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BERLIN Donnerstag 28. November

1929

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Der Abend

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Nr. 558

B 278 46. Jahrgang

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Friede im Fernen Often.

Mandschurei nimmt Sowjetbedingungen an./ Konferenz vereinbart.

Mostau, 27. November.( Amtlich.) Tichanghjuehliang, der Chef der Mandschurei , stellte

in einem Telegramm au Litwinoff den Antrag, die Lage an der Ostchinabahn, wie sie vor dem russisch- chinesischen Konflikt bestand, vollständig wiederherzustellen, sowie den ehemaligen Direktor und den stellvertretenden Direktor der Oftchinabahn wieder in ihr Amt einzusehen. Wolfskommissar Litwinoff antwortete auit im mend und schlug die Entsendung von chinesischen Bevollmäch tigten nach Chabarowit vor, um die technische Durch führung der erwähnten Vorschläge mit Bertretern des Außenkommissariats und die Festsetung des Termins und des Ortes für die Einberufung einer ruftich. chinesischen Konferenz zu besprechen.

Der Telegrammwechsel Tschanghsuehliangs und Litwinoffs hat folgende Borgeschichte:

Am 21. b. M. traf der ehemalige Angestellte bes Chorbiner d. Sowjettonfulats Rotorin, der nach dem Abbruch der ruffisch- chine fischen Beziehungen dem deutschen Konsulat zur Hilfeleistung für die Sowjetbürger zugeteilt wurde, in Begleitung des ehemaligen Dra­gomans der Ostchinabahn Netschajem und des chinesischen Obersten Wang in Chabaromit ein. Koforin übergab eine offizielle Er flärung des Charliner diplomatischen Kommiffors Tsai, wonach dieser von der Mukdener und der Nanfinger Regierung zu sofortiger Eröffnung von Verhandlungen über die Regelung des ruffisch- chinesischen Konflitts ermächtigt sei und die Sowjet regierung ersuche, Bertreter für eine Zusammenfunft zu ernennen. Der Agent des Außentommissariats in Chabaromit, Simanowffi, übermittelte durch Koforin, der nach Charbin zurückkehrte, die Unt­mort, daß die Sowjetregierung für eine friedliche Beilegung des Konflifts fei, es jedoch als unmöglich erachte, in Berhandlungen ein­zutreten, bevor China die ihm durch Bermittlung der deutschen Re­gierung am 29. Auguft mitgeteilten Borbedingungen erfüllt habe, die auf die Bieberherstellung der Lage, die auf der Dft­chinabahn vor dem Konflitt bestand, auf die sofortige Wiederein. setzung des Direktors und des stellvertretenden Direktors der Ost­chinabahn und schließlich auf die Befreiung sämtlicher verhafteter Sowjetbürger hinausliefen. Tsai leitete dieses Telegramm nach Mutden weiter und Tschanghsuehliang nahm die Bedingungen der Sowjetregierung an.

Republitschutz im Reichsrat.

Das Gesetz mit 50 gegen 16 Stimmen angenommen.

Kammerabgeordnete im Rheinland

Der neue Kurs in Paris. - Gefahren für Tardieu.

Der Festungsfimmel gegen Deutschland .

Baris, 28. November.( Eigenbericht.) Weise Geld verschleudert werbe. Spfort nach der Beröffent Ein von zwei Seifen fommender Angriff bedroht nach der lichung des Defrets fegte ein Sturm der Sozialreaftionären gegen allgemeinen Anficht der Morgenblätter am Donnerstag die Egiffenz das Sozialversicherungsgesetz ein. Der Rammer liegen bereits vier des Kabinetts Tardieu. Die auswärtige Kommiffion der Kammer Abänderungsanträge vor, die von verschiedenen Rechts­hat am Mittwoch auf einen neuen Borstoß des Ueberpatrioten gruppen eingebracht worden sind und die die Verwirklichung der Franklin- Bouillon hin befchloffen, eine Untersuchungsfom- Sozialreform abermals gefährden. miffion einzusehen, die die Erklärungen Briands über die fat­fächliche Enfmilitatisierung der Rheinlandzone an Ori und Stelle nachprüfen soll. Bor allen Dingen foll fie fich über die Zerstörung gewiffer Feftungswerte und strategischer Eisenbahn­linien vergewiffern. Weiter hat die auswärtige Kommiffion ebenfalls auf Antrag Franklin- Bouillons den Abg. Dubois, den ehemaligen Borfihenden der Reparationsfommiffion damit beauf fragt, eine Enquete über die Rüdgabe der beschlagnahmten deut­fchen Güter zu veranstalten. Franklin- Bouillon glaubt nämlich Beweise dafür zu haben, daß die Gebrüder Mannesmann fich in Marotto und Röchling in Cothringen wieder festsehen wollen. Die Finanzfommission der Kammer hat auf Antrag des fozia­listischen Abgeordneten Bincent Auriol mit 16 gegen 12 Stimmen beschlossen, entgegen dem Wunsche des Ministerpräsidenten Tardieu das neue Milliardenprojekt über die Hebung von Landwirtschaft,

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Auszug aus Rußland

Der Reichsrat nahm.in feiner öffentlichen Bollfihung am Donnerstag mittag den Gejebentwurf zum Schuhe der Republif mif 50 gegen 16 Stimmen an. Einzelheiten fellte der Berichterstatter, der preußische Ministerialdirektor Dr. Badt, mit. Staatssekretär 3welgert beantragte namens der Reichsregierung die Zuständigkeit des Reichsinnenminifters wieder her. 3uffellen, weil meist schnell gehandelt werden müffe. Während die preußische Regierung diefem Anfrage des Reiches juftimmte, lehnten Bayern und Sachsen ihn ausdrücklich ab. Der Antrag des Reiches wir hängen an unferer Scholle, Mütterchen, wurde mit 38 gegen 25 Stimmen bei 3 Enthaltungen abgelehnt wollen uns nicht daran hängen laffen!" und darauf das Gesetz felbft angenommen.

Handel Industrie

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Paris , 27. November. Ueber die Sigung des Heeresausschusses der Kammer, in der Kriegsminister Maginot über die Grenzbefestigungsarbeiten be­richtete, bringt die Agence Havas" noch folgende Einzelheiten: Der Kriegsminister mar begleitet von dem Generalstabschef General Debeney. Nach den Ausführungen Maginots sieht der Befestigungs­plan für die vorderfte Linie eine Art Borpostennes( Unter­ftände für Maschinengewehre und Artillerie) vor, dahinter unter­irdische Befestigungsanlagen mit Unterständen für Material und Referven. Abwehrpunkte, versehen mit allen notwendigen Mate­rialien, sollen in der zweiten Linie geschaffen und derart ausgerüstet werden, daß Gasangriffe, Luftangriffe und Angriffe schwerer Artillerie daran abprallen. Endlich sollen mobile Befestigungs­parts, die zur Berstärkung der ersten Maschinengewehrlinie bestimmt find, möglichst nahe herangeführt werden. Zur Ausnutzung der bereits bestehenden Berteidigungsorganisation sieht der Reorgani fierungsplan eine bessere Nutzbarmachung der Sperrforts vor. General Debenen tritt für die Konzentrierung einer möglichst großen Zahl verfügbarer Divisionen an der Grenze ein, um einem plötzlichen Angriff begegnen zu können. Die Kosten für die Verteidigungs­anlagen werden nach Maginot 3 400 000 000 Franks betragen. Die Arbeitszeit wird auf vier Jahre veranschlagt. Die Organt­fation der in der ersten Linie liegenden betonierten Vorposten sol! jedoch noch vor der Räumung der dritten Zone beendet sein.

Aus der an die Rede des Kriegsministers sich anschließenden Debatte ist hervorzuheben, daß Renaudel die sofortige Schaffung einer Luftangriffsflotte forderte, um für alle Fälle zu Beginn der Mobilmachung gerüstet zu sein. Zwei andere Abgeord= nete betonten die Notwendigkeit, die strategische Linie im Süd­often zu vollenden.

Reichsrichter unter Anklage.

Weil sie beleidigt haben.

Der Berliner Publizist Leopold Schwarzschild hat die Senatse präsidenten am Reichsgericht, Reichert, und den früheren Reichsgerichtsrat Bewer megen Beleidigung verklagt. Die erſte Instanz hatte die beiden Beklagten wegen Wahrung berechtigter Interessen freigesprochen. Am 17. Oftober sollte die Berufung Schwarzschilds verhandelt werden, aber die Sigung flog auf, als der Rechtsanwalt Paul Levi , der Vertreter des Klägers, darauf bestand, einzelne Teile aus dem Urteil im Mogens­Jatubomifi- Prozeß zur Verlesung zu bringen. Der Ver­treter der Beklagten , Rechtsanwalt Dr. Eljas, hatte damals dieser für seine Klienten.

Der Kampf gegen die Wirtschaftskrise. Sabel und Smbuftrie ins Budget einzugliedern Tardieu Berlefung widersprochen. Wahrscheinlich fürchtete er ſchlimme Foigen

Ausbau der Kommunalwirtschaft in USA .

Washington, 28. November.

Im Beißen Hause hat wieder eine Besprechung mit Bertretern wichtiger Wirtschaftsgruppen stattgefunden. Diesmal waren etwa 20 Repräsentanten von Konzernen erschienen, die öffentlige Unternehmen betreiben, wie elettrische Kraftmerte, Gasmerte und Straßenbahnunternehmungen. Sie unterbreiteten dem Präsi denten Hopper ein Verbesserungs- und Ausbauprogramm, bas für das nächste Jahr Ausgaben von nahezu 2 Milliarden Dollar vorfieht. Dies bedeutet eine Mehrausgabe von über 100 mil lionen zu demselben 3wed wie in diesem Jahre. Präsident poper nahm diesen Bericht als einen wesentlichen Beitrag zu seinem Plane im Interesse des wirtschaftlichen Fortschritts mit Befriedigung ent­

gegen.

Der Konferenz bei Bräsident Hoover war eine interne Be­fprechung der genannten Wirtschaftsführer in Nem Dorf voraus gegangen, bei der das Ausbauprogramm zur Beratung stand.

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wollte diese Milliardenkredite einem Spezialfonto zuführen. Die Kommission par dagegen, meil sonst das Parlament feine Rontrolle über die Bermendung dieser Summen hat. Wie das Echo de Baris" auf Grund einer Unterredung mit Tardieu mitteilt, mill der Ministerpräsident schon am Donnerstag im Blenum der Kammer gegen diese Beschlüsse protestieren und unter Stellung der Ber trauensfrage die Desapouierung der Kommissionsbeschlüsse verlangen.

Die Marin- Gruppe hat offen erklärt, die Eröffnung der Saar­verhandlungen sei ein bedentliches Bagnis. Zu den außen­politischen Schwierigkeiten kommt nummehr auch eine schwere Gefahr für die Regierung aus der Durchführung der Sozialversiche rung. Der Arbeitsminister Loucheur hat eine Verordnung über die Durchführung der neuen Sozialversicherung erlassen. Das Arbeitsministerium plant, in verschiedenen großen französischen Provinzftädten Gebäude anzukaufen, um darin die Dienststellen der neuen sozialen Versicherung unterzubringen. Es soll sich dabei um Kaufobjekte im Werte von 5 bis 6 Millionen handeln. Die fozialreaktionär eingestellten Kreise erklären, daß hier in ffandalöser

Der Gegenstand des Streits ist bekannt: Schwarzschild hatte im Berliner Tageblatt" unter Berufung auf das erste Jakubowski­Urteil die Frage aufgeworfen, ob nicht fahrlässige Richter unter Umständen zur Verantwortung gezogen werden sollten. Reichsgerichtsrat a. D. Bewer hatte darauf in der, Deutschen Richterzeitung" in einem Was ist Justizmord?" betitelten Artikel Schwarzschild einen rechts beugenden Litraten genannt und ihn wahrheitsmadriger Aeußerungen bezichtigt.

Die heutige neue Berhandlung verläuft äußerst ruhig. Die Verlefung des Urteils im Jakubowski- Nogens- Prozeß scheint mun nichts mehr im Wege zu stehen; ja, es wird sogar das bisher in der Deffentlichkeit völlig unbekannte Gutachten des fächfi­chen Ministerpräsidenten Bünger zur Verlesung gebracht, das feinerzeit auf Veranlassung der Strelizer Regierung erstattet wurde. Der Vorsitzende geht Punkt für Punkt die be­anstandeten Stellen des Bewerschen Artikels durch und stellt als erstes den Vorwurf der Wahrheitswidrigkeit zur Debatte. Der Verteidiger der Reichsrichter, Dr. Elsaß, erklärt,