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46.Jahrgang
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Vorwärts
Beeliner Boltsblatt
Donnerstag
19. Dezember 1929
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Liberale wollen Macdonald stürzen. Südslawien als Einheit.
Fraktionsbeschluß gegen Bergbauvorlage.
haftes Befremden hervorgerufen. Für die Richtigkeit dieser Pariser Behauptungen gibt es nicht einmal den leisesten Anhalt. Eine Snowden nahestehende Persön. lichkeit meint, daß es sich hier um einen Versuchsballon von Pertinax und seinen Freunden handle, der von dem Wunsch diktiert ist, England ein derartiges Vorgehen zu suggerieren, um ein deutsches Vorgehen gegen 3u lilassung von Sanktionen im Vorhinein zu parieren. Es fann in aller Form erklärt werden, daß Snowben nicht daran bentt, eine derartige Forderung aufzustellen. Unverkennbar ist, daß man in England die gesamte Sanktionsfrage weder von Deutschland noch von Frankreich aufgeworfen haben möchte. Die Pariser Meldungen werden in Regierungsfreifen um so mehr bedauert, als man befürchtet, daß sie Anlaß einer neuen und völlig unberechtigten AntiSnowden- Heke geben könnten.
Bei der heutigen Zusammenkunft der Iiberalen Unterhausmitglieder wurde beschlossen, morgen abend die Bergbauvorlage in zweiter Lesung abzu lehnen, falls bis dahin keine befriedigenderen Er klärungen seitens der Regierung erfolgt find als gestern.
Nur Runciman und Donald Maclean stimmten gegen diesen Beschluß.
Die Arbeiterregierung hat feinen Zweifel daran gelassen, daß sie mit der Borlage zur Reorganisierung des Bergbaues stehe und falle. Nachdem beide bürgerliche Frattionen zum ersten Male seit den Neuwahlen ihre Absicht mitgeteilt haben, zu gleicher Beit gegen die Regierung zu stimmen, müßte nach der parlamentarischen Arithmetit die Regierung Macdonald heute gestürzt werden. Es sei denn, daß sich genügend Abgeordnete bei den Liberalen und den Konservativen der Stiuime enthalten oder sogar für die Regierung stimmen, mas bei den eigenartigen Verhältnissen im englischen Parlamentarismus nicht ausgeschlossen ist.
Indessen läßt der gestrige liberale Frattionsbeschluß eine Hintertür offen: Die Partei Lloyd Georges läßt durchblicken, daß fie mit sich reden lassen, würde, falls die Regierung noch in letzter Stunde ihren Forderungen entgegen fäme. Wird Macdonald diese Brücke des Kompromiffes betreten eder es auf den offenen Abstimmungskampf ankommen lassen? Das hänge vor allem davon ab, ob er glaubt, im Falle der Niederlage im Barlament die Unterschrift des Königs unter ein Auflösungsdetret zu erhalten. Denn von Neuwahlen hätte die Labour- Regierung angesichts ihrer großen außenpolitischen Erfolge nichts zu fürchten, wie alle legten Nachmahlen beweisen. ia
Wie wir in später Nachtstunde aus London über Amfter dam erfahren, glaubt man in den Kreisen der Arbeiterpartei, daß genügend tonfervative Abgeordnete bei der Ab. stimmung fehlen werden und somit die Regierung diese gefährlichste Klippe in ihrer bisherigen Amtszeit umschiffen dürfte. ga oid
Die Sanktions- Intrige. Snowden verlangt nicht, was Pertinag ihm zuschreibt.
pabon, 18. Dezember.( Eigenbericht.) Die Pariser Meldungen, wonach Snowden angeblich beabsichtige, von Deutschland die Annahme einer Sant. tionsformel als Voraussetzung für das Inkrafttreten des Young- Plans zu verlangen, haben in London leb.
Blutige Weihnachten?
Das neueste tommunistische Ziel.
Auf Kommando der tommunistischen Drahtzieher wird allerorts der Zusammentritt der neuen Stadtverordneten versammlungen dazu benutzt, in Form sogenannter Erwerbslosendemonstrationen regelrechte fom munistische Krawalle zu inszenieren, die Rathäuser zu stürmen und die Polizei zum Einschreiten zu zwingen. Die nächtlichen Tumulte in Frankfurt stehen nicht allein. Aus den verschiedensten Orten werden die gleichen Borgänge gemeldet, so aus& üdenscheid, aus Ahlen , aus Fried
land und vielen anderen.
Eine einheitliche Parole ist deutlich erkennbar. Wer sie aber noch nicht erkannt haben sollte, der lese die ,, Rote Fahne" vom Mittwochmorgen( Nr. 259). Dort ist wörtlich zu lesen: Wollen sich die Erwerbslosen verhöhnen lassen? Wollen sie sich von ihren Bettelpfennigen nun von neuem einen ertiedlichen Bruch teil stehlen lassen? Oder müffen sie nicht handeln? Handeln in geschlossener Front mit den Arbeitern der Betriebe! Handeln unter Führung der Partei des Klassenfampfes, der proletarischen Revo
lution!
Handeln auf bolichewiffische Art!
Die Erwerbslosen von Frankfurt am Main und anderen Städten haben in machtvollen Demonstrationen der Bourgeoifie bewiesen, daß fie teine fröhliche Weihnachten" be gehen wird, wenn zu gleicher Zeit die Tausende und aber Tausende der erwerbslofen Proletarier verhungern und verreden. Die Berliner Arbeitslosen werden hinter diesem Beispiel nicht Die Berliner Arbeitslosen werden hinter diesem Beispiel nicht zurüdstehen! Gemeinsam mit den Arbeitern der Betriebe mar fdieren die Ermerbslosen am Donnerstag auf, um für Forderungen der Winterbeihilfe zu demonstrieren!
Eine affizielle Berlautbarung liegt bisher nicht vor. Paris , bestätigt".
Paris , 18. Dezember.( Eigenbericht.)
In französischen politischen und diplomatischen Kreisen be ftätigt" man im Gegensatz zu Aeußerungen aus England, daß Snomden die Forderung nach Aufnahme von Santtionsbestimmungen in die Haager Vereinbarungen gestellt habe.
Snowden habe fo heißt es hier in dem vorbereitenden Meinungsaustausch zwischen den Regierung verlangt, daß das in Brüffel arbeitende Juristenkomitee in die Bertragsterte Zwangsmaßnahmen einfüge, die im Falle einer Einstellung der deutschen Sahlungen in Kraft treten sollen. Außerdem soll Snowden in der Frage der deutschen Sachlieferungen einer. Borstoß unter nommen haben, der den Young- Blan in einem zweiten entscheidenden Bunfte nerschlechtern würde. Er soll auf der in Paris tagenden Konferenz der alliierten Sachverständigen für England das Reche gefordert haben, die deutschen Sachlieferungen durch ein besonde res Rontrollorgan überwachen zu laffen
Diese angeblichen Borstöße, Snowdens werden von dem nationalistischen Alüngel um Franklin Bouillon, Marin une Mandel, natürlich begeistert begrüßt.
Haager Konferenzbeginn 6. 3ammar. Amtlich mito gemeldet, daß die zweite Haager Ronferenz am 6. Januar beginnen wird. Am 3. Januar werden bereits die juristischen Sachverständigen der Mächte im Haag zujammentreten.
die euren Hunger verschulden! Gegen ben torrupten Magiftrat, gegen die vollgefreffenen fozialdemokratifden Direttoren und ihren Tarifraubzug! Kampfaufmarsch für die proletarischen Forderungen!
Wer die tommunistische Sprache fennt, weiß, was das bedeuten foll: die angeblichen Erwerbslosen sollen aufmarschieren, aber gleichzeitig die Arbeiter aus den Betrieben. Sie sollen bo If he mistisch handeln", also Krawall auf jede Art veranstalten. Wenn dann, wie in Frankfurt , die Polizei eingreifen muß, um Verkehr und öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, dann haben die Kommuniften in ihren Schreibstuben wieder herrliche Gelegenheit, über den Arbeitermörder Börgiebel" zu schreien und monate. lang über die vertierten Schupobanditen" ihre Kübel aus zugießen!
Bie am 1. Mai wollen die Kommunisten auch zu Beihnachten Arbeiter blut und Arbeiterleichen! Sie hegen von ihrem sicheren Port Verzweifelte und Fanatifer auf, daß fie gegen die Bertreter der republikanischen Staatsgemalt, bolfchemistisch" mit Steinen und anderen Werkzeugen vorgehen. Daß dafür auch nicht ein Brot zu laufen ist, wiffen fie. Aber daß es babei blutige Röpfe gibt, wissen fie ebenso gut, und das gerade ist ihr Ziel!
Arbeitslose und Arbeitende: Weift den verbrecherischen Gesellen die Tür, die euch statt Lebensmittel den Zusammenprall mit der Polizei vermitteln wallen!
Die dänische Landwirtschaft profeffiert. Der dänische Land wirtschaftsminister erklärte in diesen Tagen, daß er gegenüber der Haltung der deutschen Regierung in bezug auf die Bicheinfuhr im Augenblid nichts unternehmen tönne. Die dänische Regierung habe ihren Standpunkt der Gleichstellung Schwedens bei der Biebeinfuhr nach Deutschland zum niedrigsten 3ollfag durch den Ber Seraus auf die Straße! Kampfaufmarsch gegen die Saffen, liner Geschäftsträger vertreten loffent. mudaini shim
Die unverrückbare Forderung der Sozialdemokratie.
Die Demokratie und erst recht die Sozialdemokratie fennt der Diftatur gegenüber nur eine Haltung: Kampf! Aber es gibt Fälle, in denen diese Selbstverständlichkeit zu seltsamer Verschiebung der Perspektive führt. So ist etwa alles, was die Belgrader Diftatur an Willkürlichem und Grausamem tut, schärffter Bekämpfung wert, aber ein Sozialdemokrat, der sich deshalb alle Gesichtspunkte der kroatischen oder der makedonischen Emigranten zueigen machte, fäme sehr bald auf den Holzweg. Diese Fanatiker verneinen nämlich den südslawischen Staat in Bausch und Bogen als Kunstschöpfung, die drei verschiedene widerstrebende Nationen unter das Joch Belgrads beuge, und selbst Blätter der deutschen Linten stoßen in dasselbe Horn und beten das neuerliche Sprüchlein Sartotitschs nach: ,, Es gibt kein füdslawisches Bolt. Es gibt Serben, Kroaten , Slomenen, Bulgaren , vier verschiedene Böller, die alle quf ihre Geschichte und Vergangenheit stolz sind und eine Verschmelzung zum Serbentum nie annehmen werben."
Nun ist Sartotitsch zwar froatischen Ursprungs, aber in erfter Reihe war er t. unb t. General und denkt, fühlt und redet noch heute wie ein t. und t. General, der in der fünftlichen Zersplitterung des Südslamentums in Kroaten , Slawonier, Dalmatiner, Bosniaken, Krainer, Montenegriner usm. ein Unterpfand für die Macht und Herrlichkeit des Erzhauses Habsburg erbliden lernte. Doch laßt die Toten ihre Toten begraben! Wichtig für uns ist, wie sich die Sozialdemokratie im slamischen Süden stellt. Dieser Tage waren gerade zwanzig Jahre verstrichen, seit sich die Vertreter des Sozialismus aus den südslawischen Strichen der Donau monarchie wie aus Serbien zu einer Konferenz in Laibach zufammenfanden und unter der Batronanz Viktor Adlers und Karl Renners ihre Auffassung in der sogenannten Tivoli- Resolution" niederlegten.
Diese Urtunde offenbart, daß die Sozialdemokratie schon 1909 auch im politischen Sinne Serben, Kroaten , Slowenen und Bulgaren als Teile einer einheitlichen, eben der füdslawischen Nation betrachtete. Zwar verkannte die Resolution nicht, daß zwischen den einzelnen Stämmen als Folge politischer Bersplitterung, der Berührung mit fremden Nationen und unter dem Einfluß verschiedener Wirtschaftssphären eine mannigfache Differenzierung entstanden sei, aber feineswegs solcher Art und solchen Umfangs ,,, daß der Separatismus einzelner Teile und ihre Spaltung in vier Nationen berechtigt erschiene". Darum gab die Sozialdemokratie die Lofung aus: Bollkommene nationale Einigung aller Südflawen über die Unterschiede des Namens, des Glaubens, der Schrift und der Mundart hinweg; die Notmendigteit, eine einheitliche nationale Sprache und Schrift zu schaffen, wurde besonders hervorgehoben.
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Damit war die Linie gezogen, der die Sozialdemokratie im flawischen Süden vor dem Weltkrieg, während des Weltfriegs und nach dem Weltkrieg unbeirrbar folgte. Bei jeder Gelegenheit ermies sich, aller nicht geringen Schwierigkeiten ungeachtet, die Arbeiterpartei als die unerschrocene Boralle fämpferin des integralen Südflamentums Stammesfondergelüfte. Bon dieser Linie läßt sich die füdslamische Sozialdemokratie auch nicht dadurch abdrängen, daß heute eine rücksichtslose Dittatur das integrale Südflamentum mit Gewaltmitteln zu schaffen sucht und an sich fortschrittliche Neuerungen, wie die Aenderung des Staatsnamens König reich der Serben, Kroaten und Slowenen" in Jugoslavija ( Südflawien) und die administrative Gliederung des Landes in neun große, lebensfähige Provinzen durch Utas, auf die Bajonette geftügt, vornimmt. Erst dieser Tage schrieb Delapfta Politita"( Arbeiterpolitif) im steirischen Marburg : Die Ideen der Tivoli- Reſolution sind trotz allen bitteren Erfahrungen heute noch die einzig richtigen, und es gibt feine Gewalt, die die in der Tivoli- Resolution so flar aufgezeigte historische Entwicklung aufhalten hönnte." Das will sagen: Die Entwidlung zur Verschmelzung der Gerben, Kroaten , Slowenen und Bulgaren in eine südslawische Nation!
In der Tat schaut die südslawische Sozialdemokratie auf den froatischen Separatismus mit der gleichen unverhohlenen Abneigung wie die deutsche Sozialdemokratie etwa auf den bayerischen Partikularismus; das Pochen auf eine tausendjährige Eigenstaatlichkeit, die die eines ausgesproche nen Feudalstaates war, und das Sich- Klammern an historische Grenzen, die mit natürlichen Grenzen nichts zu tun haben, erscheint dem Sozialisten als verstaubteste Romantif, wenn nicht als bösartigste Reaktion. Unlängst betonte der langjährige Führer der serbischen Sozialdemokratié, Dr. Schimko Topalowitsch, in mehreren Artikeln, daß gerade in dieser Frage zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten ein Abgrund flaffe. Während die Jünger Moskaus , ouf Explosionen und Chaos erpicht, sich mit dem rückständigen Separatismus unter eine Dede steden und sogar über das Schicksal der annettierten" montenegrinischen Nation" bie lächerlichsten 3ähren vergießen, hält, alle historischen"