Morgenausgabe
Nr. 573
A 288
46.Jahrgang
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Sonnabend 7. Dezember 1929
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Die
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Antwort an Schacht.
Mittwoch große Finanzdebatte im Reichstag.
Amtlich wird folgende Erklärung veröffentlicht: Der Herr Reichspräsident Dr. Schacht hat der Neichsregierung ein Memorandum zu den im Gang befindlichen Verhandlungen über den Young- Plan und zu den Fragen der Finanzpolitik zugeleitet.
Die Beröffentlichung fällt mitten in Besprechungen, die über diese Fragen mit ihm gepflogen worden sind. Die Reichsregierung muß ihr Befremden über die Veröffentlichung aussprechen. Die Boreiligkeit, mit der die Stellungnahme des Herrn Reichsbankpräsidenten erfolgt ist, gefährdet die einheitliche Staatsführung. Der Herr Reichsbankpräsident hatte zwar im Laufe der Besprechun gen angekündigt, daß er sich vorbehalten müsse, seine Auffassungen über die Beurteilung der schiebenden Fragen darzulegen, er hat dabei aber ausdrücklich betont, daß dies in einer Form geschehen werde, die keinen Schaden anrichten fönne.
Art und Inhalt des Memorandums sowie der Zeitpunkt seiner Veröffentlichung stehen hierzu in schroffem Widerspruch. Die Reichsregierung lehnt es ab, sich im gegenwärtigen Zeitpunkt auf eine Ausein andersehung mit den Darlegungen des Memorandums einzulassen.
wird. Werden aber die Beiträge nicht erhöht, so bleibt nur zweierlei übrig: entweder die notwendigen Mittel auf dem Wege über die Reichstassen durch Steuern heranzuholen oder aber die ganze Arbeitslosenversicherung zusammen brechen zu laffen.
Der neue Angriff der Arbeitgeber verfolgt das Ziel, der Arbeitslosenversicherung die notwendigen Mittel zu sperren und damit ihren weitgehenden Abbau zu erzwingen.
Die Sozialdemokratie wird darauf bestehen müssen, daß die Mittel zur Aufrechterhaltung der Arbeitslosenversicherung gewährt werden. Sie muß aber darüber hinaus verlangen, daß durch die kommende Reform die Ordnung der Reichs finanzen unbedingt gesichert wird. Die Sorge vor zu hohen Reichseinnahmen ist schon deshalb unbegründet, meil etwaige Ueberschüsse zunächst durchaus notwendig sind, um eine erträgliche Raffenlage herbeizuführen. Auf der anderen Seite ist die sogenannte Wirtschaft" im Irrtum, wenn sie glaubt. in einem Staat prosperieren zu können, der nie aus der Geldflemme herauskommt und der darum genötigt ist, feine fozialen Ausgaben auf das empfindlichste einzuschränken. Auch der Wirtschaft" wird letzten Endes ein Bärendienst geleistet, wenn man die Lage der Finanzen günstiger darftellt, als sie ist, und wenn man Steuersentungen fordert, die in dem gewünschten Ausmaß zwangsläufig in den Staats: bankerott hineinführen müßten.
"
Die Regierung will die Vertrauensfrage stellen. Eine Konfordienformel über Grundzüge wird sich wohl finden laffen, und damit wird eine Krise vermieden werden, mit der Bernünftiges anzufangen müßte. Die eigentlichen Schwierig feiten dürften erst im nächsten Jahre kommen, wenn bindende Beschlüsse zu fassen sein werden.
• Die Reichsregierung hat sich bereits in den letzten Tagen dahin schlüssig gemacht, dem Reichstage im Laufe der kommenden Woche die Grundzüge ihres finanziellen Gesamtprogramms zu unterbreiten. Das Programm wird Maßnahmen zur Saheute niemand am allerwenigsten die Opposition etwas nierung der deutschen Finanzen, eine um fassende Steuerreform und die Entlastung der Kassenlage, insbesondere auch von den Zuschüssen für die Arbeitslosenversicherung durch Verstärkung der Einnahmen der Anstalt umfassen.
Den Fraktionsführern der an der Regierung beteilig ten Parteien ist schon vor Tagen eine Einladung zur Erörterung dieses Programms für den Anfang der kommenden Woche zugegangen. Der Reichskanzler wird am nächsten Mittwoch dem Reichstage, dem die Regierung allein verantwortlich ist, dieses Programm der Reichsregierung in einer Regierungserklärung vorlegen und hierfür sowie für die Gesamt politik der Reichsregierung die Vertrauensfrage
stellen.
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Mit Herrn Sch a cht, der übrigens die bevorstehende Reichstagsdebatte nicht verursacht hat der Plan, fie in der nächsten Woche herbeizuführen, bestand schon vor seiner Attion, befaffen wir uns an anderer Stelle ausführlicher.
Jubel der franzöfifchen Nationalisten.
In der außenpolitischen Kommission der Kammer hat die um die Abg. Marin und Franklin Bouillon gescharte nationalistische Clique den Dolch stos des Reichsbankpräsidenten bereits zu neuen scharfen Soweit es sich darum handelt, die bisherige Linie der Attacken gegen die Rheinlandräumung und die SaarAußenpolitik weiter zu verfolgen, wird es in den verhandlungen benutzt. Die schwere Last der inneren großen Reichstagsdebatten der kommenden Woche kaum Widerstände, mit denen Briand seit der Regierungs Schwierigkeiten geben. Anders steht es mit den Fragen der ergreifung Tardieus in erhöhtem Maße zu kämpfen hat, Reichsfinanzreform, denn hier gehen die Meinungen wird dank Dr. Schacht erheblich gesteigert. Auch auf der sehr weit auseinander. Ein Symptom dafür ist eine soeben Linken wird Schachts Husarenstück als außerordentlich erschienene Erklärung des Reichsverbandes der Deutschen Industrie und zahlreicher anderer Unter- peinliche Belastung des ohnehin nur mit größter nehmerverbände, in der gegen eine Erhöhung der Beiträge Mühe innegehaltenen Kurses der Annäherungspolitik für die Arbeitslosenversicherung Sturm gelaufen empfunden.
Mißtrauensvotum mit Zweidrittelmehrheit angenommen.
Warschau , 6. Dezember. | Bilsudski dienen tann. Es ist überall dasselbe idiotische Das von den Oppositionsparteien eingereichte Mi- Treiben: im Deutschen Reichstag am Mittwoch fommunistische trauensvotum ist heute abend gegen 11 hr mit Rüpelizenen gegen Severing als Ablenkung von dem Zerfall der Deutschnationalen, im polnischem Sejm Radaufundgebung 246 gegen 120 Stimmen bei 4 für ungültig erals Ablenkung von der schweren moralischen Niederlage flärten Stimmen angenommen worden. Pilsudskis. ( Weitere Meldungen auf der dritten Seite.)
Nach der Abstimmung veranstalteten die kommuni. stischen Abgeordneten eine Kundgebung im Saale, die den Sejmmarschall Daszinski nötigte, die Situng
Schacht macht Politik.
Wie lange noch?
Das Reichskabinett hat auf die Herausforderung Schachts geantwortet. Die Antwort ist formell und nimmt zum fachlichen Inhalt des Memorandums teine Stellung. Iber die Antwort ist scharf. Sie macht dem Politiker Schacht den schwersten Vorwurf, der einem Politiker gemacht werden kann. Sie sagt von der Stellungnahme des Reichsbantpräsidenten zu den Haager Verhandlungen und zur Reichsfinanzreform, sie gefährde die einheitliche Staatsführung. Die Reichsregierung gibt Schacht auf seine Kritik feine Antwort. Sie lehnt eine Diskussion mit Herrn Schacht trotz der Prätention des Reichsbankpräsidenten, eine sofortige Wirkung erzielen zu wollen, rundweg ab. Sie erteilt dagegen der Deffentlichkeit, die Schacht mit seinem Angriff überrascht hat, die positive Antwort, daß dem Reichstag im Laufe der kommenden Woche die Grundzüge des Finanzprogramms der Regierung unterbreitet werden. Das Reichskabinett erflärt schließlich, daß es im Anschluß daran für seine Gesamt-politik den Reichstag um sein Bertrauen befragen werde. Das Vertrauen des Herrn Schacht spielt für das Reichskabinett, das nur dem Reichstag verantwortlich ist, feine Rolle. Im Reichskabinett sigen nicht nur Sozialdemokraten, im Reichskabinett fizzen die bürgerlichen Vertreter der Deutschen Boltspartei, des Zentrums und der Demokraten, fißen insbesondere Männer, die auch den einflußreichsten Kreisen der Induffrie nahestehen. Herr Schacht hat die scharf ablehnende Antwort des Reichskabinetts verdient.
Die Deffentlichkeit diskutiert noch darüber, welches die letzten Motive sind, die Herrn Schacht zu seinem Schritt veranlaßt haben. Wir werden darüber noch sprechen. Aber für die Motive nicht unbedeutsam ist die Form, in der Herr Schacht seine Aktion durchgeführt hat, in der er fritisiert hat, mit der er in seiner politischen Aktion argumentiert hat. Ein Bolitiker, der etwas will, fann fair oder unfair vorgehen. Wir glauben, daß Herr Dr. Schacht nicht fair vorgegangen ist, denn wir halten es nicht für einen Zufall der Regie, daß die Zeitungen Berlins sein Memorandum um 10 Uhr abends erhalten haben. die Reichsminister aber erst nach Mitternacht , so daß das Memorandum tommentarlos hin: ausgehen mußte. Schacht hat unfair gehandelt gegenüber dem Reichstabinett insgesamt, das ihn von der bevorstehenden Aktion im Reichstag informiert hatte, was Schacht bewußt verschweigt. Er hat unfair gehandelt gegenüber dem toten Stresemann, von dem er weiß, daß er die Formulierung von Grundsätzen für die Finanzreform erst nach der Rattfizierung des Young- Planes für möglich hielt.
Wenn ein Politiker fritisieren will, fann er in seiner Kritik wahrhaftig oder unwahrhaftig verfahren. Wir glauben nicht, daß es wahrhaftig ist, der Reichsregierung in der Reparationsfrage Vorwürfe zu machen, wenn man selber, wie erzielten Ergebnisse ein gerüttelt Maß von Schuld trägt. Es eben Herr Schacht, an dem weniger befriedigenden Teil der ist die Ueberzeugung sämtlicher Beobachter in Paris , daß Schachts ständige Drohungen mit Ultimaten die Pariser Verhandlungen faft zum Scheitern brachten, und es ist bekannt, daß die von ihm in Paris unterzeichnete schwere Tributbelastung nicht zuletzt deshalb in dieser Form zustande kam, weil sein politisches Bersagen die deutschen Dele gierten unter den stärksten Drud stellte.
Ein Politiker fann für seine politischen Zwede mit Ionalen oder mit illoyalen Mitteln wirken. Herr Schacht sagt in seinem Memorandum, daß eher Steuererhöhungen als Steuersenkungen in der nächsten Zeit zweckmäßig seien. Dennoch ermeckt er den Eindruck, als ob eine sofortige Finanzreform nicht nur möglich wäre, sondern auch der Wirtschaft sehr bedeutende Steuererleichterungen gewährt werden fönnten. Wir glauben, daß das illoyal und unwahrhaftig zugleich ist.
Was will nun Herr Schacht? Man spricht in Deutschland fein Geheimnis mehr aus, wenn man sagt, daß große politische Rolle zu spielen. Es gibt sogar auch Leute, es eine alte Leidenschaft des Reichsbankpräsidenten ist, eine Sie ihn dafür geeignet halten. Merkwürdigerweise sind es immer Interessenten, denn der Kreis seiner politischen Anhängerschaft wechselt je nach der Situation.
Es gab eine Zeit, da waren die Großbanten seine ärgsten Feinde. Es ist gegenwärtig wieder so, daß Herr Schacht nichts unternimmt, was er nicht mit seinen Freunden in den Großbanken bespricht.
aufzuheben, ohne den Termin der nächsten Situng Lettenparlament gegen Kriegsminister. hwerindustrie aller Grade ist bekannt. Und diese
zu bestimmen.
Doch drei Stimmen Mehrheit für das Gesamtfabinett. Riga , 6. Dezember.
Der Sejm nahm mit 51 gegen 48 Stimen das vom linken Flügel Regierungsfoalition eingebrachte Mißtrauensvofum
Die Freundschaft des Reichsbantpräsidenten für die Freundschaft beruht auf Gegenseitigkeit. Herr Schacht ist aber noch nie darüber stukig geworden, daß sein politisches Talent immer nur in Interessentenfreisen Anerkennung gefunden hat. Daß Herr Schacht im Reiche Finanzminister oder parlamentarischer Finanzdiktator werde, war früher einmal und Banken
Nach den unverblümten faschistischen Drohun gen, die von Pilsudsti und seinen Leuten seit Wochen und noch in der gestrigen Sitzung für den Fall der Annahme dieses der Mißtrauensantrages ausgesprochen wurde, darf man auf die weitere Entwicklung in Polen auf das höchste gespannt sein. gegen den Kriegsminister D301s an, dem vorgeworfen wird, treife. Man hat damals in diesen Kreisen im Ernst daran Bezeichnend ist wieder einmal das Auftreten der Komin munisten, die in diesem entscheidenden Augenblick nichts organisation des Kriegsminifteriums durchgeführt zu haben. Mittarischen Formen schaffen und hat geglaubt, auch die Zustim= Gescheiteres zu tun haben, als eine Radauszene aufzu der gleichen Mehrheit wurde das fozialistiie Mihirauens mung der Sozialdemokratie zu einer solchen neuführen, die in ihrer Wirkung nur als Entlastung für votum gegen das Gesamtkabinett abgelehnt. artigen Einrichtung des parlamentarischen Systems erhalten
der widersprechende Re