Einzelbild herunterladen
 

Dienstag

10. Dezember 1929

Max Dortu :

-

Unterhaltung und Wissen

Montenegro' n Hulmacherstück

Ein Brief aus Wien , Lieber Karle. Hier haut es zurzeit mit

-

ich will wandern. haste Luft? Wir könnten auf den Balkan uns in Triest treffen. Servus! Dein Franzl."

-

-

-

Jetzt sind wir troden. Doch wie wir aussehen- du lieber er Sutmacherei garstig aus- ich bin schon drei Monate arbeitslos Gott: Frang! Wie schaust du denn nur her der Anzug ist dir dreimal zu weit- Anizas Vater muß aber' nen Bauch haben der reinste Berg! Du aber, Karle, du siehst ganz flott aus das turze Jäckchen die Pluderhosen das weißgraus Fes! Ja, paßt mir wie angegossen. Schade, daß Anizas Bruder tot ist- wie fagte fle: im Striege gegen Desterreich gefallen? Ja, so sagte sie. Eine Träne stand in ihrem braunen Auge- wie tropfender Bernstein !

-

-F

"

-

-

-

Ein Brief aus München . Lieber Franzl. Ich bin auch arbeits. Los die Leute haben fein Geld zu neuen Hüten eher taufen sie sich' ne Maß Bier ja, ich reise mit Dir über Tirol tomme über Tirol tomme ich nach Triest . Balfan, schreibst Du. Ich möchte gerne nach Mante. negro liegt das im Baltan? Auf Wiederschaun! Dein Rarle." Und in Triest trafen sie sich, die beiden Hutmacher auf in die Belt: das Leben ist schön: als freie Wanderburschen sind wir die Herren der Welt. Schade nur, daß unsere Mädels nicht mitmachen aber die kunstseidenen Strümpfe und die hohen Abfäße: zum Wandern taugt das nicht! Triest . Brrr, was für' n Wetter! Es regnet. Es stürmt. Es stürmt. Der Schirotfosturm wirft ganze Berge von Wasser über die Hafen. molen hinweg die Möwe schreit und die Masten der Schiffe spielen Geige. Dada liegt unser Schiff: ein kleiner Stroate, nicht größer als' ne halbe Walnußschale damit sollen wir auf See?

-

-

-

-

Aber aller Seefrantheit zum Trot tamen unsere Freunde doch ans Ziel ihrer Seereise wieder luftig und gefund: Wir find in Cattaro ! Immer noch bläft und donnert und pfeift und jubiliert der Schirotto, der warme Sturm von Afrika her der Schirotto, der mit uns perwandt ist: revolutionär und hizig! Cattaro . Sind

-

wir in Norwegen ? Ein Fjord. Eine vielgegliederte Buchtsteil

-

steigen die Berge: schwarz gefrönt mit großen, breiten Schlapp­hüten, mit schweren, weißgrauen Wolfen: in diese Wolken müssen wir hinein wir müssen sie durchstoßen- droben: hinter Bergen und Wolken: da liegt Montenegro, das Land der schwarzen Berge Hutmacher auf Reisen! Uns gehört die Weltweil wir mutig und lustig sind: hoisa: Franzl, singe ein Lied!

-

-

-

-

aus

Und mit Gesang ging es bergauf die vielgewundene Kunst­straße hin das blaue Postauto brummt an uns vorbei dem Autofenster winkt ein Mädchen: oder war es' ne Frau thr rotes Seidentuch schwang wie ein Wimpel: galt das mir oder dir, Franzl? Das galt unseren beiden jungen Herzen fie haben die Farbe der Seide: tirschtirschrot!

-

-

Wir sind schon da. Was, das ist' ne Hauptstadt- das ist ja wie ein großes Dorf. Und hat doch 5000 Einwohner, dieses Cetinje . Wieviel Einwohner hat denn ganz Montenegro? Nicht mal vier. hunderttausend und ist dabei fast so groß wie Sachsen . Wovon leben die Leute? Hirten sind sie. Schafe, Siegen, Hammel. Käse aus der Schafsmilch. Geräuchertes Hammelfleisch: Castradina! Bolle. Häute. Die Wolle geht nach Wien - das gibt Hüte: monte­negrinischen Filz!

Immer noch regnet es. Die Kinder und Gänse schauen uns groß an, aus dem Halbbunfel breite, lange Straße' n paar Läben: ei Gewitter, Franzl: da sind Hüte im Laden und Müzen und Feffe: rote, graue, weiße! Du, hier sprechen wir an: Gut'n Abend zwei fremde Hutmacher wir stugen, wir staunen ein junges Mädchen um den Hals einen roten Seidenschal fennen wir uns- fie lächelt ihre weißen Zähne ihr rotes Mäul­chen der braune Doppelblitz aus den Augen mie, wo, wann?

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

Ja, richtig, das ist ja das Mädel von dem blauen Postauto, das uns heute auf der Bergstraße von Cattaro vorbeisummte. S00 fagt sie wie gut sie deutsch schwägt Hutmacher seid ihr also, darum hieß mir im Auto eine innere Stimme: euch zu winfen! Wir sind Kollegen- ich war drei Jahre in Wien - in' ner großen Hutfabrikda habe ich gelernt. Schade, daß mein Vater nicht hier ist- der ist auch gelernter Hutmacher vor dem Kriege hat der die halbe Welt bereift. Soo, auf Wanderschaft seid ihr und wie ihr naß seid Natürlich könnt ihr bei mir schlafen plötz lich wird sie ganz rot was hat fie gesagt? Sie verbessert sich: Jaaa ihr könnt bei uns schlaaafen Vater ist zwar verreist, ich sagte das schon er ist in Belgrad da schlafe ich in Baters Bett und ihr könnt in meinem Bette schlafen. Mutter ist tot. Aber Großvater und Großmutter leben noch. Großvater raucht und Großmutter tocht. Ich passe auf den Laden. Ich heiße Aniza!

-

-

-

-

-

-

auch

-

-

-

-

Beilage des Vorwärts

mutet, weil eine auffällige Namensgleichheit vorliegt: nach den vorhandenen lateinischen, französischen und deutschen Quellen hieß ' n Hutmacherstück der Briefber nämlich ebenfalls Rodbertus ", Rupprecht. Diese Ueber­einstimmung der Namen sowie des strafenden Prinzips in beiden mit dem Weihnachtserlebnis verknüpften Gestalten gab zu denken, zumal nach dem vorher Dargelegten die Geschichte vom Priester Rupprecht eine ungeheure Verbreitung fand. Immerhin war diese werden, und erst den gründlichen Forschungen von Dr. Hermann These allzusehr phantafiebetont, um wissenschaftlich anerkannt zu Siebert gelang es, diese Ableitung zu belegen. Siebert stellte nämlich fest, daß man in der Cölbigler Gegend sowie im weiteren Umkreis der dem Dorfe Cölbigf benachbarten Stadt Bernburg , ja fogar bis tief nach Sachfen hinein und nach Norddeutschland hin im Bolksmund noch heute von dem Bernburger Heelen Christ" spricht und damit den Knecht Rupprecht bezeichnet. Diesem Bernburger heiligen Christ", auch Rupprecht von Bernburg" und Cölbigfer Heeler Christ" benannt, haftet auch all die Düſternis und die Grausamkeit des Priesters Rupprecht an; so sagt man in der Köthener Gegend: Der Berenborger Heelechrift, der de Kleenen Kinder frißt"; und wenn man ausdrücken will, daß es zu Weihnachten nur Strafe und feine Bescherung gibt, so sagt man bis nach Merseburg und Leipzig hinauf: Es kommt nur der Bernburger Heele Christ". ( Daß es häufig ber Bernburger " und nicht immer ,, der Cölbigfer" heißt, erklärt sich aus der Bedeutung und der Bekanntheit des damaligen Berfehrstnotenpunktes und Marktortes Bernburg gegen­über dem unbedeutenden Dorfe Cölbigt zur Genüge.) Jedenfalls ist die Identifizierung mit dem Knecht Rupprecht vollkommen. Und selbst wenn sich die historische Gestalt jenes Priesters nur mit heidnischen Ueberlieferungen vermischt haben sollte, so ist der Gewinn an dichterischer Verklärung und menschlicher Vertiefung der Rupprechtsgestalt doch sehr groß. Die Charakteristik der Figur, die strafend und düster der milden Gestalt des Christkindes vorangeht und die stereotype Frage stellt: Kannst du beten?"- diefer düstere stellt: ,, Kannst Bote eines lichten Gottes, der doch ohne seinen lichten Gott nichts ist und nur nimmt und straft, nicht gibt und beglückt. gewinnt einen ganz anderen Sinn, wenn man des fanatischen Priesters von Cölbigk gedenkt... Gerhard Hermann Mostar.

Ach, jetzt sind wir schon alle so gut bekannt. Wir sißen in der großen Küche. Im offenen Ramin fladert und leuchtet das Knüppel. holz teine Lampe, tein Licht doch: zwei Lichter: Anizas Augen. Wir figen alle um den Kamin auf Großmutters Schoß schnurrt Babutscha: die graue Raze. Großvater raucht. Und Aniza und wir zwei Gäste wir fnabbern Nüsse. Leise tnistert das Feuer- rote 3ungen umtanzen sich: Gelb dazwischen leichter blauer Rauch ab und zu und im Topfe über dem Feuer brodelt die Caftrabina fuppe: die Hammelsuppe- die wollen wir nachher eſſen. Sie muß erst vier Stunden tochen sonst wird der Hammel nicht weich. Wie es raft: draußen, der Sturm, die Nacht: sieben Uhr der Regen! Schirotto über Cetinje !

-

pater

-

--

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

der

Nun haben wir gegeffen. Es ist schon Mitternacht vorbei. Mir find alle in hoher Stimmung am Tische geht schon die zweite Flasche Zwetschgenschnaps. Und Großvater erzählt und erzählt. Er erzählt alte Sagen aus Montenegros Urzeit als der Mensch mit dem Steinbeil dem Bären zu Leibe ging. Und nun gibt es Gefang: Großvater spielt auf der Gußla, auf der einseitigen Geige und er fingt mit tiefem Baß. Aniza singt Sopran wie Sonne und Schatten flingt das Bolkslied aus Montenegros Heldenzeit: vier Jahrhunderte Kampf mit den Türken! Heitere, frohe Lieder: Bünd­Jahrhunderte Kampf mit den Türken! Heitere, frohe Lieder: Bünd­nis mit dem Löwen San Marco, Benedig und Montenegro spielten dem Türken einen blutigen Hochzeitsmarsch auf. Und dann das gedämpfte Lied das Trauerlied du könntest dabei weinen Montenegros Todestampf gegen das mächtige Desterreich 3werg unterlag dem Riesen alle männliche Jugend ist tot. Groß­weine du im Lied! Alles schweigt nur draußen der Sturm: der heult! Großmutter und die Kaze schlafen am Stuhl. Die Zwetschgenflasche ist leer. Aniza gähnt- wie ihre Zunge so rot ist und die Perlen der Zähne und die braune schmale Hand. Rrrr Großvater schiebt seinen Stuhl zurück: hart, wie es schnurrt Großvater tmurrt: unzufrieden, bitter: Und jetzt sind wir serbisch! Montenegros Freiheit ist tot! Dobro notsch. Gute Nacht. Morgens. Wir haben ausgeschlafen. Wir wollen weiter. Ban­dern: nach Süden Stutari, Albanien . Da vor der Zimmer­türe, draußen steht' n Stuhl, da liegen unsere Kleider drauf Aniza hat sie getrodnet. Regnet es nod), gud aus dem Fenster. , es is troden der Wind ist umgeschlagen er pfeift zwar noch mächtig- nun bläft die Bora . Der Himmel ist grün- schneeweiße Boltenfegel huschen drüber hinweg ei, du, fo fchau doch: das Gebirge: jilberfarben, ber montenegrinische Karstraßefahl: Dolo­miten: filbern, weiß, rosa- die Morgensonne streut Netten. Winden wir einen Strauß: für Aniza! Mädel, Kollegin, lebe du wohl dant für die Gastfreundschaft, Geld haben wir feins aber hier, in meinem Berliner , da sind fünf feine Plüschhüte drin- noch' n bissel naß verquetscht, verknüllt da: nimm die Hüte: Aniza: trockne du fie, bügle fie auf du bist ja Kollegin-- und verkaufe du sie. Aniza wird rot sie dankt und nun wird sie gar Burpur: fie ruft: Hoop in diesem Hut hier liegt ja was brindas mar Rarles rotes Herz. Aber Karle ist schon zum Laden hinaus und Franzl, der Spigbub, der nahm sich noch schnell' nen Ruß, von Anizas roten Wangen hufch, dann ist auch er fort. Karle ist mütend das hätte der Franzl nicht machen sollen: der Kuß­Und Franzl denkt sein Herz der Aniza da lassen im Plüschhut drin: Das hätte der Karle doch nicht tun sollen. Beide Freunde sdyweigen verstimmt sie wandern wieder unter der Sonne grüner Himmel: und der Borafturm zwitschert: Brüder, vertragt euch teilt euch die Liebe und teilt euch die Sonne. Schihi- pfifi­der Sturm!

-

-

-

-

-

-

--

-

-

-

-

-

!

Knecht Rupprecht"- eine historische Figur?

Die Gestalt des Knechtes Rupprecht, der zur Weihnachtszeit mit Rube und Sad erscheint, um die Bösen zu strafen und die Guten zu lohnen, ist schon häufig Gegenstand auch der wissenschaftlichen Erörterung gewesen. Man hat versucht, den weißbärtigen, rauh prächtigen", rauh leuchtenden Greis als Ueberbleibsal der germani. fchen Mythologie, als Infarnation der Eisriesen oder gar Bodans zu deuben; man hat zur Stützung dieser These auf den früher viel häufigeren Mummenschanz gelegentlich seines Auftretens als auf einen Anflang an die germanischen Julfestgebräuche, man bat ferner auf die Betonung des düsteren, harten, strafenden Prinzips der Rupprechtfigur gegenüber dem weit milderen füddeutschen St. Ni tolaus hingewiesen. Im Zusammenhang mit Forschungen, die jenes Julfest nicht als ein Freudenfest, sondern als eine dem Gedächtnis der Toten geweihte Feier erklärten, glaubte man auch die dem Knecht Rupprecht zugeschriebene Allwissenheit erklären zu fönnen, da die Toten nach germanischem Glauben ja in Modans Halle ſizen und alles sehen, was auf Erden geschieht, also auch die fleinen Sünden der Kinder. Diese Hypothesen schienen auszureichen, und die Gestalt Rupprechts als rein mythische Erscheinung stellte ja auch zunächst zufrieden. Durch neuere Forschungen wird nun aber auf die Wesenheit Rupprechts ein ganz neues und interessantes Schlaglicht geworfen, und es steht zumindest fest, daß der weihnacht liche Mummenschanz in dieser Beleuchtung an dichterischer Schönheit und menschlicher Tiefe unendlich gewinnt. Freilich murde dies Ergebnis durch eine nach ganz anderer Richtung zielende Forscher arbeit zustande gebracht, und zwar burch die Aufdeckung der geschichte ichen Quellen für die Sage vom Tanz von Cölbigt".

Das anhaltische Dorf Cölbigt lag eine tnappe Begstunde von der Stadt Bernburg an der Scale entfernt. Hier spielte sich der Sage nach im Jahre 1021 jener unheimliche, groteste unb wilbe Bargang ab, der die damalige Zeit fast ein Jahrhundert lang ergriff und beschäftigte. Nach einer der ältesten Quellen, einer ursprünglich an der Tür der Cölbigter Kirche angebrachten Niederschrift, haben sich etliche baursleute zusammen gethan auf das fest der heiligen christnacht und allda gesungen und gesprungen auf dem Kirchof zu Kulbigt dermaßen, das der prister sein ambi nit vor ihnen vor­bringen hat tennen, hat sy hochlich ermant, umb gut millen von

folch pornemen abzustehn hat alles midyt seint molt... Mje mun des prifters vormanen an inen nicht vorfache( müßte), hat er gefagt: En num gebe got und fandte Mangmus, das ir ein ganz gefagt: En mun gebe got und fandte Mangmus, das ir ein ganz jar atje fingen und tanzen mueft!"

Bu des Priesters Entfeßen tut ſein in der Birrnis des Zorns herausgeschriener Fluch seine Wirkung: tanzen müffen die Unglüd­lichen, immerfort tanzen, und obgleich der Priester selbst, dessen Tochter sich unter den Tänzern befindet, den wilden Reihen ein­zuhalten versuchtes gelingt nicht, und die alte Chronik fährt fort: So haben sie darnach ein gang jar al umb getanzt und bis under " So haben sie darnach ein gang jar al umb getanzt und bis under ire gurtlen tuelen in die erden getanzt und ire fleider seint nicht ire gurtlen tuelen in die erden getanzt und ire fleider seint nicht veralt, ire schu nicht zurijzen, har noch bart unverfert bliben, auch weder regen noch schne auf sie gefallen.. Nach einem Jahre endlich kommen die Bischöfe von Köln und von Hildesheim nach Cölbigt und bitten durch ihre Fürsprache bei Gott die Tänzer von ihrer furchtbaren Strafe los. Die finten zusammen, die Kleider fallen ihnen wie Zunder vom Leibe, und mehrere von ihnen sterben unter ihnen des Priesters Tochter, und der Priester folgt ihr bald nach.

Geschichtlich betrachtet dürfte dieser Sage eine im 12. Jahr hundert sehr verbreitete Form des Beitstanzes( so genannt nach dem heiligen Beit, dessen Hilfe man anflehte, als im Jahre 1374 eine epidemische Tanzwut auftrat), die sogenannte Trommelwut" zu grunde liegen, die fich auch in dem damals typischen Erscheinen von Geißlerscharen und anderen von religiösem Wahnsinn Befallenen äußerte, und die gerode in jener Cölbigter Christnacht ungewöhnlich heftig, vielleicht überhaupt zum ersten Male auftrat; daß der Fludy des Priesters die Tanzwut nur verstärken, die Erkrankung nur verschlimmern mußte, bürfte on Hand moderner Psychoanalyse flar fein. Sebenfalls ist geschichtlich erwiesen, daß bis 50, ja 80 Jahre nach dem Borgang Epileptiter in Deutschland , Frankreich und sogar in England unter dem Borwand bettelten, daß sie Ueberlebende aus der Tänzerfáar von Cölbigt seien; auch zwei Bettelbriefe solcher an Epilepsie Erfrankten sind erhalten.

Eine Beziehung zwischen dem Priester von Cölbigt, der zur Weihnachtszeit leichtsinnige Jugend aufs Furchtbarste bestraft, und der Gestalt des Knechtes Rupprecht wurde schon früher page per

Die Geschichte einer Rebelleninfel Zwischen Neuseeland und Südamerika liegt im Stillen Ozean die Insel Pitcairn, die auf der Karte nur so groß ist wie ein Stecknadelkopf, dennoch aber bewohnt ist und sogar ein roman tisches Schicksal gehabt hat. Gerade jetzt vor hundert Jahren starb der Begründer dieser Kolonie, der Engländer John Adams, der im Jahre 1789 mit einigen anderen Matrosen zusammen auf Pitcairn an Land gegangen mar. Diese Männer hatten der Besatzung des englischen Schiffes" Bounty " angehört, die aus irgendeinem Grunde gegen ihren Kapitän und ihre Offiziere gemeutert hatte. Der Auf-. ruhr war nicht gütlich beizulegen gewesen und das Ende war, daß Kapitän und Offiziere in einem Boot ausgefeßt wurden, während die Matrofen mit der Bounty" weiter fuhren. Auf Tahiti , tas nordwestlich von Pitcairn liegt, raubten fie zwölf polynesische Frauen und fuhren dann nach Pitcairn. Diese Insel fanden sie als dauernden Aufenthaltsort geeignet. Sie nahmen von ihrem Schiff alle Sachen, die ihnen in ihrem neuen Dasein irgendwie nüglich sein fannten; dann aber verbrannten sie das Schiff, wohl um sich jede Möglich­feit zu nehmen, in die Zivilisation zurückzukehren. John cams wurde der Führer dieser Truppe, und unter seiner Leitung wurde nütliche Arbeit geleistet, und er machte aus den meuterischen See­Leuten tüchtige und leistungsfähige Bürger der kleinen Kolonie. John Adams führte eine patriarchalische Ordnung ein. Jeder Mann besaß sein Stück Boden, auf dem er mit seiner Familie lebte, in bescheidenen Verhältnissen freilich, aber doch glücklich und zufrieden in der südlichen Natur.

Bevor die Besagung der Bounty" Pitcairn in Besitz nahm. war die Insel von einem unbekannten Boltsstamm bewohnt ge­wesen, der aber ausgestorben war; man fand nur noch die Stelette der ursprünglichen Bewohner vor, außerdem verschiedene Spuren ihrer Anwesenheit, da in die Felswände Götterbilder und heilige Gegenstände eingemeißelt waren.

Die ganze Insel umfaßt nur 7 Quadratkilometer und ist vul­tanischen Ursprungs, doch haben die Bewohner bisher niemals zer­störende Naturfatastrophen erlebt. Trog ber vultantschen Beschaf fenheit des Bodens ist die Insel sehr fruchtbar.

Der neue junge Stamm, der nach den ursprünglichen Ansiedlern heranwuchs, war ausgesprochen wohlgestaltet und schön. Im Jahre 1825, also 35 Jahre nach der Inbesißnahme, war die Bevölkerung auf 65 Menschen angewachsen, während heute vielleicht 200 Menschen dort leben. Die Insel gehört zu Großbritannien und die Bewohner sprechen Englisch , im übrigen aber hat die Insel sich eine gewisse Selbständigkeit bewahrt. Die hauptsächliche Einnahmequelle ist ter Handel mit Früchten. Zwei Dampferlinien laufen die Insel an, wenn die Wetterverhältnisse es gestatten, hauptsächlich um Obst ein­zunehmen für die Bassagiere, denn auf Pitcairn gibt es viele tausend Obstbäume verschiedener Arten.

Getreide gedeiht auf Pitcairn nicht; es würde daher sehr schwierig sein, Brot zu beschaffen, wenn die Bewohner nicht aus einer anderen Pflanze, die sie Weidenwurzeln nennen, Mehl zu gewinnen verstanden hätten. Diese Weidenwurzeln werden mit Wasser in einer Mühle gemahlen.

Die geistige Nahrung der Bewohner von Pitcairn wird von Sidney aus geliefert, wo die Zeitung gedruckt wird, die für all die fleinen Inseln des Stillen Ozeans gemeinsam hergestellt wird. Diese Zeitung ist vorwiegend religiösen Inhalts, da die Bevölkerung aus Adventisten besteht.

Bei Festen auf der Insel feiert stets die ganze Bevölkerung mit, die noch heute wie eine große Familie ist. Mehrmals jährlich veranstaltet der Aelteste der Insel ein öffentliches Festessen, zu dem sämtliche Bewohner seines Reiches eingeladen werden. Es werden lange Tafeln im Freien gedeckt. an denen die Teilnehmer Plazz nehmen, um mit den trefflichsten Speisen bewirtet zu werden. Die Häuser bestehen aus Balken mit Palmdächern, der Herd aus be= hauenen Steinen. Alle hauswirtschaftlichen Arbeiten werden von den Familienmitgliedern selbst ausgeführt. Dienstpersonal gibt es auf dieser Insel nicht, auf der alle gleich gestellt sind. Daß bie fleine weltvergessene Insel fogar eine Radioanlage hat, braucht einen heutzutage faum noch zu wundern. Die Leute von Bitcairn sind nicht länger von der Welt abgeschossen, sondern fönnen te'nehmen an allem, was draußen geschieht. Eine weitere Errung n schaft ist, daß die früher üblichen Ruberboote, mit denen die Be­wohner zu den Dampfern hinausfuhren, durch ein Motorboot ersetzt find

Es mutet fast wie ein Märchen an, daß es in unserer Zeit noch solche Paradiese des Menschentums gibt.