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Kr. 54746. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Freitag, 22. November 1929

Wie lebt der deutsche Bauer?

Der Arbeitslohn des Bauern und des Arbeiters.- Fragen an Herrn Prof. Münzinger.

triebes bis zu 4800 m. bewertet!

Dieser Wert entspricht zwar dem üblichen Berkehrswert, oft aller­dings nur von kleinen Barzellen in den untersuchten Gebieten. Keinesfalls fann hieraus jedoch auf einen niedrigen Arbeitsertrag, sondern nur auf zu hohe, wirtschaftlich nicht zu rechtfertigende Boden­bewertung geschlossen werden. Der Bauer bezahlt in dem oft unge­rechtfertigt hohen Verkehrswert eine gewisse Selbständigkeitsprämie dafür, daß er

sollte man annehmen, daß der Mietwert der bäuerlichen Wohnung entsprechend dieser Methode ebenfalls mit 5 Broz. des Wohngebäude­wertes, zuzüglich entsprechenden Abschreibungen und Reparations­fosten, eingesetzt ist. In mehreren Betrieben liegt aber dieser Zins-, Abschreibungs- und Reparatursatz der Wohngebäude um 50 bis 100 Proz. über dem angenommenen Mietwert.

Berdient der Bauer mehr oder weniger als der Industrie| Grund und Boden bis zu 2600 m., der gesamte Kapitalwert des Be- des Rapitalwertes, also auch des Wohngebäudemertes, abzieht, fo arbeiter? Diese Frage ist von landwirtschaftlicher Seite oft aufgeworfen und dahin beantwortet worden, daß das Ein­tommen des Bauern in den legten Jahren weit hinter dem des Industriearbeiters zurückgeblieben ist. Neuerdings hat Pro­fessor Adolf Münzinger von der Landwirtschaftlichen Hoch schule in Hohenheim in zehn süddeutschen Einzelbetrieben dazu einen Bergleich zwischen dem Lohneinkommen des Bauern und des Industriearbeiters in derselben Gemeinde durchführen lassen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen auf den ersten Blid einen Lehr ungünstigen Stand des bäuerlichen Lohneinkommens. Der Männerffundenlohn beträgt in den zehn untersuchten Be­seren nach Münzinger: hue

Betrieb I II III IV V VI VII VIII IX X Bauernfamilie 22 10 45 22 21 10 Landwirtschaft

BO

0 10 24 24 Pf. liches Gesinde. 36 36 31 36 30 30 34 31 35 42 Industriearbeiter ders. Gemeinde 55 50 60 70 70 57 80 60 50 80 Im Durchschnitt für Bauernarbeit nur die Hälfte bis ein Drittel der Industriearbeiterlöhne! Mit Begeiste. rung ist dieses für die bäuerliche Landwirtschaft so ungünstige Ergeb. nis vom Landbund in seine Agitation aufgenommen worden. Mit großen Ueberschriften ,, Bauernarbeit gilt nichts mehr." Binsknecht schaft der deutschen Bauern!" usw. wurden diese Ergebnisse der Mün­zingerschen Untersuchung als neuer Beweis der landwirtschaftlichen und besonders der bäuerlichen Notlage

in die Welt hinauspofaunt.

Bährend es heute offenfundig ist, daß durch die deutsche Agrarfrise in der Hauptsache nur einige tausend ostelbische Betriebe in ihrer Existenz bedroht sind und dem Zusammenbruch entgegentreiben und daß die Lage der bäuerlichen Landwirtschaft, wenn fie auch durchaus nicht allgemein als gut bezeichnet werden fann, fich allmählich beffert, scheint durch die Münzingerschen Untersuchungen der langerfehnie Beweis für die besonders große bäuerliche Not erbracht zu sein. Mit allen Mitteln sucht die großagrarische Führung der Land­wirtschaft mit der Schilderung solcher bäuerlichen Not die Bauern in den Dienst der Großagrarier zu stellen.

Ein Lohnvergleich zwischen Industriearbeiter und Bauer ist nun an und für sich schon außerordentlich schwierig. Man sollte deshalb von einem Wissenschaftler, der solche Lohnvergleiche anstellt, zum mindesten äußerste Sorgfalt und Genauigkeit für seine Untersuchungen

erwarten.

Herr Professor Münzinger gibt aber ein entstelltes und verzerrfes Bild

von dem Lohn des Bauern im Vergleich zu dem des Industrie­arbeiters. Schon die Tatsache, daß auf Grund eines einzigen unter­juchten Wirtschaftsjahres Bergleiche angestellt wurden, obwohl die Wirtschaftserträge eines einzelnen Jahres durch Ernteaus­fall, Glück oder Unglüd im Stall ujw. start nach oben oder unten von einem Mittel mehrerer Jahre abweichen können, entwertet das Ergebnis.

Darüber hinaus sind in der Münzingerschen Untersuchung lauter Fehler enthalten, die fystematisch den rechnerischen Arbeitsertrag des Bauern im Vergleich zu dem des Industriearbeiters he rabießen müssen. Der Männerstundenlohn der 10 Betriebe wurde errechnet, nachdem für das im Betrieb arbeitende Kapital eine Berzinsung von 5 Broz. vor weg abgezogen wurde. Münzinger stellt es zwar jedem Leser frei, einen höheren oder auch geringeren 3insanspruch rorweg abzuziehen; aus seinen Ausführungen fann man jedoch schließen, daß er die Borwegnahme eines 5prozentigen Anspruchs für berechtigt hält.

Ein Borwegabzug einer Kapitalverzinsung im bäuerlichen Be­triebe ist an sich schon sehr problematisch. Besonders auch deswegen, weil der von Münzinger berechnete Zinsanspruch von einem viel zu hoch angejegten Bodentapital vorgenommen wurde. Der rein wirtschaftliche Wert des Grund und Bodens ent­steht ja legten Endes aus der Kapitalisierung des durchschnittlichen Reinertrages vieler Jahre. Wenn z. B. der Reinertrag pro Heftar 100 m. beträgt, so hat das gesamte im Betrieb arbeitende Kapital bei einem Binsfuß von beispielsweise 5 Pro3. einen Wert von 2000 M. In den Münzingerschen Betrieben wird allein der naďte

Herr auf seinem Grund und Boden und nicht einer von vielen Millionen Proletariern ist.

Zieht man, was schon ein sehr weites Entgegenkommen ist, von dem Gesamteinkommen nur eine 5prozentige Berzinsung des Gebäude. fapitals und eine 8prozentige Berzinsung des Betriebs fapitals, aber leinen Bobenzins ab, so ergeben sich in ben 10 Be­trieben folgende, bereits wesentlich höheren Stunden= löhne:

I II III IV V VI VII VIII IX X 28 26 68 58 27 25 16 20 31 39 Pf.

Aber auch diese Löhne sind noch nicht vergleichbar mit dem Industriearbeiterlohn. So wurden in den untersuchten landwirt­schaftlichen Betrieben viele unproduktive Läpper und Füllarbeiten, ebenso sämtliche Zeit für den Weg des Bauern zum und vom Feld voll als Arbeitszeit angerechnet. Dem Industriearbeiter, der vielfach einen Weg von zwei bis drei Stunden zur und von der Arbeitsstätte hat, wurde dagegen der Lohn auf die reine Arbeitszeit berechnet. Das ist unerlaubt und ungerecht. Es fann angenommen werden, daß durch diese ungerechte Rechnunge­weise der Lohn des Bauern im Verhältnis zu dem des Industrie­arbeiters um mindestens 20 Broz. zu tief gerechnet wurde.

Ferner ist in keiner Weise berücksichtigt, daß der Bauernlohn für Lebensmittel normalerweise eine wesentlich höhere Rauftraft hat als der Industriearbeiterlohn, weil

der Bauer für die selbsterzeugten Nahrungsmittel nur den Erzeugerpreis,

der Industriearbeiter aber den meist 50 bis 100 Proz. höheren Kleinhandelspreis bezahlen muß. Vergleicht man einmal den Lebensmittelverbrauch in Haushaltungen von Industriearbeitern ( nach den Hamburger Haushaltsrechnungen) mit dem der bäuerlichen Haushaltungen, so ergibt sich, pro Bollperson bei einer in beiden Fällen durchschnittlichen Lebensmittelausgabe von 400 m. folgender Verbrauch:

für dasselbe Geld Mehl( einschließlich Brot) Milch und Butter, in Milch ausgedrückt.

Eier

..

Berbrauch pro Bollperson

in Hamburger minderbemittelten Saushaltungen etwa 120 kg

212 Liter 127 Stüd

in 10 bäuerlichen Haushaltangen

etwa 180-210 kg 180-210

Es ist unmöglich, hier alle Fehler aufzuzählen, die Mün­zinger gemacht hat und die seine Untersuchungen wissenschaftlich wert­los machen. Die angeführten Beispiele genügen zur Kennzeichnung der Tendenzarbeit.

Wären die Untersuchungen mit der erforderlichen Eraktheit und Sorgfalt vorgenommen worden, so hätte sich in vielen Betrieben ein Arbeitsertrag ergeben, der wesentlich über dem Industrie­arbeiterlohn liegt.

Und das, obwohl in jedem einzelnen Betriebe sehr grobe betriebs­wirtschaftliche Rüdständigkeiten aufgezeigt und nachgewiesen werden, Rückständigkeiten, deren Beseitigung ohne weiteres eine starke Er­höhung des Arbeitsertrages zur Folge haben müßte. Gerade die Münzingerschen Untersuchungen geben einen Fingerzeit, wie start durch Betriebsverbesserungen die Erträge zu heben sind. Kein Industriearbeiter tann einen angemessenen Lohn für Leerlauf und unproduktive Arbeit bekommen. Ebenso muß der Bauer, solange er nicht modernen Geist in seinen Betrieb einziehen läßt, am Ertrag für seine Arbeit zusetzen.

Wir konnten hier nur Stichproben für die Unhaltbarkeit der Münzingerschen Beweisführung geben. Wir müssen ihre Er gebnisse daher aufs schärfste ablehnen. Ausführlicher wurde diese Kritik in Heft 10 der Zeitschrift ,, Die Arbeit" bereits vor einem vollen Monat veröffentlicht.

Herr Professor Münzinger hat es bisher unterlassen, sich gegen die dort erhobenen schweren Vorwürfe der unwissenschaft, lichen Arbeit und, wenn man will, sogar der Bilanzverdrehung zu verteidigen. Er hat sich durch seine Tendenzarbeit eine gewisse Stellung und Autorität in den landwirtschaftlichen Verbänden und Vereinen erworben. Auf jeder größeren Tagung der Landwirtschaft oder des Landbundes tritt er jetzt als Prophet der bäuerlichen Not auf. Auch heute wieder spricht er auf einer Landbundtagung in Berlin über seine Untersuchungen. Wir müssen bei dieser Gelegenheit ernsthaft an Professor Münzinger die Frage richten, ob er zu den von uns erhobenen Vorwürfen nichts zu sagen hat. Dann begrüßen wir ihn als Helfershelfer der Landbundpolitik. Als objektiven Bissen­schaftler fönnen wir ihn jedoch nicht mehr anerkennen, wenn er nicht alle gegen feine Arbeit erhobenen Borwürfe widerlegen kann. H. W.

London folgt New York .

300-500 Liter Die Bant von England ermäßigt den Disfont von 6 auf 5 Prozent.

250-300 Stüd

Bei gleichen Geldausgaben finden wir also trotz des angeblich niedrigen Arbeitsertrages bei den angegebenen Lebensmitteln einen recht erheblichen Mehrverbrauch im bäuerlichen Betrieb als im Arbeiterhaushalt.

Aber auch die Zuverlässigkeit der Bilanzmethode in den einzelnen Betrieben muß start angezweifelt werden. Hierfür nur einige. Beispiele: In einem Betrieb hat sich das Gebäudekapital während des Untersuchungsjahres um 2452,50 M. verringert, während durch Verkauf von Gebäuden und Abschreibungen nur eine Verringe­rung von 1519 M. ausgewiesen wird. Es bleibt eine nicht erklärte Differenz von 933,50 m., um die anscheinend der Anfangswert der Gebäude zu hoch angesetzt wurde. Bei richtiger Bilanzierung hätte der Arbeitslohn in diesem Betrieb um nicht weniger als 50 Proz. erhöht werden müssen. In einem anderen Betriebe wurden für ein Pferd so hohe Abschreibungen angenommen, daß das Pferd, dessen Nugungsdauer mindestens 8 bis 12 Jahre be­trägt, innerhalb von nicht ganz 14 Monaten völlig abge­fchrieben wäre. Aehnliche Beispiele ließen sich in großer 3ahl anführen.

Auch die Wohnungsmiete, eine sehr wesentliche Leistung des landwirtschaftlichen Betriebes für den Betriebsinhaber, ist in mehreren Betrieben viel zu niedrig eingesetzt. Wenn Mün zinger vor Berechnung des Arbeitslohnes eine 5prozentige Berzinsung

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Nr. 10 unsortiert

Die Bank von England hat mit der Befolgung des New- Yorker Beispiels, wo vor acht Tagen unerwartet wieder der Diskont er­mäßigt wurde, eine Woche lang gewartet. Sie hat jetzt den Diskont von 6 auf Proz. ermäßigt, so daß die Spanne zwischen New York und London jetzt 1 Proz. beträgt. Die Rückflüsse von englischen Geldern aus New York nach London und die Nachfragen nach englischen Baluten mit der günstigen Folge der Kurssteigerung waren so reichlich, daß England die Diskontermäßigung vorge nommen hat.

Die Spanne zwischen New Yort und Berlin beträgt jetzt Proz., zwischen London und Berlin noch Proz. Das Zins gefälle zwischen London und New York einerseits und Berlin an dererseits ist an sich nicht so groß, daß die Deutsche Reichsbank des halb schon zu einer Diskontermäßigung zu kommen brauchte. Auf ver anderen Seite dauert die Geldflüssigkeit in New York in außer­ordentlich starker Weise an und die Börse bleibt tot. Das macht Gerüchte erklärlich, wonach in New York mit einer weiteren Distontermäßigung DDN 4,5 auf 4,0 Pro3. gerechnet wird. So fönnte entgegen der bisherigen Auffassung, da auch in Deutschland im allgemeinen die Geldflüssig­teit ziemlich groß ist, die Reichsbant noch vor Jahres ende zu einer Kreditverbilligung schreiten. Zur Wirtschaftsförde-. rung wäre diese Möglichkeit natürlich sehr zu begrüßen.

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