Einzelbild herunterladen
 

Dienstag

26. November 1929

Unterhaltung und Wissen

Bernhart Rehje: Der Deferteur

Der König von England brauchte Soldaten, um die rebellischen| Kolonisten in Nordamerika   wieder unter die Krone Englands zu zwingen. Der Kurfürst von Hessen- Kassel brauchte Geld, um feine pruntvollen Bauten zu vollenden und seine galanten Frauen zu ergötzen. England gab das Geld, Kassel   die Soldaten. Die Häscher des Kurfürsten zogen durch das Land und holten den Bauern vom Pflug, den Handwerker aus der Werkstatt. Ein Klagen und Jammern ging durch die Dörfer und Städte, ein heimliches Faustballen, ein ohnmächtiges Murren. Die Tore der Kaserne verschlangen die

Männer.

Wo die Diemel in die Weser   mündet, hatten die Kurfürsten den Carlshafen angelegt. Von hier aus gingen die Schiffe den Weserstrom hinat bis ans Meer. Schiffahrt brachte Leben und Erwerb. Viel Volf zog hinzu. Handel und Handwerk konnten die Hände rühren.

Der Mühlenbauer Christian Dietrich Rade hatte nach langer Wanderfahrt seine Wertstatt in Carlshafen   aufgeschlagen. Er hatte helle Augen und starke Arme, die rasch zugriffen. Das Geschäft blühte auf. Bis weit ins Westfälische hinein liefen in der Diemel und in ihren Bächen seine Mühlräder. Und im Hause fang seine junge Frau, die er sich aus der Plüdemühle bei Marsberg   im Diemeltale geholt hatte, und nähte an der Wäsche für das erste Kind, das sie erwartete.

Da pochten eines Tages zwei Soldaten des Kurfürsten mit den Gewehrkolben an seine Werfftattür und zeigten ihm den Ge­stellungsbefehl. Er riß das Papier in Fezzen und warf die Häscher durch das Werkstattfenster hinaus. Zu sechs tamen sie wieder und schleppten ihn nach Kassel   in die Kaserne. In der Nacht brach er aus und forderte fein Recht vor dem Richter. Er sei fein Untertan des Kurfürsten. Seit alten Zeiten fäßen seine Leute als Freifassen auf dem Hof im Medlenburgischen. Mit Brief und Siegel habe er Haus und Grund in Carlshafen   als Freimann erworben. Er ver­lange seine Freiheit. Die Richter steckten die Köpfe zusammen und

wäre nicht in der Heimat. Man habe teine Nachricht von ihr. Da hielt es den Mühlenbauer nicht in der Fremde.

Eines Nachts stand er in Carlshafen vor seinem Haus. Sein Bochen verhallte, fein Licht flammte auf. Sein Schritt ging über die Diele. Da erwachte der Nachkar von dem Geräusch, ihn er fennend, öffnete er haftig seine Tür und zog den Ermatteten in sein Haus. Ein Kind weinte auf. Die Nachbarin legte es ihm in den Arm. Es war sein Knabe. Seine Frau? Man fenfte den Kopf. Sie lag auf dem Friedhofe. Den Starken schlug es hin. Dann hob er sein Geficht: wie tam das alles? Was ist geschehen? Wie durch einen Nebel hörte er eine von Mitleid erfüllte Stimme: die junge Frau konnte die Reise ins Westfälische nicht antreten, meil, wohl durch die Aufregung des Abschieds beschleunigt, ihre schwere Stunde tam. Das Rind wurde geboren und alles war gut. Am dritten Tage tam der Büttel mit einem Schreiben vom furfürstlichen Amt: der Mühlenbauer sei bei dem Versuch zu desertieren, in der Beser ertrunken. Das Eigentum eines Deserteurs sei dem Fistus ver­fallen. Die Frau sei in Haft zu nehmen und zur Verfügung des turfürstlichen Gerichts in Kaffel zu halten. Die junge Frau lag wie tot in den Kissen. Der Büttel hatte ein Herz und ging. Da tam der Amtmann felbft und befahl, die Kranke, die in hohem Fieber glühte, aufzugreifen und ins Gefängnis abzuführen. Die Büttel standen mit schlaffen Armen. Wir Nachbarn umringten den Amt­mann und baten um Aufschub bei Gottes Barmherzigkeit. Er lachte uns ins Geficht: Gottes Barmherzigkeit ist nicht für Gesindel da," und wiederholte den Befehl. Da nahmen die Männer sie auf und trugen sie so behutsam, wie rauhe Hände es vermochten, ins Ge­fängnis. Am andern Tage war sie tot. Der Geschlagene blieb stumm. 3wei Tränen traten aus seinen Augen und sicherten langsam die|

Der

erklärten, den Fall der turfürstlichen Kanzlei vorlegen zu wollen. Anni Francé- Harrar: Man brachte ihn ins Gefängnis zurüd. Christian Dietrich schrieb an den Bater und machte eine Eingabe an die herzogliche Kanzlei in Schwerin  , ihn als Mecklenburger zu reflamieren. Die Kanzlei schwieg. Der Bater antwortete, von Schwerin   sei nichts zu er= warten. Der Herzog wollte es mit dem Better in Kassel   nicht ver­derben. Aber wenn er an seiner Stelle wäre, dann wäre er lieber Soldat als Gefangener. Ein Soldat habe Füße zum Laufen. Der Weg von Carlshafen bis zum Meere sei lang. Auch auf der Weser  sei die Nacht dunkel. Und vieler Herren Länder grenzten an den Strom.

Die Kanalen, die uns auf unseren Marsch in die Bergwälder des Mont Chapeau begleiten, fangen an, sich schrill zuzupfeifen und deuten mit den Händen.

Da lachte Christian Dietrich und ließ sich den Soldatenrod an­ziehen. Als fein Bataillon in Carlshafen   eingeschifft wurde, erhielt er Urlaub, von seiner Frau Abschied zu nehmen. Er sprach zu ihr, sie solle die Tränen aus den Augen wischen. Seine Fahrt ginge nicht nach Amerika  . Morgen solle sie die Botenfuhre nehmen und Diemel aufwärts zur Plückemühle reisen. Dort solle sie bleiben, tis fie Nachricht von ihm erhielte. Ihre Augen lachten wieder in neuer Hoffnung. Doch ihre Lippen hegten Sorge ob des Wagnisses, das er im Sinne habe. Da nannte er sie eine Närrin, die nicht wisse, daß das Wasser des Mühlenbauers Freund sei, und füßte ihr die Angst vom Mund. Ehe die Nacht hereinbrach, verließ das Schiff, gefüllt mit Menschenjammer und Abschiedsschmerz, durchzittert von Flüchen, Beten und Abenteuerlust, den Hafen und glitt die Weser hinab.

Die Nacht verging, der Tag stieg herauf. Das Schiff zog seine Sahn. Der Abend fam mit Wind und Regenschauern. Wolfen zogen über den Mond. Chriftian Dietrich wartete auf seine Stunde. Er fannte den Strom und seine Ufer von mancher Fahrt. Bald mußte die große Biegung kommen. Da fing das Ravensburger  Land an. Das war preußisch. Und Preußen hieß Sicherheit. Um aus dem großen Raum unter Ded, der unter scharfer Bewachung ſtand, herauszukommen, hatte er sich frant gemeldet. Mühlenbauer haben alle das Reißen, wenn sie über Wasser fahren", hatte der Arzt, seiner Krankheit Glauben schenkend, gesagt und hatte ihn in die Revierstube gesteckt. Hier war die Bewachung für ihn ohne Ge fahr. Der Sanitätsforporal war froh, wenn seine Kranten ihm nicht die Nachtruhe störten. Christian Dietrich lag auf seiner Pritsche und beobachtete durch das Bullauge die Wahrzeichen am Ufer, wenn der Mond aus den Wolken brach. Die Hand fühlte nach der Bootsleine, die er schon zu Hause um den bloßen Leib geschlungen hatte. Denn er durfte nicht von der Reling in den Fluß springen, der Aufschlag auf dem Wasser hätte ihn der Wache verraten. Er wollte sich an der Leine die Schiffswand hinabgleiten lassen, um ohne Geräusch ins Wasser zu tauchen.

Da kamen zur Linken die drei Pappeln in Sicht, von denen die mittlere vom Blig halb abgeschlagen war. Das war das Wahr. zeichen, das er gesucht hatte. Gleich mußte die scharfe Biegung tommen, dann waren sie im Ravensburgischen. Jetzt hörte er auch den Ruf des Rubergängers, der die Unterstützung heranrief. Denn die Strömung war hier start. Drei Mann hatten am Steuer voll zu tun, das Schiff in richtiger Fahrt zu halten. Nach der Biegung kam die lange gerade Strede. Da würde die Unterstüßung wieder in die Koje friechen, und der Rudergänger hatte Zeit, sich durch ein Nickerschen von der Anstrengung zu erholen. Der Mühlenbauer wartete noch fünf Minuten, während er die Bootsleine von seinem Leib löste und zum Auswerfen fertig mit dem Endstück über dem Daumen in seine Linke brachte. Dann schlich er, mur mit der Hose befleidet im Preußischen verhalf man gern einem hessischen Deferteur zu Stiefel und Rock aus der Revierstube in den Gang, der zur Schiffstreppe führte. Ghe der Posten zur Treppe zurück fam, war er an Dec.

-

Die Steuerbordwache fuhr auf. Was war das für ein Schatten? Da flirrte eine Kette. Er stürzte an die Reling und sah in dem wiederaufkommenden Mond einen Mann hinabgleiten. Er schlug Alarm. Der Wachoffizier stürzte aus seiner Kajüte. Mann über Bord," meldete Steuerbord. Kommandorufe. Das Schiff stoppte. Die Bachen traten an. Zwei Boote gingen zu Baffer. Fackeln

leuchteten über den dunklen Strom. Gewehrfalven trachten.

Währenddessen schwamm auf der Backbordseite Chriftian Dietrich ans Ufer und warf sich in die Weidenbüsche, bis der Sput auf dem Wasser zerstob. Das Schiff glitt weiter die Weser hinab. Auf der Bataillonsliste wurde ein Name gestrichen.

Christian Dietrich schlug sich durch Ravensburg   ins Paderborner  Gebiet. In Lippstadt   fand er bei einem Meister Arbeit und Brot Ein Bote brachte in die Blüdemühle einen Brief. Der Mühlenbauer rief feine Frau nach Lippstadt  . Der Müller antwortete, die Tochter

Es scheint, daß etwas Außerordentliches sich zwischen den Büschen bewegt. Dieses ohrenbetäubende Pfeifen ist bei ihnen stets ein Zeichen besonderen Interesses. Aber wir fönnen nichts er­

fennen.

Ein Hund, einer der mitgebrachten, schrecklich rafselosen Röter, wie sie jetzt auch in verschiedenen farbigen Siedlungen herum­laufen, fängt, von der allgemeinen Erregung angesteckt, zu winseln und gleich darauf heiser zu bellen an. Einer der braunen Burschen versucht, ihn auf das unsichtbare Etwas zu heben, das immer noch in den niedrigen hellgrünen Wolfsmilchbüschen stedt, aber er ist noch jung und versteht nicht, was er soll.

Beilage des Vorwärts

bleichen Wangen hinunter. Dann raffte er sich auf, dankte den Nachbarn für ihr Mitleid und ihre Hilfe und tat, den Knaben bei guter Gelegenheit zu den Großeltern in die Plüdemühle zu bringen. Die Nachbarn versprachen es und hielten ihr Wort.

Dann verliert sich die Spur des Mühlenbauers im Dunkel des Habichtwaldes.

Der Amtmann von Carlshafen tehrte von einer Jagd nicht zurüd. Auch seine Leiche fonnten die besten Spürhunde des Kur­fürsten nicht finden. Sein Haus ging eines Nachts in Flammen auf. Die Carlshafener hörten den Feuerlärm, aber sie blieben in ihren Betten. Auf den turfürstlichen Domänen flog der rote Hahn von Dach zu Dach. Der Kurfürst raste und setzte hohe Belohnungen aus. Kein Angeber meldete sich. Kein Büttel fonnte den Täter fassen.

Als der Pagenhof in Flammen stand, schrie die Bächterin auf. Im zweiten Stod lag ihr Knabe in der Wiege. Die topflose Wär terin hatte sich gerettet und das Kind vergessen. Die Männer schüttelten den Kopf. Das brennende Haus wäre der sichere Tod.

Da stürzte ein verwilbert aussehender Mann aus den Büschen, setzte die Leiter an und sprang in die Flammen. Den Knaben warf er unversehrt in das bereitgehaltene Tuch. Als er den Fuß auf die Leite setzte, brach die Wand zusammen.

Als am nächsten Tage der Botenfuhrmann von Carlshafen vor­überfuhr und den Toten sah, meinte er, wenn das turfürstliche Amt nicht vermeldet hätte, daß der Christian Dietrich in der Weser er­trunten sei, so möchte er schwören, daß der Tote der Mühlenbauer von Carlshafen   sei.

Das ist die Geschichte des Ahns, der auf eigene Fauft sich rächte an der Gewalt, die mit Menschenleben und Menschenglück spielte, wie mit Kieselsteinen. Der sein Leben hingab, um ein Kind zu retten.

Ich habe sein Geschick niedergeschrieben, wie die mündliche Ueberlieferung es festgehalten hat und wie ich, seiner Seele nach­spürend, es noch einmal mitfühlend erlebte.

flügellofe Vogel

Dann ein Rascheln und Rennen. Die Farbigen stürmen mit Geschrei in großen Sprüngen davon in das offen fich fentende Buschgelände hinaus. Für einen Augenblic taucht ein großer Bogel auf von schönstem bläulichen Taubengrau, der mit unbe­schreiblicher Eile dahinläuft, sich duckt, weiter läuft und plötzlich in einem Gewirr dichter Bandanustöpfe untertaucht. Stöcke und Steine fliegen, die Luft ist voll Lärm, und der Hund, versehentlich durch eines der Geschosse getroffen, heult laut und schmerzlich. Keuchend kommen die am weitesten Fortgehetzten zurüd aber mit leeren Händen. ,, Kagou! Kagoù!" rufen fie fich ärgerlich zu. Und beschimpfen den Köter, der, anstatt das begehrte Bild zu jagen, sich von einem Rnüppel ungeschickterweise hat treffen lassen

-

Auch daß er sehr geschickt sowohl Heuschrecken   fängt, als auch die ungeheuren neufaledonischen Landschnecken, die er überall reichlich im feuchten Humus und an Blättern weidend nach jedem Regen findet, an der vorletzten Windung zu öffnen versteht, um das fette, fast finderfaustgroße Tier zu erlangen. Kurz, er ist der liebens­würdigste Bursche, den man sich nur denken kann, voll von drollige Einfällen, und verdiente es wahrhaftig, daß man ihn schont. Aber man wird es nicht tun, weil der Kolonialeuropäer ja überhaupt in dem Wahn lebt, solange als er seinen Raubbau treibt, sei die Natur unerschöpflich. Und so wird auch der Kagou dahingehen, finnlos, ohne Notwendigkeit, einzig nur um der verwünschten Ber störungsmut des Menschen millen. Schon ist er, den es überhaupt nur auf Neukaledonien   gibt, fast nur auf die füdlichen Bergwälder von Canala beschränkt. Aber um 1950, ja 1930, vielleicht noch früher, wird man ihn auch dort vergebens suchen. Ein oder zwei werden noch ein paar Jahre lang in europäischen   Tiergärten ihr freudlojes Gefangenendafein fristen( einer ist im Tiergarten von Schönbrunn   bei Wien  ), und dann wird eines Tages auch dieses merkwürdige fremde Südseegeschöpf ein Gestorbener unter den vielen Gestorbenen sein, die der Mensch im allgemeinen und der Weiße im besonderen hinter sich zurückläßt.

700 Milliarden qm Neuland

Der phantastische Riesenplan des Münchener   Regierungsbau­Wir freuen uns heimlich, daß die Verfolgung mißglückt ist. meifters Hermann Sörgel  , der durch eine Senfung des Der Kagou ist ein so seltenes Geschöpf, daß er nur noch mit spär- Mittelmeerspiegels um 200 Meter gegen 700 000 Quadrat­lichen Exemplaren auf der Aussterbeliste steht. Kaum weniger foft- filometer Neuland und ungeheure elektrische Energiemengen für bar ist sein Leben als das der berühmten Brückenechse, der Hatteria eine üst en bewässerung gewinnen will, hat bereits vielfach Neuseelands  . Und sicher nicht weniger gefährdet. lebhaftes Interesse gefunden, und Peter Behrend läßt schon die Hochbauprojekte für die Kraftwertbauten bei Gibraltar   und den Dardanellen an der Wiener Akademie bearbeiten. Um auch die

Sonst ist die Zierwelt Ozeaniens   faum voneinander unter­schieden. Auf den einzelnen Inseln handelt es sich höchstens um ein Weniger, nicht aber um ein Mehr. Zwar leben auch noch auf der Marquesasgruppe Kiwis, von denen schon die Maoris erzählten, daß sie nachts wie Ratten über den Urwaldboden huschen. Aber der Kagou( die Wissenschaft nennt ihn Rhinocheta jubatus) ist doch, alles in allem betrachtet, ein so außergewöhnliches Geschöpf, daß wirklich nur die Eingeborenen es fertig bringen, ihn einzig und allein vom Effensstandpunkt aus zu betrachten. Er heißt zwar ,, ncutaledonischer Strauß", aber er ist eigentlich nur eine Ralle, nicht größer wie höchstens ein Ibis, mit einem spitzen Feder: frönchen auf dem Kopf und lebhaften runden Augen. Dieser Bogel, der nicht fliegen kann, weil er feine Flügel besitzt, ersetzt durch Geschwindigkeit des Laufens das fehlende Flugvermögen. Als die weißen noch feine Hunde auf die melanesischen Inseln gebracht hatten und die wenigen eingeführten Katzen noch nicht verwildert waren, besaßen die Kanalen feine Möglichkeit, ihn bei seiner Ge­schwindigkeit im offenen Buschland einzuholen. So sicher fühlte fich der hübsche Bursche, daß er nur ein Stück weit zu laufen pflegte, sich dann niederließ, ein Rad schlug( er kann das nach der Art eines Truthahns) und sich schön machte, als wolle er seine Feinde dadurch verhöhnen. Jezt wird ihm das zum Verderben, und man benützt das bißchen harmlose vertrauensselige Eitelkeit des Tieres, um es zu töten, wo und wie man es erwischen kann. Selten habe ich die Brutalität des Hinschlachtens wehrloser Geschöpfe( denn absolut wehrlos ist der Kagou) mehr empfunden als in Nouméa  , wo ich dann ein paarmal gezähmte Vögel dieser Art fah. Sehr bald ver­lieren fie ihre Scheu vor dem Menschen und gehen ein reizendes, persönliches Freundschaftsverhältnis mit ihm ein. Sie sind über­aus friedfertig, sehr zärtlich und zutraulich und arglos bis zum äußersten. Ist man mit einem zahmen Ragou unzufrieden und schilt ihn aus irgendeiner Ursache, dann breitet er die Flügel aus­einander, kauert sich auf die Fersen nieder und blickt mit gesenktem Hals von unten herauf, gleichsam Verzeihung bittend, empor, fo daß man ihm nicht widerstehen tann. in kleinen Gesell­schaften am offenen Walbrand. Ueber seine Kinder- und Liebeszeit mußte man sehr lange gar nichts, denn in Gefangenschaft hat er menigstens bisher nie gebrütet. Aber sonst tennt man allerlei uftige Geschichten von ihm. Daß er seine Stimme verstellen und nach Art eines Hundes bellen kann, daß er gleich unseren Amseln durch Schnabelschläge die Regenwürmer aus dem Boden llopft".

Ursprünglich lebte er wie es scheint

-

-

allgemeine Deffentlichkeit über seine fühlen und weitschauenden Ge­danken zu unterrichten, behandelt Sörgel die Einzelheiten seines Projettes in einem Aufsatz von Reclams Universum".

,, Unfere heutige Technit", so schreibt er. ,, ist imftande, unermeß­lichen Nutzen daraus zu ziehen, daß das Mittelmeer   nicht durch Buflüsse aus dem Binnenland, sondern hauptsächlich durch den enormen Einstrom vom Atlantischen Meer entstanden ist und sich mur dadurch auf dem gleichen Wasserstand erhält. Bom Atlantischen Ozean fließen heute in jeder Gefunde zirka 87 000 Rubikmeter Wasser ins Mittelmeer  , dazu kommen zirka 3600 Rubikmeter in der Sefunde vom Schwarzen Meer, so daß mit dem übrigen Einzugs­gebiet im Jahr ungefähr 5144 Rubiffilometer vom Mittelmeer   ver­Würden wir alle Zuflüsse ab­braucht, d. h. verdunstet werden. sperren, so sentte sich der Wasserspiegel jedes Jahr um 165 Zenti­meter. Das Mittelmeer   ist ein Verdunstungsmeer. Wenn wir also bei Gibraltar   und Gallipoli Staudämme errichten, die das Zufluß­maffer zurückhalten, belommen wir große Kraftstufen. Darauf beruht im Prinzip die Idee meines Projektes." Durch die künstliche Senfung des Mittelmeers soll ein uralter Wunschtraum der Mensch­heit in Erfüllung gehen, nämlich die Wüsten Afrikas  , die zum Teil unterm Meeresspiegel liegen, zu bewässern und in frucht­bares Land zu verwandeln. Um dies Werf, das Elektrizitätsfräfte von etwa 165 Millionen PS zur Verfügung stellen würde, auszu­führen, müssen Staudämme bei Gibraltar   und zu Chanak an den Dardanellen mit Schleusentoren für den Schiffsverkehr errichtet werden. Da das Wasser bei Chanak nicht gegen das Marmarameer  zu gestaut werden darf, wird bei Gallipoli ein Kanal gebaut, der die heute ins Mittelmeer   abfließende Wassermenge gegen den Xerres­

Golf zu ablenft.

Kanäle, Stollen und Tunnels bei Gabes  , an der Großen Syrte und am Quattaro- Beden am Nordrand der Lybischen Wüste leiten das Mittelmeerwasser in die unter dem Meeresspiegel liegenden Ges

biete Nordafrikas   zur Bildung von Binnenseen und Kultivierung der Sahara  . Die Gefällestufen werden überall ausgenutzt. Ist durch die natürliche Berdunstung der Wasserspiegel des Mittelmeers um etwa 200 Meter gefentt, dann müssen die endgültigen Wafferwerfe bei Gibraltar   und Gallipoli gebaut werden. Legt man für die Aus­führung des schwierigsten Projekteiles, des Gibraltar   Dammes, der etwa 10 Milliarden Kubikmeter Aufschüttungsmaterial verschlingt, die Leistung beim Bau des Mittellandkanals zugrunde, so würde 250 Bagger acht Jahre brauchen, wobei zu beachten ist, daß Damm mit Baggern allein nicht errichtet werden tann.