heutige Polynesier herausgebildet worden, während der Melanefier jenem anderen, dunklen Bölkerstrom entstammt. Schon um das Jahr 1000 n. Ch. hätten die Lichten die Omotuinseln, also das Gebiet von Tahiti , erreicht. Nirgends sei es ohne Kämpfe ab gegangen, aber auf vielen Archipelen saßen doch zuletzt Polynesier als herrschende Rasse. Freilich vermählten sie sich häufig mit Melanesierfrauen, so daß eigentlich jedes Eiland ein Stüd helldunkle Bölfergeschichte für sich ist. Menschenfresser waren sie beide, oder wurden es zumindesten auf ihrem Weg durch den Stillen Ozean. Aber ihre Kulturen vereinigten sich endlich und bildeten ein erstaunfich gleichartiges, wenn nicht zu sagen einförmiges Reg, das sich von Insel zu Insel spannte. Damals feien diese Völker alle im Zeichen eines Aufstieges gestanden, der der Höhepunkt ihres Daseins über haupt gewesen sei. Dann aber seien sie gefunken und noch ehe die Weißen famen, sei ihr Schicksal bereits gefiegelt gewesen. So fagt die Hypothese, in der sich heute mit taum einer Ausnahme alle etnographischen Forscher der Welt einigen.
Und dafür gibt es, wie sie behaupten, ein Beispiel, die Oft er. infel, ober, mie fie mit ihrem eigentlichen Namen heißt: Rapanui . Heute gehört sie zu Chile , das aber niemals großen Gewinn von diefem feit langen nadten, durchaus waldlosen Eiland hatte. Es ist nur 118 Quadratkilometer groß, und seine wenig bewachsenen vulkanischen Berge steigen bis über 500 Meter auf. Gegenwärtig ist die Bevölkerung auf etwa 250 Menschen gesunken. Man hat schändlicherweise im Jahre 1862 einen erheblichen Teil der Eingeborenen, nämlich 5000 Männer, gewaltsam auf die Chincha injein übergeführt, wo sie die Guanolover ausbeuten follten und teils bort ftarben, teils, zurückgekehrt, die Blattern und Tuberkulose ein fchleppten. Ein anderer Zeil ist nach den Gambierininfeln ausgewandert, elma 200 30gen um 1871 nach Tahiti , dessen Sprache der ihren fo nahe steht, daß sie ohne Schmierigkeiten von den Osterinfufonern verstanden wird.
Selt Coofs Tagen, der auch diese mehrfach entbedte Insel befuchte, deutet man an den seltsamen, ungeheuren Steinidolen herum, die sich dort befinden. Jene, die einst die Ahus, die Begräbnisplätze( oder eigentlich Verwesungsplätze, da die Leichen nicht in die Erde gebettet, sondern zunächst der Luft auf offenen Gestellen ausgesetzt wurden) umgaben, sind fängst gestürzt, und die dürren Halme der Gräfer wachsen über sie. Aber oben am Rano Rarafu, cinem 150 Meter hohen Bulkan, befindet sich ein alter Steinbruch, der in terrassenartigen Regionen nach abwärts reicht. Dort und am Kraterrand selber wurden jene Steinidole hergestellt, zu Duzenden, zu Hunderten. Em ganzes Bolt scheint mit der Ausmeißelung dieser Figuren beschäftigt gewefen zu sein. Es gibt dreiundzwanzig Meter lange Giganten, die so wie alle, liegend, stehend, jedes Stückchen freies Gestein ausnüßend, aus dem lebenden Berg herausgeschnitten wurden. Während unten schon die fertigen Geftalten, balb ader ganz eingefunken. sich befinden, eine Garde von Riefen, find oben noch die unfertigen Gößen zu sehen, zum Teil erst im Beginn, zum Teil schon faft vollendet. Aus dem leicht zu bearbeitenden Fels herausgearbeitet, grinfen fic aus den Bänden.
Josef Kopla:
|
Bielleicht entstammen die frühesten jenen Tagen um etwa 1400, da, wie man glaubt, die leichten Polynester die Osterinsel erreicht hatten. Vielleicht aber sind sie auch noch aus einer älteren Epoche, denn es scheint, als hätte auch hier jener dunkel- helle Raffenwechsel stattgefunden, weil Schädel aus jüngster Beit nicht nur eine ausgesprochene polynesische, sondern auch eine melanesische Bildung, den Langkopf, zeigen.
Da hat eine der Statuen, die Ko- Pilo- Pilo heißt und von den Schultern bis zum Scheitel fast fünfmal so hoch wie ein Reiter mit seinem Pferde ist, eine wie ein Brett vorgeschobene schmale und niedrige Stirn, darunter die Augen, eingefniffen, nichts als dunkle Höhlen. Eine lange, fpizze, feilartige Nase, eine winzige Oberlippe in einem Mund, der dünn, scharf, fest zusammengepreßt und eigensinnig vorgeschoben ist. Ein ediges, hartes, steil abfallendes Sinn, ein langer, hagerer Hals, eingezogene Schultern. Der ganze Ausdruck unduldsam, beschränkt, gewissermaßen in sich selber über: altert. Dieser Koloß, der nur darin sich an die Insel und ihre Befonderheiten anpaßt, daß er noch mit seinen augenlosen Steinhöhlen blinzelnd ins Weite schaut, ähnelt, wie gesagt, allenfalls nur einigen Plastiten von den Salomonen, aber keinem der Südseevölker. Barum aber diese alten Eingeborenen sich Jdole zurechtmeißelten, die in gar nichts ihren eigenen Voltstypus verflärten, fann man durchaus nicht verstehen und hat es bisher auch nicht verstanden. Trotzdem man nun auch bei den wenigen alten und zum Teil offenbar schwachsinnigen Ranafen, die die Schrift von Rapanui noch lesen tönnen, feststellen muß, daß sie die Zeichen nur als Gedächtnishilfe für eine Art auswendig gelernter Rezitationen benükten, hat man doch über die Bedeutung der steinernen Giganten auch auf diesem Wege mancherlei erfahren. Sie scheinen dem Andenten der Bogel männer" geweiht gewesen zu sein, deren Kult offenbar zum Bekenntnis des Make- Mafe, des großen Eiergottes, dazu gehörte.
Es handelt sich dabei um die Eier der Meerschwalbe, die fehr viel gegeffen wurden. Die Auffindung des ersten Eies auf dem der Landspitze von Orongo gegenüberliegenden fleinen Infelchen Moti nui war mit strengsten Zeremonien umgeben. Die Rongo- Rongomänner", denen dieses Glück zuteil wurde, hatten ein Jahr Einsamkeit und mystische Vereinigung mit den Göttern zu bestehen etwa das, was man im Abendland zu ähnlichen Zwecken als heiligmäßiges Einsiedlerleben empfahl. Sie gehörten von da ab zu den Ausgezeichneten ihres Volkes und erhielten ständig von jedermann Geschenke. Ihnen und ihrem Andenken zuliebe scheinen dann jene Riesenstatuen aufgestellt worden zu sein, vielleicht, um den Einfluß dieser Geweihten länger für die folgenden Generationen zu erbaften.
-
Auf der Inselspitze Drongo sind noch die Reste steinerner Häuser übrig geblieben, in denen die Bevorzugten die Auffindung des erstes Eies durch ihre Sklaven erwarteten. Dort schlägt Tag und Nacht das Rauschen einer tobenden Brandung herauf, welche. jene, auf Schiffbündeln schwimmend, zu besiegen hatten. Aber au sonst hat dieser Vogelfult manche Spuren hinterlassen. In Skulpturen und auf Malereien befindet sich immer wieder die Gestalt vogelföpfiger Männer, die ein Ei in der hohlen Hand halten.
In wenigen Jahren oder Jahrzehnten werden die Leute von
Rapanui endgültig ausgestorben sein. Es ist nicht glaubhaft, daß bis dahin die Rätsel der Vogelmänner und Steingiganten restlos gelöst fein werden. Nicht einmal dazu besteht Aussicht, daß man ihre Schrift wird lesen lernen können, denn dazu gehört offenbar das ganze mündliche Erinnerungsgut der Insulaner, das wir nicht lennen. Bielleicht enthält sie keine Menschheitsgeheimnisse, sondern nur die einfachen Dinge eines Kanafenlebens, so wie die Legenden es tun, von denen man einige aufzeichnen konnte. Aber ist nicht das ganze Rapanui geheimnisvoll, bunkel wie aus Vorzeit, ein Gefpenfterwintet, meerverschollen, weltenfern?
MBUAY
Der Stern über dem Restaurant, Mars"
Du hellblonder Junge, nie werde ich deine erschreckten großen Augen vergeffen, die fiebrig in deinem weißen, bläulich durchsichtigen Antlig flammten.
Du bist aus der Stube verschwunden, als wärest du in Licht gerronnen und aufgestiegen, und würdest jezt, da wir wieder hier fizen, den Raum mit matten Ampeln und Glühbirnen beleuchten. Die schwarzen Fräde deiner erwachsenen Brüder huschen in frummen Bewegungen an uns vorüber wie fliegende Bögel. Beftede flirren. Teller flappern. Aber wenn man ruft: Franzl, einen Biliner! Franzl, ein Biertel Mofel!", dann kommst du nicht mehr gelaufen. Deine weiße Jade mit den goldenen Knöpfen Leuchtet nicht mehr durch den Saal, im Engelsgewand bist du zum Himmel aufgestiegen. Haltest du sieben oder acht golberte Knöpfe? Oh, hättest du hundert gehabt, fie wären zu hundert Märtyrersternen über deinem fanften, geängstigten Kopf geworden!
Das war ajo der Franzl, Kellnerlehrling im Restaurant Mars". Schwärmerische, große Augen hatte er, die von dunklen Ringen unterstrichen waren. Als erster stand er auf, als legter legte er sich nieder. Ein paarmal hatte man ihn auch in einem Winkel gefunden, das Tablett mit den Flaschen in der Hand, wie er gerade einschlafen wollte und immer gähnte er und betam off genug Prügel dafür. Bielleicht haben wir auch den Ober gescholten. meil mir allzulange auf unseren Wein marten mußten und der Rellner, der dann ausgegantt wurde, rächte sich durch einen Schlag gegen Frangis schlummernben Stopf. Und der stille und fdyweig fame Frangi eilte poller Reue, um nachzuholen, was er verfäumt hatte. Seine Hände aber, die fchon alle Kraft verloren hatten, ließen das Tablett gerade vor den Füßen des Chefs zu Boden fallen. Wenn ich so was angestellt hätte, als ich in der Behre war, wäre ich heute nicht hier! Wir müssen alle leiben," rief der Chef. Rief's unb brachte Frangis Kopf mittels Dhrfeigen ins Schaufeln. Und Franzl durfte nicht weinen, denn die Gäste durften nichts
merfen.
Eine große, allzuschmere Last trug der Stnabe auf seinen Sapulbern. Aber darum fümmerte fich niemand. Das ganze Unter nehmen lastete auf seinem zarten Leibe. Was immer auch geschah,
immer trug er die Schuld. Auch daran war er schuld, daß die Gäste elende Trinkgelder gaben
Ist der Bahlmarkör wütend, dann sind's alle Kellner. Nur Franzi darf nicht wütend sein, alle fagen, in ihrer Jugend hätten fie es auch nicht sein dürfen. Sie hätten sich ihre Sporen auf die gleiche Weise verdienen müssen, sagen sie und schlagen zu. Niemand foll glauben, der Kellnerberuf fei füß wie Honig, fagen sie, schlagen zu und lachen aus vollem Halfe dazu.
Franzl dachte gar nicht, der Kellnerberuf fet füß wie Honig. Das einzige Süße in feinem Leben ist der Schlaf in der dunklen Stammer neben dem Dachboden. Kraftlos fintt er dort nicder, ebenso entfrästet steht er dort wieder auf. Die Sterne ähneln den goldenen Knöpfen an seiner Jacke. Jeden Morgen pußt er sie,- funkeln müssen die Knöpfe, daß man ein Zündholz daran entzünden kann,
schreit der Chef.
Beim Einschlafen aber auch, im Winter beim Erwachen am frühen Morgen fragt sich Franzi, ob das lauter kleine Jungen seien dort oben am Himmel, die in ihren weißen Jacken aus den Restaurants davongelaufen find! Ueberall in der ganzen Welt schlafen sie so hoch, überall auf der ganzen Welt sind sie dem Himmel so nahe. Aber wo ist die Leiter, auf der sie hinaufgelangen? Sie sind so mager, so durchsichtig, so leicht, schwebben sie am Ende empor oder haben ihnen ihre Kameraben die Hände gereicht?
Hat denn der Franzl nicht gehört, daß man sterben müsse, um in den Himmel zu gelangen? Sterben heißt: die Augen schließen und zu atmen aufhören. Die Augen schließen tann er wohl, es ist der schönste Augenblid feines Lebens! Aber er währt viel zu furz! Dh. die Augen für lange, lange schließen fönnen! Morgens würde man rufen: Franzl! Franzl! Fraaanz! Der Bub' schnarcht fchon wieder!" Und die Kammer schweigt. Das Bett schweigt, die Treppe fchweigt, der Franzl schweigt und hat die Augen für lange geschlossen.
Den Schlägen und Büffen wäre Franzl vielleicht nicht unter legen. Er hatte nur Lust zu schlafen. Eines Abends schleppte er eine Leiter hinauf, trat nach Mitternacht an das Fensterchen, steckte feinen müden, durchfichtigen, helblonden Stopf in einen rauhen Gurt,
aliqalibil
Beilage des Vorwärts
schwang noch ein wenig hin und her und schlief dann für lange, lange ein. Seine Augen tehrten fich langfam, facht geöffnet, dem Himmel zu
Franzl, eine Biliner!"
,, Bitte gleich!"
,, Wo ist denn der Franzl?"
1390-218812
,, Er hat sich heute nacht erhängt. Ich habe mich, als ich Lehrling war, auch zweimal zu erhängen versucht."
Sterne fallen, feiner steigt empor. Ach so! Er ist gestern aufgestiegen, als wir geschlafen haben. hat man dem Stern die Bluse mit den goldenen Snöpfen mit auf den Weg gegeben?
Ein Stückchen Strang gefällig? Soll Glück bringen! Gähne, gähne dem Stern zu, der über dem Restaurant ,, Mars" aufgegangen ist. ( Berechtigte Uebersehung aus dem Tschechischen von Anna Aurebnicek.))
Prof. Dr. A. Erman: Mein Vater
Der berühmte Aegyptologe veröffentlicht selber unter dem Titel Mein Werden und mein Witten " im Berlage Quelle und Mener in Leipzig feine Lebenserinnerungen. Mit Genehmigung bes Berlages entnehmen wir dem Buche den nachstehenden Abschnitt, der für den Geift der Berliner um die fünfziger Jahre charakteristisch ist. ( Breis des Buches in Leinenband 12 M.)
Bei der Dentart meines Baters hätte er sein Leben troh seiner gescheiterten Universitätsaussichten doch in Glüd und Ruhe führen fönnen, hätte ihm sein leidenschaftliches Temperament nicht Schwierigkeiten bereitet.
Die Gärung, die in den vierziger Jahren in Preußen herrschte, wird gewöhnlich unterschätzt; schon damals drangen die politischen Gegenfäße bis in die Familien ein, und es begann jene traurige Zeit, die ich noch als Kind miterlebt habe, wo die nächsten Berwandten nicht mehr miteinander verfehrten, weil der eine., reaftionär" war und der andere ein„ Demofrat". Meine beiden Großväter waren, wie sie das gewohnt waren, loyale Untertanen ihres Königs, fo menig fie auch allem, was er tat, beistimmten. Von den Schwestern meines Vaters war die eine mitsamt ihrem Gatten eine Ultraroyalistin, während die andere, ebenso wie ihr Mann, eine leidenschaftliche Demokratin war. Dieser letzteren schloß sich mein Bater an; trok der Warnungen meiner Mutter, deren ruhiger Bernunft die eine Art von Uebertreibung ebensowenig zusagte, wie die andere. Er wurde ein entschiedener" Demokrat, der von einer Revolution eine beffere Welt erhoffte. Ich erinnere mich, daß er als alter Mann einmal im Hinblick auf diese Zeit sagte: ,, Wir hofften, die Sonne würde blutrot aufgehen und auf ihr würde Daß mein Großvater diese Wendung seines Freiheit" stehen." Sohnes mit Schmerzen sah, ist verständlich, aber seine Warnungen blieben vergeblich. Da wandte er sich an meine Mutter und fragte fie bekümmert, ob sie denn gar feinen Einfluß mehr auf ihren Dann habe. Darauf fonnte sie nichts antworten und fing nur an zu weinen; sie hatte ja schon all thren Einfluß ohne Erfolg versucht. So geriet denn mein Bater weiter in die Politik hinein, bis er fagar 1848 in der Aula die Studenten zum Kampfe aufrief:
Auch in den Jahren nach der Revolution beteiligte er sich weiter
eifrig an der Politit, immer auf dem linken, republikanischen Flügel der Demokratie. Er wirfte im Handwerkerverein und wirkte in der Breffe, vor allem, wie das seinem Wesen entsprach, auch durch seinen Wiz. Er gehörte zu dem Kreise, der 1848 die Ewige Lampe herausgab, und der sich„ Siechen und Familie" nannte, weil er in der Bierwirtschaft von Siechen in der Neumannsgaffe tagte, in einer Kneipe, über deren Tür die Lampe bis in die Nacht hinein brannte. Auch als dann der„ Kladderadatsch" gegründet wurde, gehörte er zu dessen stillen Mitarbeitern.
Die große Bewegung nahm neue Formen an und verlief fich allmählich, aber mein Vater blieb mit wenigen alten Freunden der Republikaner von 1848. Aber als er 1866 in der Wahlversammlung feines Bezirkes sich so wie bisher zur Republik befannte, da fand er kein Echo mehr; seine Partei war ausgestorben. Schließlich hat auch er 1870 seinen Frieden mit der veränderten Welt gemacht, und eines Tages erzählte er uns zu unserer Ueberraschung, daß er heute den König gegrüßt habe; freilich, fetzte er hinzu, sein Gruß habe dem Führer der deutschen Truppen gegolten. Indessen, er war nicht mehr so leicht zu begeistern wie 20 Jahre vordem. Er mißtraute dem Frieden, den die Regierung nach 1866 mit dem Parlament geschlossen hatte, und fah richtig voraus, daß die Freundschaft Bismards mit den Liberalen einmal ein Ende haben werde.
Erträgt der Mensch die Stratosphäre? Im Anschluß an die letzten Höhenweltreforbe und an das Problem des Stratosphärenfluges" in allergrößten Höhen ist die Frage außerordentlich wichtig, ob der Mensch überhaupt fähig Hft, den äußerst niedrigen Luftdruck größter Höhen zu ertragen. Nach den neuesten, in dieser Richtung unternommenen Bersuchen kann das bezweifelt werden. Wenn es auch noch nicht möglich gewesen ist, die Experimente gewissermaßen an Ort und Stelle vorzunehmen, in einer Unterdrucktammer leicht denselben niederen Luftdruck eralso etwa in einer Höhe von 14 000 Metern, so kann man doch zeugen, der in solchen Höhen herrscht. Die beiden Mitarbeiter der Deutschen Verfuchsanstalt für Luftfahrt, Dr. Kaiser und Dr. Gilbert, unternahmen zunächst an Tieren einige Vorversuche bei einem Luftbrud, wie er einer Höhe von 12 000 Metern entspricht. Mäuse und Ratten ertrugen diesen niedrigen Lujidrud ganz gut, wenn sie ihm nicht gar zu lange ausgesetzt wurden. Dann setzte sich Dr. Gilbert selbst einem Drud aus, wie er einer Höhe von 14,300 Metern entspricht. Bis zu einer Nennhöhe von 13 000 meter behielt der Forscher sein volles Bewußtsein, das er dann aber verlor. Nach Abschluß des Verfuches wußte er weder, daß er ohnmächtig geworden war, noch daß er Krämpfe bekommen hatte. Selbstverständlich war die Sauerstoffzufuhr während des Experiments tünstlich geregelt. Schon aus diesem ersten Versuche geht hervor, daß der Mensch zwar den niederen Luftbrud großer Höhen erträgt, daß er aber nicht mehr voll bei Kräften bleibt und sogar das Bewußtfein verlieren kann. In einem zweiten Berfuch waren die Beschwerben noch viel heftiger. Schon bei 6000 Meter Rennhöhe wurden die Gliedmaßen scheinbar zentnerschwer, Nasenbluten und Aderanjchwellungen stellten sich ein, und in 8000 Meter Nennhöhe ging das Bewußtsein verloren. Wie man schon aus Rekordhöhenflügen weiß, treten solche Störungen anscheinend allgemein bei 6000 bis 8000 Meter Höhe ein, trotz fünstlicher Sauerstoffzufuhr. So haben denn diese ersten Bersuche gezeigt, daß in großen Höhen der Mensch die Herrschaft über seinen Körper mehr oder weniger rajdy verliert. Wenn man also in die Stratosphäre fliegen will, is muß man wohl luftdichte Kabinen haben, in denen, der gewohn Luftdruck herrscht.