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Nr. 540 46. Jahrgang Sonnabend 16. November 1929 Das neue Kraftwerk West. Berlins Elektrizitätswirtschaft ein Erfolg der Sozialdemokratie. 3Me technischen Einzelheiten über das neue Kraftwerk West soirden unsere Leser in der Morgenausgabe des..Aorwärts" vom 15. d. M. Das Werk soll mit einer Leistung von 1.30 000 Kilowatt im Herbst 1930 seine Arbeit aufnehmen. Die Gesamtleistung von 224 090 Kilo wall soll dann im Herbst 1981 abgegeben werden können. Die Erbauung dieses Werkes, das der Stadt Berlin gehört, ist nicht nur eine technische, sonderü auch eine ganz erhebliche kommu- nalpolitische Leistung. Die Elektrizitätsversorgung Ber - lins ist ein Beispiel für die zielbewußt« Wirtschastspoli- tik einer Großgeweind«. Di« Sozialdemokratie ist stolz daraus, an dieser Politik führend mitgewirkt zu haben. Wenn ihre Gegner mit klein- lichen Verdächtigungen und Verleumdungen versuchen, diese Leistungen herabzu- setzen oder zu verkleinern. dann haben wir das Recht, auf das wirklich Geschaffene, auf das Vorhandene hinzu- weisen. Und in diesem Sinne find auch die großen Elektrizitätswerke, die in Berlin in der letzten Zeit vollendet oder in Angriff gc- nommen wurden, ein Sym- bol und ein Kennzeichen für die erfolgreich« Arbeit der Sozialdemokratie innerhalb der größten Stadtgemeinde Deutschlands . » Berlin hat heute noch den billigsten Elektrizitätstarif in Deutsch - land. Während bei den privaten Elektrizitätswerken vor dem Kriege bereits eine Kilowattstunde auf 40 Pf. zu stehen kam, kostet fle in Berlin heute nur 16 Pf., dazu kommt eine bescheidene Grund. gebühr. Die ständig fortschreitende Vervollkommnung der Elektrizi- lätswerke(mechanische Kesielanlagen. mechanische Förderung und Zerkleinerung der Sohle usw.) brachte es mit sich, daß trotz ständig steigender Leistung der Perfonolstaud nicht in gleicher Weise ver- mehrt zu werden brauchte. Die Arbeit des Heizers in einem inodcr- neu Elektrizitätswerk ist in keiner Weise mehr mit der zu ver- gleichen, di« sein Kollege noch vor wenigen Jahrzehnten zu leisten hatte. Hier hat di« Technik wirtlich dazu beigetragen, das Dasein menschenwürdiger zu gestalten. Durch diese technischen Derbesse- rungen konnte auch bis heute der wesentlich unter dem Borkriegs- preise der privaten Werke liegend« Strompreis gehalten werden. Die Verbesserungen der Technik sind also den Verbrauchern und Steuerzahlern restlos zugute gekommen wenn die Elektrizstäts- werk« ganz erhebliche Beträge an die Stadt abgeführt haben, so kann man mit Recht daraus hinweisen, daß die iieberschüste wie» derum der Allgemeinheit zugeführt wurden. Di« Ausgaben einer Stadt können nur durch entsprechende Einnahmen gedeckt werden. lind wenn die Werk« in einer wirtschaftlich so bedrängten Zeit wi« de? unserigen dazu beigetragen haben, den städtischen Haushalt ins Gleichgewicht zu bringen, so kann man das unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Umstünde, in denen wir uns befinden, nicht als eine Ausbeutung der Verbraucher bezeichnen. In den ftädti- schen Werken steckt ein gutes Stück Sozialismus. Sie sind Ein« richtungen, deren Arbeit allein der gesamten Bevölkerung zugute kommt. Eine starke sozialdemokratische Fraktion ist die Voraus- setzung dafür, daß diese Arbeit auch in der Zukunst im gleichen Sinne fortgesetzt wird. Wer morgen zur Wahlurne schreitet, soll sich bewußt sem, daß er durch seine Stimme auch die tatkräftige Arbeit der Sozialdemokratie auf diesem Gebiet fördern kann. Ltgeplui des neuen Kraftwerk*. Dos Trafos der Luffocliiffe. Wossersioff'und Helium. Wer trägt das gewaltig« Gewicht eines Großluftschisfes mit seinen Motoren, Gondeln, Pasiagieren, mit 25 Tonnen Benzin und 114 Tonnen Oel? Es liegt ein einfaches Naturgesetz zugrunde: dasPrinzip des Archimedes ". Taucht man irgendeinen Körper ganz in Wasser, so verliert er an Eigengewicht, und zwar gerade um soviel wie das Wasier wiegt, welches er verdrängt. Das verdrängte Master will nämlich seinen alten Platz wieder einnehmen und drückt den Körper nach oben. Diesen Druck wollen wirA u s t r i e b" nennen. Wiegt nun das verdrängte Wasser weniger als der Körper, ist also der Aus- trieb kleiner als das Gewicht des Körpers, so sinkt dieser unter, z. B. ein Stück Eisen. Ein Kort dagegen, noch so tief unier Master ge­taucht. steigt eilig empor, weil sein Austrieb größer ist als sein Gewicht. Ist zufällig der Auftrieb genau so groß wie das Gewicht, jo kann der Körper weder sinken noch steigen: er schwebt oder ist ausbalanciert, wie das beinah« bei einem Schwimmer zu- triff'. Diese» Gesetz gilt auch für die Luit: jeder Körper verliert in der Luit soviel an Eigengewicht, wie die Lust wiegt, die er ver- drängt. Ein Versuch soll uns das beweisen: Wir bringen in einem völlig luftleeren Kasten aus die eine schale einer Waage cm leeres Litermaß. das oben luftdicht oerschlosten ist. und auf die andere Schale soviel Gewichtstücks, bis die Waage genau im Gleichgewickst ist Lasten wir jetzt Lust in den Kasten, so ist es mil den. Gleich- gewicht vorbei: dos Lstermaß. welches vorher genau so schwer war wie die Gewichsttücke, stt scht leichter geworden. Es steigt, und wir wüsten ihm gerade 1 Gramm zulegen, damit die Waage wieder ins Gleichgewicht kommt. Woher kommt dos? Das Liiermaß nimmt bei gleichem Gewicht«inen viel größeren Raum ein als die Gewicht- stücke. Es verdrängt gerade ein Liier Luft, während die Gewichte viel weniger verdränge:,, und ein Liter Luft wiegt rund ein Gramm. Um dieses Gewicht muß also das Litermaß leichter werden. Wir sagen: ein Litermaß erfährt in Lust einen Auftrieb van einem Gramm. Aus diesen. Versuch ergibt sich noch di« interessante Tatsache, daß alle Wägungen des läglichen Lebens, die wir doch in Luft machen müssen, falsch sind. Eine Wägung ist nur in einem einzigen Fall richtig, wenn Nämlich der gewogene Gegenstand denselben Raum einnimmt wi« das Gewicht. Nun zmn Luftschiss. Das Luftschiff soll in der Luft genau so schweben wie der Schwimmer in, Wast«r. Dazu stt nach unseren Betrachtungen erforderlich, daß das Gewicht des Luftschiff«« mit allem, was drum und dra» hängt, genau so leicht wird oder noch um ein weniges geringer wie das Gewicht der Lufk, di« von dem ge- samten Schiff verdrängt wird. Ein Luftschiff ist ab«r um ein be- deutendes schwerer, weil all« Materialien, die wir beim Bau ver- wenden, auch die allerleichtesten, immer noch schwerer sind alz die Luft. Man muß daher dos Gewicht des Luftschiffes künstlich herab- setzen, indem man die gewaltige Hüll« mit einem Stosf anfüllt, der leichter ist als die Luft. Hierfür stehen im großen Maße nur zwei Gas« zur Verfügung: der Wasserstoff und das Helium. 1. ver Wasserstott. Er ist ein völlig geruch- und farbloses Gas, der leichteste Stosf, den wir bisher überhaupt kennen. Da er rund zehnmal so leicht ist als di« Luft, erfährt ein Liter Wasserstoff in der Lust einen Austrieb von rund einem Gramm, oder anders gesprochen: jede» Liter Wasser- stosf, welches in die Balloichülle hineinkommt, macht das Lufstchifs um ein Gramm leichter: umgekehrt: ersetzt man ein Liter Wasserstoff in der Ballonhülle durch Luft, so wird das Schiff um ein Gramm schwerer. Jedes Gramm Gewicht im Luftschiff erfordert also«in Lster reines Wasterftoffgas, um in der Schweb« geholten zu w«rd«n. Bei einem modernen Großlustschiff müssen in der Hüll« min« bestens SO 000 bis 100000 Kubikmeter Wasterstoffgas untergebracht werden. Woher nimmt die Lufstchiffnhrt dies« gewaltigen Mengen Wasterstoff? Früher nahm man Leuchtgas , mil dein man ja auch die Frei- ballons füllte. Unser Leuchtgas besteht nämlich zur Hälfte aus Wassersioffgas. Es ist aber vermischt mit dem giftigen Kohlenoxyd. welches beinahe ja schwer ist wie Lust. Darum ist der Auftrieb des Leuchtgases kleiner als der von reinem Wasserstosf. Die Ballon­hülle müßte also bedeutend größer sein. Aus diesem Grunde ist man zu reinem Wasterstoffgas übergegangen. Wasterstoffgas kommt in gewaltigen Mengen auf der Erde vor, nämlich chemisch gebunden im Wasser. Schickt man einen elektrischen Strom durch Master, dem man etwas Schwefelsäur« zugesetzt hat, so wird es in zwei Gase zerlegt: in Wasserstosf und Sauerstoff, die getrennt aufgefangen werden. Man nennt diesen Vorgang Elektroly se". Etwas Aehnliches bewirkt der elektrische Strom bei einer Koch- salzlösung. Er zersetzt das sonst so ungefährliche Kochsalz in zwei äußerst gefährliche Stoff«: in Chlorgas und metallisches N a- t x i u m, und dieses spaltet wieder aus dem Wasser den Wasserstosf ab. Diese Elektrolyse oder elektrische Zersetzung von Kochsalz ist in Deutschland bereits sehr hoch entwickelt, so daß Deustchland in der Wasserstofsentwicklung an der Spitze steht. Wasserstoff wird in großen Mengen von Margarinefabriken gebraucht. Es verwandelt nämlich flüssige, stark riechende Oele in harte, geruchlose Fette. Mit dem Stickstoff der Luft verbindet sich Wasserstoff zu Ammoniak, aus dem wieder der Solpeter, ein wichtiges Düngemittel, gewonnen wird. Diese Industrien erzeugen soviel Wasserstosf, daß der lieber- schuß bequem die Bedürfnisse der Lufstchisfahrt befriedigt. Trotzdem besitzen heute die meisten Luftschisfhallen ihr« eigene Elettrolysieranlage, um die Transportkosten zu sparen. Ein Kubik« meter Wasserstoff kostet am Ort 10 Ps., nach Transport 40 Pf. Man leitet den aufgefallenen Wasserstoff in Gasometer oder in unterirdische Hochdruckkessel von 10 Meter Länge und 1 Metex Durchmesser und von hier aus durch holzbskleid«te Kanäle und Stoff* schlauche in die Gaskammern der Hülle, die in ihr eingebettet liegen wie die Bohnen in der Schote. Diese Gaszellen bilden ein« der schwierigsten Fragen des Lust-- schisfbaues. Der Wasserstoff, der leichteste und beweglichst« Geselle unter den Elementen, schlüpft auch durch die«ngsten Poren. Bei Rotglut und unter Druck kann er sogar durch die Wandungen dicker Stahlrohre hindurch. Anfänglich sperrte man ihn m Gaszellen von gefirnißter Leinwand, der Wasserstoff entwich und vermischte sich mit Lust zum hochexplostblen Knallgas,«in« Gefahr, die auch heut« noch nicht völlig überwunden ist. Man fand später, daß di« oberste Haut vom Blinddarm des Rindes, die Goldschlägerhaut, beson­ders undurchlässig ist gegen Wasserstoff. Man baute aus ihr durch Aufeinanderlegen von 7 bis 10 Schichten die Goldschlägerhautzell«. Jedes Rind liefert aber nur einen Streifen Goldschlägerhaut von 15 Zentimeter Breite und I Meter Länge. Darum nahm man Laumwollzeug mit zwei bis vier Schichten Goldschlägerhaut und weiterhin statt der schweren Baumwolle die leichter« Seide und statt der knappen(Boldschlägerhaut andere Därme. Doch die Stofszellen haben die unangenehme Eigenschaft, daß sie begierig die Feuchtig- keit aus dem Wasserstoffgas und der Lust aufsaugen und dann stockig werden und schimmeln. Doch auch die modernsten Gaszellen lassen Wasserstoff im Lauf« der Zeit heraus und Luft hinein. Das erste führt zur Bildung von Knollgas und das andere bewirkt eine Ver- unreinlgung des Wasserstoffes mit dem schweren«anerstoff und Stickstoff der Luft. Die Bildung von Knallgas innerhalb der Hülle ist der Grund dafür, daß man die Motoren und Kajüten außerhalb der Hülle in besonderen Gondeln unterbringen muß und daß das Rauchverbot streng durchgeführt wird. So bietet die Lösung dieses Problems dem Erfindergeist noch ein weites Feld der Betätigung. 2. vas Helium. Das Helium ist ebenfalls ein farbloses und geruchloses Gas. Es wurde nicht auf der Erde, sondern sozusagen ans der Sonne entdeckt. Läßt man Sonnenlicht durch ein Glosprisma fallen, so entstehen die Regcnbogenfarben, die wirSonnenspektrum" nennen. Jedes zur Rotglut erhitzt« Gas erzeugt ein sogenanntes Linienjpektrum: es besteht aus scharstm, oerschieden gefärbten Linien, während das Spektrum von glühenden festen Körpern(glühendes Eisen)«in fort- lausendes Farbenband ist. Das auf Rotglut erhitzte Heliumgas gibt eine sehr schar!« gelbe Linie, die man zum erstenmal bei der totalen Sonnenfinsternis 1868 beobachtete. Man betrachtete nämlich eine Protuberanz, das ist«ine jener gewaltigen Explofionsslammensäulen. auf der Sonn«. Sie bilden sich, wenn bis zur Weißglut erhitzte Gasmassen aus den» Innern in den Weltenrauni hineingeschleudert werden. In dein Spektrum einer solchen Flammensäule fand man nun die gelbe Heliumlinie. Man nannte darum das bis da unbekannte Gas Helium oder Sonnengas. Danach fand man Helium auch aus der Erde in den Gasen aus- brechender Vulkane und im Monazitsand,«iner Gestemsart, die radioaktive Stoff« enthält. Belm Erhitzen von«inem Kilogramm Monazitsand auf 1000 Grad Celsius bildet sich ein Liter Heliumgas. Helium bildet sich Immer beim Zerfall radioaktiver Stoss«. Auch in der Luft kommt etwas Helium vor. Da es aber leichter ist als die Luft, st«igt es mit dem Wasserstosf bis in die höchsten Höhen hinauf. Das Spektrum des Nordlichtes beweist uns, daß in 100 Kilometer Höhe die Atmosphäre nur noch aus Wasserstoff und Helium besteht. Bis zum Jahre 1917 besaß man auf der ganzen Welt nur ein einziges Kubikmeter Heliumgas, das auf die Forschungsinstitute ver- teilt war und hier wie ein Schatz behütet wunde. Es kostete etwa 1 Million Mark. In größeren Mengen tonnte es erst gewonnen werden, als man es in den Erdgasen entdeckte, die aus den Erdölqu«llen mit entweichen, in Kanada , Galizien , Rumänien , in Deutschland , auch in der Lüneburgcr Heid« vorkommen. Aus diesen Erdgasen gewinnt man es auch heute sür die Lustschisfahrt. Die groß« Schwierigkeit besteht darin, das wenig« Helium von den übrigen Erdgasen zu trennen. Man lühlt das Erdgas auf immer ties«re Temperaturen ab, bis auf minus 200 Grad Celsius. Dabei werden alle Erdgase flüssig, nur nicht das Helium. Das Helium verflüssigt sich erst bei minus 268 Grad. Dieses Rohhelium wird nun nach verschiedenen Geheimverfahren, die aber all« auf dem oben beschriebene» Prinzip beruhen, nochmals gereinigt. Das Verfahren war 1925 in Amerika bereits so weit ausgearbeitet, daß ein Kubikmeter Heliumgas nur noch einen Dollar kostete. Man besaß 1925 in Amerika gerade soviel, wie zur Füllung von zwei Luftschissen erforderlich ist. Das Helium ist im Gegensatz zum Wasserstoff nicht brennbar und bildet mit der Luft keine explosiblen Gasgemische. Dies« Eigen- schaft macht es zu einem idealen Traggas für die Luftschiffahrt. Für die deutsche Luftschiffahrt kommt Helium vorläufig kaum in Frage, da es zu teuer ist. Unsere heimische Technik steht einzig und allein vor der'Aufgabe, den Wasserstoff und das Knallgas für dle Luftfahrt völlig imgefährlich zu machen.