Durchleuchtung der Wirtschast. Zieform des Aktienrechts als Schritt zur Wirtschasts- demokratie. In der Vereinigung sozialdemokratischer Juristen stellt« in einem grohongelegten Reserat Fritz N a p h t a l i die Hauptpunkte . der Resorm des Aktienrechtes dar. Das heutige Recht der Aktiengesellschaften ist zugeschnitten aus einen Verein von Aktio- riären, die jeden Augenblick zu einer Generalversammlung zusammen- treten können und eine gewisse Sachkenntnis haben. Die inodern« Großunternehmung hat diese Rechtssorm uberholt. Sie ist ein selbständiger Organismus geworden. Die einzigen wirklichen Freunde einer Aktienrefonn sind die Sozialdemokraten, die die ent- standenen Mitzbräuche durch eine Resorm des Rechtes ausschalten wollen Dabei handeln sie nicht als eine Schirtztrupp« der Klein- aktionäre, die sozialpolitisch womöglich noch reaktionärer als die Grohaktionöre sind. Demokratie heißt gleiches Recht sür Menschen, aber nicht gleiches Recht für verschieden große Aktienpakete. Die Sozialdemokratie geht von dem öfsenllichen Interesse an dem modernen Riesenumernehmen aus. Resorm des Aktienrechtes bedeutet natürlich keine Sozialisierung, stellt auch kein« Kontrolle ter Monopole dar. sondern hat als Hauptaujgabe die Durchleuchtung der Unternehmen. Die Resorm hat einmal das Rechtsverhältnis der Aktionäre untereinander zu regeln. Die Mehrstimmrechtsaktie nmß grundsätzlich verboten, in ge- wissen Fällen aber eine Ueberfremdung durch eine öfsentlich« Instanz verhindert werden. Der heute übertriebene Einfluß der Banken ist durch ein« Einschränkung des Depot st immrechtes zu mindern. Zweitens muß die Beraniworwng der Verwaltung ge- kräftigl werden; der heutig« Zustand ist diskreditierend. Viel« Monate vor dem Krach der Frankfurter Allgemeinen haben die Direktoren auf Soften der Gesellschaft gestohlen, indem sie Gewinne der Gesellschaft in die eigene Tasche leiteten. Der Aussichtsrat oerlangte nur Zurückzahlung, beließ die Schuldigen aber in ihren Aemtern! Dieser Verwilderung der Sitten muß eMgegen- gewirkt werden. Die Rcgreßmöglichkciten wegen Versagen der Aufsichtsräte müssen verstärkt werden. Dabei wird eine Bc- schleunigung des Prozeßverfahrens für Durchfechtung von Haftungs- ansprüchen nötig. Die Aussichtsratsmitgliedcr müssen zu mehr v e r- antwortlichcr Mitarbeit gezwungen werden. Die sozialdemokratische Hauptforderung ist die Publizität des moderiren Unternehmen» für alle IMerejsierten, das heißt die im Unternehmen Beschäftigten und der gesamten OofteMlichkeit. Der Weg zur Denw- kratisterung führt über die Kenntnis dessen, was los ist. Die Rechnungslegung enthält haut« meist nichts. Sie muß fach- gemäß aufgegliedert werden. Ein gleiches Schema für die gleichen Gewerbezweige muß von einer'staatlichen Instanz geschassen werden. Da die Kosten des Direktionsauswondes weit über den Index ge- stiegen sind, müssen die Virektorengehäller ausgewiesen werden. Das gilt auch für öffentliche Unternehmungen, wo manchmal diejenigen, die ans der Arbeiterschaft in die Leitung aufgestiegen sind, in der Verschleierung sich nicht weniger tüchtig wie Privat- kapitalisten gezeigt haben. Die Ofsentegung der Betriebsführung stellt eine heilsame Regulierung dar. Die Geschäftsberichte müssen Angäben über die Anzahl der Arbeiter und Angestellten. Umsatz- .Ziffern. Auilragsdesland, citthalren, monatlich oder zweimonatlich Zwischenbilanzen veröfscntlicht werden. Die Position der B«- kriebsratsvertreter im Aufsichtsrat muß durch eine Ge- iestesänderung in der Richtung verstärkt werden, daß ihr« Anteil- nähme an ollen Veratungen gesichert wird. Der Vortragende schloß seine Ausführungen mit dem Hinweis daraus, daß anderen Parteien bei dem Kampf um die Aktienrefonn die Zivilsuristen zur Verfügung stehen, während in der Sozialdemokratie die Strasrechts- juristen vorwiegen. Nach einer Diskussion, an der sich Gottschalk, Äoldschinidi. Rüben, Körner beteiligten, sührte Naphtoli aus. daß er ganz bewußt kein« Forderungen stell«, für die wir unsere Kraft nicht mit Erfolg ein'etzen könnten. Die Durchleuchtung der Wirtschaft und der Unter nehmungen ist der sozialistische Gehalt seiner Ausführungen. Die Arbeiterschaft darf in den kapitalistischen Konkurrenzkamps zwischen den Unternehmungen und ihren Fabrikaten nicht hereingezogen werden. Das Eindringen der Arbeiterschaft in die Wirtschaft muß in überbetrieblicher Form erfolgen. Der Publizstät ist bei öffentlichen Unternehmungen nicht dadurch Genüge getan, daß ihre Leitung demokratisch eingesetzt wird. Die Konsmngenvssen- schaften, die Arbeiterbank und von Kommunalunternehirmngen zum Beispiel die Berliner V«rkehrv.A.-G.. haben gewiß einen Dorsprung in der Publizität vor Privatunternehmungen. Aber mangelhoste Publizität ist stets Schutz für mangelhafte Verwaltung: der kapita- listische Heimlichkeitsgeist muß auch den öffentlichen Unter- nehmungen ausgetrieben werden. Im Auslands kontrolliert man vielfach die Unternehmungen stärker als bei uns.
Wächter Schulz im Verhör. Seine Angehörigen in Ansst und Schrecken. Der erneut festgenommene Wächter Richard Schulz wurde am Dienstag abend von den Kriminalkommissaren Werneburg und Liuoß. den Berarbeitern des Mord- falle» Zäpernick, grundlich ins verhör genommen. Er bestreitet da» verbrechen nach wie vor. die Vernehmungen gehen aber noch weiter. An Hand der seinerzeit festgelegten Einzelheiten muß er sich über den Fall genau äußern. Er entsinnt sich auch jedes Umstände», der vor und nach der Tatzeit zur Sprache gebracht wird Die tritisch« Stunde um 7 Uhr herum, zu der er von niemand mehr gesehen wurde, ist anscheinend aus seinem Gedächtnis ausgelöscht Wie früher auch/ gibt er den kleinen Geschenken an das Kind, den Bildern und anderen Dingen, jetzt wieder dieselb« harmlose Erklärung. An- gestcht» de« schweren Perdrechen» an der Tochter, dessen er überführt ist. finden diese Behauptungen heut« aber keinen Glauben mehr. Bemerkenswert ist der Emtluß, den Schulz auf seine Angehörigen, die Frau und dt« Tochter, ausgeübt hat. Luch jetzt noch, da er in Hast ist, sind sie mit ihren Bekundungen sehr Zürückhaltend und scheu. Die Furcht vor dem Mann scheinen sie noch nicht überwunden zu haben. Die Frau fragt« z. B., ob man ihn ganz gewiß im Polizeipräsidium behalten«ende, da sie sich sonst nicht noch Hause wage. Die Zeugen, die bei der Morduntersuchung damals befragt wurden, wird man auch abermals hören müssen. Die Per- nehmungen dürften mehrere Tage In Anspruch nehmen. Der Aelteslenrat de» Reichstags ist zum 18. November. 18H llhr, einberufen worden, um über den Geschästsplan des Reichstag » Beschluß zu fassen.
Kunst/ Tanz/ .Die Wiener Werkstätten. Einmal schon gaben die Wiener Werkstätten ein kurzes Gast- spiel am Kurfürstendamm . Nach Jahren schlimmer Krise sind sie jetzt in der Lage, auch in Berlin festen Fuß zu fassen; in der Friedrich-Ebert-Straß« 2/3 haben sie eine Berkaufsstelle eingerichtet. Diese Ding«, die Kunst und Gewerbe vereinen, müssen ja ebenso ocm merkantilen wie vom ästhetischen Standpunkt aus betrachtet werden. So zweifellos es ist, daß die Wiener Werkstätten die solideste und vollendetste Gebrauchswore hohen Ranges nicht nur in Deutschland , sondern in der Welt herstellen, so fest begründet der Ruf ihrer Künstler ist: so notwendig ist chnen auch eine kaufmännisch« Basis zur Herstellung wie zmn Vertrieb ihrer Werke. Die WW. vereinigten Entwurf, Herstellung und Vertrieb ihrer höchst qualifizierten Gebrauchs- und Luxusdmge; eine Form, die sich bewährt hat auch in den schkiksalsschweren Jahren der Wiener Nach- kriegszest, die just in der letzt vergangenen Zeit für sie am schlimmsten war. Was sie für die europäische Kirnst bedeuten, wird jedem klar werden, der nur ihr« Auslagen ansieht: man braucht dazu nicht einmal die Geschichte des modernen Kunstgewerbes fest 1900 zu kennen, nicht zu wissen, wie damals von Josef 5) offmann und O l b r i ch Architektur und angewandte Kunst. in einem glänzenden, so einfach Nor«» wie bezaubernden Stile erneuert wurden, und wie die Tradition einer vom Wiener Geschmack be- flügelten Sachdienstlichkeit bis heute zeitgemäß fortentwickÄt wurde. Die helle, strahlende Einrichtung des Geschäfts in der Ebertstraß«, mit der goldenen Treppe, die beschwingt zum Oberraum führt, mit den.an den Wänden sich hinziehenden Glasschränken, stammt von dem führenden Geist Josef H o f f m o n n: sie ist Lockung genug, um für die Köstlichkeiten hinter den Glasscheiben zu werben: Stoffe, Keramik, Messing, Glas, Silber, Email, Leder steht man dort in der schönsten und vollkommensten Veredelung, die den Gebrauch dieser Gegenstände an sich zu einem Luxus macht, den Besitzer zmn Bewußtsein erhöhter Lebcnsmöglichkeäten erhebt. Das Bestrickende an den Arbeiten der Wiener Werkstätten aber ist, daß sie keineswegs nur Luxuswaren für den Snob und die Frau Kommerzienrat sind. Es gibt da hundert Dinge auch für den bescheidenen Geldbeutel; Dinge, die nicht so unmittelbar lebens- wichtig sind wie Salz und Vrot, die aber den eigene» Zauber haben, aus die Dauer und im beste» Sinne bildend zu wirken. Wenn sich der Arbeiter so eine kleine Ueberflüsstgkeit aus blitzendem Metall oder Glas aus den Tisch stellt, wird sie still und nachdrücklich westerwirken, unmerklich die Atmosphäre verändern, den Geschmack bilden und bei Neuanschaffungen dem Standpunkt solider Sachlich. kett zum Siege verhelfen. Man kann wohl nicht leugnen, daß bei vielen nach dieser Richtung noch manches zu tun bleibt und oft Aufrichtigkeit, Schönheit, Moterialechtheit noch auf den Moment warten, wo sie willkommen sind. Dr. Paul F. Schmidt.
Reue Tänze. Die Palucca tanzt« im Bachs aal. Ihre Entwicklung geht jetzt auf denkbar größte Cnrsachheit und Klarheit der großen herrschenden Linien und aus die Pflege einer leinst nuancierten Handoktion als Msttel komplizierten seelischen Ausdrucks. Neben Tieftänzeu(„Plötzlicher Ausbruch"...Ausschwung"), dt« wie Fan- farenstötze wirkten, brachte sie hochtänzerische Themen in tief- tänzerischer Lösung: am schönsten im.Larghetto" und„Allegro" der Schönbergs chen Suite. Leichtes, langsames Wandeln und Schweben. Neckendes Trippeln mit kleinen Schritte», wie ein fröhliches Kind. Zum Schluß ein wunderbar zartes Fingerspiel. In fließendem Gewand tanzte sie om«„Melodie". Schwamm still beglückt im Luftraum. Erzielte in moderner Technik ausgesprochen« Valletteffekte. Jähe llebergänge von zarten Schwüngen �zu kraft- vollem Auftrumpfen, von wildem Sprung zu scharfem«toß, von weicher, zärtlicher, ober nie süßlicher Bewegung zum Ausbruch aggressiver Wut brachten in technischer Vollendung die Tänze „Leicht III",„Beherrscht",„In leichter Bewegung". Der Höhe- punkt des Abends war nach mewom Empfinden die groß« Korn- Position„Verklingend". Ganz langsam einsetzend. Märchenhaft schönes Tlusschweben. Sehnsüchtiges Neigen(technisch wundervoll). Schmerzliches Niedersinken. Qualvolles Sichwi oderausrichten. Visionäres Wandeln ins Ungewisse. Kurzer innerer Kampf. Ergebung. Dvr der Schlußattiwde eine Bewegung der rechten Hand von un- endlich zartem und tiefem seelffchen Ausdruck Dieser Tanz in seinem strengen logischen Aufbau, in der klaren Entwicklung der wechselnden Stimmungen und seelischen Vorgänge zeigt, wie«ine wahrhaft große Künstlerin mit rein abstrakten Mitteln, ohne alle pantomimischen HUfen ein ganzes Drama gestalten kann. Er ist eine der. größten-Leistungen der Palucca und eine vorbildlich«, zielweisende Schöpfung für die gesamt« moderne Tanzkunst. Der Abend, den Vera Skoronel ebenfalls im Bach- saal gab, brachte eine angenehme Ueberroschung und ein« kleine Enttäuschung. Eine Ueberroschung: die Skoronel ist leichter, weicher und in der Fußführung absolut sicher geworden. Die scheinbare SteifHest der Knie beim Niedergehen au» Steilsprüngen mag vom strengen Schulstandpunkt aus als technischer Fehler gerügt werden. Ich möchte sie nicht entbehren, st« gehört zur Eigenart gewisser Skoronel-Tänze. Die klein« Enttäuschung: Anlehnung an Vor- bilder. Einmal an die Wigman, öfter an die Palucca. D!e An- lehnung war nur äußerlich und zweifellos unbewußt. Aber trotzdem, sie hätte nicht sein sollen. Wer die Skoronel hier zum ersten Male sah, bekam«in falsches Bild von ihr. Und daß sie nicht nötig hat, sich mit fremden Federn zu schmücken, zeigt« auch dieser Abend, der in Kompositionen und Borsührungen Werke aufwies, wie sie nur ein« große Künstlerin schaffen kann. 5. L.
„Zur gefl. Ansicht." Nichtssogendes englisches GeseUschastsstück. Frederick Lonsdal« behandelt das Thema der Ehe aus Probe nach englischer Manier, für die zart besaiteten und prüden englischen Ohren berechnet. Der Herzog von Bristol und em anderer Nichtstuer wollen heiraten und gehen gern auf die Bedingung der Frauen ein, mit ihnen vier Wochen wie Mann und Frau zu leben, nachts, bitte sehr, im Hotel. Bereit» noch drei Wochen haben sie sich gründlich satt und gehen auseinander. Dieses sogenannte Lust- spiel ist von überwältigender Harmlosigkeit. Ab und zu lacht man. wenn sich die Partner grobe Wahrheiten an den Kops werfen. Im großen und ganzen ist die Komödie so nichtssagend, die Behandlung des Motivs so albern, daß man, verärgert üb« den verlorenen Abend, die Kammerspiele verläßt. Dabei geben sich die vier Darsteller die redlichste Mühe, Stimmung aufkommen zu lassen. Ida Wüst hat die undankbar« Roll« der asternden und zänkischen Frau. Trotzdem bleibt sie amüsant und sympathisch. Auni M« w e s entwickelt in ihrer unbedeutenden Rolle all«hand Charme,
Theater/ Film. Otto Wallburg stellt die ergötzliche Type eii«s schüchtert«» Liebhabers hin und Gustav G r ü n d g o n s spiest mit überzeugender Echtheit den anspruchsvollen Dümmling von Herzog. Der Reifall war ebenso dünn wie die ganze Komödie. Dxr.
„Bird in Hand." Englische Schauspiele im Deutschen Künstlertheater. Das englische Konversationsstück zeichnet sich im allgemeinen durch eine spärlich bemessene Handlung aus. John Drink- w a t« r s„B i r d in Hand", dos ein Gastspiel des Prince os Wales-Theatre im Deutschen K ü n stl e rt h eo t e r zeigte. macht davon keine Ausnahme: Der sittenstreng«, alte und alt- modisch« Thomas Greenleaf, Besitzer der ländlichen Schenke„Bird in Hand", hat ein« jung«, hübsche Tochter Ioan, der Gerald, Sohn Sir Robert Arnwoods. den Hof macht. Thomas fit überzeugt— und findet es auch in der Ordnung— daß der Sohn eines Sir nicht die Tochter eines Gastwirts heiraten wird. Deshalb will er nichts von der Freundschaft der beiden jungen Leute wissen, die von Ivans Mutter begünstigt oder wenigstens geduldet wird. Die Problemstellung ist, wie man sieht, alles andere als neu. Aber „Bird in Hand" will ein modernes Stück sein, und obgleich der hitzköpfige Thomas Greenleaf dem Musikus Miller nicht viel nach- gibt, so ist doch Sir Robert kein Schürte: mit seinem Segen darf sich am Ende das junge Paar in die Arm« sinken, nachdem vorher zwischen ihm garantiert nichts passiert ist. Die Handlung ist also so primstiv wie möglich: sie ist mir das spärliche Gerüst für amüsante Kanoersation. Der zweite Akt, bei dem das Schlafzimmer zweier Gäste zum Gerichtshof wird, vor dem sich die arme Ioan gegen die Anklagen ihres Vaters zu verantworten hat, ist der Höhepunkt des Stuckes. Um seinetwillen durfte man das Stück auf die Bühne bringen. Die nächtliche Gerichtsverhand- lung> zu der Richter und Beisitzer— die Gäste der Schenke— zum Test in allerprimitivsten Nachtgewändern erscheinen, ist nicht nur reich an drastischem Humor, sondern vor ollen Dingen auch kiinst- lerisch außerordentlich fein aufgebaut und entwickelt. Die Schau- spieler können in dieser Szene alle ihre Fähigkeiten für die Ge- staltung komischer Situationen zeigen. Sie tun es erfolgreich, gc- bändigt durch eine sehr taktvolle Regie, die man während der ganzen Aufführung dankbar empfindet, obgleich— o Wunder für Berlin — lein fettleuchtender Name aus dem Programm für sie Aufmerksam- teit erheischt. Der Schluß mit dem breit gewalzten„happz- end" wird vom deutschen Zuschauer als etwas langweilig empfunden. 1. E. Sch.
„Koter Kost ." Das erste Schauspiel, das aus dem nachrevvlutionären Rußland zu uns kommt, wird getragen vom Reiz des Milieus. Studenten- haus, studentische Zelle, Kontrollkommission der Kommunistischen Partei... man kennt das aus der gegenwärtigen russischen Epik, aber auf der Bühne ist es neu. Nicht nur die Aehnlichkeit gewisser Figuren und Stimmungen mst Bruckners.Krankheit der Jugend" beweist, daß Rußlands Experimentalepock)e im Grunde die nämlichen Trieb- und Ehenote bedrängen wie den überalterten müden Westen. Rur steht für A. K i r ch o n, den russischen Dichter, nicht, wie bei Bruckner die sexuelle Pathologie im Brennpunkt, sondern die Haltung zur Gemeinschaft, die Bewäl)rung in der Ideologie de? Kallektivis- MUS.„Roter R o st": das ist die Erkrankung der Gesellschaft an jenen zersetzenden Individuen, deren Privatleben der offiziellen Moral widerspricht. Roter Rost sind jene, die die gewonnenen Frei- heiten des Ehelebens zur skrupellosen Befriedigung ihrer Instinkt- nützen. Konstantin richtet Nina.zugrunde. Soll er, der durch Ver- dienst« bei der Roten Armee ansehnlich in der Partei wurde, seilt asoziales Verhasten büßen? Ws Diskussion über die mißverstanden- Freiheit, alz Gegenüberstellung von reinlichen Parteimenschen einer neue» Artung und dem bekannten Typus des alten rohen russischen Kraftmenschen präsentiert sich„Roter Rost " zu Beginn. Aber später benehmen sich die neuen Menschen wi« Detektive von Edgar Wovoces Gnaden und Ninas Selbstmord wird enthüllt als Ermordung durch Konstantin. Da sind die hübsch belebten volkabunten Szenen Kirchons(die von Hans Reisiger ins Deutsche übertragen wurden) nicht mehr Zusammenstoß von zwei Zeiten, sondern das beliebt« Katz- und Mausspiel zwischen Polizei und Verbrecher. Bei der szenisch und schauspielerisch trefflichen Uraufführung im Leipziger Schauspielhaus nahm das Publikum keinen Anstoß an der Wandlung zum gewöhnlichen Kriminalstück, sondern quittierte für die derben Schlußsvannungen mit begeistertem Beifall. II. W. „Die Orei um Edith." Atrium. Dieser Kriminalfilin, der abwechselnd in der Kaschemme und der vornehmen Londoner Gesellschaft spiest, scheint eine gewisse Moral zu predigen. Er ruft den jungen Damen der Gesellschaft zu: verliebt euch nicht in die Diebe, auch wenn sie noch so gesell- schaftlich korrekt auftreten und ganze Männer find. Den Gentlemen- dieben aber predigt er: laßt eure Gefühle zu Hause, wenn ihr die reichen Leute bestehlen wollt, verliebt euch nicht in ihre Weiber. denn sie hintergehen euch und ihre Männer spielen euch, selbst wenn ihr chnen das Leben gerestet habt, doch imr falsche Diamanten in die Hand. Ja, das wäre die Tendenz, wenn von einer solchen überhaupt geredet werden darf. Davon abgesehen aber, enthäll der von Erich W a s ch n e ck ausgiebig betreute Film das für diesen Genre vorgeschriebene Quantum von Spannung, von gruseligen Kaschemmenszenen und von mondäner Gesellschaft. Camilla Horn ist die blond« Schönheit— ganz im Geschmack der englischen An- sichtskarte— in die sich der etwas finster blickende, aber prachtvoll männliche Diamantendieb Gustav D i e ß l verliebt, nachdem er ihrem Verlobten Leben und Collier gerettet und von ihm mir nichts dir nichts in sein vornehmes Milieu eingeführt worden ist. Beinahe haste er über dieser dämlichen Liebe, die ihn in Feindschaft mst seinen Kollegen von der Branche und seinem Getreuesten bringt, teilten Plan vergessen, dem Diamantenhändler einen viel wert- volleren Stein zu stehlen. Aber rechtzeitig kommt er davon ab, die Lady kehrt zu ihrem Verlobten zurück und der Dieb erbeutet den— falschen Diamanten. Das kommt dabei heraus. Jack T r e v o r gibt dem Diamanteichändler ganz die gesellschaftliche Sicherheit und über- legen« Schönheit, die erforderlich ist, um die kraftvolle Männlich- keit des Diebes auszustechen. Für einen Minderbegabten Diebstyv leiht Fritz R a s p seine bewunderswerte Visage. r. Selka»lein«te Wolter krauß g-ven ihren diesjährige» Tanzabend am 14. im Schwach tenaal.