Freie Sozialistische Hochschule.
Die Cherechtereform und die schaffende Frau.
Ueber dieses Thema sprach im Rahmen der freien Sozialistischen Hochschule die Genossin Toni fülf. Einleitend gab sie einige Bahlen, die die Ehefrije unserer Tage als ein allgemeines Problem aller Bevölkerungsschichten beleuchten. Die Scheidungen find in Berlin seit 1913 um das eineinhalbjache gestiegen im Reich haben sie fich verdoppelt, und bas traditionsgebundene tatholische Bayern zeigt jogar eine Steigerung um das zweieinhalbfache. In Deutschland gibt es heute 8½ millionen Frauen über 20 Jahre, die nicht im Stand der Ehe leben, wir haben einen Frauenüberschuß von 2 Millionen, der mit seiner an sich berechtigten Lebens und Liebessehnsucht die bestehenden Ehen bedroht, ferner 11½ Millionen erwerbstätige Frauen, davon 3,7 Millionen verheiratet, und ferner 1 Million Haushaltungen ohne eigene Wohnung. Die Problematik der modernen Ehe liegt darin, daß wohl einerseits die Frau infolge der Erweiterung ihres Gesichtsfreises durch ihre Berufsarbeit weit bessere Kameradin des Mannes ist, als je zuvor, während andererseits ihr das Bewußtsein vom Wert der eigenen Persönlichkeit ihre Einfügung in die Ehe erschwert. Die Ehe selbst hat einen entscheidenden Funt tionswandel durchgemacht. Aus Arbeits- und Schußgemeinschaft ist fie heute, zumal in der Großstadt, zur ausschließlich feelischen Bindung der Ehegatten geworden. Das bedeutet teine Verarmung, sondern Besinmung auf die ureigensten Aufgaben der Ehe, wie sie gegeben sind in der Gestaltung eines wirtlichen echten Liebesverhält nisses und der Hervorbringung einer wertvollen Nachkommenschaft, Aufgaben, die früher niemals für michtig angesehen wurden.
Die Rednerin betonte, daß Gefeße niemals eine Regelung von menschlichen Beziehungen feinster und subtilster Art, wie sie die Ehe ausmachen, bringen tönnen. Die Borschläge der Zeitehe, Probeehe, Kameradschaftsehe und Ehe zu Dritt lehnte sie ab, allers dings nicht ohne menschliche Achtung für die ringenden Persönlichteiten, die dahinterstehen, zum Ausdrud zu bringen. Sie gab als= dann einen historischen Ueberblick über das Entstehen unseres heutigen Eherechtes, das von der katholischen und protestantischen Dogmatik geformt ist. Beiden Bekenntnissen gemeinsam ist die Anschaunug des Ehevollzugs durch die körperliche Vereinigung und darum die entscheidende Bewertung von Ehebruch und böswilligem Berlassen, die bei den Katholiken zur Trennung von Tisch und Bett, und bei den Protestanten zur Ehescheidung genügen. Interessant ist, daß das Preußische allgemeine Landrecht von 1794 bereits das Verschuldungsprinzip bei der Scheidung durch brochen hatte, indem bei beiderseitger Einwilligung und Kinderlosigkeit Trennung möglich war.
An dem Bürgerlichen Gesetzbuch, das 1900 in Kraft trat, hat. ein flerifaler Referent entscheidend mitgearbeitet. Daher anerkennt es als Scheidungsgründe mur Verschulden eines Galten oder unheilbare Beiftestrantheit. Die Rednerin wandte sich mit treffenden Borten gegen das Armselige, Engherzige und Grobsinnige dieser Auffaffung und führte alle jene Gründe an, die die Sozialdemokratie zur Einführung des Zerrüttungsprinzips in die Scheidungsgefeggebung veranlaffen, Grünbe, die auch von dem Angehörigen der Deutschen Bolkspartei, dem Profeffor, Kahl , aus moralischem Sauberteitsgefühl anerkannt werben.
Daß die Sozialdemokratie in ihren Forderungen nicht über radifal und blaß theoretisch ist, wird dadurch bewiesen, daß ihre radikal und blaß theoretisch ist, wird dadurch bewiesen, daß ihre Wünsche ganz oder zum Teil bereits in Da ne mart, Schweden . Estland , Lettland und Tschechoslowakei verwirklicht worden find. Der Grundfaß der einjährigen Trennung vor der endgültigen Scheidung, wie er in Dänemart durchgeführt ist, wäre auch für Deutschland wünschenswert; er gibt ben Gatten die Mögfichfeit, sich vor dem, entscheidenden Schritt noch gründlich zu prüfen. Der Begriff der geistigen Erfrantung als Scheidungsgrund ist im heutigen Geses zu eng gefaßt, er berührt nicht fene Grenzfälle non Gonderlichkeiten und schwerer Hysterie, die manchmal den Bartner zur Berzweiflung bringen können.
Die Rednerin erwähnte dann noch die längst fällige und notwendige Abänderung jenes überholten Gesetzes, das dem Chebredjer nerbietet, mit demjenigen, mit dem er den Ehebruch begangen hat,
eine Che zu schließen. Das Schicksal der Kinder aus ge fchiedenen Ehen wollte sie allein im Interesse der Kinder gestaltet missen. Entscheidend für die Zusprechung der Kinder scll nicht die Schuldlofigleit eines Partners, sondern feine höhere Erziehungsfähigkeit fein. Eine Berreißung der Personenforge und ter Bertretungsforge, die auch eine Berreißung der Kindesfeele bedeutet, ist nicht länger haltbar. Ein Elternteil muß die ganze elter= liche Gemalt haben. Die letzte Entscheidung soll dem Vormundschaftsgericht vorbehalten bleiben.
Der umstrittenfte Bunft ist die Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem schuldlos" geschiedenen Teil, d. h. also in erster Linie gegenüber der Frau. Bisher hat es noch teine Partei gemagt, gegen die Unfittlichkeit zu opponieren, daß die Frau als Ausgleich für ihre zerstörte Che einen lebenslänglichen Unterhaltsanspruch erhält. Eine andersgerichtete Erziehung der Mädchen cuf Berufs- und Persönlichkeitsausbildung wird dies einmal die Frau als größte Demütigung empfinden lassen.
Auch das eheliche Güterrecht ist äußerst reformbedürftig, auch bei seiner Neugestaltung ist das Wichtigste, die wirtschaftliche Selbständigkeit beider Partner anzuerkennen. Wirtschaftliche Selb. ständigkeit allein ist die Grundlage, auf der die selbstbewußte Persön lichkeit der Frau erwachsen fanm.
Hauswirt Piesecke schützt sich vor Bettelei.
ins
Schon wieder so ein Arbeitsloser. Hat man denn nie feine Ruhe?!"
Hur Cin here
30
Himmelfruzitürfen!!- Schon wieder flingelt das!"
ල
„ G0
&
Lin falber Towbeitslos.
Gabe nichts
Piesecke
dies Schild wird helfen. Jetzt werd' ich meinen Nachmittagsschlaf halten."
HABEKING
Bin felber arbeitslos. Gabe nichts
Pie
"
Was iffen los, zum Donner wetter?"
Sie
Männelen, wenn Sie feene Arbeet haben, denn helfense mir mal Zeppichfloppen"
Die kommunistische Partei als Wegbereiter für das Hakenkreuz.
=
Die Gemeindewahlen in Sachsen haben der Sozial. 15513, dessen Erben nun die Nationalsozialisten sind. Auf Demokratie einen sehr schönen Erfolg gebracht, der Kommunistischen Bartet aber eine fer schwere were Niederlage. Gleichzeitig haben die na tionalsozialisten einen gewaltigen Aufschwung genommen. Diese Bewegung ist für die Arbeiterbewegung von großer Bedeutung, sie zeigt, zu welchen Ergebnissen die kommunistische Politik führt.
Die Ergebnisse der Wahl in den fünf Städten Leipzig Dresden , Chemnth, Plauen und Stau zeigen Das folgende Bild:
Sozialdemokratie. Kommunisten Nationalsozialisten Atjoz. Partel.
Gemeindewahl.
som 17, Nov 1929 369 660
9
125 784
64 211
Bandtagswahl pom 12. Mai 1929 303 277
164579
12 423
7 48819 978
+66 383 38 795 +51 788
12 490
Ein statistischer Bergleich über das ganze Land ist im Augenblic noch nicht möglich, doch läßt sich übersehen, daß im Durchschnitt um Lande das Ergebnis entsprechend war.
In Südwestfachsen zeigt sich mit besonderer Schärfe das Bachsen der Nationalsozialisten auf Kosten der Kommunisten. In den Städten Plauen und 3 mida u zusammen er hielten Stimmen:
Sozialdemokraten Kommunisten Rationalsozialisten
Gemeindewahl
Bandtagswahl vom 17. Nov. 1929 Dom 12 Mai 1929
25 396
9
11 781
24 401 17 931 3727
16213 BV
995 + 6150 +12 486 In vielen der mittleren und fleinen ausgesprochenen Proletarierstädte und Proletarierdörfer dieser Gegend tritt das Berhältnis zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten noch schärfer hervor!
Die Nationalsozialisten haben also nicht nur auf Kosten der Deutschnationalen, sondern vor allem auch auf Kosten der Kommunisten gewaltig zugenommen. Es handelt sich um einen Einbruch der Hakenkreuzbeme. gung ins Proletariat, in jene Kreise, bie bisher von den Kommunisten erfaßt worden sind, während die sozialdemokratischen Massen gegenüber der Hafenkreuzpropaganda völlig immun sind.
Die Kommunistische Partei mit ihrer lärmenden Phrasen agitation und ihrem Dittaturgeschrei übt auf ihre Anhänger
diesem Boden, diesem Prüffeld für die Festigkeit und Werbefraft der Arbeiterbewegung, haben die Kommunisten ein glänzendes tasto erlitten. Nach ihrer Theorie hätten sie bort einen überwältigenden Sieg erringen müssen statt dessen haben sie dem antisemitischen Sozialismus des dummen Kerls" den Weg bereitet. Die Sozialdemokratie aber steht fest!
-
Die Auffaffung, als ob die tomumunistische Bewegung eine Borstufe der Sozialdemokratie oder eine besonders rabi fale Spielart der Sozialdemokratie fet, wird durch diese Wahl berichtigt. Es handelt sich bei der Kommunistischen Partei um eine Zerlegungserscheinung, die nicht entschieden genug im Interesse der Arbeiterbewegung befämpft werden fann.
Fünf- Uhr Ladenschluß am Heiligabend.
Gin Initiativantrag der Reichstagsfraktion.
9
Seit langem erstreben die Angestellten des Handelegemerbes ben Fünf 1hr Badenschluß am Seiligabend Im§ 40 des Arbeitsschutzgesehentwurfs soll dieser Forderung entsprochen werden. Sie hat auch bereits die Zustimmung der Reichs regierung und des Reichsrats gefunden. Da der Entwurf jedoch noch nicht verabschiedet ist, haben die Abgeordneten Aufhäuser und Schumann Frankfurt für die sozialdemokratische Reichstags. fraktion einen besonderen Gefeßentwurf eingereicht, durch den der$ 40 bes Arbeitsschußgefeges bereits für dies Jahr in Kraft gefeßt werden soll.
Der frühere Ladenschluß am Heiligabend hat auch die Billigung meiter Kreise der selbständigen Kaufleute und des laufenden Bubiitums gefunden. Man darf also erwarten, daß die Forderung der fozialdemokratischen Reichstagsfrattion erfüllt wird und bereits dieses Jahr am 24. Dezember um 5 Uhr die Räben geschloffen werden.
Der Anschlag auf den Expreß.
か
Softa, 23. November. ( Eigenberichty
Die Meldung von dem Anschlag auf den Simplon- Expreß wird non der bulgarischen Bresse aller Richtungen als unglaubwür
Gedanken zum Reichsehrenmal eber eine erzieherische Wirkung im Geifte der Arbeiter bis und ferbische Mache bezeichnet. Von Belgrad aus fet bisher
En Vorschlag von Ludwig Dettmann . Brof. Budwig Dettmann, der befannte mater und frühere Leiter der Königsberger Kunstakademie , veröffentlicht am heutigen Totenfonntag den Plan zur Gestaltung eines Reichsehrenmals, den er bereits im Juli vorigen Jahres bem
Reichspräsidenten in einer Dentschrift unterbreitet hat. Inmitten eines Boues, so lautet bas Projeft, einer Halle, liegt ein großer Stein. Seine Borderseite trägt folgende Worte:
Infer diesem Stein, in deutsche Erde gebettet, liegt Erde non unseren Grabern aus Flandern , von der Somme, vom Hart mannsmeller Kopf, von Berdun, vom Pripet, pom Styr, Erde aus Bohnnien, englische, afritanijde, italienische, inrise, belgische, polnische Erbe, Erde - aus vielen Ländern, geweihte Erde von den Gräbern unserer Brüder, liegt Erde vom Grunde der Meere, dem Grab unserer Brüder."
Bon jedem Striegergrab draußen soll Erde genommen werden. In Gegenwart der Bertreter des Bolles wird diese Erbe in deutsche Erde gebettet und der Stein darüber getan. Bei Gebenffeiern merden die Berbände ihre Kränze an dem Stein niederlegen, als an den Gräbern ihrer gefallenen Kameraden.
Bräber", fagt Dettmann, müffen wohl vergehen, sonst wäre ja unsere Erde ein ungeheurer Friedhof. Durch meinen Gedanken aber werden die Gräber weiterleben. In einer Gemeinsamkeit, in enger Bereinigung, alle Gräber in einer Grabftelle ein Symbol für unser Batt."
bewegung, noch eine festigende Kraft auf. Ihre ganze Arbeit ist auf den Fang ausgesprochener Protestler frimmen gerichtet. Die Lehre, die ste predigt, ist ganz primitip fozialistifd), so primitiv, daß die Maffen ihrer mit läufer den Unterschied zwischen dem Sozialismus" der Kom begreifen. Im Grunde ist der Unterschieb nicht groß: ber munisten und dem Sozialismus" der Hafenkreuzler nicht Sozialismus" ist hier, mie da primitiv und unverbaut. Die nationalsozialistische Propaganda in Sachsen hat sich bemüht, fich in der Phrase so sosialistisch" wie möglich zu gebärden, und siehe da: die nationalsozialistische Phrase hat sich nielerorts als zugträftiger erwiesen als die fommunistische Phrase.
Die Sozialdemocratie fann bei aller Freude über den eigenen Erfolg diese Verschiebung nicht ohne Besorgnisse sehen. Es ist ihr nicht gleichgültig, daß ein erheblicher Teil Der Arbeiterschaft halilos und innerlig ungefestigt zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten hin- und herschwanit auf einer primitiren Borstufe des Sozialismus, die jeder rabifalen Phrasendemagogie Chancen gibt auf Kosten der Gefchloffenheit der Arbeiterbewegung und zur Freude des Birgeriums.
Die sozialen Ursachen für diefe bedauerliche Erscheinung find leicht zu ergünden: das Maffenelend im Industrieland Sachsen , die besondere soziale Struktur der Arbeiterschaft in Südwestsachsen- einst das Haupttätigteitsgebiet von Mag 1238
immer bei Berhantungen zwischen Jugoslawien und Bulgarien irgendein fenfationelles Attentat gemeldet worden. Belgrad bes zwede mit feinen Meldungen nichts anderes, als Bulgarien vor Europa anzuflagen. Es hintertreibe damit die Berständigung zwischen Jugoslawien und Bulgarien ,
des Sos. Breffeblenft" auf Anfrage mit, daß bis Sonnabend abend Der bulgarische Eisenbahnminister teilte dem Korrespondenten eine pffizielle Mitteilung der jugoslawischen Regierung über das Attentat nicht eingetroffen fel. Der 3ug fei vollständig unbeschädigt in Sofia eingetroffen. Die Aus fagen der Reisenben stimmten dahin überein. daß die Explosion einer Höllenmaschine faum gehört und von einer Banif im gangen Suge nichts bemerkt worden sei.
AW1 Giner beschuldiat den anderen.
Die offizielle Telegraphenagentur der Sowjet- Union besta. tigt den russischen Angriff auf nordmandshurische Städte, ftellt thn jedoch als die Antwort auf vorangegangene chinesische Grenzübergriffe dar.
c
Andererseits wird aus Peting berichtet, daß das chinesische Oberkommando fofortige Räumung der von den Ruffen befehlen Städte binnen 24 Stunden gefordert hat, widrigenfalls d hinesische Armee zum Gegenangriff übergehen werde.