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Rr. 575 46. Jahrgang 1. Beilage des Vorwärts

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Sonntag, 8. Dezember 1929

er Weihnachtsman

auf Raten

Es hat eine Zeit gegeben, in der es eine große Schande mar, menn jemand auf 2 bzahlung" faufte. Das durfte die Nach barschaft um Gottes willen nicht erfahren, man wäre ja sonst um Ehre und Reputation gekommen! Es war nämlich eine ausgemachte Sache, daß nur ganz unsolide Leute" beim 2lbzahler" fouften oder Menschen, denen dos Messer schon an der Kehle saß! Man muß zugeben, daß dieses Vorurteil gegen Kreditnehmer wie gegen Kreditgeber damals nicht ganz unberechtigt mar, denn natürlich friegte die neue Brandje damals nicht immer die solidesten Leute zu Kunden. Denn tauditen einige große Abzahlfirmen auf, die die ersten wilten Zeiten siegreich durchgehalten hatten und auf Grund ihrer Erfahrungen das Kreditgeschäft fanierten, doch die große Masse der Kunden hatte vor dem Abzahlungsgeschäft auch dann noch eine Scheu. Aber dann kam der Krieg, die Inflation, der große Abbau der Gehälter, die ständig steigenden Lebenshaltungskosten und mag man nun noch so fest davon überzeugt sein, daß es tein noltswirtschaftlich gesunder Zustand ist, wenn die große Masse die Rauffraft fommender Monate im voraus verausgabt! Jetzt murde der Kreditlauf eine Notwendigkeit für viele Menschen, die fonst gezmungen gewesen wären, auf jeden Kauf von Qualitätsmare überhaupt zu verzichten.

mun.

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Kartothef der Stotterer.

Schon in der Wandlung, die das Abzahlungswesen im Sprach­gebrauch durchgemacht hat, zeigt es sich, mie sehr seine Popularität gemachsen ist. Zuerst taufte man auf 2 bzahlung und genierte sich daroh non Herzen. Dann taujte man auf Kredit" und bilhete sich beinah mas darauf ein, denn man wußte doch, daß nicht jo ohne weiteres all und jedem Kredit eingeräumt murde. Und nun hot fast jeder schon mal auf Teilstrede" gekauft und seinen Rest möglicft ,, a bgeft attert, ohne mit der Zunge anzustoßen". Denn außer den eigentlichen Abzahlungsgefchäffen oder den Organisationen, die sich auf bestimmte Käufertreise( Angestellte und Beamte) befchränken, gibt jetzt auch eine große Reihe von Spezialgeschäffen Kredit. Für diese wurde nun eine ganz eigen­artige Organisation geschaffen: Die Schufa"( die Schuhgemein­schaft für Abfagfinanzierung, der jetzt über 300 Berliner Firmen angeschlossen find). Für jeden Kunden, der einmal bei einer dieser Firmen etwas faufte, liegt nun in der Kartothet der Schufa" eine Karte: Da steht sein Geburtstag drauf, seine Arbeitsstelle und ob er ledig oder verheiratet ist. Dann kommt der Kredit, den er ge­nommen hat, auch, ob und mit wieviel Raten er ihn abgedeckt hat. Und dann ist da noch ein Feld für besondere Bemerkungen". Da steht nun bei den unsicheren Kantonisten, mann und wie oft sie den Offenbarungseid geleistet haben, ob zur Ableistung eines

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Damais

Roman Von

Manteilbut

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Offenbarungseides schon mal ein Haftbefehl gegen sie erlassen murde oder ob eine Firma nur mit Hilfe eines Zahlungsbefehls ihr Geld bekommen konnte. Der Offenbarungseid macht die weitere Kreditgewährung unmöglich, und auch bei den Kunden, die es prinzipiell auf einen Zahlungsbefehl ankommen lassen, wird sich die treditgebende Firma wohl sehr vorsehen, denn fein Geschäft erläßt sogleich bei der Verzögerung einer Rate den Zahlungsbefehl: Man sucht sich immer mit dem Kunden gütlich zu einigen, stundet bei Krankheit oder Berlust der Arbeit lieber mal eine Rate oder setzt die monatliche Abzahlung herunter; erst wenn alles nichts mehr hilft, geht der Zahlungsbefehl las. Die Schufa" arbeitet vor allem mit dem Amtsgerichtsmaterial, verfolgt das konkursverzeichnis, das Güterrechtsregiffer, die Bergleichsverfahren wie das Schuldnerver­zeichnis; außerdem sind ihre Mitglieder gehalten, ihr alle ihre Er fahrungen in bezug auf Klagen, Zahlungsbefehle und dergleichen mitzuteilen. Aber ihre Funktion ist mit der Registrierung der foulen Schuldner noch nicht erschöpft: Auch alle guten und braven Leute haben hier ihr Kärtchen, und das ist die andere Seite ihrer Tätigkeit. Sie soll nämlich den Kreditnehmer vor Ueber­schuldung und leichtsinnigem Kauf schützen. Denn die frebitgebenden Firmen haben ja durchaus ein Interesse daran, den Kunden solvent zu erhalten. Wenn nach der Kartei 3. B. festgestellt werden kann, daß sich jemand schon bis zu einer bei seinem Einkommen gerade nach erschwinglichen Höhe auf Ratenzahlungen festgelegt hat und er bei einer der angeschlossenen Firmen einen neuen Kreditantrag stellt, dann wird er, wenn er nicht nachweisen fann, daß. fich feine Einkommensverhältnisse seitdem erheblich gebessert haben, höflichst gebeten, mit dem neuen Einkauf vielleicht doch bis zur Abdeckung feines alten Kredits zu marten. 3ff dagegen der alte Kredit claff abgedect worden, so gilt der Kunde ohne weiteres als auf für die gleiche Summe zu den gleichen Bedingungen, er braucht nicht nochmalige Referenzen. Es laufen täglich an 2000 2n= fragen der angefchtofferen Firmen ein die meisten telephonisch Ja, zu zehn der größten Geschäfte bestehen hier Spezialleitun qen, aber auch auf den anderen douert die Erledigung einer solchen Auskunft nicht fünf Minuten, der Kunde merft oft gar nicht, daß noch während seiner Verhandlung mit dem Verkäufer über ihn Auskunft eingeholt mird; die Sache fostet für die Firma ganze 25 Pf. und fonn fie doch oft vor einem Schoden bewahren, der in Sie Tausende gehen fann.

Die ABC Branche.

Aber neben den anderthalb Millionen Berlinern, die in der Echufatartottet steden, gibt es nach eine große Anzahl, die den

schaft war hügelig, von einem Fluß durchzogen, und als es Frühling wurde, war sie bunt und voll Herden. Ihr lebt hier", sagte der Kamerad manchmal lächelnd ,,, wie die ersten Menschen im Paradies." Das jagte er, obgleich neben ihnen der kleine Hans im Bägelchen lag, und feiner empfand seine Worte als Scherz. Ehe die Schlange dazwischen fam", fügte Hans noch hinzu. Das war ebenfalls ernsthaft gemeint, aber nun ging es nicht anders, sie sahen sich an, und dann brachen sie in helles Gelächter aus.

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Nur von seiten Esthers war das Lachen nicht frei. In der letzten Zeit bereitete sich Hans zur Reise nach Hohenau vor, um dort mit seinen Eltern zu reden. Es gab ja wirklich nicht wenig zu reden; Esther mußte wovon. Aber die ge­plante Reise zog sich durch Esthers Einwirkung vom Frühling zum Sommer und vom Sommer zum Herbst hinaus. Sie verstand ihn auf solche Art zu verhindern. daß er niemals dazu tam, fich zu fragen, weshalb seine Christine, die doch nur großes Intereffe an der Heirat bezeigen sollte, ihn in seinen Plänen cher aufhielt als drängte. Christine galt bei den Leuten auf dem Gut als die Mitme eines am Ende des Krieges gefallenen Offiziers namens Gast; Hans von Küster mar der Berlabte, mit dem sie vor ihrer zweiten Ehe stand. Der Gutsbesizer, maghalsig und jung, hatte für die Aus­streuung dieser Nachrichten gesorgt und den Amtmann hatte er von Anfang an mit im Bunde.

,, Komm mit mir an meine praktische Arbeit", bat er, als sie zurückkam, du sollst nur einen Tag hinter der Tür zu meinem Sprechzimmer sizen und da an der Tür die Wirt lichkeit belauschen: das Leben, wie es ist. Du tennst die Grenzen der Menschlichkeit ganz und gar nicht, nicht nach der Seite des Hohen und nicht nach der Seite des Unglücklichen hin. Vor allem weißt du nicht, wieviel mirfliche Arbeit den Menschen erwartet, wenn er Hand anzulegen nur die Absicht hatjonit fönntest du nicht solchem Kultus hold sein, der das Leben umgeht. Ein Arbeiter am laufenden Band, ein aus dem Gefängnis entlassener Mensch das sollten für dich wichtigere Fragen im Leben sein, als Ritter und Helden mit Mantel und Kreuz, denen deine Liebe schon darum nichts Rechtes bedeuten fann weil sie seit Jahrhunderten tot find." Rein, fie blieb in ihrer Welt. Sie las die entsprechenden Aber hätte sie nun endlich nach so vielen Monaten glück­Bücher, und er fonnte sie ja nicht hindern, das zu tun. Im lichen Lebens zu Dreien, in deffen Berlauf nicht ein einziger Gegenteil, sie war ihm böse, wenn er solche Bücher für seinen Augenblick von Gespanntheit, Gereiztheit, nervöser Reibung Gebrauch von sich wies. Sie nährte ihre Ehrfurcht vor den zwischen ihr und hans vorgekommen war, hätte sie nun end Idealen", fie sammelte, vielleicht schon aus Troß, Symbole lich nicht glauben dürfen, ihr Name wäre so völlig ohne Be­aus ihrer Belt- alte Schwerter und Orden, den Hut eines lang, daß sie sich zu dem rechten getrost hätte bekennen als Helden bekannten Mannes, den Streifen einer blutges fönnen? Sie hatte sich immer angefügt, immer angeschmiegt tränkten Fahne, feidene Kleider und Bilder, Plafetten, ohne fo mar ihre Natur, menn fie liebte. Sollte ihm mehr als Zahl. Ihre Räume waren ein rechtes Museum. Dafür gab fie nun Geld aus, mit beiden Händen. Und in seine Braris begab fie fich nie. wo der Wellenschlag des Meeres Berlin die gescheiterte Mannschaft ans Ufer warf, die triefend vom Schiffbruch um Rettung lallte.

lnb babei waren ihre Augen voll Hoheit und Strenge, ihre Stirne verflärt, ihre Sprache ebel, wenn sie seine Be mühungen abwies und, im Gegenteil, ihn zu sich hinüber zuziehen gewillt mar. Ja, es fiel mirtlich von ihren Idealen" ein Abglanz auf sie, wie vom Anschauen einer Heiligkeit.

Hans lebte immer noch mit Esther und dem Kinde auf bem But feines Regimentsfameraden in Heffen. Die Sand

der reine Zusammentlang, der nun so gut wie bewiesen war, ein Name bedeuten und was daran hing?

Aber sie zögerte es dennoch hinaus, ihm davon zu sagen. Sie fand feine einzige leichte Stunde, in der sie frisch diese letzte Band im Sprung hätte nehmen fönnen. Nein, ihre Gedanken waren Gewichte, und wenn sie gemissen Gesprächen zwischen Hans und feinem Kameraden zuhörte, dann fam über ihr Herz die Ahnung von einem Berhängnis, lastend und schwer. Dabei betrog fie unaufhörlich mit den heiterften Mienen, mit Schwagen und Lachen, und nicht zuletzt mit dem fteten, geschickt- unauffälligen Widerstand gegen seine Reise nach Hohenau.

Während sie so mit sich selber ftritt und nicht wußte, mas sie sollte, oder nicht wollte, was sie endlich doch einmal tun

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alten ABC- Geschäften treu geblieben sind, den Abzahlungs­firmen, deren älteste hier in Berlin auf ein ungefähr vierzigjähriges Bestehen zurückbliden fönnen. Die sind im Reichsverband des kreditgebenden Einzelhandels" zusammengeschlossen. Shier arbeitet man zum Teil nach anderen Prinzipien, wie in den neuen Kreditgemein­shaften: Dem Laien fällt wohl am meisten auf, daß man bei ein­zelnen dieser Firmen verschiedene Dinge ganz ohne Anzah= Iung haben kann, während bei den Kreditgemeinschaften eine ver­hältnismäßig hohe Anzahlung von einem Fünftel bis zu einem Vier­tel des Kaufpreises verlangt wird. Das birgt für die Abzahlungsa geschäfte ein hohes Risiko, und auch hier hat man einen Austausch der Adressen fauler Kundschaft eingerichtet, um dieses Risiko möglichst zu verringern. Ein Rest bleibt natürlich trotzdem bestehen; dazu tommt, daß viele Firmen der Branche sehr entgegenkommend in bezug auf die Festsetzung der Raten und ihre Höhe find. Gerade auf Grund dieser Tatsache sind sie besonders in Arbeiterfreifen sehr beliebt, sie haben ihre feste Stammkundschaft und rechnen da­mit, ebenso wie mit der Kundenwerbung auf Empfehlung und haben darum ihren Kundendienst ganz in der Art eines modernen Kauf­hauses ausgebaut, mit Kinderzeitung und Geburtstagsfatothek und einer Reffamationsstelle: Denn der Käufer auf Raten soll sich durch aus nicht minderen Rechts fühlen, als der Bartunde in feinem Ge­schäft. Auch bei dem Personal hat sich mancherlei gewandelt: Es gilt jetzt nicht der Verkäufer für hervorragend tüchtig, der dem Kunden am meisten ,, aufhängt", sondern der, der den Kunden am besten berät und seine finanzielle Leistungsfähigkeit dadurch intatt hält.

Geschenke auf Kredit.

Das ist eine alte Erfahrung aller Abzahlungsgeschäfte: Die Weihnachtszeit belebt zwar das Geschäft, es werden viele Konten neu eröffnet- aber es fangen auch viele der Stotterer" jetzt an, mit der Zunge anzustoßen". Doch deshalb kommt ein Kunde noch nicht auf die Liste der bösen Zahler, man rechnet ja

würde müssen, griffen die Ereignisse von außen ein und zwangen sie zur Entscheidung.

Es ging aus von Christine.

Christine hatte von dem Geld, daß der freundliche Mann in der Friedrichstraße ihr gegeben hatte, ein anderes Zimmer gemietet. Sie hatte sich auch nach Stellung umgetan; aber eines Abends verspürte sie Lust, troß dem Versprechen, das der freundliche Mann von ihr hatte, sich wieder in den Licht­see der großen Stadt zu begeben. Sie suchte die Lokale auf, die sie von ihren Ausflügen mit Magda gut fannte. War sie einmal Krankenschwester gewesen? Ja, ja, das war her... Aber wenn ein Brand die Haut am Körper versengte und obendrein noch zur Folge hatte, daß man die alte Stelle ver­lor, fo war das ein zwangsläufiger Weg den man ging, und man hatte darüber nicht nachzudende. Und wenn das was man tat, auch anders war als die Pflege von Kranken, so war es darum noch nicht schlecht, denn man lebte, man und trant, man verdiente Geld. Ebenso einfach mie in die Munitionsfabrif ging fie nun in die Restaurants. Sie tat alles, mas in ihrer Lage zu tun das Bernünftige war, sie richtete sich dabei nach dem Beispiel der anderen sie scheute vor feinem Wechsel zurück, fie ließ das Leben gehen und ging mit dem Leben; ganz selbstverständlich folgte sie nach, ohne Frage wohin und Schritt für Schritt.

Es tamen Lage, an denen sie ihre Art zu leben verfluchte. Mit Magda Rubin fam fie nur selten zusammen. Aber es tam vor, daß sie mit der Schar ihrer neuen Bekannten, jungen Mädchen die lebten mie sie, in einem Café zusammen mar und am Ende selbstverständlich die Rechnung bezahlte. Sie lebte mitunter in lleberfluß, mitunter in Not.

An einem Abend, als sie hungrig in ihrer Stube saß, tam Bejuch für fie. Die Wirtin, an diese Art von Besuchen ge­wöhnt, ließ ihn ein. Nicht lange darauf fam ein zweiter Be­fuch, die Wirtin forderte ihn auf zu warten. Es war ein Mann mit seltsam rotem erregtem Gesicht, er warf Blicke nach links und rechts und er lachte. Er ging umher und sprach mit fich felbft. Offenbar glaubte er warten zu müssen, weil die, die zu besuchen er gekommen war, fich nicht zu Hause befände. Als er aber dann Stimmen aus dem Nebenzimmer vernahm, drückte er sein Ohr gegen die Verbindungstür und begann heftig zu zittern. Er stand auf dem Flur. als der Besucher die Wohnung verließ und jah ihm beinahe höhnisch ins Ge­sicht. Dieser Anblid brachte Christine zum Lachen. Offer gleich darauf erblaßte sie von einem gewaltigen Schreckt. Denn der Besucher war der Lehrer Tannenbaum. ( Fortsetzung folgt.)