Einzelbild herunterladen
 

BERLIN  Mittwoch

13. November

1929

10

534 B 266 46. Jahrgang

Der Abend

Erfdetattäglich außer Sonntags Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin   SW 68, Lindenstr.3

66. Anzeigenpreis: Die einspaltige Nonpareillezeite

Spätausgabe des Vorwärts"

80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Bosscheckouts: Vorwärts- Verlag G. m. b.H., Berlin   Nr. 37536. Fernsprecher: Donhoff 292 bis 297

Hitler   läßt prügeln.

Jetzt gehts auch gegen die Bayerische Volkspartei   los.

München  , 13. Robember.

Die Baherische Boltspartei hatte gestern in verschiedenen Stadtteilen Münchens   zahlreiche Wahl­versammlungen abgehalten. Eine Versammlung wurde durch Nationalsozialisten gesprengt Ein nationalsozialistischer Redner rief durch heftige Ausfälle eine solche Erregung in der Versammlung hervor, daß es zu ätlichkeiten fam und ein allgemeiner Tumult entstand. Die Polizei mußte schließlich eingreifen und die Ruhejtörer entfernen.

Blutige Schlägerei in Brandenburg  .

Brandenburg  , 13. November.

In einer überfüllten Wahlversammlung der Nationalsozialisten fam es hier am Dienstag abend zu einer blutigen Schlägerei zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten. Nachdem Dr. Deder- Dranien, burg   und der hiesige Nationalsozialist Neumann Wahlreden gehalten hatten, ergriff in der Aussprache der frühere kommunistische Stadt­rat Redlich das Wort. Es war für ihn eine Redezeit von einer halben Stunde festgesetzt. Obwohl er mehrmals aufgefordert wurde, feine Rede abzubredjen, ließ er sich nicht stören und sprach weiter. In dem Augenblid, als mehrere. Nationalsozialisten sich dem Redner­pult näherten, um ihn herunterzuholen, erhob sich bei den Kom­munisten ein wüster, Tumult.. Es entstand eine blutige Schlägerei, bei der es auf beiden Seiten mehrere Ber wundete gab. Biergläser flogen durch den Saal, und von der Galerie herab wurden Stühle ins Parkett geschleudert. Die Polizei mußte schließlich einschreiten und den Saal räumen. Die Kommu­nisten hatten bereits unmittelbar nach den Lärmszenen fluchtartig das Lofal verlassen.,

Heimwehrmord in Wiener Neustadt  .

Ehemaliger Kommunist schießt Arbeiter tot.

Wien  , 13. November.( Eigenbericht.)

Am Dienstag abend unternahm eine größere Gruppe von Heim mehrleuten einen provokatorischen Aufmarsch von Wiener­Neustadt nach dem benachbarten Razelsdorf zu dem dortigen Kriegerdenkmal. Ais der Zug an einem Gasthof vorbeitam, entstand ein Wortwechsel mit mehreren Arbeitern. Plötzlich zog der Anführer der Heimwehrier, ein ehemaliger Kommunist, einen Re volver und schoß auf die Arbeiter; einer wurde getroffen und fant fofort tot zu Boden. Die Heimwehrgruppe wurde dann von der Gendarmerie verhaftet, dabei wurden Revolver, Gummifnüppel und Totschläger beschlagnahmt.

Severing über den 12. November.

Kommunalwahlen und Reichspolitik.

Jn einer überfüllten öffentlichen Bersammlung in den Spichernjälen, die von den Wilmersdorfer   So­zialdemokraten einberufen war, sprach gestern Reichs. innenminifter Carl Severing  

Er beleuchtete die hohe Bedeutung, die von den Wahlen am 17. November auch für die Reichs- und preußische Staats­polttit ausgeht Art. 63 der Reichsverfassung bestimmt, daß Preußen im Reichsrat nur zur Hälfte durch Delegierte der Re gierung, aur anderen Hälfte aber durch Delegierte der Brovinzen und der Stadt Berlin   vertreten ist. Sorgen Sie für den richtigen Vertreter Berlins   im Reichsrat! In der preußischen Landespolitik ist die Zusammensetzung der Kreistage, die am Sonntag gewählt merden, besonders wichtig. Der Kreistag hat das Repräsentationsrecht für die Bandräte. Die Staatsregierung fann ablehnen, aber sie muß hierfür wichtige Gründe haben. Der Landrat ist noch heute ein mächtiger Mann. Er ist der Exponent des preußischen Staates im Kreise. Man hat vorschlagen wollen, daß das Repräsentationsrecht der Kreise erweitert werde und die Regierung nur noch formal zu bestätigen habe. Ich bin gegen diese Neuerung, und ich freue mich, daß auch mein Amtsnachfolger Grzesinsti und der preußische Ministerpräsident Braun meiner Meinung sind.

Die Regierung muß dafür sorgen, daß an der Spihe der Kreise nur Republikaner   stehen.

Stellen sie sich einmal por, wie weit beim Boltsbegehren in den östlichen Provinzen die Wahlbeeinflussung gegangen wäre, wenn deutschnationale Landräte ohne Kontrolle von oben hätten schalten und walten tönnen. 1920 nach dem Kapp­Butsch habe ich die eidbrüchigen Beamten entfernt und neue Land räte berufen, darunter auch zahlreiche nichtzünftige Beamte. Es gibt Dummföpfe überall, aber glauben Sie mir, das erfte und zweite Staatsexamen genügt nicht immer, um ein fluger Mann zu fein. Die Beamten aus den freien Berufen und aus der Arbeiterklaffe haben sich zum großen Teil ganz hervorragend bewährt. Der Bolts entscheid am 17. November muß für die Republit fiegreich ausfallen. Hugenbergs Bolfsentscheid am 22. Dezember ist ver loren. Das Boltsbegehren wird als Sieg ausgeschrien. 10,05 Proz., 0,05 Broz. mehr als unbedingt nötig, das ist der Sieg! Wie sehen dann eure Niederlagen aus? Die Regierung hat dem Kraftmeiertum die Kraft entgegengesetzt. Sie verbucht als beträgt in Deutschland   9: 1. Der Nationalsozialist Hitler   hat ein

Stahlheimer überfallen Arbeiterjugend Ergebnis: Das Berhältnis der Bernünftigen zu ben unvernünftigen

Drei der Straßenrowdys festgenommen.

Je näher der Wahltermin rüdt, um so schärfere Formen nimmt in den letzten Tagen das politische Straßenrowdy­tum an.

Gestern abend befanden sich furz nach 22 Uhr neun Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterjugend in Treptow   auf dem Heim­wege. In der Plesserstraße wurden sie plöglich ohne jeden Anlaß von einer Horde Stahlhelmer überfallen Glücklicherweise gelang es, rechtzeitig Polizeibeamte herbeizuholen. Die rechts. radikalen Rowdys versuchten zu entkommen, doch fonnten die Polizeibeamten drei von ihnen festnehmen.

Haag vor Weihnachten  .

Rechtzeitige Räumung gewünscht.

Paris  , 13. November.( Eigenbericht.) Der Matin bestätigt am Mittwoch, daß die zweite Haager Konferenz spätestens für den 7. oder 10. Dezember einberufen wird, und daß fie bis Weihnachten zu Ende geführt werden soll. Bei allen beteiligten Mächten herrsche der Wunsch zur mög­lichen Beschleunigung der Arbeiten vor, einmal, damit man die Räumungsfrist der dritten Zone innehalten fann, dann aber, damit bie Haager Konferenz nicht mit der Londoner   Abrüstungs­fonferenz und der Bölkerbundstagung tollidiere. Eine Schwierigkeit bestehe allerdings noch: als Vorbedingung für die Räumung muß Deutschland   u. a. auch der Internationalen Repa rationsbant Berpflichtungsattien für die Reparationsschuld über­liefern. Da diese Bank jedoch erst im März oder April ihre Tätig. teit aufnehmen fann, wird es nötig seine, eine Zwischenperson zu bestimmen, die die deutschen   Bons in Empfang nimmt.

Ein alter Gaunertrick.

ELEKTRIZITAT RKEHR  

GAS

DN.V.

mal gesagt, das deutsche Bolt bestände zu einem Drittel aus Helden, 311 einem Drittel aus Feiglingen, zu einem Drittel aus Verrätern, Ein Drittel, das sind 13 Millionen Wahlberechtigte. Die Zahl der Helden ist zusammengeschrumpft: es sind nur noch vier Millionen der Gefolgsmänner Hitlers   und Hugenbergs, der Helden", übriggeblieben. Ueberlege fich am 22. Dezember der fleine Landwirt, der fleine Gewerbetreibende, daß ein Abbau der Realsteuern nur bei Annahme des Young- Plans, nur bei einer Berminderung unserer jährlichen Reparationslaften möglich ist. Beim Boltsentscheid am 22. Dezember bleiben wir zu Hause. Beim Boltsentscheid am 17. November find wir zur Stelle! Stolz auf Die tultur, sozial- und fommunalpolitischen Leistungen der Sozial demokratie, wählen wir Lifte 1, wählen wir fozialdemokratisch!" Genpffe Steinhöfel schloß die Kandgebung mit einem neuen Appell und einem Hoch auf die Sozialdemokratie.

Sturm über der Nordsee  .

Schwere Schäden zu Waffer und zu Lande.

In der Nacht zum Dienstag und zum Teil noch am Dienstag felbft, fegte über Großbritannien   und Norwegen   mit einer Stundengeschwindigkeit von 135 Kilometer ein Sturm hinweg, der schweren Schaden anrichtete und deffen Ausläufer auch die französische  Nordkäste, Paris   und Dänemart heimfuchte. Die Schiffahrt im Ranal wurde schwer mitgenommen. Der 3870 Tonnen große italienische Dampfer Rimbo" tief auf Grund. Die 30 Mann starte Besatzung fonnte erst nach stundenlanger angeftrengter Arbeit in Sicherheit gebracht werden. Das Schiff dürfte verloren sein. Der zwischen Ost­ ende   und Dover   verfehrende belgische Regierungsdampfer erreichte Doper mit 3½stündiger Berspätung. Die Rettungsboote an der Küfte waren die ganze Nacht hindurch in Tätigkeit. Ein Fischer­boot mit drei Mann Bejagung wird vermißt,

Frau Gubfow gestorben.

3n Bonn   ist heute morgen, furz vor 7 Uhr, Fran Sublow geftorben.

Das Schicksal der 63 Jahre alten Bittoria Subtom ist das der alternden Frau schlechthin. Bittoria Subfom wurde am 12. April 1866 als Tochter des damaligen preußischen Kronprinzen, dem späteren Kaiser Friedrich III., und der Prinzessin Bittoria, einer Tochter der Königin Biftoria von England, geboren. In den achtziger Jahren freuzte ihre Berlobung mit dem Fürsten Alexander von Bulgarien  , Prinzen von Battenberg, die Politit Bismarcks, der aus dieser Heirat Konflikte mit Rußland   entstehen sah und ihr deshalb energischen Widerstand entgegensette. Die Verlobung wurde dann auch 1887 gelöst. Bittoria schloß am 10. November 1890 die Ehe mit dem Prinzen Adolf zu Schaumburg- Lippe  . Nach dessen Tobe( 1916) bezog sie das Palais Schaumburg   in Bonn  , das ihrem Neffen, dem ehemaligen Fürsten zu Schaumburg- Lippe  , gehört. Im Jahre 1927 machte sie die Bekanntschaft des 23jährigen russischen Flüchtlings Alerander Subtom, der nach det Revolution vor den Bolschemifen geflüchtet und nach abenteuerlichem Leben zufällig nach Bonn   gekommen war. Es tam schließlich zu einer Verlobung und tro mancher Widerstände zur Eheschließung der Einundsechzig­jährigen mit einem Manne, der den Jahren nach ihr Entel sein fönnte. Subtom vergeudete mit zweifelhaften Freunden in Berlin  und an anderen Orten das Vermögen seiner Frau, die allein eine jährliche Apanage von 40 000 Mart   hatte. Gewiffenlose Vermögens­verwalter, ebenfalls Freunde Subfows, ließen ihm in allem freie Hand. Als Subtom als läftiger Ausländer im Jahre 1928 aus Deutschland   ausgewiesen wurde, war das Bermögen der Prinzessin, das früher auf 12 Millionen geschätzt wurde, dahin.

Berufung gegen Neumünster  .

Kiel  , 13. November.

Wie die Juftizpreffeftelle mitteilt, hat die Staatsanwaltschaft Der bürgerliche Reiniger"( zum Arbeiter): gegen das Urteil des Schöffengerichts im Landvolkprozeß von Ney Sehen Sie dort man bestiehlt Sie!"

münfter Berufung eingelegt.