Der Sejm für den Präsidenten. Drohungen der Minister. Warschau , 6. Dezember. (Gigeubericht.) Im Sejm wurde als erster Punkt ein Mißtrauens» antrag der Kommunisten gegen den Sejmmarschall Daszyuski behandelt. Ter Antrag wurde in Abwesenheit des kNegicrungsblocks. der die Borgänge vom ZI. Cl» tober von einer Tottderkomtnissio» untersucht haben m Ächte, vom gesamte Hause abgelehnt und Daszhnski eine Qvatiou bereitet. Zum zweiten Punkt der Tagesordnung, dein Mißtrauens» a n t r o g der sechs Links- und Zentrumsgruppcn gegen die �tegierung. versuchte Finanzminister Matuszewski die Oppo� siiisnsre-dner vom Freitag zu widerlegen. In der Diskussion griff der ehemaliae Sozialist und gegenwärtige Regierungsonhünger P o neze k die Sozialisten an. weil sie sich von ausländischen Sozialisten in ihrem innerpolstischen Kampf unterstützen ließen. <5r verglich die polnischen Sozio listen mit der verräterischen Tarno. witzer Konföderation, die seinerzeit mit den Nachbarländern über die Teilung Polens verhandelt habe! Ministerpräsident S w i t o l s t i führt« als Argument gegen den Mißtraucnsantrag die„Unfähigkest" der Opposition an, die Regierung zu übernehmen. Außerdem könne auch die Macht Pil. i u d s k i S nicht ohne wcsterss übergangen werden. Mit er- bsbener Stimme..warnte" Switalski die Sozialisten des Auslandes vor einer Einmengung in die innenpolitischen Angelegenheiten lMens, auch im Interesse der polnischen Sozialisten.(An- kündigung von Repressalien!) Die Regierung danke nicht daran, die Presse- und Versammlung«. freihcil in vollem Umfange wieder herzustellen. chandelsminister K w i a t k o w s t i sagte, daß das gegenwärtige Rsgi-rungssystem entgegen allen Beschlüssen bestehen bleiben werde. Iustizminister Cur erklärte zu der von der Rechten aufgenommenen Affäre des verschwundenen Generals Zagorski, daß er den Staatsanwalt beauftragen werde, den betreffenden nationaldemokratischen Parlamentarier(d. i. der langjährige Senats- Marschall Dr. Tromposynski) in dieser Angelegenheit zu vernehmen oder gegen ihn vorzugehen, solls sein« Aussogen sich al, falsch er- weifen sollten. Der Innenminister SNadkowski beschuldigte verschiedene Oppositionsabgeordnete ehrenrühriger Talen, um auf diese Weise, dos brutale Vorgehen der Polizei zu rechtfertigen! Leidenschaftliche Proteste brausen durch den Saal. Wie es scheint, beabsichtigen die Regierung und ihre Anhänger, die Debatte über den Mißtrauensantrag möglichst lang« durch Obstruktionsreden hinanszuziehen.
Oer Friedensschluß in Wien . Heute Verabschiedung. Dien , S. Dezember.(Eigenbericht.) Der Derfassungsausschuß hat die Berfassungsreform in der Fassung des Unterausschusies angenommen. In der Debatte erklärt« Dr. Danneberg(Soz.), daß die Sozialdemokraten gegen die ursprünglich« Dorlage den schärfsten Kampf führen mußten, weil darin Bestimmungen enthalten waren, die im Widerspruch zu den Forderungen der. Demokratie standen und einen Anschlag gegen die politisch« Stellung d«r Arbeiterklasse bedeuteten. Di« Borlage, wie sie in den Berhandlungen gestaltet wurde, ist zwar keineswegs befriedigend, immerhin aber enthält sie nichts, was vom Standpunkt der Sozialdemokratie aus als ge> sährlich bezeichnet werden kann. Bedauerlich ist, daß es nickst ge- lungen ist, zu einem Einverständnis über die Fragen der unmittel- baren Demokratie zu kommen. Am Sonnabend wird der Nationalrat über die Derfastung beraten und voraussichtlich noch am gleichen Tage das Gesetz erledigen.. <5hina-Oiktatur schwankt. Tschianglaischek wlll dem Sturz eutfiiehen. Tokio über London , 6. Dezember.(Eigenbericht.) Tschiangkaischek hat dem Nationalrat mitge- teilt, daß er zurückzutreten beabsichtige. Seine Re- gierungsmethoden haben die Stimmung gegen den Dik- tator schon seit längerer Zeit verschärft. Sein Rücktritt wird daher nicht als erstaunlich angeschen. Wie der europäische Vertreter des zentralen Exe» kntivkomitees der Knomintangpartei dem„Dailh Herald" mitteilt, ist mit dem Stur, der Rauking-Regiernng in jedem Augeitblick zu rechne«. Eine mehr links gerichtete Regierung scheine wahrscheinlich, die alle die Preß- und Versammlungsfreiheit einschränkende« Erlasse und die andere» Gewaltmaßnahmen der Rauking-Regiernng oofhebeu würde. Jjjrolsk'protokoll aebittisit. Rlukhen über Tokio . 6. Dezember. N a n k i n g hat da» Protokoll über die Vereinbarung gebilligt. die in Nikolsk zwischen den Delegierten Sowjetrußlonds und der Mandschurei zur Regelung des Ostbahnkonflilts erzielt wurde. Oie Arbeiierpartei wieder einig. Der Arbeitsilosenlonflitt beigelegt. London , K. Dezember.(Eigenbericht.) DI« Fraktionssitzung der Arbeiterpartei hat beschlossen, alles zu tun. damit die geplante Arbeitslosenunterstützung noch vor Weihnachten Gesetzeskraft erhält. Es ist onzunohmen. daß eine Reihe Ergänzimgs. und Aenderungsanträge, die von Gewerk- fci-aftrrn der Latour Party beaMragt worden sind— Reduzierung der Wartezeit von 6 auf 3 Tag«— zurückgezogen werden. Schatz- kanzler Snowden erklärte, daß die Staatskasse größere Beiträge als die oorgeschtagemn nicht leisten kann. Der gegenwärtig vor- gesehene Beitrag des Staates sei der größte, dxn der Staat jemals für Arbestslojenunterstützung gewährt habe. In, nächsten Jahre stehen neu« parlamentarische Kämpfe über dieses Problem bevor. Die Regierung wird Anträge einbringen, di« u. a.«ne klar« Scheidung zwischen der Arbeitslosen Versicherung und den Stoatsmohnahmen zur Unterstützung der Arbeitslosen bewirken.
Kluge Voraussicht.
Schacht:»Hier werden sie, scheint es, bald einen neuen Diktator brauchen. Zur Sicherheit werde ich meine Karte abgeben!" Diskussion über Koalitionspolitik. Lluter den französischen Sozialisten.
Paris , 6. Dezember.(Eigenbericht.) Das sozialistische„P o p u l a i r e" hat am Frestag ein« Sonderausgabe zur Vorbereitung des Januar- Parteitages veröffentlicht. Im Leitartikel dieser Nummer gibt L6on Blum noch einmal einen historischen lieberblick über die bisherige Haltung der Partei. Dabei verwahrt er sich vor allem da- gegen, daß man die große Gestall Ja u res ständig als Krön- zeugen für die Beteiligung heranziehe. Iaures hob« niemals den negativen Entscheid des Parteitages, der jede ministerielle Beteili- gung verboten habe, kritisiert. Auch von dem Wort des Reichs- kanzlers Müller, daß, wenn Iaures im Jahre 1914 in der Regierung gesessen hätte, der Krieg nicht ausgebrochen wäre, mache man einen falschen Gehxauch.,.� Rüster..habe damit nicht sagen wollen und können, baß die französisch« Regierung durch Toten oder Unterlassungen den Kriegsausbruch beschleunigt Hobe, denn das hieße Frankreich direkt an dem Kriegsausbruch schuldig erklären. Leon Blum betont sodann, daß die P arteido ktrin die Setelligung an der. Regierung„nur in außergewöhnlichen Fällen zulasse. Ein. solcher Fall aber sei bei dem„offenen und ehrenvollen" Angebot des radikalen Parteiführers Daladier während der letzten Krise nicht gegeben gewesen. Gewiß habe ' Daladier eine gleichmäßige Teilung der wichtigsten Ministerposten zwischen Radikalen und Sozialisten angeboten. Vorher aber habe er die beiden Hauptposten, Miniiterpräsidentschast und Außen- Ministerium für sich selbst und Briand mit Beschlag belegt. Wenn man auf den Antrag Daladicrs eingegangen wäre, hätte man aus der Regierungsbeteiligung nicht eine Ausnahm«, sondern eine Gewohnheit gemacht. Die Sozialistische Partei sei ober mehr als eine nur rein parlamentarische Partei. Sie hätte ihren tiefsten Daseinszweck, ihren klasienkampscharokler. ihre revoluNonäre Ausgaben verraten, wenn sie sich„sozusagen bürgerlich zahm" mit den Radikalen auf eine Regisrungsbank gesetzt hätte. In diesem Falle wäre es logischer gewesen, sich gleich mit den Radikalen zu fusionieren. In. scharfem Gegensatz zu den ausgesprochenen sachlichen, bewußt doktrinären Ausführungen Läon Blums steht ein rein polemischer Artikel des Parteisekretärs von Paul Aaure. Faures geht soweit zu erklären, daß„niemand in der Partei das Angebot Daladiers ernst genommen habe". Man habe lediglich darüber diskutiert»„w i e man am besten inst ihm brechen könne". Daladier habe den Sozialisten lediglich eine Falle gestellt. Niemals werde man in der augenblicklichen Kammer eine Linksmehrheit finden. Bon einer Beteiligung an der Regisrungsgewalt habe unter solchen Umständen keine Rede sein können. Als Sprecher der entgegengesetzten Richtung tritt in erster Linie der Abgeordnet« Paul Poucour auf. Der Parteitag solle über«in vollkommen ver» altete? Thema diskutieren, beginnt er seine Ausführungen. Es Handel« sich gar nicht mehr um die„Beteiligung"- es handelt sich heute schon um die„Teilung" der Regierung. Es geh« iaher nicht an, daß man die lebende Tätigkeit der Partei „unker dem Grabstew der Entschließungen begrabe". Bor der neuen Situation, von der Teilung der Regierung unter den beiden mächtigsten Linksparteien in Frank- reich brauch« man neu« Richtlinien, ein« neue Taktik, einen neuen Geist.„Sollte ein« revolutionär« Partei sich fürchten, sich selbst zu revolutionieren?" Wenn man die Teilung nicht walle. wolle man dann etwa die Regierung ganz allein an sich reißen? Niemand in der Partei hohe bisher diesen„unehrlichen, nur von den Kommunisten propagierten Bluff" angeraten. Man dürfe sich aber nicht hinter eine unfruchtbare Negation verschanzen und in trauriger Resignation abwarten. Die Radikale Partei, die sich auf«ine breite, kleinbürgerlich« Schicht stütz«, werde so schnell von der Sozialistischen Partei nicht aufgesogen werden
können. Das Proletariat aber, das feine Not täglich auf den Nägel brennen fühle, könne nicht warten. Es verlange heute schon Taten zu sehen. *. Die französische Partei führt gegenwärtig eine Dis- kussion über eine Streitfrage, die in fast allen Parteien der Internationale l ä n g st entschieden ist. Bei aller Sym- pathie, die wir dem mutigen und hochbegabten Führer der Parlamentsfraktion L 6 o n Blum entgegenbringen» muß aber doch gesagt werden, daß seine doktrinären Argumente zum schärf st en Widerspruch herausfordern, ins- besondere dort, wo er generell unterstellt, daß der Sozialis- mus durch Koalitionspolitik„seinen tiefsten Daseinszweck, seinen Klassenkampfcharakter, seine revolutionären Aufgaben .verrat e". Hot sich Genosse L�on Blum überlegt, daß diese Argumentation eine zwar nicht beabsichtigte, aber objektive Beleidigung der meisten übrigen Par» teien der Internationale enthält? Rur die Ge- wihhcit, daß heutzutage überhaupt niemand mehr in der deutschen Sozialdemokratie, auch wenn er sich zum Pro- blem der Koalitionspolitik noch so kritisch verhält, mit solchen längst überholten Redensarten operiert, entbindet uns der Notwendigkeit einer schärferen Zurück- Weisung. Vielleicht wäre die Stellung unserer führenden Genossen in Frankreich zu ollen diesen Fragen eine ander«, wenn sie auch nur annähernd in gleichem Maße wie die deutsche Sozialdemokratie überragend eme Arbeiter- Partei wären. Darin liegt wohl auch der Schlüssel zu der recht sonderbaren Bemerkung Blums, daß es logischer wäre, sich mit den Radikalen zu verschmelzen, als sich mit ihnen bloß auf eine Regierungsbank zu setzen. Auf diese „Logik" ist jedenfalls weder in Deutschland , noch in Belgien , noch in Dänemark , noch in der Tschechoslowakei , noch in der Schweiz usw. jemals ein Sozialdemokrat gekommen. Blum spielt ferner auf eine Aeußerung des Genossen Hermann Müller an, die namentlich von Pierre Renaudel in letzter Zeit wiederholt zitiert worden ist. Es handelt sich um die letzten Sätze der Rede Müllers auf dem Magdeburger Parteitag. Sie lauten wörtlich: „Krieg entsteht nicht von heute auf morgen. Krieg rechtzeitig zu oerhindern, ist Aufgabe der Politik. Viel- leicht wäre der Weltkrieg von 1914 nicht ausgebrochen, wenn zwei voraussehnngen erfüllt gewesen wären: wenn erstens der Beschluß des internationalen Kongresses von Amsterdam Jane«» nicht verhindert hätte, in di« französisch« Regierung zu gehen, und wenn zweitens der Obrigkeitsstoal in Deutschland nicht die deutsche Sozial- demokroli« verhindert hätte, in die Regierung zu gehen.(Beifall.) Parteigenossin! Wenn Sie in Zukunft Kriege verhindern wollen, werden Sie die Krieg« nicht dadurch verhindern, daß si« dauernd die bürgerlichen Parteien allein regieren lassen, sondern indem sie den Einfluß der Sozialdemokratie auf die Politik, insbesondere auf di« Friedenspolitik, soviel als mög» lich sichern"(Lebhafter Beifall.) Der Sinn dieses Ausspruchs ist ganz eindeutig und es will scheinen, daß Renaudel durchaus berechtigt ist, sich für die Propagierung seiner Auffassung auf ihn zu b-- rufen. Eine Aufrollung der Kriegsschuldfrage als solcher hat Hermann Müller damit bestimmt nicht beabsichtigt. Aber will LHon Blum bei dieser Gelegenheit etwa bestreiten, daß die französische Politik, namentlich zwischen 1912 und 1914 eine ganz andere gewesen wäre, wenn sie weniger unter dem Einfluß von P o i n c a r 6 und mehr unter dem Einfluß von Jaürös gestanden hätte/ und daß dann die Aussichten des Kriegsausbruches wesentlich geringer gewesen wären? � Die Auseinandersetzung mit den überraschenden Be- hauptungen des Genossen Faurc über das Angebot Dala- diers können wir unseren französischen Genossen überlassen. Sonderbar ist freilich, daß die sozialistische Kammerfraktian e i n st i m m i-g Daladier ihren D a n k für sein Angebot und seine Bemühungen ausgesprochen hat. Danksagung für eine „Falle"— und obendrein nachträgliches Angebot der Unti-r- stützung von außen— soll das die neueste Form sein, in der man den„reinen Klassenkampf" führt und„revolutionär Aufgaben" erfüllt?