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Morgenausgabe

Nr. 575

A 289

46.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Contslag

8. Dezember 1929

Groß- Berlin 15 Pf. Auswärts 20 Di.

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Hentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3 Vorwärts- Verlag G.m.b.H.

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Rücktritt der polnischen Regierung

Die Verfassung wird formell befolgt.

Warschau  , 7. Dezember. Ministerpräsident Switalski suchte heute mittag den Staatspräsidenten Mościcki   auf, dem er in einer länge. ren Unterredung den Beschluß des Ministerrats, zu demissionieren, unterbreitete. Der Staatspräsident hat die Demission der Regierung Switalski angenommen und fie beauftragt, die Regierungsgeschäfte bis zur Er­nennung der neuen Regierung zu führen.

Der Rücktritt der Regierung infolge der unzweideutigen Mißtrauensfundgebung der Volksvertretung entspricht dem Wortlaut der Berfaffung; mit ihrem Geist wäre unvereinbar. wenn das geschähe, was der Handelsminister Kwiatkowski in der Freitagdebatte ankündigte, daß das Regierungssystem nicht geändert werde.

Die Anhänger dieses Systems behaupten, eine regierungs fähige Sejmmehrheit sei nicht vorhanden und sie begründen das mit der großen Zahl von Abgeordneten der nicht polnischen Nationen. Nun zeigt ein anderer Nationalitäten staat, nämlich die Tschechoslowakische Republik, daß man sehr gut auch die Minderheitenpölfer mitregieren lassen fann. Berneint man diese Möglichkeit grundsäglich, so verneint man zugleich den auch in der polnischen Verfassung ent­haltenen Grundjag der Rechtsgleichheit aller Nationen im Staat. Freilich müßte man mit der Durchführung dieses Grundlages Ernst machen, wollte man die Minderheiten völker zur Mitregierung. gewinnen.

Wie eine. Regierungsmehrheit zu bilden ist, wäre nach det Annahme.des Mißtrauensvotums gemäß den Regeln des

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Parlamentarismus zunächst dem Führer dieser Mehrheit zu überlassen. Scheitert er damit, so hätte Neuwahl des zu überlaffen. Scheitert er damit, so hätte Neuwahl des Barlaments zu erfolgen, natürlich frei von jeder Beeinträch tigung der Werbe- und Wahlfreiheit.

Die nächsten Tage werden zeigen, ob man diesen flaren demokratischen Weg gehen will. Wie weit die Zustände von Demokratie entfernt find, zeigen folgende Mitteilungen:

Der Terror.

Seit Bochen fönnen die Sozialisten in Warschau   nicht mehr größere Bersammlungen abhalten, weil die Saalbefizer von den faschistischen Machthabern im Staat und in der Verwaltung der Hauptstadt gezwungen werden, der Opposition ihre Säle zu ver­weigern.

: Die eigentliche Regierung in Polen   sind nicht die Minister, sondern mit Pilsudski   zusammen einige Offiziere von der meiten Abteilung des Generalstabs, der sogenann ten Defensive, d. h. der Spionageabwehr. Es regiert in wirklichkeit eine Ramarilla, die feinem Menschen und schon gar nicht der Boltsvertretung verantwortlich ist.

Wie starb General Zagorffi?

Warschau  , 7. Dezember.

Der Führer der Rationaldemokraten, Profeffor Rybarski, ist der Aufforderung des Justizministers Car nachgekommen und hat der Staatsanwaltschaft heute um 12 Uhr mittags fein Material über die vom Regierungslager bestrittene angebliche Ermordung des Biludsti- Gegners General Zagorski mündlich übermittelt Der Staatsanwalt begab sich darauf zum Justizminister.

Friede in Desterreich.

Berfaffungskompromiß angenommen.- Bürgerblock sagt: erste Etappe.

Wien  , 7. Dezember. rascher festigen wird, je früher der gesamte Kompler der inner­Der Nationalrat hat nach 8½stündiger Sihung die politischen Fragen gelöst ist. Daraus ergibt sich die Dringlichkeit der Verfassungsreform. Der Bundeskanzler schlcß: Regierung und Verfassungsvorlage der Regierung in der durch die Mehrheitsparteien haben keinen wesentlichen Grund, ihre Grund Beratungen des Unterausschusses und des Verfassungsfäße aufzugeben. Die gemeinsame Arbeit ist im höchsten Maße ein ausschusses vorgelegten Form in zweiter und dritter Friedenswert, von welchem der Saz gilt, daß es Lesung endgültig verabschiedet. Das Ergebnis der Abstimmung nahmen die Mehrheitsparteien mit lebhaftem Beifall auf und ihre Führer beglückwünschten

den Bundeskanzler Schober.

Der Nationalrat hat nadymittags 2 Uhr vor vollbesetzten Bänken und dichtgefüllten Galerien die zweite Lesung der Verfassungsreform

begonnen.

Nach dem Berichterstatter verwies

Bundeskanzler Schober­zunächst auf die bei der ersten Befung gefennzeichnete feste Absicht, die Ziele der Heimwehrbewegung aus der öffentlichen Erörterung nor das tompetente Barlament zu bringen. Dadurch fei erreicht worden, daß die im September im In- und Auslande mit steigender Erregung und Besorgnis verfolgte politische Lage in Defterreich ohne jebe Crschütterung eine Beruhigung erfahren habe und das Ausland zu der Ueberzeugung gefommen fei, daß Bolt, Parlament und Regierung eine Gefundung ber politi­schen Berhältnisse auf dem als einzig richtig erfannten legalen Bege kategorisch wünschten. Wenn auch nicht alles, was in der Borlage angestrebt murde, habe erreicht werden können, so sei doch ficher viel Gutes erreicht woren, und die Regierung wünsche im Interesse der ruhigen Entvidung, daß die politische Entwicklung die neuen Formen mit wirklichem Leben erfüllt. Gebot der Stunde sei vor allem, der Not der Landwirtschaft und der Industrie abzuhelfen. Die Regierung werde sich daher mit dem handels­politischen Gebiete, aber auch mit dem Ausbau der Wasser. träfte und der Gewinnung elettrischer Energie, sowie mit der genauen Abgrenzung der Abgabe des Stromüber­Ichusses an das Ausland beschäftigen. Sie werde eine wirt schaftspolitische und finanzpolitische Attion mit reichhaltigem Bro gramm einleiten, wobei die wirtschaftliche und finanzelle Lage im ganzen untersucht und die Folgerungen auf dem Gebiete des Steuermesens und der Wirtschaftspolitit gezogen merden müssen. Der Bundeskanzler gedachte ferner der Pariser Berhandlungen über die Dstreparationen, deren Ergebnisse hoffnungs­voll seien, über die poraussichtlich erst im Januar im Haag entschieden Ueber die Frage der Anleihe werde er demnächst fprechen. Es ist einleuchtend, jo fuhr Schober fort, daß sich der Auslandstrebit Desterreichs um so starter, aber auch um so

merden wird.

weder Sieger noch Besiegte

geben darf. Möge der wahre Frieden, den Opposition und Mehrheit mit der bevorstehenden Abstimmung dem Lande bringen können, durch die Weihnachtsgloden eingeläutet werden, damit das vielgeplagte Bolk endlich einmal dieses Fest in Ruhe und Frieden feiern und für feine weitere Zukunft erwarten kann, daß wir aus der Unsicher heit der Verhältnisse heraus festen Boden gewinnen, um in nicht allzuferner Zeit durch ungehinderte Arbeit zu wirtschaftlicher Blüte und Wohlstand zu gelangen.( Großer Beifall der Mehrheit.)

Abg. Dr. Eister( Soz.):

Die Gesamtheit des Hauses fragt sich, wozu dieser ganze Ber­fassungstampf? Außerhalb des Hauses ist man allgemein überzeugt, daß diese Arbeit nicht so bringlich war. Wenn wir nicht nur passiv mitgewirkt haben, jo liegt der Grund gewiß nicht in der Ueber zengung von einer Notwendigkeit oder Nüßlichkeit dieser Verfassungs. änderungen, sondern meil wir die 3eit des Barlaments nicht eine Sekunde länger als unbedingt notwendig dafür vergeudet sehen wollen.

Die Berantwortung dafür, daß in der Zeit der schweren Birt schaftskrise die Bolksvertretung mit dieser Arbeit in Anspruch genom­

men wurde, hat cusschließlich die Mehrleit zu tragen.

Der Berfassungstampf hat durch die ständige Beunruhigung der Bevölkerung die österreichische Wirtschaft in größte un ordnung verfest Gegenüber den

Erklärungen der bürgerlichen Parteien, daß es sich bei dieser Berfaffungsreform nur um eine erste Etappe handle, frage ich, ob die Wirtschaft eine zweite Etappe dieses Kamp­fes überhaupt noch ertagen fönnte. An die für Desterreich unbedingt erforderliche Auslandsanleihe ist angesichts der zweiten Etappe mohl taum zu denken,

In der Sigung waren alle 71 Sozialdemokraten anwesend, von den bürgerlichen Frattionen fehlten mehrere Abgeordnete. Die Be ftimmung, daß Wien   nicht länger Bundesland bleiben soll. fiel in namentlicher Abstimmung mit 88 gegen 71 Stimmen, da die er forderliche Zweibrittelmehrheit nicht erreicht wurde.

Boftichedkonto: Berlin   37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65. Dt. B. u. Disc.- Ges., Depofitenkaffe Lindenstr 3.

Verantwortung!

Ein Borwort zur fommenden Finanzdebatte.

Am nächsten Donnerstag wird die Reichsregierung im Reichstag   die angekündigte Erklärung über die Grundzüge der kommenden Finanzreform abgeben. Die Tage bis dahin mird man reichlich brauchen, um die Debatte und die Ent scheidung des Parlaments vorzubereiten. Am Montag berät das Kabinett, am Dienstag sollen die Parteiführer zusammen­treten, die Fraktionen werden beraten, am Donnerstag foll dann die große und schwerwiegende Auseinandersetzung be­ginnen, am Freitag oder am Sonnabend wird die Entscheidung. fallen.

Bekanntlich will die Regierung die Bertrauens frage stellen. Die Antwort fann, wenn sie positiv ausfällt, entweder darin bestehen, daß die Mehrheit der Regierung das Bertrauen wörtlich ausspricht, oder aber auch darin, daß sie die von der Regierung abgegebene Erklärung billigt. 3m allgemeinen sind die Parteien des Deutschen Reichstags eher geneigt, Regierungserflärungen zu billigen als einer Regierung das Vertrauen auszusprechen. glauben nämlich durch die Billigung sich weniger, festzulegen", fich weniger mit der Regierung zu solidarisieren als durch die ausdrückliche Bekundung des Vertrauens.

Sie

Wenn nun aber die Regierung diesmal die ,, Grund­züge" ihrer Finanzreform darlegt, so wird die Billigung ihrer Erklärung eine Festlegung der Parteien eben auf diese Grund­züge bedeuten. Je weiter also die Erklärung in die Einzel­heiten gehen wird, desto schwieriger wird es sein, für sie die Billigung der Parteien zu erhalten.

Es handelt sich, rein parlamentarisch- taftisch gesehen. um eine schwierige Operation. Wir glauben, daß sie trotzdem gelingen wirb. Für die zweite Konferenz im Haag, die vor aussichtlich am 3. Januar beginnen wird, braucht man eine verhandlungsfähige, vom Vertrauen des Reichstags getragene Regierung. Um dieser Notwendigkeit zu genügen, muß eine Konkordienformel gefunden werden.

*

Sollen deshalb die bestehenden Meinungsverschiedenheiten vertuscht werden? Nein, im Gegenteil scheint es uns jet ge= boten, unsere Auffassung mit möglichster Klarheit darzu­legen unbefümmert um den Widerspruch, den sie finden wird. Die Sozialdemokratische Partei   ist die größte Regie­rungsparte i. Bei allen Aktionen der Mehrheit steht sie in der Mitte, im Lichtkegel des Scheinwerfers. Für alle Uebel­stände die zutagetreten, wird man sie voll verantwortlich machen, auch dort, wo sie in Wirklichkeit nur einen Teil der Verantwortung trägt.

feine dauernde Ordnung bringt, die vielleicht umgekehrt ins Gesetzt den Fall, man machte jetzt eine Finanzreform, die Dauerdefizit und ins Chaos führt, so würde die ganze bürger­liche Welt bald darin einig sein, ein solches Ergebnis auf ..sozialdemokratische Mißwirtschaft" zurückzuführen. Es würde uns wenig nügen, wenn wir nachweisen würden, daß wir erst Weg geführt worden sind. von unseren bürgerlichen Koalitionspartnern auf den falschen

Finanzreform die Führung nicht aus der Hand nehmen laffen Daraus folgt, daß sich die Sozialdemokratie bei der darf. Gie darf es auch deshalb nicht, weil sie allein in der Lage ist, ohne Rücksicht auf privatwirtschaftliche Sonder wünsche das öffentliche Interesse wahrzunehmen. In dieser Vertretung der öffentlichen, der Staats intereffen darf sie nicht zurückweichen, Konflikten, die sich aus ihr er­geben, darf sie nicht aus dem Wege gehen.

Das heißt vor allem: Die sozialdemokratische Reichstags­fraktion wird Steuerfentungen nur dann zustimmen fönnen, wenn volle Sicherheit dafür gegeben ist, daß das Gleichgewicht im Reichshaushalt aufrechterhalten, richtiger wiederhergestellt wird.

Wir stellen uns der Illusion entgegen, als ob die sog.. Doung- Ersparnisse" einfach zur Steuersentung verwendet werden fönnten. Diese Rechnung würde nur dann stimmen, wenn wir schon jahrelang einen auf die Dames- Höchstleistung eingerichteten und ausgeglichenen Reichsetat gehabt hätten. Das war aber bekanntlich nicht der Fall. Würden wir in dem 2,5 milliarden des Dawes- Plans voll zu bezahlen haben, so laufenden Rechnungsjahr und in den folgenden Jahren die würde das Reich mit seinen Einnahmen nicht austommen, sondern es müßte die Steuern erhöhen. Nur die Aus­sicht, die Differenz zwischen Dames- Plan und Young- Plan sparen zu fönnen, macht es möglich, mit den vorhandenen Mitteln zur Not auszufommen.

Es ist sicher richtig, daß die immer wieder zutage treten­den Kaffenschwierigkeiten des Reiches noch kein feiten wären leicht zu beheben, wenn wir einen varfriegs­Zeichen ungesunder Finanzen sind. Diese Kassenschwierig­mäßig normal funktionierenden Geldmar ft hätten. Wher dieser Geldmarkt ist eben nicht vorhanden. und die pincholo­gischen Wirkungen jeder zutage tretenden Klemme der Reichs­fase find einfach verheerend. Darum ist die Sanierung der Raffenlagedaszunächst notwendige. Tritt auf dem Kapitalmarkt teine entscheidende Besserung ein, so