5Tr. 563* 46. Jahrgang
4. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 1. Oezsmber 1929
Die nächste Wahlschlacht.
Von August Frölich . Eine außenpolitische Frage hat dem im Januar 1927 gewählten Thüringischen Landtage ein um zwei Monate zu frühes Ende gebracht. Zwar waren die bürgerlichen Par- teien in Thüringen sonst ängstlich bemüht. Fragen, die Haupt- sächlich den Reichstag angehen, von der Beratung im Land- tage ouszu'chalten, aber der Noung-Plan und noch viel- mehr das Volksbegehren Hugenbergs veranlaßten die an der Regierungskoalition beteiligten Landbündler und Wirtschaftsparteiler im Verein mit den die Regierung stützenden Deutschnationalen den„Dolchstoß" gegen ihre Koalitionsparteien, die Deutsche Voltspartei und die Demo- traten, zu führen. Bereits bei der Verabschiedung des Etats für das Jahr 1929„ am 23. Juli d. I., stellten die Wirtschafts- purtei, die Deutschnationalen und der Landbund in einer langen Erklärung.Grundsätze" sür d'e.Reparationspolitik des Reiches auf. Die Grundsätze gipfelten darin, daß wir überhaupt nichts mehr zu zahlen hätten und auch nichts mehr zahlen könnten." Von der thüringischen Regierung wurde erwartet, daß sie n'cht nur im Sinne der„Leitgedanken" auf die Regierung einwirken, sondern auch mit den übrigen d e u ts ch e n Länderregierungen wegen einer gleichen Stellung- nähme in Verbindung treten würde, um die„Grundsätze" durchzusetzen. Am 25. September brachten dieselben Parteien, diesmal unter Einbeziehung der Nationalsozialisten, einen Antrag an den Landtag: „Die Regierung wird beaustragt, Im Reichsrat gegen die Ge- setzesoorlage betreffend Annahm« des Haager Abkommens(Pariser Tributplan) zu stimmen." Die„Koalitionsfreunde" der Antragsteller, Volkspartei und Demokraten, schwiegen zu diesem Ueberfall auf Strese- manns Politik und zu dieser Art Unterstützung des Hugen- berg-Volksbegehrens. Das Bestreben, die bestehende Koalition gegen die Sozialdemokratie in Thüringen unter allen Um- ständen aufrecht zu erhalten, blldet die Erklärung sür ihr Schweigen. Die Presse konnte zudem eine aus Kreisen der Regierung stammende Meldung veröffentlichen, wonach das Kabinett mit dem Antrag der Hugenbera-Front einverstanden sei und ihm Rechnung tragen würde. Für die Antragsteller bestand deshalb keine Veranlassung, die Einberufung des Landtages zu verlangen, wohl aber für die sozialdemokratische Landtagsfraktion, die es für nötig hielt, Klarheit in die ver- worrenen Regicrungsverhältnifse zü bringen. Die zwei Demokraten nahmen die erste Landtagssitzung wahr, um aus der Regierungskoalition auszuscheiden. Ihre beiden Regierungsmitglieder zogen daraus jedoch keine Konse- quenzen. Die Regierung fiel erst auseinander, als die Mitglieder des Landbundes und der Wirtschaftspartei ausschieden. Sie benutzten die Erklärung der Demokraten, um den Regierungs- Mitgliedern der Demokratischen und der Deutschen Volkspartei den Stuhl vor die Tür zu setzen. Eine verdiente Lektion für die Demokraten, die sich in Thüringen seit Jahren zu Schleppenträgern des reaktionären Landbundes und der Wirtschaftspartei herabgewürdigt haben. Roch ehe der Antrag der Hugenberger zur Abstimmung kam, hatte so die Regierung kampflos das �eld geräumt. Dazu holten sich die Nachläufer Hugenbergs"noch die verdiente Niederlage: ihr Antrag, die Thüringer Regierung gegen den Poung-Plan einzuspannen, wurde abgelehnt. Das Schlußergebnis der großen Aktion: Die Blockgenerale Hugenberqs wollten den Thüringer Land- tag. und über die Thüringer Regierung d'e Länderregierungen in die Hugenberg-Front einbeziehen. Erreicht haben sie die Ablehnung ihres Antrages, den Sturz der Regie- r u n g und die von der Sozialdemokratie gefor- derte Auflösung des Landtags. Gegen die Sozialdemokratie haben sich nun die feind- sichen Brüder mit Ausnahme der Demokraten im Wahlkampf wieder zusammengefunden. Im Jahre 1924 kämpfte der von der Reichswehr diktierte„Ordnungsbund" gegen die„Miß- Wirtschaft" der bis dahin regierenden Sozialdemokratie. Nach der Wahl glaubten die'e Kleinstaatenpolitiker den„Marxis- mus" dauernd niedergekämpft zu haben. Sie begannen ihre Arbeit mit der Entfernung von sozialdemokratischen und republikanischen Beamten, mst dem Niederreißen des sozial- demokratischen Verwastungs- und Kulturaufbaues, und vor ollen Dingen mit einer Jnteresienpolitik beim Wbau der Realsteuern und der Steuern im allgemeinen, die Thüringen nahe an den Rand der Bankerotterklärung brachte.
Der Abschluß des letzten Etats des sozialdemokratischen Finan,zministers brachte dem Lande einen Ueberschuß von 3,5 Millionen Mark, Folgende Etats bis zum Jahre 1926 breachten weitere Ueberschüsse von weiteren 18 Millionen Mark. Seit 1927 sind die Etats nicht mehr ausgeglichen worden und schließen beim Rechnungsabschluß mst erheblichen Fehl- betrügen ab. Regierungskrisen und Rücktritte von Finanz- ministern änderten nichts an d'efer„Finanzpolitik".„Wirt- schaftspartei" und Landbund drückten dieser Politik den Stempel auf. Der Landbund propagierte im Lande nicht nur den Käufer-, sondern auch den Steuerstreik: sein Führer Höfer proklamierte eine dreijährige Steuerfreiheit für die Landwirtschaft. Die Wirtichaftspartei sorgte für den Hausbesitz und den sogenannten Mittelstand, insbesondere für den Einzelhandel. Daneben trat sie gegen die Konsumvereine, gegen eine staat- liche Beschaffungsstelle und gegen jeden Fortschritt auf arbeits- rechtlichem und sozialoolitischem Gebiete mit Entscbiedenhest auf.„Die schlimmste Blüte des politischen Stumpfsinns"— wie die Volkspartei die Wirtschaftspartei nannte— hatte erreicht, daß der Thüringer Hausqrundbesitzer 78 Proz. der Friedensmiete erhält und das Land nur 42 Proz. Auf- wertungssteuer, während die Sätze in Preußen 72 Proz. und 48 Proz betragen. Noch im Frühjahr 1929 handelten WirtsSrnftsvartei und Land b und dem Finanzminister eine Million Realsteuern ab, obwohl der Finanzdalles schon offenkundig war. Alle Re- g'erungsparteien gaben dem Finanzminister das schriftliche Versprechen, für anderweitige Deckung besorgt zu sein. Durch ein„Notopfer", in dem eine Kopfsteuer und die Erhöhung der Wohnunasmiete um 2 Proz. hauptsächlich zugunsten der Staatskasse, die Hauptrolle spielten, sollte das Versprechen eingelöst und das Etatsdefizst für 1929 auf 5 Millionen Mark gesenkt werden. Das„N o t o p f e r" wurde vom Landtag mit Hilfe der Demokraten in seinem unrühmlichsten Punkte abgelehnt, was den demokratischen Minister Paulßen nicht hinderte, die- selbe Vorlage noch einmal an den Landtag zu bringen, wo sie jetzt begraben liegt. Genug von der bürgerlichen Regierungs- k u n st: sie wollten alles besser machen, als ihre Vorgänger die Sozialdemokraten, darum haben sie s e ch s m a l in einem Zeitraum von 5�,- Jahren die Regie« rung gewechselt oder umgekrempelt.
Von der Sozialdemokratie haben sie ein schulden«. freies Landesvermöaen von rund 500 M i l» l i o n e n Mark und einen Bestand von 3,5 Millio- n e n Mark übernommen. Heute hat Thüringen 120 Mil- lionen Mark Schulden. Die Thüringer Staatsbank ist nicht mehr in der Lage, dem Land weitere Kredite zu gewähren. Die Zahlung der letzten Beamtenge Kälter war nur durch einen Zufall möglich. Ein Streitfall zwischen der Staatsbank und der Mitteldeutschen Landesbank wurde durch einen Vertrag geschlichtet. Die Mitteldeutsche Landes- bant sprang dann mit einem Kredit zur Zahlung der Veamtengehältei ein. Die Erträgnisie aus dem Landesvermögen, die jährlich je nach den Holzpreisen bis zu 13 Millionen Mark betragen, reichen heute gerade zur Verzinsung und Tilgung der Staats- schuld von 120 Millionen Mark aus. Dazu kommt eine laufende Belastung durch die acht ehemaligen Fürsten - Häuser, die mit Hilfe von Gerichtsurteilen und Schieds- gerichten erhöhte Ansprüche durchgesetzt haben. Wie hoch heute die Leistungen für sie sind, steht noch nicht einmal end- gültig fest. Als letzte Tat hat die bürgerliche Mehrheit ein Konkordat mit der evangelischen Landeskirche und der lutherischen Reußer Kirche abgeschlossen, das Thüringen mit jährlich 3,75 Millionen Mark belastet. Da» neben vertritt die Kirche im Klagewege noch weitere An- spräche gegen die politischen Gemeinden und nimmt ihre Deputate, die in Holz, Brot, Eiern, Bratwürsten und Stroh für die Rindviehhaltung bestehen, voll in Anspruch. Die 1,6 Millionen Einwohner Thüringens sind durch die ehe- maligen Fürsten und die Kirche hart gestraft. Die Demokraten in Thüringe-n hatten es feit der Wahl vom Jahre 1927 in der Hand, den Kurs zu ändern. Sie trifft die Hauptschuld an dem politischen und finanziellen Niedergang Thüringens . Ihre aus der unhalt- baren Politik der letzten Jahre geborene Wahlparole„Ein- heitsrepublik durch Anschluß an Preußen" hat bei den Rechts- Parteien die Parole hervorgerufen:„Rettet Thürin- g e n". Ein Schulrat hat sich in einem Artikel— Uebsrschrift „Freitod"— zur Verteidigung der Thüringer Nation aufge- schwungen:„Nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr Alles setzt an ihre Ehre!" Zwar ist an eine durchgreifende Sanierung Thüringens kaum zu denken— Ausspruch eines Führers der Deutschen Volkspartei —, was aber die bürger- lichen Parteien nicht abhält, Thüringen im Wahlkanipf vor der Sozialdemokratie zu retten, nachdem die bürgerlichen Parteien in den letzten sechs Jahren Thüringen in Grund und Boden regiert haben. Der Parole der Gegner ,�Hie gut Thüringen alle Wege". „Nie wieder ein rotes Thüringen " setzt die Sozialdemokratie ihre Forderung entgegen: Vorbereitung der deutschen Ein- heitsrepublik durch weitgehende Abtretung von Verwaltungs- gebieten an das Reich und Abschluß von Verwaltungsgemein- schaften mit Preußen, ein sozialdemokratisches Thüringen !
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Wirtschastsgeld und Politik Die sozialdemokratische Funktionärinnenkonferenz.
Die FvnkkionSrlnnenkonferenz der Der» liaer Sozialdemokratie in den Sophiensälen wurde eingeleilei durch einen Akt ernsten, weihevollen Gedenkens: Stehend hörten die versammelten den Rachruf Mathilde Wurms aus die tote Miistreiterin v. Hofstetten. Das Hanptreferat über die Agitationsarbeit der Frauen hielt Kälhe Kern. Am 1. Oktober 1928 betrug der Mitgliederstand 13 500, am 1. Oktober 1929 15 871 Frauen. Die Werbewoche brachte 1928 834, 1929 1678 Neuaufnahmen. Die Kommunisten versuchen neben der Erfassung durch die Partei an die Frauen durch den roten Frauen- und Mädchenbund heran- zukommen, in dem die politischen Fragen zunächst zurückgestellt werden und das Bildungs- und Unterhaltungsbedürfnis besonders berücksichtigt wird. Unsere organisatorische Arbeit, die bisher aus der Wohnung aufgebaut war, muß nach Möglichkeit in den Betrieben weiter ausgedehnt werden. Wir müssen immer mehr an die erwerbstätigen Frauen herankommen. Durch Betriebs- funttionärinnen müssen wir die Schaffenden gewinnen. Gewerkschaftliche Organisation tut not. Bei der Aktivierung der Hausfrauen spielt der Hinweis auf den engen ' Zusammenhang zwischen WIrtschasksgeld und Zoll- und Steuer- Politik eine bedeutsame Rolle. Bei den Frauenabenden steht im Border- grund die politische, kulturelle und soziale Schulung, daneben sind gelegentlich« heiter« Abende nicht abzulehnen. Wichtig ist die Raumfrage: Vielen Frauen ist es unangenehm, in der Enge einer Wirtshausstube zu tagen. Wenn Jugendheime oder luftige Schulräume den Frauen zur Berfügung stehen, wenn Blumen und ein sauberes Tuch den Tisch schmücken, wird die Anziehungskrast größer sein. Teilnahme an den Bildungskursen der Partei
ist dringend zu propagieren. Im Winter werden wir uns auch mit den Fragen beschäftigen müsien, die aus dem Arbeitsplan des Reichstages für die Frauen von Bedeutung sind. In der Aussprache wurde die Ausgestaltung der Frauen- a b e n d e ausführlich besprochen. Zusammenfassend kann gesagt werden: Gründlichkeit In der politischen Ausbildung und gute Kameradschaft sind das Ziel, das nach der Lagerung in den Bezirken auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann. Wichtig war die Anregung von Gertrud Hanna , nach Möglichkeit die Zahl der Eingeladenen zu vermehren, um an die Außenstehenden heran- zukommen. Machilde Wurm bedauerte, daß von den Genossinnen Referate über die Einführung in den Sozialismus und die Geschichle der Sozialdemokratie zu wenig verlangt werden. Luise ä h l e r betonte, daß unsere Stadtverordneten energisch für die Schaffung von Heimen für Hausangestellte eintreten muffen. Heute schlafen stellungslose Hausangestellte in den christlichen Heimen für 30 Pl. auf dem Erdboden auf einer dünnen Matratze oder sür 20 Ps. ans einem Stuhl mit einer dünnen Decke. Genossin S p r a f k e gab ein lebendiges, zur Nacheiferung ermunterndes Bild agitatorischer Kleinarbeit Genossin M e i s e r regte die Einführung von Dis- kutierabenden an. Genossin Diener bedauerte, daß noch viele Männer der Mitarbeit der Frau ablehnend gegenüberstehen. Ans die Notwendigkeit, daß die Frauen im Magistrat und in den Bezirken in das Wohnungsdezernat kommen, wies Genossin To-denhagcn hin. Genossin Lerch oerlangt« für die Arbeit in den Betri<<>cn ein« stärkere Zuweisung von Agitationsmaterial, In ihrem Schlußwort betonte Käthe Kern, daß wir im letzte» Jahre auch mit unserer Arbeit in den Betrieben gut vorwärts gekommen sind. Wenn wir den Ausbou unserer zentralen Abende, unserer Werbeabend« und unserer Betriebsobende in gleichem Tempo fortsetzen, wird der Erfolg nicht ausbleiben.
Unerreicht
lautet auch Sss vrtsU«»3«rer KuiuIsh „In Beantwortung Ihrer gefl. Zuschrift vorn 27. 8. 29 teilen wir Ihnen mit daß wir mit dem im Jahre 1925 bezogenen Vomag- Lastkraftwagen sehr zufrieden sind. Leistung gut, Verbrauch an Brennstoff normal. Reparaturen in der Zeit von 4 Jahren machten sich selten notwendig." Olbernhau , 29. 8. 29. Consum-Verein für Olbernhau und Umgegend. Vogtländlsche Maschinenfabrik Plauen i. Vgtld.