Ausschuß der konservativen Partei, sondern auch öffentlich auszusprechen.— Dresden » 2. März. Das„Dr. Journal" schreibt: Einer in den„Verl . N. Nachr." vom 2S. v. M. enthaltenen Notiz zufolge sollte die königl. sächsische Staatseisenbahn- Ver- w a l t u n g beschlossen haben, daß anläßlich der bevorstehenden Berliner Gewerbe- Ausstellung jedwede Ver- g ü n st i g u n g in der Personenbeförderung abzulehnen sei. Diese Maßnahme wird in der erwähnten Notiz auf die großen Nachtheile zurückgeführt, welche die preußische Eisenbahnverwaltung der sächsischen dadurch bereite, daß sie den Durchgangs-Personen» verkehr von und nach allen Theilen Deutschlands über Berlin leite. Dem gegenüber geht uns von unterrichteter Seite die Mittheilung zu. daß 1. durchaus nicht jede Vergünstigung in der Personenbeförderung anläßlich der Berliner Gewerbe»Aus- stellung von der sächsischen Staatseisenbahn- Verwaltung ab- gelehnt werde, und 2. insoweit Ablehnung beantragter Ver- günstigungen stattgefunden hat, hierbei ganz andere Gründe als die in der Korrespondenz der„B. N. N." bezeichneten maßgebend gewesen sind."— Dresden » 3. März. In der heutigen Sitzung der zweiten Ständekammer wurden 4 0C5S56 M. zum Bau eines neuen Ständehauses bewilligt.— München , 2. März.(Eig. Ber.) Die Abgeordneten- k a m m e r begann heute endlich die Berathung des Kultus- e t a t s und zwar bei äußerst schwach besetztem Hause; etwa ein Drittel der Abgeordneten ist anwesend. In früheren Zeiten, da noch von der Existenz eines bayerischen Liberalismus gesprochen werden konnte, war der Kultusetat die piöco de resistance für ultramontanes und liberales Kampfgetümmel. Jetzt ist Ultra- montan Trumpf; der neue Kullusminister v. Landmann ist völliges Zentrumswerkzeug geworden und im Finanz- ausschuß, wo die Handelschaften der bürgerlichen Par» teien mit der Regierung erblühen, wagte lein Liberaler gegen die ultramoutanen Unverschämtheiten zu mucken. So hält der bäuerlich schlaue, kleinliche und knauserige Zentrumsführer D all er als Referent zum Kultusetat das Heft in den Händen. Von liberaler Seite sprach heule der Abgeordnete Dr. G ü n t h e r, der sich auch„freisinnig" nennt. In schwülstigen Phrasen sprach er von Toleranz, von der Nothwendigkeit der unbedingten Lehr-, Lern- und Forschungsfreiheit, allein seine fast zweistündigen Deklamationen, so viel treffliche Gedanken sie ent- hielten, machten keinen Eindruck, weil eben Herr Dr. Günther es war, der sie in Worte faßte, und weil der Liberalismus in Bayern , mag er nationalliberal sich räuspern, mag er gar frei- sinnig spucken, jedweden Kredit verloren hat. Das Zentrum schickte eine bisher unbekannte Größe, einen Pfarrer S ch e u b e ck, vor. der sich in nicht mehr ungewöhnlichen Wendungen gegen norddeutsche atheistische Professoren erging, die das Fundament des Staates verrunjeniren, von der herrschenden Imparität sprach, giebt es doch in der„stistungsgemäß katholischen Universität" Würzburg sogar 11 protestantische Dozenten und Professoren der Medizin, und die Medizin ist.doch gewiß eine Wissen- schast, die nur auf positiv christlich- katholischer Grundlage gedeihen kann. Und was des unverschämten Unsinns mehr ist. Eine anderthalbstündige äußerst eindrucksvolle Rede Voll- in a r' s, die das Unbehagen des Ministers und der„Liberalen ", den lärmenden Unwillen des verehrten Zentrums erregte, gestaltete die Situation anders. An der Hand instruktiver Kundgebungen der neueren katholischen Literatur zeichnete Genosse Vollmar die der eigentlichen, voraussetzungslosen Wissenschaft feindlichen Bestrebungen des Zentrums, die, soweit sie sich auf Bayern erstrecken, das Land zum Gespött machen, die Lehrfreiheit zu unterdrücken versuchen. Die Regie- rung, anstatt diesem Treiben energisch entgegenzutreten. ist dem Zentrum völlig zu Willen. Der neue Kullusminister hat sich von D a l l e r und Konsorten bereits völlig breit schlagen lassen. Wenn der Minister so fort fährt, kann das Bildungs- wesen in Bayern noch weit kommen. Beim Liberalismus, der früher gegen derartige Bestrebungen ankämpste, ist aller Kampfes- murh geschwunden. Kein Liberaler wagte im Finanzausschuß gegen die Prätentionen des Zentrums und die Haltung des Ministers, der die Lehrfreiheil preisgab, zu opponiren. Im weiteren Verlauf seiner Rede kritisirt Vollmar die kleinliche Art des Referenten D aller, der hier beim Bildungswesen um einige 100 M. feilsche, während es ihm bei zweiselhasten agrarischen Projekten nicht auf ein paarmal Hunderttausend ankomme. Er berührt das Verhalten des Zentrums dem Professor Bren- t a n o gegenüber, der den Ultramontanen nicht Agrarier genug sei; habe auch die Sozialdemokratie alle Ursache, die Ansichten Brentano's zu bekämpfen, so führe sie ihren Kampf doch mit den Waffen des Geistes und lasse nicht die Wissenschaft und die Studenten den Zorn gegen die Professoren entgelten. Des weiteren besprich! er das Unwesen der Kollegiengelder, geißelt die feindliche Haltung der Regierung und der Parteien gegen- über dem Frauenstudium. Unser Redner schloß mit der Auf- forderung. daß die Einzelstaaten, deren politische Stellung die Reichsgewalt immer mehr einenge, wenigstens auf dem kulturellen Gebiete vorwärts zu streben hätten.— Nach der Rede Vollmar's wurde die Debatte auf morgen vertagt. Auf die Erwiderung des Ministers darf man gespannt sein.— England. — Eine große Marinevorlage brachte der erste Lord der Admiralität gestern mit einer programmatischen Rede im Unterhause ein. Das Flotlenpersonal soll um 4900 Mann vermehrt werden. Die Gehälter der verantwortlichen Offiziere würden erhöht werden.„Wir sind in der Lage gewesen," fährt der Redner fort,„die Zahl unserer im Dienst befindlichen Schiffe belrächtlich zu vermehren, wir haben unsere verschiedenen Ge- schwader im Kanal, im Mittelmeer , in China verstärkt und wir haben unsere abgenutzten Schiffe ersetzt. Auch durch die Errichtung des fliegenden Geschwaders ist die Zahl unserer im Dienst befindlichen Schiffe reichlich erhöht worden. Ein Be- trag von 4 000 000 M. ist für das laufende Finanzjahr be- sonders eingestellt worden bei den Ausgaben für Geschütze und Munition, für welche ein Nachtragskredit nöthig ist, und im nächsten Finanzjahr wird es nölhig sein, für Geschütze und Munition eine weitere Erhöhung des Etats um 17000 000 M. zu verlangen.(Rufe: Oh! Oh! und lauter Beifall.) Auch größere Dockanlagcn wären nothwendig; drei Docks würden in Gibraltar gebaut werden. Die Kosten der neuen Anlagen werden auf 44l/s Millionen Mark ver- anschlagt, außer den bereits vorgesehenen 7,3 Millionen Mark. (Rufe Oh! und Beifall.) Tie Ausgaben für die in Aussicht ge- nommenen Anlagen würden die Aufwendungen für Marine- Anlagen von 170 Millionen Mark, dem Betrage für das vorige Jahr, auf 280 Millionen erhöhen. Goschen sprach dann über die Schiffsbauten und bemerkte, von 1889 bis 1896 sei die Flotte um 103 Schiffe und 62 Torpedoboot-Zerstörer vermehrt worden. Das wäre eine außerordentlich große Zahl, er müsse aber von dem Hause die Bewilligung noch weiterer Vermehrungen verlangen. Der Nachtragskredit würde sich auf 20 200 000 M. belaufen, die Zahl der in den Seemagazinen beschäftigten Leute sei jetzt aus 23 000 erhöht worden. Gegenwärtig seien 8 Schlachtschiffe, 21 Kreuzer und 40 Torpedoboot-Zerstörer im Bau. Außer den jetzt im Bau befindlichen Schiffen müßten folgende Schiffe neu gebaut werden: 5 Schlachtschiffe, 4 Kreuzer erster Klasse, 3 Kreuzer zweiter Klasse, 6 Kreuzer dritter Klasse und 23 Torpedoboot- Zerstörer. In Anbetracht der äußerst dringenden Nothwendigkeit, mit dem Bau von Torpedoboot- Zerstörern zu beginnen, habe die Regierung der Eulscheiduug des Hauses vorgegriffen und 8 Torpedoboot-Zerstörer in Bestellung gegeben. Im ganzen würden im laufenden Jahre sich 13 Schlachtschiffe im Bau be- finden, deren auf drei Jahre zu vertheilcnde Kosten er— außer dem» was schon bei Beginn diefes Jahres gethau sei— auf 200 Millionen Mark festzusetzen vorschlage. Der Flottenetat für das nächste Finanzjahr würde 436 000 000 M. betragen, also eine Erhöhung von über 60 Millionen gegenüber dem letzten Jahre ausweisen. Die Kosten der ganzen seit dem Jahre 1894/93 begonnenen Neubauten würden 360 bis 380 Millionen betragen und die Kosten dessen, was unter dem Flotienvertheidigungs- Gesetz gethan sei, betrügen 620 Millionen, es er- gebe sich also von 1389 bis 1699 eine Gesammt- ausgäbe von 1100 Millionen für Neubauten und Ausrüstung. Die Vorschläge bedeuteten nicht eine Herausforderung, sondern würden zum Zwecke der Selbstvertheidigung gemacht. Die Vorschläge wären begründet durch die be- besonderen Lebensbedingungen Englands, welche nicht die anderer Länder seien. Eng- land habe seine weit zerstreuten Besitzungen, die Bedingungen seiner Nahrungsmittel-Zufuhr, seine Kolonialbesitzungcn und die Sicherheit seiner eigenen Küsten in betracht zu ziehen. Wenn fremde Völker diese Vorschlägein dieErörte- rungzögen. dürften siedieselbennichtmitden Aufwendungen für ihre eigenen Flotten ver- gleichen, sondern sie müßten auch daran denken, was sie für ihre Heere ausgeben. Die englische Flotte seien die Armeekorps, welche England an seinen Grenzen aufstelle. Andere Völker sorgten für große militärische Rüstungen, während England für seine alotte sorgte. Die gegenwärtigen Vorschläge sollten weder die ifersucht noch die Nachahmung der fremden Mächte erregen. Die Regierung nehme für sich das Zugeständniß in Anspruch, daß sie nicht mehr thue, als für die Selbstvertheidigung Englands benöthigt sei. Goschen schließt.:„Was wir unter allen Um- ständen wünschen, ist, daß unsere Flotte das Vertrauen unseres Landes in seine eigene Macht darstelle."(Lebhafter Beifall.) Au Antrag Balfour's wird die Berathung vertagt. Amerika. — Eine Depesche aus Managua meldet, die Re- gierungstruppen in Nicaragua schlugen die Ausständischen nach sechsstündigem Kampfe bei Matearis und Nargoto und brachten ihnen einen Verlust von 300 Tobten und Verwundeten bei. Die Regierungstruppen eroberten mehrere Krnpp'sche Kanonen. Die Aufständischen wurden bis La Pacz zurückgetrieben.— In der Etatkommission begann am Dienstag die Berathung des Marine- Etats und zwar mit dem Extra-Ordinarium. Abg. Lieber als Referent bemerkt eingangs, daß die volle Beruhigung in betreff der uferlosen Flottenpläne nach den Vorlegungen des Staatssekretärs v. Marschall nicht eingetreten sei, und erwähnt dabei insbesondere das Verhalten von Peters und des Regierunpsasfessors Hugenberg. Erwünscht sei es, die Ansicht der Regierung darüber zu erfahren. Staatssekretär Hollmann hebt hervor, daß er voll und ganz die Ansicht des Staatssekretärs v. Marschall lheile, welche jüngst in der Kommission vorgetragen worden sei. Er weise die ihm nach den Zeitungen von Hugenberg und dem Abg. Hasse zugeschriebenenAeußerungen voll und ganz zurück. Er wäre unmöglich, wenn er einen anderen Standpunkt einnähme als der Reichskanzler. Staatssekretär v. Marschall erklärt, daß der Assessor Hugenberg dienstlich znr Verantwortung gezogen sei. Abg. Richter erklärt, daß niemand solche Aeußerungen auf den Staats- sekrelär Hollmann zurückführe. Deshalb sei dessen Erregt- heil nicht begründet. Die Andeutungen seien vielmehr ge- gangen auf den Chef des Marinekabinets, Frhrn. v. Senden- Bibran. Die Aeußerungen eines Hugenberg oder eines Peters würden aber gar keinen Eindruck machen, wenn nicht die Vor- gänge vom 13. Januar beständen. Staatssekretär Holl mann: Ich habe keine Kontrolle über den Chef des Marinekabinets. Aber auch dieser Chef dürfte solche Aeußerungen nicht gethan haben. Ich halte dies für vollkommen ansgefchloffen. Abg. Bebel hebt hervor, daß der Chef des Marinekabinets nicht unter der Kontrolle des Staatssekretärs stehe nach dessen Aussage. Das Marinekabinet ist also eine vollständig unabhängige Behörde. In der That bildet die Rede von: 13. Januar die Hauptgrund- läge der ganzen Agitationen. Peters und eine gewisse Presse würden nicht agitatorisch thätig sein, wenn sie nicht glaubten, gewissen Wünschen an höchster Stelle entsprechen zu müssen. Uns gehen ja diese Dinge nichts an. aber wenn wir die Lage wie aus der Vogelperspektive überschauen, müssen wir sagen: Keine Re- gierung giebt es in Europa , gegen die so viel Kabale und Machinationen sich vollziehen, als die deutsche. Das Wort „rsAii- voluntas supvema lex" setzt sich in Wahrheit dahin um. Jntriguen überall, niemand weiß, wer Koch und wer Kellner ist. Abg. v. Kardorff versichert, Peters habe immer eine deutsche Flotte verlangt nach dem Muster der englischen. Die Transvaal -Tepesche und die Haltung der englischen Presse lassen es entschuldbar erscheinen, daß auch die deutsche Presse in bezug auf die Entwickelung der Flottenpläne den Mund etwas zu voll genommen habe. Abg. Lieber: Die Neufordernngen dieses Jahres werden dazu nach diesem Etatsjahre noch Restdewilligungen von 43 441 000 M. nach sich ziehen, so daß, wenn dieser Etat für 1896/97 bewilligt ist, Engagements eingegangen sind für Auf- Wendungen zu Schiffsbauten nach diesem Etat im Betrage von 64441000 M. Es wird darauf znr Verhandlung über die einzelnen Positionen übergegangen und erfolgt die Bewilligung der gefor- derten neuen Raten für diejenigen Schisse, für welche schon in den Vorjahren erste Raten bewilligt worden sind. Bei dem Kreuzer„Ersatz Leipzig " erklärt Staatssekretär Hollmann auf Anfrage des Abg. Richter, daß der vorjährige Kostenanschlag innegehalten werden würde, obwohl der Panzer 2300 Tonnen Eisen erfordere zum Preise von je 2320 M. Der Bau habe in Kiel am 6. Dezember 1893 begonnen. Es folgt dann die erste Nenforderung im Etat, die erste Rate zum Ersatz des großen Panzerschiffes„Friedrich der Große ". Die Gesanimtkosten des Neubaues beziffern sich mit Artillerie- und Torpedo- Ein- richtung auf 20 Millionen Mark. Staatssekretär H o l l m a n n führt aus, das bisherige Panzer- schiff»Friedrich der Große " habe, aus dem Jahre 1874 stammend, nur eine» 4zölligen Walzeisenpanzer und ein solcher Panzer könne durch die jetzigen Schnellladekan on en von 8 Centimeler durchschossen werden. Von einer wesentlichen Vermehrung der Schlachtschiffe könne in der Zukunft nicht die Rede sein. Niemals werden wir die englische und französische Flotte erreichen können, aber wir müssen so stark sein, um die Ostsee ,„ein deutsches Gewässer", im Kriege beherrschen zu können. Das neue große Panzerschiff soll bis zum I. April 1900 in die Flotte eingereiht werden können. Abg. Lieber spricht sich unier diesen Umständen für die Be- willigung aus. Abg. Richter: Schon was bisher vorgezeichnet worden ist, wird bis zum Ablauf dieses Jahrhunderls Aufwendungen für Schiffsbauten im Betrage von über 120 Millionen Mark nach sich ziehen. Wir können uns nicht in diesem Etat aufs neue für 44 Millionen engagiren in betracht der ganzen Finanz- läge. Man kann nicht blos in bezug auf die Schlachtflolte ideale den Anforderungen erfüllen, während in so vielen anderen Zweigen Reich und Staat, wie in bezug auf Schulwesen, Justiz, weil hinter Anforderungen der Zeit zurückbleiben. Wir können nicht für ein neues Panzerschiff eintreten, so lange wir nicht wissen, was da- hinter noch an neuen Kreuzern bewilligt wird. Ob ein neues Panzerschiff ein Jahr früher oder später in Angriff genommen wird, entscheidet nichts über die Vertheidignugsfähigkeil des Landes, dazu kommt, daß der gleichzeitige Bau von mehreren großen Panzerschiffen dieselben um so rascher wieder veralten läßt. Wer weiß, ob man überhaupt am Ende dieses Jahr- hundcrlö über den Werth solcher Panzerkolosss noch ebenso denkt wie gegenwärtig. Staatssekretär Hollmann hat auch erklärt. daß eme„wesentliche" Steigerung der heimischen Schlachtflotte nicht beabsichtigt sei. Nun steht aber nicht einmal fest, wie groß man die Schlachtflotte nach dem bisherigen Plan ansieht. Denn in bezug auf die dafür nothwendige Zahl von Kreuzern ist keine bestimmte Auskunft gegeben. Abg. P a ch n i ck e meint, die Erklärung des Staatssekretärs sei beruhigend. Da der Typ des neuen Panzerschiffs feststehe, so seien seine Freunde für die Bewilligung. Die Abgg. Hammacher, Kardorff, v. Leipziger, Graf Ami m erklären sich darauf für die Bewilligung des neuen Panzerschiffs. Abg. Lieber hebt noch besonders hervor. daß man in der Ostsee russische Landungen müsse abwehren können. Darauf erfolgt die Bewilligung gegen die Stimmen der Frei« sinnigen Volkspartei, der Deutschen Volkspartei und der Sozial- demokraten. Vor der Verhandlung über die neuen Kreuzer wurde die Sitzung vertagt.(Freis. Ztg.) Tic Kommission znr Berathung des bürgerlichen Gesetz- buchö behandelte in ihrer Dienftagssitzung die Artikel 80—36 des Einführungsgesetzes. Diese Artikel enthalten landesrechtliche Vorbehalte zu gunsten der Einengung des Privatrechtes von Vereinen. Artikel 80 des Ein- sührungsgesetzes bestimmt:„unberührt bleiben die landes- gesetzlichen Vorschristen über die Beaufsichtigung juristischer Personen." F r o h m e und Stadthagen beantragen Streichung dieses Vorbehalts. Die Abgeord- neten Gröber und Marbe beantragen, eventuell dem Art. 80 eine Gestalt zu geben, der wenigstens Stiftungen vor chikanöser Beaufsichtigung bewahrt. Stadthagen begründet den Antrag auf Streichung. Durch Streichung des Artikels bleibe es bei dem bestehenden Rechte. Durch den Vorbehalt des Einführungsgesetzes werden nicht nur die bestehenden Beaussich- tigungsrechte der Einzelstaaten aufrecht erhalten, sondern den Landesgefetzen gar die Besugmß ertheilt, auch künftig- hin Bestimmungen über die Beaussich- tigung juristischer Personen zu treffen. Das stehe im Widerspruch mit dem von der Kommission anerkannten Grundsatz, daß in der Regel die Verwaltung sich um die Gestaltung und Verwaltung der juristischen Personen nicht zu kümmern habe. Hierzu treten die traurigen Erfahrungen. die Arbeitervereine mit der Ausübung, richtiger mit der Recht- sprechung über ein Beausstchtigungsrecht der Verwaltung gemacht haben. Er erinnere an Staßfurt und an andere Orte, wo die Herausgabe der Liste von Mitgliedern von Arbeiterbildungs- Vereinen, Gesangvereinen, Turnvereinen durchgesetzt wurde und wo dann diese Listen den Unternehmern zwecks Boykottirung übergeben seien. Solchen unter behördlichem und landesgesetz- lichem Schutz zur Zeit bestehenden rechtswidrigen Angriffen gegen das Koalitionsrecht und gegen das Vereinsrecht; diesem Vorgehen gegen„die öffentliche Ordnung" dürfe das Reich auch nicht in- direkt beistimmen. Abg. Gröber theilt die Befürchtung, daß Art. 80 Miß- brauch und Chikanirungen fördern könne, nicht in vollem Maße. Aber auch er hält eine ausdrückliche Sanktion des Beaufsichtigungs- rechts nicht für erforderlich. Durchaus erforderlich sei die Be- schränkung der Beaufsichtigung von Stiftungen durch die von ihm vorgeschlagene Fassung. Professor Gebhard hält beide Anträge für unannehmbar. Die Bestimmung sei erforderlich, um sonst entstehenden Zweifeln über den Umfang des partikularrechtlichenBeanfstchtigungsrechts entgegen- zutreten. Aehnlich äußert sich Ministerialrath v. Schicker. Der Abg. v. Cuny und Graf v. Bernstorsf wenden sich gleichfalls gegen die Anträge. Geh. Rath P l a u ck führte aus: Anerkannt müsse allerdings werden, daß bei Streichung des Artikels 30 es bei dem bestehenden Recht bleibe. Indessen könnten dann Zweifel über das Recht zur Entsendung von Kommissaren» zur Einforderung von Sitzungsprotokollen, zur Kontrolle des Geld- Verbrauchs und ähnlichen Aussichtsbefugnissen des Staats entstehen. Dem trete Artikel 80 vorsichtshalber entgegen. Abg. Gröber: Gerade die Ausführungen der Re- gierungen haben ihn überzeugt, daß das zweckmäßigste die Streichung des Artikels 80 wäre. Abg. v. B en n i g s e n ist gegen den Antrag Gröber; Abg. K a u f f m a n n für Streichung. Artikel80desEinsührungsgesetzes wird hierauf gegen 7 Stimmen gestrichen. Es bleibt also bezüglich der Beaufsichtigung von Vereinen beim bestehenden Recht; den Einzelstaalen ist aber das Recht, neue Beaussichtigungs- bestimmungen zn treffen, genommen. Artikel 81 wird ohne Debatte angenommen. Artikel 82 will die landesgesetzlichen Vorschriften über Waldgenossenschaften ausrecht- erhalten. Frohme und Stadthagen beantragen auch hier Streichung, da der Vorbehalt einer reichsgesetzlichen Regelung der Frage entgegenstehe. Nachdem aberin der Kommission allseitig an- erkannt war, daß es wünschenewerth sei, Waldgenossenschaften entstehen zu lassen und zum Gedeihen zu bringen, und nachdem Abg. v. Dziembowski angeregt halte, am Schluß der Be- rathung des Einführungsgesetzes zur einheitlichen Gestaltung dfs Waldgenoffenschaslswesens durch eine Resolution ausznsoroern, wird der auf Streichung des Art. 32 gerichtete Antrag zurück- gezogen und Art. 62 angenommen. Art. 83 setzt fest die Auf- rechterhaltung der landesgesetzlichen Bestimmungen, die die Rechts- fähigkeit von Religiousgenossenschaften von gesetzlicher Anerkennung abhängig machen. Die Abgeordneten Frohme, Stadt- Hagen , Gröber und Marbe beantragen Streichung. Die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit von Religionsgesellschaften einer Ausnahmebestimmung zu unterwerfen, sei nicht annehmbar. Professor Gebhard, Staatssekretär Nieder ding. Abgg. v. Bnchka und v. Cuny bekämpfen die Streichung, weil verfassungsmäßig in Preußen Äeligionsgesellschasten nur durch staatliche Verleihung Anerkennung erlangen können. Die DebaUe erinnert bei einige» Stellen der konservativen und nationalliberalen Redner an die Kultnrkampf-Periode. Diese Erinnerung führt dazu, daß Artikel 83 schließlich mit 10 gegen 8 Stimmen in der Fassung des Entwnrss angenommen wird. Daß er in zweiter Lesung aufrecht erhalten werden und künftigen parlikularrechtlichen Gendarm- Religions- Taktiken Vorschub geleistet werden wird, erscheint zweifelhaft. Artikel 64 und 33 beziehen sich auf landesgesetzliche Bestimmungen über Umwand- lnng und Aufhebung von Stiftungen sowie über die Verwendmig des Vermögens aufgelöster Korporationen zu gunsten von Ge- meindcn u. s. w. Sie werden angenommen. Art. 86 will die landesgesetzlichen Vorschriften aufrecht erhalten, welche den Er- werb von Rechten juristischer Personen beschränken oder von staatlicher Genehmigung abhängig machen. Zu diesem Artikel liegen eine Reihe von Anträgen vor, die zu einer längeren Debatte führen. Die Debatte wird um 1 Uhr auf Mittwoch um 10 Uhr vertagt. Aus der Sitzung der Jnstiznobelleu-Kommissio». Am Dienstag wurde die Berathung über§ 244 der Strafprozeß- Ordnung begonnen, aber noch nicht zu Ende geführt. Nach dem bestehenden Gesetz muß die Beivcisanfnahine vor der Straf- kammer auf die sänimtlichcn vorgeladenen Zeugen und Sach- verständigen, sowie auf die anderen herbeigeschafften Beweis- mittel erstreckt werden, falls nicht die Elaatsanwallschast und der Angeklagte mit Nichterhebung einzelner Beweise einverstanden ist. Die Regierungsvorlage will statt dessen die totale Willkür des Richters einführen und schlägt an stelle des bestehenden Gesetzes deshalb folgende maßlose Verschlechterung vor: Das Gericht bestimmt den Umfang der Beweisaufnahme, ohne hierbei durch Anträge, Verzichte oder frühere Beschlüsse gebunden zu sein. Im Vorjahre hat die Kommission diesen Vorschlag als geeignet, das AUgemeiniuteresse, die Rechtspflege, das Vertrauen zur Rechtsprechung und das Ansehen der Gerichte aufs tiefste zu schädigen, a b g e l e h n t, hat aber der Regierung durch einen Zusatz zum bestehenden Gesetz insofern nachgegeben, als nach diesem Zusatz ein Beweisantrag wegen Unerheblichkeit der zur beweifen-
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