Nr. 59346. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Donnerstag, 19. Dezember 1929
Verschärfung der Geschäftsordnung angenommen.
Heute Gofortprogramm und Zolländerungen im Reichstag.
Der Reichstag beriet am Mittwochabend zunächst bas Ge-| sez, das die Reichsregierung ermächtigt, einen Kredit bis zu 465 Millionen Mart aufzunehmen. Abg. Dr. Neubauer( Komm.): Die Sozialdemokraten haben der Wirtschaft des Finanzministers ruhig zugesehen, jetzt mill Abg. Keil durch laute Kritif die Arbeiter irreführen. Herr Hilferding ist der Sprecher der Kapitalbildungspsychose. Es wird jezt die Theorie durchgeführt, der die SPD. auf dem Kieler Parteitag zugejubelt hat. Bereits am 14. März hat Hilferding das Finanzprogramm entwickelt, Sie( zu den Soz.) haben nicht widersprochen, Sie können heute nicht behaupten, von diesem Finanzprogramm überrascht wor den zu sein. Der Young- Plan bringt dem deutschen Volk: nicht weniger, sondern Milliarden mehr Lasten. Fort mit dieser Regierung.
Weitere Bortmeldungen erfolgen nicht. Das Gesek wird im Hammelsprung mit 239 gegen 138 Stimmen verabschiedet. Bei der ersten Abstimmung durch Erheben von den Sigen war nicht erkennbar gewesen, auf welcher Seite die Mehrheit war. Die Verlängerung des Ausfuhrverbots für national wertvolle kunstwerte soll auf zwei Jahre erfolgen, damit Beit genug ist zur Revision des Verzeichnisses. Abg. Dr. Strathmann( Dnat.): Die Jbee des Berbots ist der= fälscht durch die Bestimmung, daß die Ausfuhr auch dann gestattet wird, wenn der Gewinn des Reiches daraus den Verlust aufwiegt, sowie durch die Kannvorschrift, daß Zahlung in Auslands: valuta und Ablieferung der Baluta an die Reichsbant gefordert werden kann. Diese Bestimmungen aus der Inflationszeit bean tragen wir zu streichen.
Das Gesetz wird mit dieser Aenderung angenommen, ebenso das internationale Uebereinkommen über die Heimschaffung der Schiffsleute.
3wei vom Abg. Lipinski( S03.) beantragte Gefeßentwürfe betr. Mieten und Hypothekenrecht gehen an den Wohnungsausschuß. In der dritten Lesung der Aenderung des Diätengefeßes- Ent ziehung von Diäten und Fahrkarten bei groben Ordnungsverlegun genspricht Bizepräsident
Abg. Graef Türingen( Dnat.): Die Geschäftsordnung darf der Berfassung nicht widersprechen. Diese Strafgewalt ist ein Danaer gefchent für den Präsidenten, dessen Stellung man stärken will. Die Freifahrkarte hat der Abgeordnete nicht nur, um an den Blenarfizungen teilnehmen zu fönnen, sondern auch, um sich mit seinen Wählern zu besprechen und gegebenenfalls ehrenrührigen Vorwürfen entgegenzutreten. Dieser Teil der Abgeordnetentätigkeit wird durch Fahrkartenentziehung illusorisch gemacht. Bir beantragen Rüd Derweisung an den Ausschuß.
Abg. Torgler( Romm.): Es ist bezeichnend genug, daß der deutschnationale Bizepräsident die Regierungsparteien zur Mäßigung mahnt. Dieses Ausnahmegesetz gegen unsere Fraktion paßt trefflich zum Republitschutzgesetz, zum Finanzprogramm und zu der ganzen Knebelung der Arbeiterschaft. Man will sie hindern,
mit allen parlamentarijchen und außerparlamentarischen Mitteln ( 2lha! bei der Mehrheit) ihre Forderungen zu vertreten. Man redet von der Würde des Reichstags; liegt seine Würde darin, daß er die Filiale des Reichsverbandes der Deutschen Industrie ist, daß in der
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ersten Lesung des Bollgesetzes die Regierungsparteien ihre Stellung| nahme nicht bezeichnet haben und daß hier alles nur noch in den Wandelgängen abgemacht wird? 3war nicht bei uns, aber bei den Nationalsozialisten ist Herrn Löbe die Anbahnung gesellschaftlicher Beziehungen gelungen, vergleiche Tempo" Photographie LöbeEpp. Die Sozialdemokraten haben in Wien und in Dresden Obstruktion und Krach gemacht. Löbes Hinweis auf Rußland beant worten wir damit, daß Rußland nicht behauptet, Demokratie und Parlamentarismus zu hüten, wie Sie das tun. Wir werden uns durch keine Maßnahme von Demonstrationen abhalten lassen, die uns notwendig erscheinen,( Beifall bei den Romm.) ma
Abg. Heilmann( Soz.):
Die Geschäftsordnungsreform ist im Ausschuß ausgiebig beraten worden. Rückverweisung würde fein anderes Ergebnis haben, mir lehnen den Antrag Graef deswegen ab. Herr Graef hat gemeint, durch diese Aenderung werde dem Präsidenten der sichere Rechts boden weggezogen, und das Präsidium werde politisiert, denn je nach der Parteistellung des betroffenen Abgeordneten und des gerade amtierenden Präsidenten würden Vorwürfe politischer Amtsführung laut werden. Das ist möglich, strittig ist nur, inwieweit solche Bor würfe berechtigt wären. Herr Graef hat wohl übersehen, daß er mit seiner Bemerkung die deutsche Richterschaft einfach in die Luft sprengt. Es fönnte ja geschehen, daß auch be hauptet würde, der Richter urteile nach seiner oder nach der Parteistellung des Angeklagten.( Lärm rechts.) Wir billigen den Bräsi denten der deutschen Boltsvertretung mindestens dieselbe Objektivi tät zu, wie den deutschen Richtern. Gie( nach rechts) beleidigen den Präsidenten, wenn Sie diesen Saz bestreiten.( Sehr gut! links.) Herr Torgler fand es bezeichnend, daß selbst Abg. Graef gegen die Berschärfung ist. Wahrscheinlich ist Herr Torgler überzeugt, das geschehe, weil die Arbeiterschaft gefnebelt werden soll, und wahrscheinlich nimmt er Herrn Graef dafür in Anspruch, daß er mittämpfen will gegen die Knebelung der Arbeiterschaft.
( Sehr gut! links.) Herr Torgler hat mit aller Klarheit gesagt, daß die Kommunisten für sich das Recht in Anspruch nehmen, in diesem Hause mit allen parlamentarischen und außer parlamentarischen Mitteln für ihre Anschauung zu fämpfen.( 3uftimmung der Komm.) Das Haus hat das Recht, sich gegen solche außerparlamentarischen Mittel zur Behr zu sehen, um das Parlament dagegen zu schützen. Bir tun das gerade deshalb, meil wir in einer Demokratie find. ( Lachen der Komm.) Ich könnte mir vorstellen, daß man in Staaten, in denen das Parlament jomieso nichts bedeutet, die Abgeordneten Lärm und Radau machen läßt, soviel sie wollen. Uns aber liegt an ungestörtem Funktionieren des Reichstages, darum haben wir die Pflicht, den Reichstag zu schüßen in feiner Freiheit und in feiner Würde.
( Lachen und Geschrei der Komm.) Herr Torgler rühmt sich sehr, daß die tommunistische Fraktion der Einladungen des Präsidenten nicht gefolgt ist. Warum haben die Vertreter des russischen Somjete staates den Einladungen des Präsidenten gern und häufig entsprochen?( Sört, hört!) Wenn Sie( zu den Komm.) diese geselle schaftlichen Beziehungen so mißachten, warum ladet der russische Bots
schafter sogar die verruchten Sozialfaschisten zu fich zu Gaste?( Sehr gut! bei der Mehrheit, andauerndes Geschrei der Komm.) Herr Torgler hat Borgänge im Sächsischen Landtag herangezogen. Dort waren nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch der Präsident des Landtages der Meinung, daß ein Bruch der Geschäfts. ordnung versucht werde, und dagegen sich zu wehren, ist natürlich das gute Recht jedes Abgeordneten. Ich kann mir vorstellen, daß durch irgendwelche Vorgänge ein Abgeordneter oder eine ganze Frattion so in Erregung gerät, daß sie allen parlamentarischen Anstand über Bord werfen. Für diese ehrliche Entrüstung wird man Berständnis haben.
Gar fein Verständnis dagegen haben wir für Theaterdonner. ( Sehr gut! bei der Mehrheit.) Wir haben fein Berständnis, mem erflärt wird: Jezt sind wir still, es ist ja niemand mehr auf den Tribünen."( Präsident Löbe ersucht den Abg. Torgler, doch endlich ruhig zu sein, zumal er selbst auch nicht unterbrochen worden ist.) Herr Torgler zitiert den ,, Borwärts" aus dem Jahre 1912 und das demokratische Prinzip, um zu beweisen, daß durch die Ausschließung eines Abgeordneten seine Wähler ihrer Bertretung beraubt werden. Nun, wir haben
heute das Berhältniswahlrecht, und wenn der ausgeschloffene Abgeordnete Wert darauf legt, daß feine Wähler im Parlament nicht unvertreten feien, so hat er das einfache Mittel, sein Mandat niederzulegen.
( Sehr richtig! bei der Mehrheit.) Dann rüdt der Nächste auf der Liste nach, und die Wähler haben ihre Vertretung.
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Die Entziehung der Eisenbahnkarte soll dem Abgeordneten an geblich die Möglichkeit des freien Verkehrs mit seinen Wählern nehmen. Der Abgeordnete Goebbels hat in seinem„ Angriff" vom 28. Mai erklärt, ihm fomme es im Parlament überhaupt nur auf Diäten und Freifahrt an.( Hört, hört!) Als im Preußischen Lande tag die Geschäftsordnung verschärft wurde, erklärte jemand: Schmeißen Sie mich ruhig raus, ich reise dann im Lande herum und verdiene das Doppelte!"( Hört, hört!) Das war der Grund, die Entziehung der Freifahrkarte zu ermöglichen. Diese Ordnungsmaßnahmen haben sich in Preußen seit vier Jahren glänzend bewährt; es hat sich seitdem die Notwendigkeit, so zu toben, bei den Herrn Kommunisten seltener herausgestellt. Wir erhoffen dies auch von der Neuordnung im Reichstag. ( Beifall der Mehrheit, andauernder Lärm der Kommunisten.)
Abg. Dr. Bell( 3.): Bir wollen feineswegs die Opposition mundtot machen, wir tönnen aber Schimpffreiheit im Parlament richt zulaffen. Die Einwände des Abg. Graef treffen nicht den Kern der Sache. Wenn die Objektivität des Präsidenten nicht vorausgesetzt wird, dann dürfte man ihm auch die Befugnisse nicht lassen, die er jetzt schon hat. Eine Zurückverweisung an den Ausschuß wäre medios.
Abg. Dr. Frid( Natsoz): Wenn man Demokratie mit Korrup Frid( Matfoz): Be tion gleichfeßt, dann ist Abg. Heilmann der berufene Hüter der Demokratie.( Ordmungsruf.) Wir lehnen jeden Verkehr mit den Bertretern dieses parlamentarischen Systems ab. Wenn unser Mitglied General von Epp Teilnehmer einer gesellschaftlichen Veranstaltung des Präsidenten Löbe war, so geschah das mit unserem
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