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Nr. 553 46. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
ils Dienstag, 26. November 1929
Der Untergrundbahnbau Neutölln- Gesundbrunnen hat mit besonders großen Schwierigteiten zu tämpfen. Einmal die Untertunnelung der Spree bei der Sonnowizbrücke, dann der riesige dreigeschoffige Untergrundbahnhof Wieganderplatz und die Unter= tunnelung der Bahngleife Der Stettiner Bahn am Bahnhof Gesundbrunnen . Unser Bild zeigt ein interessantes Stadium des Baues, vom Bahnhof Ge= sundbrunnen aus gesehen. Die Strecke, die die Brunnenstraße entlangführt, bieg: furz vor der laberführung im Bogen nach rechts ab, um unter den Gleisen der Reichsbahn entlangzu= gehen. Da die Straße schon etwa 15 Meter über den Gleisen liegt, muß hier der Gleistörper der Untergrundbahn besonders tief geführt merden. Man sieht zwischen den Schienen die Einsteiglöcher, die in den U- Bahnschacht hineinführen. Ein Tompliziertes Gewirr non Trägern
und Balken stützt die Gleise der Stettiner Bahn. Zu gleicher Zeit wird hier ein lebergang vom Bohnhof Gesundbrunnen zum neuen U- Bahnhof geschaffen. Von der Straße aus zum Boden des Schachtes beträgt die Bandhöhe stellenweise 20 Meter. Umfangreiche Ab
Ungeflärter Tod einer Greifin.
Gelbstmord oder Unglücksfall?
Den plöglichen Tod einer betagten Frau sucht die Kriminal polizei aufzuklären. Im House Schröderstraße 15, im Norden Berlins , hewahnte cine 68 Jahre alte Frau Auguste Lippi in ersten Stod eine aus drei Zimmern und Küche bestehende Wohsung. Die drei Zimmer hat sie an drei Herren abvermietet. Infolge beffen war fie in einer geordneten wirtschaftlichen Lage. Am Montag tam ihre 15 Jahre alte Entelin zu Besuch und hielt sich in einem Ramie auf. mährend die Großumiter in der Küche war. Als die elte Frau sich gar nicht sehen ließ, rief das junge Mädchen vom Balton aus eine befreundete Frau herauf und beide gingen zufammen nach der Küche. Hier fanden sie Frau Lippiz an= gekleidet und tot auf ihrem Bett. Der Gashahn stand offen. Es ist nicht anzunehmen, daß Frou Lippizz in selbstmörde rischer Absicht den Hahn aufgedreht haben sollte. Sie war sehr religiös und hafte auch nie Selbstmordgebanken geäußert. Die Ariminalpolizei, die sofort verständigt murde, fand feine Spuren außeren Berlegungen an der Toten. Die Leiche der alten Frou murde beschlagnahmi und nach dem Schauhaufe gebracht.
Keine Spur von den Ausbrechern.
Obwohl 150 Kriminalbeamte mit 15 Polizeihunden unterwegs find, um die aus der Bucher Irrenanstalt entsprungenen Zuchthäusler Garde und Liesegang ausfindig zu machen, ist es noch nicht geglüdt, eine Spur von den Verbrechern zu finden. Dagegen hat man den Komplicen, der den Ausbruch ermäg licht hat, inzwischen ermittelt. Er ist ein 28jähriger Pole namens ichert, der fürzlich aus dem Stettiner Zuchthaus, wo er mehrere
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Damais
Roman von
TwanHeilbut
Irene gab feine Antwort mehr.
,, Eigentlich," fuhr
ber Bater, so leicht als es möglich war, fort, frage ich nicht nur in meinem Namen, sondern vielmehr für Albert de Castro. Du weißt, er wird bald in den Krieg hinaus müssen. Es wäre gut, wenn du dich bald entscheiden wolltest, mein Kind. Heute willst du ja wohl noch nicht, wie, Irene?"
Sie schmieg beharrlich; ihre freie helle Stirne war rot geworden; die Augen blieben auf die Arbeit gesenkt.
Bersteh' mich recht. Ich wünsche nicht, daß du meine Unterredung mit dir auch nur als einen Drud empfindeft. Ich möchte nur, daß wenn in dir die Stimme für Ja entScheldet, du dich nicht durch äußeres Vorurteil, durch Bor eingenommenheit gegen ein abstraktes Prinzip lenten läßt. Denn das wäre ein Unglüd, nicht nur für dich- ich gestehe das offen auch für mich, für uns alle, für deine Mutter, deinen Bruder, für Hohenau . Ich habe dich doch in nichts getränkt?" schloß er ab. Sie schwieg wie vorher. Dann ging er hinaus.-
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Die Nacht, die diesem Tage folgte, mar unheimlich und schwül. Irene riß die Fensterflügel meit auf und fah in den Dunklen Garten hinunter. Der Himmel mar vollkommen von Wolken bededt, der Duft fam schmer, fie mußte das Fenster schließen. Von ihrer Stirn wurde die Scheibe feucht. Sie fühlte, daß niemand im Hause schlief; die Worte des Baters flangen noch einmal vor ihren Ohren, so deutlich, taß sie zusammenschrat. Sie warf sich aufs Bett und mühlte den Blid ins Haar, aber dennoch sah sie das große, in zarten Linien gebaute Schloß mit dem Parf, von den Wundern voll, die ihre Jugend durchfunkelt hatten: Sobenou. und ohne daß sie die Berbindung merkte, stand Albert de Castro vor ihren Augen, fie hörte so deutlich wie vorhin die Worte des Vaters, nun auch seine Stimme, die von puntelm Klang mar, begleitet non der Bewegung seiner
steifungen find notwendig gewesen, um diese Bände, die sentrecht in die Tiefe gehen, zu halten. Trotzdem geschah hier vor einiger 3eit, wie wir berichteten, ein II ng lidsfall. Eine der Bände, belastet durch einen riesigen Dampfbagger, stürzte ein.
Jahre abgehüßt hat, entlossen murde. Seit seiner Entlassung hat er 40 neue Einbrüche verübt. Bichert übermittelte Liesegang und Garde wiederholt asfiber, die er in Blumensträuße hineinflechten ließ. Der Verkäufer dieser Blumensträuße wurde festgenommen. Bichert war dagegen, ebenso wie die beiden anderen Zuchthäusler, bisher nicht zu ergreifen.
Verkehrsunglück in Spandau.
3wei Frauen schwer verletzt.
Am Montag nachmittag ereignete fich an der Ede Ber liner und Breite Straße in Spandau ein Straßenbahnzusammenstoß, bei dem zwei Jahrgäste schwer und mehrere andere leicht verletzt wurden.
Der Betrieb wird an dieser Stelle Spandaus eingleisig durchgeführt. Offenbar haf der Führer eines Straßenbahnwagens der Linie 55E das Lichtsignal, das auf halt stand, übersehen, denn als er in die etwas abschüssige Breite Straße einbiegen wollte, haffe ein Straßenbahnwagen derselben Linie, der aus entgegengesezter Richtung herantam, die Unfallstelle ebenfalls erreicht. Ein Zusammenstoß mar nicht mehr zu vermeiden und beide Wagen prallten mit großer Wucht zusammen. Die Berrons murden eingebrüdt und zahlreiche Scheiben zertrünnnert. Eine Reihe von Fahrgästen erlitten leichte Berlegungen, fie fonnten ihren Beg jedoch bald fortsetzen. 3mei Frauen dagegen, die 58jährige da Bodin aus der Jagomstraße 15 in Spandau und die 48 Jahre alte Luise Hasse aus der Bahnhofstraße in Staafen, trugen so schwere Verletzungen davon, daß sie ins Städtische Kranken haus übergeführt werden mußten. Beide Wagen mußten abge: schleppt merden.
großen Hände, die in irgendeinem musikalischem Zusammenhang mit dem Sinn seiner Rede stand. Ihr Angriff und feine ruhige Antwort, das Geräusch von den Zweigen im Mald wurde laut, und ihre Vorstellung ging noch weiter. Sie schrie auf und ging hastig im Zimmer umher, um jeden Innenlaut zu übertönen. Es wurde schon hell. Sie fieberte wohl.
Erst als die Sonne schon voll die Vorhänge durchdrang, fiel sie in Schlaf.
Tage vergingen, ohne daß sie Entscheidung und Klärung brachten.
in
Uniform. Sein Geficht war gebräunt. Dann fam Albert, wieder an einem Sonntag, und wieder
Sie müssen bald fort?" fragte die Gräfin, als sie auf der Loggia faßen.
,, Bald," entgegnete er, und beobachtete ein Insett, das sich um die weißen und roten Blumen in den Kästen herum= trieb.
Später waren Irene und Albert allein. Und mie es ge wiffen ernsten Menschen eigen ist, halb unbewußt, begannen fie ihr Gespräch eben da, wo sie das legtemai abgebrochen.
,, Sie müssen bald fort," begann Albert ,,, hat mich Ihre Mutter gefragt. In dieser Frage sehe ich deutlich vor ausgesetzt, daß ich nicht Anspruch auf den Titel des Kriegers mache. Ich habe überhaupt immer gefunden, daß die Be geisterung für das Handwerk des Krieges nur von ganz jungen unerfahrenen Menschen erwartet wird; dagegen er regt ein gereifter Mann, auch wenn er schweigend tut mas er muß, cher Bedauern. Es gibt Taten, die man jung, noch beffer gejagt: perfehrt beurteilen muß, um fie ausführen zu können."
Was wollen Sie damit sagen," fragte Irene. Es fiel mir nur auf," fagte 2lbert lächelnd ,, des, Sie müffen bald fort." Sie fürchten sich?" fragte Irene fast spöttisch. Wenn ich mich fürchtete," entgegnete er, ich würde es nicht zu verheimlichen fuchen. Uebrigens- Sie meinen die Furcht vor dem Abschied? Das fönnte wohl sein." Er sah sie an. Nach einer Weile, indes nichts als das Insekt am Blumenfasten die Stille mit seiner Bewegung durchbrochen hatte, begann seine Stimme, feije, perfchieiert:
Ich fahre in den Krieg, es sind wohl nur Tage. Jahre können endlos vorüberschleichen, ehe ich das Glück haben merde, Sie wiederzusehen. Darum muß es mum ausgesprochen,
Profeffor Weidert angefallen. Die Täter feffgenommen!
In der Kaiserswerther Straße in Dahlem wurde gestern abend gegen 7,30 Uhr der Professor Franz Weidert vom Kaiser- Wilhelm- Institut für Silifatforschung, der mit seiner Sekretärin die Straße entlang fam, um sich nach Hause zu begeben, von zwei jungen Burschen angesprochen. Sie versperrten dem Prosessor den Weg und forderten von ihm Geld. Der Prosessor lehnte das ab, worauf die beiden sich auf ihn stürzten und auf ihn einschlugen. Nach Kurzem Handgemenge entrissen sie ihm eine Aktentasche und flüchteten. Der Professor ist nur leicht am linken Auge verletzt worden. Die Täter waren zunächst entfommen.
Zeugen, die auf die Hilferufe des Professors und der Sekretärin hinzueilten, beobachteten dann zwei junge Burschen, die zunächst in den Untergrundbahnhof Thielplay hineinliefen, auf diesem Bahnhof waren sie aber nicht mehr zu finden. Ein anderer Zeuge hatte zwei junge Leute gesehen, die in das am Thielplatz gelegene Café gegangen waren. Polizeibeamte wurden herbeigerufen und nahmen die Burschen fest. Auf dem Polizeirevier wurden die beiden dem Professor gegenübergestellt, der in ihnen mit Bestimmt heit die Täter wiederertannte. Beide bestreiten den leverfall. In dem Café unter dem Tisch, an dem sie gesessen hatten, wurde auch die Tasche des Professors gefunden. Die Täter sind also jeht vollkommen überführt. Es sind der 29 Jahre alte Otto Lehmann aus Wilhelmsaue und der 23 Jahre alte Erich Ludwig aus der Weimarischen Straße.
Beide murden dem Raubdezernat eingeliefert. Es ist zu vermuten, daß sie für weitere Raubüberfälle, die in der letzten Beit in Dahlem verübt worden sind, in Frage kommen.
Theaterbrand in Santiago.
Bier Frauen niedergetreten und verbrannt.
Paris , 25. November. Ein verheerendes Großfeuer zerstörte in der vergangenen Nachf das Splendid Theater in Santiago in Chile . Während der Vorstellung stand plötzlich der Borhang in hellen Flammen, die an der Bühnenausstattung reiche Nahrung fanden. Im Zuschauerraum brach eine Panik aus, alles drängte nach den Ausgänger, und bald entstand eine milde Panik. Vier los über sie hinweg das Freie fuchte. Als das Theater bis Frauen flürzten zu Boden, während die Menge ich o.nungsauf die Grundmauern niedergebrannt war, fand man die verkohlien Leichen der vier Frauen unter den Trümmern. Eine große Anzahl von Berichten mußte sich in ärztliche Behandlung begeben.
Nachdem in sechs Fällen Attentäter durch Hindernisse, die sie auf die Schienen legten, auf den Eisenbahnverkehr in der Umgebung Braunschweigs Eisenbahnanschläge verübten, scheinen sie sich unmehr einer anderen Technik zu bedienen, indem sie die Signalvorrichtungen beschädigen. Am Sonnabend abend wurde auf der Strede Braunschweig- Celle noch innerhalb des braunschweigischen Stadtweichbildes die Fernbedienungsvorrichtung einer Schränke durch Zerschneiden der Bedienungs drähte zerstört. Als der Schrankenwärter beim Herannahen eines 3uges die Schranke herunterlassen wollte, war diese nicht zu bewegen. Ein Unglüd konnte jedoch vermieden werden.
und muß heute gefragt sein. Die Stimme, die in Ihnen die Antwort spricht die Entscheidung, die ich nun erwarte". Er war still, als hätte er damit schon alles gesagt.
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,, Ich glaube," sagte Irene ebenso leise, und sah vor sich hin ,,, ich werde Sie niemals verstehen. Nein, so ich werde immer finden, daß Ihre Worte mir fremd sind, ganz fremd. Ihre Gedanken sind anders, als ich zu denken gewohnt bin. ,, Wenn ich Sie aber zu überzeugen versuchte?"
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Sie schüttelte langsam, ruhig den Kopf. Sie sagte nichts mehr. Nach einer Bause machte er noch einmal den Versuch, zu sprechen. Aber der innere Widerstand, der ihm zu schweigen befahl, wurde für einen Augenblic Herr über ihn. Und dann war es vorbei. Ein Lächeln grub sich in sein Gesicht, er begann von leichten Dingen zu reden.
Nicht lange darauf verabschiedete er sich. Sie sah ihn an, ihr Blid war blau unterquollen. Einander die Hand zu geben, machte niemand von beiden den Versuch.
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Aber oben in ihrem Zimmer war die Fassung dahin. Sie marf fich aufs Bett, fie bis in die Kiffen. Ihr Gesicht war fieberisch rot.
Am Abend klopfte es an der Tür, ihre Mutter war da. Sie schien aus feinem anderen Grunde gekommen zu fein, als nur um zu weinen. Sie nahm die Hand ihrer Tochter, streichelte fie unaufhörlich und wiederholte schluchzend: Gegen sein Herz darf ein Mensch nicht handeln, das ist wahr. Da foll Gott mich beschirmen, daß ich wollte. Du solltest du.. Dann weinte sie wieder laut und streichelte Irenes Hand.
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Als aber ihre Brust leichter mar, fing fie dennoch auf andere Weise an. ,, Nun höre auf mich, Irene, meiy Kind. Glaubst du mir, deiner Mutter, mie früher noch? Du fagst nichts ich weiß ja, du liebst mich wie früher. Ich will dir nun meine Gedanfen fagen. Albert de Costro ist ein ritterficher Mann, ja, ein edler Mann-"
dir
Und
,, Warum schilderst du ihn? Ich kenne ihn ja."
,, Und du hast in seinem Wesen nichts gefunden, das ihn liebensmert machte?"
,, Ja, ich liebe ihn," sagte Irene, fast flüsternd.
,, Du liebst ihn," rief die Mutter und sprang zurüd. ,, Wie?
"
Nein. Du wirft mich nicht perftchen, Mutter: auch ihm jelber kann ich es nicht erklären. Es ist etwas Fremdes in seinem Wesen, ich meiß nicht. mas. Nein, ich mill nicht. ich will nicht, ich tue das nicht Fortiehung folgt)