1929
Der Abend
Erfdelat taglio enter Sonntag Sugleich Abenbausgabe des Borwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin SW 68, Lindenstr.3
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Spätausgabe des„ Vorwärts
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Nr. 546
B 272 46. Jahrgang
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Kappist Pabst will putschen.
Heimwehr gegen österreichisches Verfassungskompromiß.
Bien, 21. November.( Eigenbericht.)
In Junsbrud nahmen die Gauführer der Tiroler Heimwehr dieser Tage nach einem Bericht der Wiener ,, Arbeiterzeitung" ein Referat des Majors Pabst über die Verfassungsreform entgegen. In einer im Anschluß an das Referat einstimmig angenommenen Entschließung heißt es, es bestehe die Gefahr, daß der kompromis süchtige Flügel der bürgerlichen Parteien mit der Sozialdemokratie zu einer Verständigung gelangen tönne. Infolgedessen wäre es notwendig, das jetzt die Heimwehr das Schicksal der Berfassungsreform in die Hand nehme, alle Reserven fallen lasse und endlich handele: fomme,
was da wolle.
Es wurde beschlossen, Vertreter nach Wien und Graz zu entsenden und die dortigen zuständigen Heimwehr stellen über die Stimmung in der Tiroler Heimwehr zu informieren.
Wien , 21. November.( Eigenbericht.)
In der Mittwochfizung des Verfassungsausschusses, die nur dem Unterausschub' für die Verfassungsreform neue Formu wenige Minuten dauerte, erklärte Bundestanzler Schober, daß er lierungen und neue Anträge zu unterbreiten habe, und er bitte, diesen Ausschuß deshalb nochmals zusammentreten zu laffen. Es wurde beschlossen, den Ausschuß am Freitag zusammen zu rufen Strittig ist zwischen der Regierung, den Mehrheitsparteien und der Sozialdemokratie im wesentlichen noch die Stellung von Wien in der neuen Verfassung.
Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei hat für Sonntag eine Reichstonferenz nach Wien mit der Tagesordnung einberufen: Die Verfassungsreform". Die Konferenz wurde in Unbetracht der Verhandlungen der Sozialdemokratie mit dem Bundeskanzler Schober über die Verfassungsreform notwendig. Die Ausschaltung der deutschen Sozialdemokraten. Prag , 21. November.( Eigenbericht.)
Die Berhandlungen zur Neubildung der Regierung haben bis: her immer noch zu einem Ergebnis geführt. Die Beftrebungen der bürgerlichen Parteien gehen dahin, die deutsche strebungen der bürgerlichen Barteien gehen dahin, die deutsche Sozialdemokratie möglichst von jeder Regierungsfombination auszuschalten, während die tschechische Sozialdemokratie mur unter der Voraussetzung in eine Regierung einzutreter gedenkt, daß auch die deutschen Sozialdemokraten beteiligt werden. Mit der Ausschaltung der deutschen Sozialdemokratie erstrebt das Bürgertum die Stärke des sozialistischen Blocks und seiner Auswirkungen im Barlament unwirksam zu machen. Die Verhandlungen werden fortgefeßt.
Die Admirale haben nichts zu sagen. Amerita sendet nur Politifer nach London .
Washington, 21. November.( Eigenbericht.) Der amerikanischen Delegation zur Flottenkonferenz gehören nach einer amflichen Mitteilung außer dem Staatssekretär für das Auswärtige, Stimson , und den Senatoren Reed und Ro. binson der amerikanische Botschafter in London , Dawes, und der Vertreter Amerifas in Paris, Gibson, an. Die Delegation wird begleitet von dem amerikanischen Botschafter in Merito, dem Finanzmagnaten Morrow und dem Marineminiffer Adams. Die beabsichtigte Delegation von zwei Admirälen wurde aufgegeben, da diese Admirale eine Festlegung des Flottenprogramms forderten.
Studenten verprügeln Gesandten.
Chinesische Studentenrache.
Brüffel, 21. November.( Eigenbericht.) Der chinesische Gesandte in Brüssel wurde am Mittwoch von fieben chinesischen Studenten überfallen und durch heftige Schläge über den Kopf verlegt. Die Polizei nahm die Täter feft. Es stellte sich heraus, daß die Studenten aus Rache gehandelt haben, meil auf Grund einer Denunziation der chinesischen Gesandtschaft fürzlich ein chinesischer Student verhaftet wurde, der im Begriff gestanden haben soll, das Gesandtschaftsgebäude in Brand zu fteden.
gierung, die dort fast vollzählig versammelt war, um den öffent lichen Vortrag des Ministerpräsidenten Switalski über die Berfassungsreform anzuhören. Die Polizei trieb die Studenten bald auseinander, die nun vor das Rathaus zogen, wo es neuerdings zu präsident hatte jedoch einige hundert Bolizisten zu Fuß und zu mehrfachen Zusammenstößen mit der Polizei tam. Der PolizeiPferde aufgeboten, so daß die Demonftrationen teinen großen Um fang annehmen konnten.
Ja Warschau verdichtet sich seit gestern das Gerücht, daß es sehr bald zu einer Auflösung des Sejm ohne Ausschreibung von Neuwahlen kommen wird. Man glaubt in einer Schließung des faffung das von der Regierung beschlossene Berfahren vermuten zu Parlaments und der darauffolgenden Aufzwingung einer neuen Ber. müffen, nachdem der Ministerpräsident Switalsti in einer Rede mit aller Deutlichkeit von der geringen Aussicht gesprochen hat, die von der Regierung geforderte Verfassungsänderung auf parlamen . Inzwischen hielt im Rathaussaal der nationale Abg. Profeffor. farischem Wege durchzubringen. Als kaum noch einen Zweifel Stronsti vor einem zahlreichen Publikum eine überaus nationazulassend wird die Aeußerung Switalstis kommentiert, daß innet- listische und deutschfeindliche Rede, in der er der tiefen Unruhe Auspolitische Erschütterungen, auch wenn sie zeitweilig Beun- brud gab, die das Abkommen in breitesten polnischen Kreisen herruhigung hervorrufen sollten, dem langwährenden Zustand einer vorgerufen habe. Gerade in den Westgebieten, nach denen Deutsch „ verfehlten Staatsverfassung vorzuziehen wären. In dem Ein- land seine Hand ausstrede", so sagte der Redner, dürften dem drud, daß Polen vor einem Staatsstreich steht, wird man auch durch Deutschtum feine Zugeständnisse gemacht werden. Schließlich wurde die Krakauer Erklärung des fonservativen Bizevorsitzenden des Reeine scharfe Entschließung angenommen, in der hervorgehoben wird, gierungsblocks Fürsten Radziwill bestärkt, der die geltende Ber- daß das Abkommen verurteilt werde, weil es das Werk der„ entfaffung als„ feit 1926 tatsächlich nicht mehr bestehend" be- nationalisierenden und verbrecherischen Ansiedlungspolitit" befestige. gierungsblods Fürsten Radziwill bestärkt, der die geltende Berzeichnet hat. Die Rede des Ministerpräsidenten Switalffi, die vor allem eine Kampfanfage an die Opposition war, enthielt übrigens auch einen scharfen Borstoß gegen die Minderheiten, von denen der Ministerpräsident fagte, daß ihre Führer faft durchweg ftaatsfeindlich eingestellt wären, so daß die Regierung in der Berfaffungsfrage auf sie nicht rechnen könnte.
denen der Miniſterpräfident fagte, dafs thre Führer faft durchmes Auflösung der Fideikommisse.
Am Dienstag abend veranstalteten die nationalistischen Stubenten im Polytechnikum eine Protestversammlung gegen das unlängst paraphierte deutsch - polnische Ausgleichsabkommen. Die Studenten wollten nach beendigter Versammlung in geschlossenem Zuge vor die deutsche Gesandtschaft ziehen. Ein starter Bolizei. riegel sperrte jedoch die zur Gesandtschaft führende Straße ab, so daß sich die Studenten genötigt sahen, unter Heulen, Pfeifen und Niederrufen weiterzugehen.
Nicht erst in Jahrzehnten!
Der Rechtsausschuß des Preußischen Landtages begann am
Donnerstag die Beratung des Gefeßentwurfes über die Auflösung der Fideikommisse. Der Justizminister Dr. Schmidt mar persönlich erschienen, um die sehr wichtige Gesetzesvorlage zu begründen. In seinem einleitenden Referat führte er u. a. aus:
Auf dem Zuge zum Rathaus, in dem eine Protestversammlung des deutschfeindlichen Westmarkenvereins gegen das deutsch - polnische Abtommen angefeßt war, demonstrierten die Studenten noch vor der Philharmonie durch Gebrüll und Gepfeife gegen die Reettar. Das bisherige Auflösungsrecht frante an einer Reihe
Begegnung.
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W
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Hugenberg: Mir scheint, Herr Hitler , feit wir uns Das letzte Mal tahen, haben Se start zugenommen." Hitler : Stimmt! Und was mi besonders freut: Auf Ihre Kosten!"
Man könnte vielleicht fragen, ob eine so umfangreiche Novelle bei einem abst er benden Recht, wie es, das Fideikommißrecht sei, noch am Blaze wäre. Aber das Gebiet habe auch heute eine große wirtschaftliche Bedeutung. Trotz der im Jahre 1921 begonnenen Auflösung betrage die Größe des familienrechtlich gebundenen Grundbesiges noch immer über 1 Million von Mißständen. Das freiwillige Auflösungsverfahren bedürfe einer Vereinfachung. Bei der jetzigen Regelung müßten vor der frei willigen Auflösung auch die entferntesten Anwärter zugezogen werden, das mache bei einzelnen Familien einen Kreis bis zu 150 Bersonen aus, der über die freiwillige Auflösung zu beschließen hat. Nach der vorliegenden Novelle soll die Zuziehung der drei nächsten Anwärter fünftig genügen.
Das jezige Zwangsauflösungsverfahren frankt an dem Mangel, daß es fich viel zu lange hinzieht.
Nach dem heute geltenden Recht dauert die Zwangsauflösung der Fideikommiffe mehrere Jahrzehnte.
Ja, theoretisch ist sogar der Fall denkbar, daß es noch in huna bert Jahren einzelne Fideiftommiffe geben kann. Deshalb sieht das neue Gesetz als Stichtag den 19. April 1935 vor, an dem die Zwangsauflösung aller bis dahin nicht freiwillig aufgelösten Fideikommisse erfolgt.( 3uruf von den Sozialdemokraten: ,, Das ist noch immer viel zu lange".) Minister Schmidt( fortfahrend): Ja, leider ist aber eine Menge Arbeit zu erledigen, die früher wohl faum beendet werden kann. Schließlich sieht der neue Entwurf eine günstigere Stellung der Fideikommißgläubiger vor,
Sodann ergriff der Berichterstatter Dr. Siegfried Rosenfeld( Soz.) das Wort. Er führte aus, daß die von den Verteidigern des Fideifommißwesens behauptete Verfassungswidrigkeit des neuen Gefeßentwurfes nicht besteht. Der Einwand, daß hier eine acfegwibrige Enteignung der Anwärter vorliege, ist nämlich hinfällig. Der Redner führte aus, welche un moralischen und familien zerrüttenden Wirkungen das heutige Fideitommtkredyt hat, und ging sodann auf die einzelnen, sehr schwierigen Fragen der Materie ein.
Die Sozialdemokratie hat eine Reihe von Anträgen zu dem Gefebentwurf eingebracht. Einer von diefen verlangt, daß der Stichtag für die Auflösung bereits auf den 19. April 1933, also zwei Jahre früher festgesetzt wird. Ein weiterer Antrag verlangt die Berüdsichtigung der Siedlerinteressen, namentlich auch für die Anliegersiedlung bei allen Auflösungen. Die Beratun gen im Rechtsausschuß werden vermutlich mehrere Tage dauern.