Einzelbild herunterladen
 
  

Nr. 59546. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Freitag, 20. Desember 1929.

Arbeitsbeginn im Stadtparlament

Vorstand ohne Kommunisten. - Debatte über Notstandshilfe.

=

-

-

nalsozialist Engel protestierte gegen die Verschleppung der Anträge. Schuld an der Erwerbslosigkeit seien die Leute in der Wilhelme straße, die Novemberleute. Die weiteren Ausführungen war die bekannte Walze, diesmal von den Nationalsozialisten gespielt. Interessant war allerdings, daß Engel allen Parteien, von den Kommunisten bis zu den Deutschnationalen das Berständnis für die Erwerbslosen absprach. Bürgermeister Scholk erfannte die Not der Erwerbslosen an, ließ aber feine Hoffnung Die erste Arbeitssigung der neuen Stadtver- 1 dann also die langweilige Zettelwahl vorgenommen werden, die erst auf andere Hilfe als durch die allgemeine Wohlfahrt. Das Recht ordnetenversammlung hatte mit Erschwerungen zu gegen 20 Uhr beendet war. der Stadtverordneten, Ausgaben zu bewillign, schließt die Pflicht fämpfen, die von den Kommunisten ausgingen und auf Sabotage Gewählt wurde als erster Vorsteher Genosse Haß, ein, für Deckung zu sorgen. Es wäre dem Magiftrat lieber gewesen. abzielten. Störungen von draußen waren durch Sicherungsmaß­wenn erst die Finanzlage der Stadt erörtert worden wäre und erst nahmen abgehalten worden, aber die kommunistische Stadtverord- der, mit Beifall empfangen, für die Wahl dankte und versprach, dann die Ausgaben für die Erwerbslosenanträge. Ausführungen netenfraktion sorgte dafür, daß die Vorstandswahl unter nicht gewählt haben.( Gebrüll bei den Kommunisten.) Genosse Haß Scholk zu der Erklärung, daß Geld nicht da wäre, um auch nur durch strenge Sachlichkeit auch diejenigen zu überzeugen, die ihn des Stadtverordneten Schmidt( 3.) veranlaßten den Bürgermeister großem Zeitaufwand durch Zettel vollzogen werden mußte ist das siebente Mal zum Vorsteher gewählt. Für Haß, die Mittel für die Ausschußbeschlüsse bestreiten zu können. Der und dann erst um 19 Uhr an die Beratung der Notstandsanträge ebenso wie für die Vorsteherstellvertreter Granaß( Dnatl.), Oberpräsident hätte dem Magistrat eröffnet, daß die durch die An herangegangen werden konnte. Im Vorstand verlangten die Kom Caspari( D.Vp.) und Dr. Meyer( Dem.) stimmten die leihe aufkommenden Gelder nur zum Schuldendienst und zur Aus­munisten feinen einzigen Sig, weil sie gegen den parla- Sozialdemokraten, die Volkspartei, die Deutschnationalen, die Wirtzahlung der Löhne und Gehälter pro Januar verwandt werden mentarischen Grundsay den Posten des Vorstehers nicht der sozial- schaftspartei, das Zentrum und die Demokraten. Diese Fraktionen dürfen. Wenn die Stadtverordneten Ausgaben beschlössen, müßten demokratischen Fraktion als der stärksten überlassen wollten brachten von 152 Mitgliedern 149 Stimmen für den Vorsteher auf. fie auch für Deckung sorgen. Genosse Krause fennzeichnete das und daher bei den Wahlen der Vorsteherstellvertreter von feiner Die Beisiger wurden in Liſtenwahl gewählt. Die radikalen passive Verhalten der Kommunistn im Erwrbslosenausschuß. Als Fraktion unterstützt wurden. Zum Vorsteher wurde unser Ge- Flügel der Versammlung, Kommunisten und Nationalsozialisten, sie dort vom Bürgermeister auf die 414 Millionen Mark Kosten nominierten für alle Posten eigene Kandidaten und fielen hingewiesen wurden, verstummten sie; hier aber im Plenum er­nosse Haß( gegen die Stimmen der Kommunisten und der National­neuerten sie ihre Forderungen, weil sie sich bereits in Konkurrenz fozialisten) mit großer Mehrheit wiedergewählt. Bei der Beratung mit den Nazis befinden.( Lebhaftes Sehr richtig! bei den Soz.) der Notstandshilfe für Unterstützungsempfänger Nach den Anträgen der Kommunisten hätte ein Erwerbsloser für und Erwerbslose( Anträge der Sozialdemokraten, der Kom­fich, seine Frau und zwei Kinder 260 Mark monatlich zu bekommen, munisten und der Nationalsozialisten) gab es sehr stürmische Auftritte. wozu noch freie Kohlen, frei Kleidung, freie Lieferung für Gas, Die Kommunist en lärmten andauernd gegen die Redner der Wasser, Elektrizität, Kartoffeln fämen.( hört, hört! im Hause.) anderen Fraktionen, besonders gegen unseren Genossen Krause, Genosse Krause polemisierte unier großer Unruhe des Hauses gegen der ihre angebliche Erwerbslosenfreundlichkeit gebührend kennzeich rechts und links. nete. Bürgermeister Scholz griff in die Debatte ein mit der Er­klärung, daß der Stadtsäckel leer ist. Angenommen wurde nach dem Vorschlag des Ausschusses der sozialdemokratische Antrag auf Gewährung einer Winterbeihilfe.

*

er=

Der Aeltestenvorsteher, Genosse Tempel Lichtenberg, öffnete mit 1stündiger Verspätung nach 18 Uhr die Sigung mit einem Dank an die nicht wieder ins Stadtperlament zurückgekehrten Stadtverordneten. Einen Nachruf widmete er dem in der vorigen Woche verstorbenen Stadtverordneten Schalldach von der Deut: schen Volkspartei. Dabei wußten die Kommunisten zunächst nicht, wie sie sich verhalten sollten: die anderen Stadtverordneten hörten, wie das Anstandsgebot ist, den Nachruf stehend an, ein Teil der Kommunisten erhob sich ebenfalls, der andere Teil blieb sigen. Nachdem Genosse Tempel die Nichteinberufung der von einigen Fraktionen geforderten außerordentlichen Sizung gerecht fertigt hatte, kam man zur

Wahl des Vorstehers.

Herr Pied von den Kommunisten hielt zunächst erst noch eine Protestrede gegen die Anwesenheit von Schupobeamten im Rathause so oder ähnlich war auf der Prefsetribüne zu verstehen dann schlug Genosse Flatau den bisherigen Vorsteher Genossen Haß vor und betonte dabei, daß dessen objektive Geschäftsführung von allen Seiten anerkannt werde( Gebrüll bei den Kommunisten). Flatau machte weiter den Vorschlag, den Vorstand nach der Stärke der Fraktionen zu besezen; die sozialdemokratische Fraktion werde die Fraktionen unterstützen, die dieses demokratische Prinzip zu achten gewillt sind und es bei der Wahl des ersten Borstehers an menden.( Burufe bei den Kommunisten.) Für den Fall, daß bei der Bersammlung die Absicht bestehen sollte, möglichst schnell arbeits­fähig zu werden, schlug Flatau Wahl durch Zuruf vor. Selbstverständlich widersprachen diesem durch die Geschäftslage gerechtfertigten Vorschlag die Kommunisten. Aus politischen Gründen", sagte Herr Cafper, feines Zeichens fommunistischer Landtagsabgeordneter. Dieser Herr schmetterte dann auch einen Leitartikel der Roten Fahne", den er als Erklärung bezeichnete, in den Saal. Den Kommunisten, die sich als die treuesten Freunde der Erwerbslosen aufspielen, waren mit einemmal die Er­werbslosenanträge völlig gleichgültig, es war ihnen gleichgültig, wann und ob den Erwerbslosen geholfen werden kann. So mußte

26]

-

Damais

Roman von

Twan Heilbut

durch.

-

Um 20 Uhr zog sich der neu zusammengesetzte eltesten ausschuß zur Beratung der Geschäftslage zurück. Nach 21 Uhr eröffnete der Vorsteher wieder die Sizung. An den Haushaltsausschuß verwiesen wurden Anträge der Kommu­nisten megen angeblicher Arbeiterentlassungen bei der Verkehrs­aktiengesellschaft: Widerspruch fand ein Dringlichkeitsantrag der Nationalsozialisten, der einen Protest gegen die Anleiheverhandlum gen der Stadt und gegen die Tariferhöhungen enthält und den so­fortigen Rücktritt der Stadträte verlangt!!! Einen Protest der Kommunisten gegen die Nichteinberufung der verlangten außer­ordentlichen Sigung am Dienstag nahm die Bersammlung zur Kenntnis sonst nichts. Dann endlich kam die Versammlung zur praktischen Arbeit. Verhandelt wurden die Anträge der Sozialdemokraten auf Gewährung von Winter­beihilfen

für alle Unterstützungsempfänger einschließlich der Erwerbslosen. Die Kommunisten hatten in einem Antrag noch unmittelbar vor den Wahlen sehr weitgehende Unterstützungsaufbesserungen für Hilfs bedürftige beantragt. Nach den Mitteilungen des Ausschußbericht erstatters Genossen Urich würden die berechenbaren Kosten für den tommunistischen Antrag 414 Millionen Mart betragen, die intkalkulierbaren Kosten hätten diese 414 Millionen Mark noch ganz erheblich erhöht.( Der Gesamtetat der Stadt beträgt rund ein­tausend Millionen Mark!)

Urich fonnte ferner feffstellen, daß im Ausschuß kein Kommu­niff das Wort zu dem kommunistischen Antrag genommen hätte! ( Lebhaftes hört! hört! bei den Sozialdemokraten und im Hause.) Der Ausschuß hat schließlich einstimmig folgenden Ersayantrag angenommen:

Die Stadtverordnetenversammlung ersucht den Magiftrat, Mittel bereitzustellen für die Gewährung von Winter­beihilfen in Höhe der vorjährigen für alle Unter­ftühungsempfänger einschließlich Erwerbslose.

Genosse Ulrich empfahl diesen Beschluß auch dem Plenum zur einstimmigen Annahme. Obwohl Urich als Berichterstatter nur die Vorgänge in der Ausschußberatung objektiv mitteilte, wurde er forte geleht von den Kommunisten als Lügner beschimpft. Eine heftige Rede zu dem Beschluß hielt dann der Stadtverordnete Wisnewsti( Komm.). Dabei ziehen ihn die Nationalsozialisten der Lüge, was Herrn Lange veranlaßte, hinüber zu rufen: Halts Maul da drüben!" Wisnewsti brachte einen Abänderungsantrag ein, der fefte Summen zur Unterstützung einsetzt. Die Deutschnationalen schickten den Stadtverordneten Krüger vor. Er bezeichnete die An­träge der Kommunisten als Demonstrationsanträge und fragte, mo denn das Geld dazu herkäme?( Lärm bei den kommunisten, Stadt­verordneter Lange: Wo kriegt Hitler fein Geld her?)

Verbunden mit der Beratung waren auch die neuen Erwerbs­lojenanträge der Nationalsozialisten und der Kommunisten. Der Natio­

,, Nun?" fragt er seine Mutter.

,, Ja, der Findling", sagt Hans ,,, man weiß nicht einmal man fann ja nicht wissen, wer seine Mutter ist. Nämlich ich denke so, es kann sein, daß das Blut in ihm gut ist und der Junge wird gut, und darum es tam mir nur so in den Sinn warum ist das Kind bei den Meltersleuten? Auf Hohenau wäre das Kind besser besorgt, und für dich- nun, für dich wäre das so eine Art eine Art von Entel nein, das nicht, ha ha aber ein Kind immerhin. Na, das dachte ich jo."

-

-

Die Gräfin steht neben ihm; sie sieht zu, wie er malt. Ja, das Kind tommt nach Hohenau ", sagt sie dann, Und sie geht in der Richtung zu den Hütten davon.

,, Weißt du", sagt Hans. Mehr sagt er nicht. E fieht das Schloß an, dann malt er. Aber seine Mutter steht ,, banke, Hans, ja, ich danke dir, Junge." wartend daneben.

,, Nun?" fragt sie ihn.

,, Mir fiel nur etwas ein", sagt hans, und rührt mit dem. Pinsel auf der Palette. Gestern war ich bei den Melkers­Ieuten Pennst du die Melkersleute? Natürlich!- Ich hatte Durst und ging zu ihnen hinein. Da lag in so einer Art von Kiste ein Kind

-

,, Ja, das ist der Findling", fährt die Gräfin fort, denn Hans, weil er eine Farbe ins Bild sett, schweigt.

" Ja", sagt er dann ,,, so nannten sie ihn. Ich mußte noch gar nichts von diesem Findling. Und die Melkersleute saßen so da, und es sah aus, als fümmerten sie sich nicht viel um das Kind. Und in einer Kiste hatten sie ihn verpadt. Ich ließ ihn mir zeigen. Es ist ein schönes Kind, ein fleiner fester, gesunder Körper, die Stirn war so flar, die Augen tiefblau. Nun ja, dieser Findling" Er malt und schweigt. Ja, das ist der Findling", sagt die Gräfin und sieht ihm zu. mitunter seh ich auch bei den Meltersleuten hinein, wir bezahlen ihnen die Pflege an dem Kind."

"

Ja, ja", sagt Hans ,,, und dann kam ich nach Hause und da waren die Stuben von Klagen voll, denn Irene wollte fort." ,, Soll man denn da nicht" sagt die Gräfin und schweigt. hätte sie nicht das Kind mitgenommen, dann wäre es wohl nicht so schlimm gewesen." Nein, dann wäre es nicht... Es war ja nur um das Kind. Ich hatte mich doch an das Kind gewöhnt. Jeden Morgen fam es mit den wilden nadten Füßchen über den Flur und schlug mit der fleinen flachen Hand gegen meine Tür. Und dann machte ich auf. Und dann sah es mir zu, ſtand ganz still auf meinem Bett und sah mir nur zu, wie ich mich fämmte, als wollt es das lernen."

-

Ja, ja", sagt Hans ,,, und da dacht ich bei mir aber es war nur so ein Bliz von Gedante den Bogel da mal ich nun mit", unterbricht er sich selber und malt.

-

9.

-

Aber dann geschah die Ueberraschung. Irene tam mit dem Kinde zurüd. Wenige Tage nach ihrer Abreise war sie wieder da. Ob sie Albert in Berlin nicht angetroffen hätte? Ja, ja Ja, ja... Was denn wäre...? Nein, nichts. Sie war noch immer innerlich bewegt, ihre Gesten waren von seltsamer Rast. Sie ging in ihr Zimmer hinauf und schloß sich dort sogar ein. Sie schloß sich ein, weil ihr Vater einmal heraufgekommen war, um zu sehen, was sie denn täte? Sie schrieb. Sie hatte etwas zu schreiben. Sie tam nicht zum Mittagejen herunter, also schrieb sie noch immer.. Ja, Irene schrieb.

Was war doch der wahre Grund, daß Irene nach Berlin hatte reisen müssen? Eine Notiz in der Zeitung, die mit der Bost von Berlin nach Hohenau kam, eine tnappe Bemerkung, welche bejagte, Albert de Caftro würde in einer öffentlichen Versammlung der kommenden Woche der Hauptredner sein. Da hatte es fie vom Herzen her getrieben, ein Strom, der sie zu ihm hinzog und nun geschah aus tiefer Notwendig­feit ihres eigenen Fühlens endlich, was er so lange ver­gebens von ihr erwartet hatte: Sie war ergriffen von seiner Arbeit und Hoffnung, von seinem Willen und Leben. Aber es war wohl mehr als das. Die Versammlung fand in einem repräsentativen Gebäude statt und mußte es nicht Ruhm und Stolz für sie sein, ihn als Führer von den Herzen der jungen Beit getragen zu sehen! Und darüber hinaus war es noch mehr, das sie in ihrem Innern bewegte, und die kleine Notiz in der Zeitung war nur ein Anstoß, ein letzter Anstoß gewesen

Ja, sehr vieles hatte sie im Innern bewegt, als sie von Hohenau abgereist war. Und die Versammlung, der sie bei wohnte, noch bevor sie nach ihrer Ankunft in Berlin mit Albert gesprochen hatte, steigerte ihr Gefühl so mächtig, daß sie, in der Masse des Volkes. die das Haus überfüllte, mit den!

Wir Sozialdemokraten, schloß Kranje, werden so wie bisher immer die Erwerbslosen zwar nicht mit dem Munde, wohl aber in der Taf unterstützen.( Ungeheurer Lärm bei den Kommu nisten und Nationalsozialisten.)

Nach einem Schlußwort des Berichterstatters wurde der Antrag der Nationalsozialisten gegen die Stimmen der Antragsteller ab­gelehnt. Für den Anfrag der Kommunisten ffimmten nur die kom­munisten und die Nazis. Mit großer Mehrheit wurde dann der Ausschußantrag angenommen; die National­sozialisten vergaßen in der Eile des Gefechts, die Hände hochzu­heben. Um 23 Uhr schloß der Vorsteher die Sihung.

*

Am heutigen Freitag werden die Stadtverordneten eine außer ordentliche Sihung um 16% Uhr abhalten.

Ende des Neuköllner Betrugsprozesses. Gefängnisffrafen gegen Boigs und Groger.

Am Donnerstag nachmittag verkündete der Vorsitzende des Erweiterten Schöffengerichts Neukölln ,, Landgerichts­direktor Dr. Braung in dem Prozeß gegen, die Leiter der Neuköllner Großhandelsgesellschaft Boigs, Groger und Heinrich folgendes Urteil:

Der Angeffagte Boigs ist der: Untreue in drei Fällen schuldig und wird zu einer Gefängnisstrafe von 7 Monaten und zu einer Geldstrafe van 3-000 M verurteilt. Die Angeklagten Groger, und Heinrich sind des gemeinschaftlichen Be truges schuldig, und zwar wird Groger zu drei Monaten Gefängnis und Heinrich zu 600 m. Geldstrafe verurteilt. Im Falle der Nichteintreibung der Geldstrafen treten bei Boigs 100 Tage und bei Groger. 20 Tage Gefängnis"

In der Urteilsbegründung führte der Vorsitzende aus, daß sich das Gericht bei der Strafzumeffung von dem Gesichtspunkt habe leiten lassen, daß Miß stände, wo sie vorhanden seien, mit eisernem Besen ausgefehrt werden müßten. Besonders verwerflich sei das Verhalten des Angeklagten Boigs gewesen, der

-

jauchzenden Stimmen der Jugend zusammen zu Albert hin=. aufrief. Er war umdrängt von Augen, glühend von Bera trauen und Freude, vom Rednerpult wallte ein Fahnentuch, und diese Fahne war wie sein Priesterkleid. Konnte er Irene, die zu ihm hinauffah, erkennen? Das fonnte er nicht. Er stand den Hunderten wie einem gegenüber, seine Züge blieben ruhig und klar, beinah kühl, die Augen sahen fest in die Weite des Raumes, wie in die Zukunft hinein. Und als er sprach, war seine Waffe gegen den Feind, der von den Tribünen mitunter höhnisch zu lachen begann das durch geistete leidenschaftslose Wort. War es nicht auch seine Waffe gegen Irene gewesen? Ihre Augen waren voll Tränen. Wie Kinder die Person des Schiffssteuermanns romantisch ver flären, so hatte sie Albert mit Ruhm ummoben, in Hohenau , als sie seinen Namen angekündigt las, und während der Reise. Aber als was stand Albert nun über dem Meer des Boltes? In der Einfachheit, die feiner Verklärung bedurfte, mar er ihr größer als Ritter und Helden, als Könige mit Purpur und Schwert. Ihre Welt frachte lautlos in sich 34­sammen. Ihr war, als hätte sie all ihr Leben nur Märchen gelesen und in Märchen gedacht. Sie schämte sich wie ein er­wachsener Junge, der merkt, daß er mit einer Puppe spielt. Um sie her war das Leben, es zog in sie ein. Das Leben das war Albert, ihr Mann.

-

-

-

Sie hatte dann vor dem Gebäude auf Albert gewartet. Als sie sich mitten im Menschenstrom befand, der sich nun durch die Pforten ins Freie ergoß, fühlte sie in sich ein er­regendes Glück, wie jemand, der sich zum erstenmal in einer Vereinigung mit Menschen gleichgerichteten und ausdruds­fähigen Willens befindet; dazwischen fam Bangigkeit in ihr auf, als müßte der Wert, der solchem hohen Gefühl Berechti­gung gäbe, ihr erst noch verliehen werden, durch ihn. Als sich die Menge schon längst verlaufen hatte, fam Albert. Sie erkannte ihn in einer fleinen Gruppe, die lang­jam, unter Gesprächen das Gebäude verließ. Mit unsicheren Schritten ging fie näher hin er begrüßte sie; er schien nicht einmal erstaunt. Dann machte er sie mit seinen Begleitern befannt. Während der ganzen Zeit fühlte Irene den dunklen Blid einer Frau neben Albert. Diese Frau war auch die einzige von allen, die sich nicht an der Pforte des Gartens, der zwischen dem dunklen Gebäude und der Straße lag, von dem Führer verabschiedete. Nein, sie blieb neben Albert. Das Automobil stand bereit, der Chauffeur grüßte; mit einem kurzen Blick sah er Irene und dann Alberts Be­gleiterin an.

Albert.

,, Ich werde dich zuvor nach Hause begleiten", sagte ( Fortsetzung folgt.)