1929
Der Abend
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Spätausgabe des„ Vorwärts.
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Nr. 590
B 294 46. Jahrgang
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Die Schuhzölle erhöht.
Gegen den grundsätzlichen Widerstand der Sozialdemokratie. Weitere Abstimmungen wurden ausgesetzt.
Der handelspolitische Ausschuß des Reichstags hat heute vormittag die Beratung der neuen Industriezölle nahezu zu Ende geführt Im Vordergrund der Beratungen standen vor allen Dingen die neuen 3 ölle für Schuhwaren.
Die Bertreter der bürgerlichen Parteien erflärten sich samt und
Englands Arbeitslosengesetz.
fonders dafür. Sogar der Bertreter der demokratischen Frattion Im Unterhaus angenommen/ Heute Bergbauvorlage/ Labour Regierung bleibt.
sprach sich dafür aus, während in den früheren Berhandlungen die Demofraten eine Erhöhung der Schuhzölle abgelehnt hatten. Für die Sozialdemokratie erflärte Abg. Simon Franken, daß
Reich und Ultimo.
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Anleiheverhandlungen noch nicht abgeschlossen. " Begründete Hoffnung
Amtlich wird mitgeteilt: Die Verhandlungen zum Abschluß der Reichsanleihe sind noch nicht ab. geschlossen.
Die Verhandlungen gehen weiter und es ist be. gründete Hoffnung gegeben, daß sie in wenigen Zagen beendet sein werden, jedenfalls zeitig genug, daß Ultimo Schwierigkeiten nicht eintreten und das, was mit der Anleihe beabsichtigt wird, verwirklicht werden kann.
fie nach wie vor gegen jede 3ollerhöhung sei. Im einzelnen führte er zur Begründung folgendes aus: Landwirtschaft, Industrie und Handel flagten über einen zu geringen Absaz. Durch die geplanten Zollerhöhungen würden aber die Waren noch mehr verteuert, so daß der Absah noch mehr zurückgehen würde. In bezug auf die Schuhwaren habe sich ergeben, daß in den Monaten Januar bis Oktober im Jahre 1929 gegenüber 1928 eine Steigerung der Ausfuhr von 23 Pro 3. eingetreten wäre, wogegen die Einfuhr um 49 Broz. zurückgegangen sei. Dabei spielten namentlich die Produkte der Bata- Fabriken in der Tschechoslowakei eine große Rolle. Das sei zurüdzuführen namentlich auf die Agitation des Schuhmacherverbandes, der die unlauteren Produktionsmethoden des Bata Unternehmens sogar vor Ge= richt festgestellt habe. Außerdem sei es zurückzuführen auf die geringe Qualität des Bata Unternehmens, mo durch die Käufer enttäuscht und veronlaßt würden, Bata- Schuhe nicht mehr zu kaufen. Schließlich spreche bei der Besserung der Handelsbilanz auch noch mit, daß eine Rationalisierung in Deutsch land durchgeführt worden sei, durch die es möglich wurde, die Schuhpreise zu ermäßigen. Allerdings sei das auf Kosten der Arbeiter geschehen, denn mit 60 bis 75 Broz. der bisherigen Belegschaft würde mehr produziert als früher. Jeden. falls ergebe sich aus alledem, daß
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feine Beranlaffung zur Erhöhung der Schutzölle norliege, und deshalb lehne die Sozialdemokratie diese Er höhung ab.
Der Ministerialdirektor Boffe wandte dagegen ein, daß feine strukturelle Beränderung vorliege, sondern daß die Veränderunge in der Handelsbilanz auf die Zurückhaltung der Händler zurück. geführt werden müsse.- die sich aus der bevorstehenden Hollerhöhung erkläre. Im übrigen müsse die Reichsregierung die höheren Zölle haben, um bei den bevorstehenden Verhandlungen mit der Tichecho flomatei über eine gute Waffe zu verfügen.
Schließlich wurden die vorgeschlagenen Zollerhöhungen gegen die Stimmen der sozialdemokratischen und fommunistischen Bertreter
angenommen.
Weiterhin spielte die Frage der neuen Aluminium 30lle noch eine besondere Rolle. Hierzu erklärte Abg. Frau Sender( 503) folgendes: Die Sozialdemokratie habe bisher diese neuen 35le abgelehnt, da sie Reichswerfen nicht zugeftehen fänne, was sie Brivat. werfen verweigere. Da aber inzwischen festgestellt worden sei, teß Infolge von Vereinbarungen teine Preiserhöhung eintreten würde, erfläre sich die Sozialdemokratie bereit, der geplanten Zollerhöhung nicht entgegenzutreten.
Die Abstimmung über die Zölle. wurde noch ausgesett, Da das Zentrum einen Abänderungsantrag eingebracht hatte, über den zwischen den Parteien noch verhandelt werden soll.
Damit waren im großen und ganzen die Industriezölle eriedigt, imd es blieben nur noch übrig die abändernden Reichs: atsbeschüsse und die dazu von den Reichstagsparteien gestellten Anträge.
Condon, 17. Dezember.
Das neue Erwerbslosengefeh wurde im Unterhaus mit einer Regierungsmehrheit von 74 Stimmen in dritter Lejung angenommen. Das neue Gesetz sieht mehrausgaben von 14 millionen Pfund zu Unterstützungszweden zugunsten der Arbeitslosen vor. In der heutigen Unterhaussihung wird in zweiter Cejung über
Standesherrliche Familie.
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Dente dir, meine Liebe, nur mit acht Prozent hat diese Republif unfere Rente aufgewertet, man hat uns direkt mit dem Pöbel der Kriegsanleihe:
zeichner auf eine Stufe gestellt!"
des Reichsverteidigungsausschusses zu bilden. An der heutigen Zusammenkunft nahm auch der Schatzkanzler Snowden teil. Von den im Auslande bekannteren Persönlichkeiten hatten sich Sir Josuah Stamp, Professor Keynes und Layton eingefunden.
Das Republiftschutzgesetz.
§1 im Ausschuß angenommen.- Obstruktionsreden durch Beschränkung der Sprechzeit verhindert.
Der Strafgesetzausschuß des Reichstags beriet in seiner heutigen 100. Sigung§ 1 des Republitschußgefeßes. Nach einer abermaligen langen Rede des Abg. Dr. Everling wurde§ 1 gemäß einem Antrage Dr. Rosenfeld, Dr. Wunderlich, Dr. Bell, Ehlermann und Emminger in folgender Faffung angenommen:
Wer an einer Verbindung oder Verabredung teilnimmt, die Verbrechen wider das Leben bezweckt oder als Mittel für andere Zwecke in Aussicht nimmt, oder mer eine solche Berbindung unterstüßt, wird mit Gefängnis nicht unter 3 Monaten bestraft.
Auf Vorschlag des Vorsitzenden, Abg. Kahl, der seine Entrüstung über die viel zu langen Reden der Deutschnationalen und Kommunisten ausdrückte, beschloß der Ausschuß, um die Arbeiten zu fördern, die Redezeit für jede Fraktion für jeden Paragraphen auf 20 Minuten festzusetzen. In der vorausgehenden Debatte wies Abg. Landsberg( Soz.) darauf hin, daß es im Hauptausschuß ständig üblich sei, die Redezeit der Fraktionen zu fontingentieren. Nachdem Redner der Opposition in drei Sigungen zum§ 1 des Entwurfs immer dasselbe gesagt hatten, müsse der Ausschuß, um feine Arbeiten zu beenden, eine Einschränkung der Redezeit eintreten lassen. In 20 Minuten könne jede Fraktion ausreichend ihren Standpunkt vertreten. Nächste Sizung am Mittwoch.
Politische Moral.
Unangebrachte Belehrungen der„ Germania ". Die ,, Germania " beschäftigt sich heute morgen in einem Leitauffag mit den Ausführungen des„ Borwärts" über die Ber trauensabstimmung vom legten Sonnabend. Dort war gesagt, daß die Bedeutung der Vertrauensabstimmung darin bestehe, die Regierung tredit und verhandlungsfähig gemacht zu haben, daß es aber unmöglich sei, die Parteien auf einen in fünf Jahren durchzuführenden Finanzreform plan zu binden. Die„ Germania " nimmt das zum Anlaß, die Loyalität des Vorwärts" zu bezweifeln und über seine politische Moral die Nase zu rümpfen. Demgegenüber legen wir Wert auf die folgende Feststellung:
die Gefehentwürfe zur Reorganisierung der englischen Kohlen. industrie beraten werden. Die Regierung hofft, daß fie trotz der Kritiken und des Widerstands der Opposition das Gesetz im Unterhaus durchbringen wird. Die Konservativen haben in einer gestern abgehaltenen Konferenz die Einbringung eines Zusatzantrages zu dem Gefeßentwurf beschlossen, der eine Ablehnung der Bill in ihrer Gesamtheit vorfieht. Ein 3 usammengehen zwischen Liberalen und Konservativen ist jedoch kaum zu erwarten. Es besteht außerdem die Wahrscheinlichkeit, daß sich die Regierung zu feinerlei Zugeftändniffen gegenüber den Liberalen bereitfinden wird, die außerdem Widerstände nur gegen die geplante Einführung einer Gerade aus Gründen der Loyalität und der politischen Moral Kohlenverkaufsorganisation geltend machen. Wenn es haben wir uns beeilt, teine Untlarheit aufkommen zu lassen gelingt, die liberalen Forderungen zum Teil zu befriedigen, dürfte die und fofort mitzuteilen, wie nach unserer Meinung die Resolution Annahme des Gesetzes gesichert erscheinen, da keine der beiden vom 14. Dezember zu bewerten ist. Die Germania" weiß, daß in Oppositionsparteien im Hinblick auf die bevorstehende Londoner den vorangegangenen Verhandlungen von der Volkspartei Seeabrüstungstonferenz eine Niederlage der Regierung ständig Versuche gemacht worden sind, die Sozialdemokratie zu oder sogar eine Parlamentsauflösung für wünschenswert betrachten. dem Versprechen zu zwingen, daß sie dem Steuersenkungsplan zustimmen würde. Die Sozialdemokratie hat sich ständig gegeu Die Gründung eines englischen Wirtschaftsrates. dieses Anfinnen gewehrt und sich schließlich auch durch ihre offizielle Erklärung dagegen gewendet. Die Parteien wissen also ganz genau, wie die Sozialdemokratie überzeugungsgemäß steht. Schließlich hat man sich geholfen, indem man eine Resolution vereinbarte, die stark auslegungsfähig ist, und man muß befürchten, daß sie bald einmal so ausgelegt werden wird, als ob die Sozialdemokratie durch fie ihre Ueberzeugung preis
London, 16. Dezember. Ministerpräsident Macdonald hatte am Montag in seiner Amtswohnung in der Domningstreet eine Reihe von Führern der britischen Industrie und Wirtschaft zu Gaste geladen. Diese und die beiden vorangegangenen gleichartigen Zusammenkünfte sind dazu bestimmt, einen nationalen Wirtschaftsausschuß auf der Grundlage
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