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Ttr. 54i.* 46. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 47. November 4929
Lohnkämpfe in Mitteldeutschland  . Arbeitsleistung und Wirtschastserfolg in der Braunkohle.
Zlm Freitag haben die mitteldeuischen vraunkohlenwerke die cohnverhandlungen mi» den Lerarbeilern wegen der Uokragbarkeil-dergesorderlenSchichtlohn- erhöhoog abgebrochen. Sthwere Kämpfe sind möglich. Es sind gerade zwei Jahr« und einen Monat her, daß in den Vrounkohlenrepieren zu beiden Seiten des Elbstromes die Beleg- schosten die Arbeit niederlegten, um eine menschenwürdigere Be- zahiung für ihr« schwer« und gefahrvolle Arbeit zu erkämpfen. Geschlossen traten die Bergarbeiter in den Kampf, weil ihre Wünsche um Verbesserung ihrer Lebensbedingungen von einem halsstarrigen und kurzsichtigen Unternehmertum achtlos in den Wind geschlagen wurden. Mit angeblich wirtschaftlichen Begründungen natürlich. Eine Erfüllung der Bergarbeiterforderungen sollte die Selbstkosten um Beträge erhöhen, die den Bergbau unrentabel machen sollten. Und wie ist es totsächlich gekonnnen, nachdem eine Lohnsteigerung von durchschnittlich 11 Proz. durch Arbeitsniederlegung erkämpft worden ist? Dazu einige Angaben. In O st«lbien stieg während der letzten beiden Jahre also von 1927 bis zum ersten Halbjahr 1929 die monotsdurchschnittliche Kohlenproduktion von 3,5 auf 3L Millionen Tonnen, im w e st elbischen Revier in der gleichen Zeit von 5.1 aus 5,8 Millionen Tonnen. Die durch den Streit erzwungene Lohnerhöhung hat also dem Bergbau nicht nur nicht zum Erliegen -gebracht, sondern die Produktion bewegt sich fortgesetzt in steiler Richtung nach oben. Ein Vergleich mit dem letzten Dorkriegsjahr zeigt, daß die Ge- winnung in einem außerordentlich viel stärkeren Maße gewachsen ist. als die Belegschaft. Setzten wir 1913 gleich 109, so ergibt sich für die beiden betriebswirtschaftlich sehr bedeutsamen Faktoren Produktion und Belegschaft während der einzelnen Jahre folgendes BN»: Oftrlbisch Westelblfch Produttion Belegschaft Produktion Belegschaft 1913 100 100 100 100 1927 161,2 129,8 159,6 100 1928 171,7 13U 180,4 107,4 l.H»wiahr 1929 1784 134.1 180,4 110,3 Diese BerhAtnlsziffern beziehen sich auf den preußischen Berg. bau: für den unerheblichen Rest, der zu den nichtpreuhischen Ländern zählt, ist«ine ähnliche Entwicklung feststellbar. Hier liegen also Rationallsternagserfolge von gigantischen Ausmaßen vor. Wenn in Oftelbien einer Produktionssteigerung von 78,1 Proz. «ine Belegschafteverstärkung von nur 34,1 Proz. und in Westelbien einer mehr als ZOprozentigen Steigerung der Kohlengewinnung eine
Belegschaftsvermehrung von nur etwas mehr als 10 Proz. gegen- übersteht, so ergibt sich hieraus, daß heute auf den einzelnen Arbeiter eine erheblich größere Produttions» menge entfällt, als es in allen Iahren vorher der Fall war. Das Wichtigste hierbei ist, daß sich dies« Entwicklung stetig fortsetzt und auch durch den Streit im Jahre 1928 keine Unter- brechung erfahren hat. Als Beweis dafür mag die Leistung für Arbeiter in den Tagebauen herangezogen werden. Es fördert« davon ein Mann in einer Schicht in Lstelbien Westelbien 1913... 7,7 Tonnen 6,8 Tonnen/ 1927... 14.4. 12,1 1928... 13.0. 12,9. I. Halbjahr 1929... 14,7. 16.1 Auffallend an der Bewegung, die die Ziffern widerspiegeln. ist ihre Slellgkeit und der Umfang der Sletgerung. während im a st elbischen Revier gegenüber dem letzten Vorkriegsjahre 1913 eine mehr als 90prozentige Steigerung der Arbeitsleistung pro wann eingetreten ist. beträgt sie ln den w e st elbifchea Bezirk«» fast 137 Prozent. In demselben Maße, wie sich die Schichtleistung de» einzelnen Arbeiters erhöht, ermäßigt sich der Lohnanteil je Tonn» Kohl«. Dadurch wachsen die Gewinne der Unternehmer, um deren Verteilung auch jetzt wieder zu ringen ist. Aber nicht nur die Stelgerung der Kopfleistung je Schicht ist ein sichtbarer Ausdruck der Rationalisierungserfolge im mitteldeutschen Bergbau, sondern auch die Zahl der Betriebe. Die Zahl der Betrieb« sinkt weiter. Trotzdem von 1913 bis 1927 die Produktion um rund 60 Proz. gestiegen ist, hat sich die Zahl der fördernden Schochtanlogen im gleichen Zeit» räum von 378 auf 263 oermindert. Dies« günstigen Ergebnisie zeigen sich, trotz aller Derschleierungs- fünfte, auch in den Bilanzen der mitteldeutschen Braunkohle» werke. Dividenden von 10 und mehr Drozeoi sind die Regel. All die Riesenunternehmungen, wie Ilse, Niederlausitz  « Kohlen- werke, Bubiag, Eintracht, Anhaltisch« Kohlewwerke, haben im Jahre 1928 10 Prozent Dividende ausgeschüttet, einzelne noch mehr, so beispielsweise die Bitterselder Louisengrub« 14 Prozent und die Prelitzer Braunkohlenwerke 15 Prozent Das olle» bei stet» gender Reservebildung und steigenden Ab- schreibungen. Während der letzten drei Geschäftssahre nahm die.-Ilse* folgetchc offenen Abschreibungen vor: 44 Mill., 54 Mlll»rrt» 6,1 Mill. M. Die entsprechenden Zisfernreihe bei den B raunschweig ischen Kohlen» werken zeigt: 4.2 Mill., 44 Mill. und 52 Mill. M. Aehnliche Steigerungen der Abschreibungen(wie groß mögen die stillen Ab-
schreibungen sein?) haben alle bedeutenden Unternehmungen auf» zuweisen: die Tendenz zu steigend« Reservebildung ist überall vorhanden. Das alles zeigt, daß für den»nitteldeutschen Braunkohl«»- bergbau, die von den Berga   rbeitergewerkschasten geforderte 1 Mark Schichtlohnerhöhung ohne Schwierigkeiten tragbar ist. Was sonst von den Arbeiterverbänden gefordert wird, Verringerung der Spanne zwischen den Kern» und Randrevieren und Aenderungeti in der Lohngruppenverteilung ist kaum als besondere Belastung anzusehen. Im mitteldeutschen Braunkohlenbergbau herrscht schon Jahr« hindurch eine Glanzkonjunktur, an der die Bergarbeiter gerechterweis« teilhaben müssen.
Hoovers großes Beispiel. Konjunkturpolitik in Amerika Deutschland sollte daran« lernen. Wir haben gestern schon gemeldet, daß d« Präsident der De» einigten Staaten, Hoover, für die Mitte der kommenden Wachsein« Wirtschastskonserenz nach Washington   berusen hat. Ber» treter d« Industrie, der Landwirtschast und der Arbeiterschaft sollen mit der Regierung ein Wirtschaftsprogramm beraten, dessen Ziel ein großzügiges Arbeitsprogramm mit der Vergebung von Bau- austrägen für Eisenbahnen, Schissahrt, Gas, Wasser und Elek- trizität ist. Mehrsach haben»vir darauf hingewiesen, wie groß in d« Tat die Befürchtung in den Dereinigten Staaten ist, d« Zusammen» bruch der Börseninslation könne den Ausbruch einer Wirt» s ch a f t» t r i s i s zur Folg« haben. Wir haben mit Nachdruck unterstrichen, daß sowohl die letzte Krediwerbilligung, als auch die von Schatzkanzler Mellon angekündigt« Steuersenkung wesentlich ionjunkturpolitische Ziel« haben. Der neu« Schritt de» USA.-Präsi- denten Hoover beseitigt darüber setzt auch den letzten Zweifel. Di« Vereinigten Staaten sind das Land, in dem der Gedanke einer organischen ironfuntturpolittk mit dem Ziel«, grundsätzlich die Vermeidung von Krisen durch bewußt« Maßnahmen d« Wirtschaftspolitik zu sichern, entstanden ist. Heb« die Mög­lichkeit� einer solchen Zielsetzung, sei e» durch Kredit» oder wirb schaftspolitisch« Maßnahmen, sei es durch ein« Kombination von beiden, mag inan streiten. S« ist auch fraglich, ob die seit sieben Iahren in den Dereinigten Staaten sortdauernde erstaunlich starke Konjunktur bereit» al» Beweis dafür anzusehen ist, daß der Ge- danke der Konjuntturstabilisierung mit Erfolg verwirklicht werden kann. Sich« aber ist da» Vorgehen de» amerikanischen Präsidenten Hoover. der zlveifeiio» d« bedeutendste Wirtschaftskops der ver­einigten Staaten ist. nur au» diesem Gedankenkreis heraus zu oerstehen. Was Hoov« jetzt in Amerika   durchzuführen versucht, ist«in bewußter Akt der Konjunkturregelung, nachdem e» selbst»«. ständlich ist. daß die eingetretenen riesenhaften Kursverluste ange- stchts der Unmöglichkeit, da» übersteigert« Aursniveau«iederher» zustellen, und angesichts der Tatsache, daß die in d« Aktienhausse erzielten Gewinne sich großemeilz in Mehrausgaben und damit i»
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