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Poincaré   über Clemenceau

Zwei Hasser, die sich hassten

Benn George Clemenceau einen polttijden Gegner ein­mal aufs Korn genommen hatte, dann verfolgte er ihn mit einem Fanatismus und einer Grausamkeit, die in ganz Frankreich   sprich wörtlich war. Dann kannte er weder Henmungen noch Rücksichten. Er war dementsprechend gefürchtet, und es gab nur ganz wenige Menschen, die es wagten, den Kampf gegen ihn aufzunehmen. Wes­halb er gerade Poincaré   mit seinem Haß verfolgte, ist nicht recht einzusehen. Wahrscheinlich rührte Clemenceaus Abneigung gegen Poincaré   von den Zeiten der Dreyfus Affäre her, in der sich Clemenceau   sehr frühzeitig für den zu Unrecht verurteilten Generalstabshauptmann einsetzte, während Poincaré   viele Jahre hindurch jede Stellungnahyme ängstlich vermied und erst, nach dem der Sieg entschieden war, den ,, Mut" aufbrachte, Partei zu ergreifen.

An sich hatten Clemenceau   und Poincaré   viele Aehnlich= feiten. Beide waren glühende Patrioten, die jede An­näherung an Deutschland   ablehnten, so lange Elsaß- Lothringen  Deutschland   gehören würde. Beide waren eis falte Naturen, beide formien hassen. Und da nun einmal der Haß zwischen ihnen entbrannt war, wurde er rücksichtslos ausgetragen. Der erste große Zusammenprall zwischen Clemenceau   und Poincaré   erfolgte am Borabend der Präsidentschaftswahl

vom Januar 1913. Clemenceau   hatte sich in den Kopf gefeßt, Poincarés Streben nach der höchsten Stellung im Staate zu durch­freuzen, und führte einen wochenlangen Feldzug sowohl in seinem Blatt L'homme libre" wie auch vor allem hinter den Kulissen des Barlaments gegen ihn. Nur mit einer Stimme unterlag der von Clemenceau   protegierte, an sich bedeutungslose Senator Bams gegen Poincaré  . Für diese Niederlage, die er mit Recht als eine persönliche empfand, wollte sich nun Clemenceau rächen, und er nahm mun den Kampf auch gegen Poincaré   als Staatsoberhaupt auf. Dabei hätte er vom Standpunkt des unversöhnlichen Chauvi­nisten, der den Revanchetrieg herbeisehnte, allen Anlaß gehabt, die Wahl Poincarés als hoffnungsvolles Borzeichen zu begrüßen. Aber bezeichnenderweise stellte Clemenceau   seinen persönlichen Haß höher als das große außenpolitische Ziel seines Lebens.

Nun brach der Krieg anderthalb Jahre später aus. Würden fich menigstens jetzt die beiden alten Gegner im Zeichen des Burg­friedens" und des gemeinsamen Hasses gegen Deutschland   wieder persönlich vertragen? 3unächst schien es so. Im dritten Band féines großen Memoirenwertes, das den stolzen Titel trägt 3 m Dienste Frankreichs  "( deutsche   Uebersetzung erschienen im Baul- Arez- Berlag, Dresden  ) schildert Poincaré   unter dem 6. August 1914 ein erstes Wiedersehen mit Clemenceau, das auf eine baldige Versöhnung schließen läßt:

Seit meinen Einzug ins Elysée habe ich Clemenceau   einmal empfangen, und dieser kurze Besuch, den ein Dritter herbeigeführt hatte, ist ohne Folgen geblieben. Kein Tag ist vergangen, an dem er in Homme libre" nicht etwas Galle gegen mich gefprigt hätte. Gestern morgen aber hat er seinem täglichen Artikel folgende unverhoffte Nachschrifft hinzugefügt: Ich verlasse den Senat, wo uns eine sehr schöne Kundgebung des Prä­fidenten der Republit vorgelesen wurde, die alles, was gejagt merden mußte, in bündigen, kraftvollen Ausdrücken zusammenfaßt. Die hohe Bersammlung hat sie stehend mit nachhaltigem Beifall begrüßt." Ich war der Meinung, daß diese ungewohnte Liebenswürdigkeit zu dieser Stunde eine Höflichkeit meiner­jeits erforderte. Ich ließ Clemenceau   wissen, daß ich mich freuen würde, ihn zu sehen und mit ihm zu sprechen. Er ist ins Einsée gekommen, ohne sich bitten zu lassen.

Dieser drei undfiebzigjährige Greis ist jünger und energischer als je. Er war weit meniger trocken und verschlossen als vor drei Monaten. Er setzte sich zwanglos neben mich, die Hände mie stets in grauen Handschuhen, lehnte den Ellbogen auf meinen Schreibtisch, hörte aufmerksam zu und blickte mir fest ins Gesicht. Bir sprachen lange über Deutschland  , das er nicht liebt, über England, das er achtet, über Desterreich llngarn, das er haßt und verachtet, über Italien  , das er sogleich für unsere Sache gewinnen nröchte. Als er den Namen Elsaß   aus­sprach, überwältigten ihn die Erinnerungen an 1870, und er brach in Tränen aus. Auch ich fühlte, wie meine Augen naß wurden. Als Clemenceau nach einstündigem, fast herzlichem Gespräch ging, jagte ich zu ihm: Komme, was da wolle: wenn zwei Franzosen mit­einander eine so starte Gemütsbewegung empfunden haben, bleibt zwischen ihnen ein unzerreißbares Band." Er blickte mich stumm an und ließ meinen Sah fallen, ohne mir zuzuftimmen oder

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zu widersprechen. Während der Unterhaltung hatte er mich plöglich, mie ehedem, lieber Freund" genannt, aber rein mecha nisch. Er hatte sich nicht verbessert, aber die Wendung auch nicht wiederholt. Er gab auf sich acht, um fortan im höflichen, gleich gültigem Tone zu sprechen. Offenbar ist das Eis nicht ganz gebrochen. As Thomson ihn dieser Tage drängte, mich aufzusuchen, jagte er: ,, Gern." Aber sogleich fuhr er fort: Jur foll nicht von der Bergangenheit gesprochen werden, und ich will meine Freiheit für die Zukunft behalten." für die Zukunft behalten." Die Bergangenheit, das war meine Wahl zum Präsidenten; die Zukunft ist das Un bekannte. Clemenceau   bietet mir also einen Waffensti11­st and an, meiter nichts. Aber angesichts des Feindes ist ein Waffen­stillstand zwischen uns nicht zu verschmähen.

Bald aber sollte die alte Gegnerschaft wieder entbrennen. Clemenceau   übte in den ersten Wochen des Krieges, die bekanntlich für Frankreich   außerordentlich ungünstig und gefährlich verliesen, in Konflikt mit der Zensur. Als Präsident der Senatskommiſſion schärfste Kritik an der Regierung und geriet dabei fortwährend für das Heereswesen besaß er freilich auch in militärischen Kreisen die Regierung Viviani im Zeichen des Burgfriedens" umzubilden, eine starke Autorität. Als Poincaré   Ende August 1914 daran ging, ließ Clemenceau   durch Dritte seine Bereitwilligkeit erkennen, in das Kabinett einzutreten. Angeblich ohne Poincarés Butun blieb jedoch gebracht. Um ihn zu besänftigen, ließ ihn Poincaré   zu fich tommen. Clemenceau ausgeschaltet und war darüber sehr auf Er schildert nun diese am 27. Auguft erfolgte

dramatische Begegnung

in einem, allerdings für Clemenceau fehr wenig vorteilhaften Lichte: Er erschien, sehr düster und offenbar sehr feindselig. Ich versuchte, ihm Messimys Erklärungen über die Räumung von Lille  und über die vom Obersten Kriegsrat geforderte Deklassierung zu wiederholen.

Er hörte mir faum zu.

Er warf mir vor, die Ernennung des Generals Percin zu über den General de Castelnau, denn er ist sehr wechselnd in seiner gelassen zu haben, über den er sich ebenso schroff äußerte wie neulich Animosität. Ich entgegnete ihm, daß der General Percin   feine Bestimmung vor sechs Jahren erhalten habe, wo ich meder Präsident der Republit noch Mitglied der Regierung mar, aber er hörte taum auf das, was ich ihm sagte. Er war mir vor, daß ich die Kriegsberichte nicht übermacht oder nid überarbeitet hätte, als ob irgendein Minister eine solche Einmischung meinerseits hätte zulaffen warf mir vor, ich hätte vor einigen Wochen tönnen und als ob er selbst sie gegebenenfalls geduldet hätte Er

ein kabinett von, Лullen"

gebildet, inn es desto leichter zu beherrschen", als ob er selbst zu anderen Zeiten nicht Vivianis Bedeutung anerkannt und gepriesen hätte und als ob ich jemals über die verfaffungsmäßige Rolle hinaus­gegangen wäre, deren Armjeligkeit mich zumeilen bedrückt, aber deren gewissenhafte Befolgung mir als Pflicht und als Bedingung für die öffentliche Wohlfahrt erscheint. Er warf mir vor, ich hätte gestern ein zweideutiges" Ministerium gebildet, in das die Sozialisten ihre politischen Hintergedanken mit­brächten und in dem Briand, Delcassé   und Millerand selbstsüchtige Sprengungsversuche machen würden, so daß notwendig Unordnung und Niederlage entstehen würden. Er warf mir vor,

ich opferte Frankreichs   Schicksal meinen selbstfüchtigen Absichten. Kurz, er sprach ein paar minuten lang mit der gehässigen, sprunghaften Heftigkeit eines Mannes, der die Selbstkontrolle völlig verloren hat, und mit dem Grimm eines ent­fäuschten Patrioten, der sich allein für fähig hält, den Sieg wieder an unsere Fahnen zu bannen. Wäre ich freier Herr meiner Worte und Handlungen gewesen, ich hätte nicht umhin gefomit, ihm die Tür zu weisen. Aus Rücksicht auf mein Amt und auf sein Alter hielt ich an mich. Immerhin beging ich den Fehler, ihn einmal zu unterbrechen und ihm ungeduldig zu jagen: Das ist eine Lüge." Er antwortete schroff: Wer von Lüge spricht, gegen den fann man dies Wort umfehren." Dann fuhr er in seinen Anklagen fort.

"

Ich blickte starr und verblüfft auf diesen wütenden Greis, der sich von seinen Aengsten erleichterte, indem er eine Flut von Schmähungen gegen mich ausspie. So ließ ich ihn reden, ohne ihm noch weiter zu antworten. Schließlich stand er zorn bebend auf und schleuderte mir diesen letzten Saz ins Gesicht: Nun, und woran denten Sie in einem Augenblid wie dieser? Sich vom Figaro" und von Alfred Capus   beweihrauchern

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8 Uhr Uraufführung Affäre Dreyfus  Schauspiel von René Kästner Regie: H. D. Kenter.

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Vom Teufel geholt

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Theater in der Königgrätzer Straße Täglich 8 Uhr Die erste

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Direktion Dr. Robert Klein Deutsches Künstler- Theat Barbarossa 3937 48 Uhr Ende 11.10 Uhr

Seltsames Zwischenspiel

Regie: Heinz Hilpert  Stg. 1 Dezb.

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Fritzi Massary  Komödienhaus

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Theater

Alte Jakobstr.32 Gastspiel d. Th. d. Westens Täglich 8 Uhr Stg. 5. 84 Uhr Friederike

Der Welterfolg von Franz Lehár  

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Vorvk. 10-2. Kf. 2001 Täglich 8 Uhr Gastspiel des

3 Die andere Selle Deutschen Theaters

in

[

zu lassen." Den Sinn dieses letzten Ausfalls begriff ich erst, nachdem er gegangen tour. Als er vor Betreten meines Arbeitszimmers durch das Kabinett meines neuen Zivilgeneralsekretärs und Freundes Felir Decori ging, hatte er bei diesem Alfred Capus   getroffen, der thm sehr nahe steht und dessen Anwesenheit mir völlig unbefannt mar. Diese Begegnung hatte genügt, um Clemenceaus Groll neue Nahrung zu geben. Sein Wutanfall dauerte noch an, als er mich zu verlassen beschloß. Im Fortgehen wiederholte er, ich würde Frankreich   im Verein mit den regierenden Sozialisten zugrunde richten, und als Abschied rief er mir zu: Ich bin froh, daß ich gehen fann." Als ich ihn in diesem Zustand höchster Erregung jah, antwortete ich ihm nur:

Sie sind toll, was man so toll nennt." Uebrigens hatte er sowohl mir wie Ribot und Thomson gesagt, er schliefe nicht mehr und hielte sich nur noch durch Bromür hoch"

Dann spizt sich der Kampf zwischen Poincaré   und Clemenceau  immer mehr zu. Der dritte Memoirenband schließt unter dem 31. Dezember 1914 mit folgenden Aufzeichnungen:

-

Donnerstag, 31. Dezember. Im Ministerrat teilt Malon strichen hat, den Clemenceau mir gewidmet hatte. Im ersten ,, un­mit: daß die Benjur heute morgen die Hälfte eines Artifels ge­beschnittenen" Teile, der unverändert erschienen ist, erzählt der un ermüdliche Bolemiter, auf mein Anfordern habe Millerand  Dragoner von der Front tommen lassen, um mich morgen bei meinen offiziellen Neujahrsbefuchen bei den Kammer präsidenten estortieren zu lassen. Im zweiten, gestrichenen Teil behauptet Clemenceau, ich hätte den traurigen Mut gehabt, mir meine Repräsentationstosten erhöhen zu lassen, während unglückliche Menschen verhungerten. Menschenverächters gewöhnt bin, der sich von den Menschen ein So sehr ich auch an die ungerechten Phantasien dieses für allemal ein verächtliches Bild gemacht hat, mar ich doch, offen gestanden,

empört über die doppelte Berleumdung,

mit der er in diesen schweren Stunden den Staatsbürger zu treffen sucht, der trog allem die Aufgabe hat, Frankreich   in den Augen der habe daher folgendes Schreiben zu Clemenceau   bringen Frontkämpfer, der Mütter und des Auslandes zu vertreten. Ich lassen:

Herr Präsident! Wie ich heute morgen erfuhr, hat die Benjur einen Aufsatz, worin Sie gegen mich zwei Antiagen erheben, zur Hälfte gestrichen. Selbstredend denke ich nicht daran, mich mit Ihnen über diese Maßregel auseinanderzusehen, aber nachdem ich mich erfundigt habe, mas der zusammengestrichene Artikel enthielt, fann ich nicht umhin, auf Ihre doppelte Be zichtigung eine persönliche Antwort zu geben. Sie sind Senator, marent Ministerpräsident, heißen Georges Clemenceau  ; ich habe heute ein republikanisches Amt vor dem Feinde zu ver jehen; man soll nicht sagen, ich hätte jemals eine Gelegenheit zur Beilegung von Bürgerzwisten verabsäumt.

Sie sind einer doppelten Irreführung zum Opfer gefallen." ( Folgt eine eingehende Widerlegung. Red. d. ,, B.") ,, Somit hat nicht nur niemand die abscheuliche Absicht gehabt, die Sie mir zuschreiben, sondern ich habe auch von selbst einen Brauch einstellen lassen, der zu Mißverständnissen führen

fonnte.

,, 3ch bin starr über die Leichtfertigkeit,

mit der fie die unsinnigsten Gerüchte aufnehmen, wenn Sie Ihren vorgefaßten Meinungen entsprechen. Was Sie mir bei unserer letzten Unterredung jagten, hatte mir ja schon bewiesen, welche merkwürdigen psychologischen Irrtümer Sie be­gehen können, als Sie jemanden a priori fir unwürdig erklärten. Gleichwohl fönnten Sie sich sagen, daß ein Mann, der die Last und die Ehre eines bestimmten Amtes hat, wenn er fein Feigling oder kein Narr ist, durch die unbezwingliche Macht der Umstände morafisch mie physisch außer Stande sein muß, unter Verhältnissen wie den jezigen persönlichen Raum zu geben. Wenn Sie das wirklich nicht begreifen, so bedauere ich Sie, weil in Jhrer Seele eine so blinde Kraft des Haffes und der Berachtung wohnt."

Zu solchen Rechtfertigungen ist ein Präsident der Republit in Kriegszeiten verurteilt, weil es Herrn Clemenceau   so beliebt. Mein Schreiben wird zweifellos unbeantwortet bleiben, aber ich gestehe, daß es mich etwas erleichtert hat.

Welche Demütigung muß es für Poincaré   gewesen sein, und welche Selbstüberwindung muß es ihn gekostet haben, den Mann, über den er so urteilt, zwei Jahre später in einer ver­zweifelten militärischen Lage an die Spizze der Regierung zu berufen!

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