Morgenausgabe mir juo p
Nr. 597
A 300
46.Jahrgang
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Sonnabend
21. Dezember 1929
Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.
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Bürgermeister Scholtz mit der Ueberwachung beauftragt.
In einer außerordentlichen Sigung der Berliner Stadt-| gehende Ueberschüsse zur Fertigstellung solcher verordnetenversammlung verlas Bürgermeister Scholz ein Schreiben des Oberpräsidenten von Branden burg und Berlin , in dem der Oberpräsident der Stadt Berlin bezüglich ihrer Finanzwirtschaft bestimmte Auflagen macht.
Das Schreiben des Oberpräsidenten enthält folgende An ordnungen : ,, Neue Aufgaben dürfen bis zur Regulierung der kurzfristigen Verschuldung nicht übernommen
werden, auch dürfen Ausgaben nicht geleistet werden, die sich auf solche Aufgaben beziehen.
Für den Monat Dezember 1929 find die dort er mittelten Ausgaben für den Bedarf nach Maßgabe vor liegender Aufstellung unbedingt innezuhalten Ueberschüsse aus den Tariferhöhungen und etwaigen Steuererhöhungen sind zunächst vom Januar 1930 ab in einem besonderen Tilgungsfonds bei der preußischen Staatsbank im Betrage von mindestens fünf Millionen Mart ein zuzahlen. Darüber hinausgehende Ueberschüsse sind eben. falls zur Schulbentilgung zu verwenden, es sei denn, daß ich auf besonderen Antrag eine Ausnahme gestatte. Ich will mich aber damit einverstanden er ttären, daß über den Betrag von fünf Millionen hinaus.
Bolltariffrife.
Der Ronflitt um den Futtergerffenzoll.
Bauten verwendet werden, bei denen die Fertigstellung unbedingt zur Erhaltung notwendig ist, in der Erwartung, daß die Fertigstellung nach den Grundjäsen äußerster Sparsamkeit erfolgt.
Die auf Grund vorstehender Anordnung notwendige Entscheidung darüber, welche Mittel zu letterem Zwecke freizugeben sind, sowie die zur Durchführung vorstehender Anordnung erforderliche Ueberwachung des Finanzgebarens der Stadt Berlin , und zwar sowohl der Zentralverwaltungen, wie der Bezirksverwaltungen, übertrage ich in Vertretung des Oberbürgermeisters Ihnen, Herr Bürgermeister Scholz, und mache Ihnen diese zur besonderen Pflicht. Ueber die Durch führung der notwendigen Kontrolle erbitte ich fort laufend Bericht unter Darlegung des Haushaltes und der Kassenlage.
Den ersten Bericht erwarte ich am 2. Januar 1930." Abschließend stellt der Oberpräsident eine Berfügung hinsichtlich des Ueberbrüdungstredites in Aussicht und erflärt, daß er sich meitere Anordnungen wegen Abbürdung der furzfriſtigen, insbesondere der nichtgenehmigten Schulden, ausdrücklich vorbehalte.
Die Anlage enthält einen Ausgabenvoranschlag für Dezember auf Grund der städtischen Finanzverwaltung.
Das fonfiszierliche Paradies wiederhergestellt.
Der Nationalrat hat die Preßgefeßzvorlage in drifter Lesung angenommen.
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1922 wurde das Preßgesez der Republik Desterreich geschaffen. Bundeskanzler war Schober, wie heute. Damals begrüßte er feierlich das wahrhaft freiheitliche und dabei sehr genau gefaßte und zweckmäßige Gesez ein Werf unseres Genossen Friedrich Austerlig, Chefredakteur der ,, Arbeiter- Zeitung ". Heute hat wieder eine Regierung Schober die Verschandelung dieses Gesetzes zu verant morten.
Die Novelle schließt unter dem Vorwande, Notwen diges zu vollziehen, Anschläge auf die Breßfreiheit ein. Es ist notwendig, der Verwilderung einer gewiffen Wiener Presse in Sachen der Beleidigungen zu begegnen, selbst dann, wenn dadurch die Schrankenlosigkeit in der Freiheit der Meinungsäußerung beeinträchtigt wird. Aber man macht gegenüber dem verantwortlichen Redakteur eine Ausnahme zum schlechten von allgemein gültigen Rechtsgrundsägen; wenn bei ihm strafbare Handlungen zusammentreffen, gilt nicht das allgemeine Recht, daß die im Gesetz bestimmte höchste Strafe nie überschritten werden darf", sondern daß die Summe der Geldstrafen die höchste im Gesez angedrohte Strafe übersteigen darf". Die Höchststrafe wird auf 2500 Schilling erhöht. Dabei wird durch Berweisung aller Ehrenbeleidi gungen vor das Bezirksgericht das Klagen ungemein erleich tert. Geistiger Vater der Novelle ist der christlich- soziale Dr. Rienböd; gerade ihm ist die Arbeiterpreffe durch Aufbeckung von allerhand dunklen Affären verhaßt und darum ist das ganze Gesetz von Gebäffigkeit erfüllt. Ene Strafbestimmung gegen Kreditschädigung wird den Banten zuliebe, die foviel zu verbergen haben, erlassen. Den Kleritalen zuliebe wird ein Schmutz- und Schundparagraph eingeführt, um ihn gegen Kunst und Wissenschaft gebrauchen zu können.d
Die Aufhebung der Zuständigkeit der Ge schmorenen für strafbare Handlungen, die durch Druc Hannover, 20. Dezember.( Eigenbericht.) begangen werden, ist im Ausschuß hineingeschmuggelt worden, Bei der Beratung der Zolltarifnovelle tam es gestern im obwohl fie, außer in die Verfassung, höchstens in eine StrafIn der Bürgervorsteherfigung fam es heute zu AuseinanderReichstag zu einem Zwischenfall, durch den das Zustandeken feizungen. Die sozialdemokratische Frattion gab eine längere Er- prozekordnung gehört, aber gewiß nicht in das Brezaeich! men des ganzen Gefeßgebungswertes aufs schwerste gefähr: tlärung ab gegen die Ausführung des Oberbürgermeister tationspraris. Der Staatsanwalt, in fleinen Städten Weltbekannt war die altösterreichische Konfis det murde. Ein von der Bayerischen Bolkspartei und den Dr. Menge und forderte in einem Dringlichkeitsantrag deffen der Bezirkshauptmann, fonnten jede Beitung beschlagnahmen. Bauerngruppen handschriftlich eingebrachter Antrag, den Zoll Rücktritt. Die bürgerlichen Parteien tooten und schrien Verge Das Gericht bestätigte so gut wie ausnahmslos die Konfisauf Futtergerste über die Regierungsvorlage hinaus auf waltigung und verließen einschließlich der Nationalsozialisten ge- tation; in den seltenen Fällen, daß sie auf Einspruch der 5 M. zu erhöhen, fand überraschenderweise Annahme, da im schlossen den Saal. Darauf wurde das Mißtrauensvotum Redaktion aufgehoben wurde. mußte der Staat der Zeitung Hammelsprung Volksparteiler und 3entrumsabgeordnete gegen den Oberbürgermeister einstimmig angenommen. den Schaden erseken. In politisch erregten Zeiten nahm das für ihn stimmten. Das Gefeß ist jetzt für die Sozialdemo Bei der nachfolgenden Beratung eines fozialdemokratischen An Konfiszieren so überhand, daß die Notwehr auftam, die bePratie mit einer Bestimmung belastet, durch die es für sie trages auf Bewilligung von 500 000 M. für Weihnachtsschlagnahmien Artikel im Barlament als Interpellation einbeihilfen an Wohlfahrtsempfänger und Arbeitslose tam es unannehmbar wird. Ein Zerfall der Regierungspar wiederholt zu lebhaften, Auseinandersetzungen, weil die Kommunisten Aubringen, nur zu dem Zweck, sie dann als Bestandteil der
teien bei der Schlußabstimmung über den Zolltarif könnte aber ganz abgesehen von der Frage, was dann mit der Bollpolitik würde nicht ohne allgemein politische Konsequenzen bleiben.
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sich der Geschäftsordnung nicht fügen wollten. Nach eingehender Debatte wurde aber der sozialdemokratische Antrag an genommen. Auch die Kommunisten und Nationalsozialisten stimmten dafür.
Gestern gelang es, die Krise zu verhüten, da über den Borher war die Wahl der unbefoldeten Magistratsmitglieder er nur handschriftlich eingebrachten Antrag heute in der Schluß- folgt. Sämtliche bürgerlichen Parteien von den Demokraten bis zu abstimmung noch einmal abgestimmt werden soll. Berhand- den Deutschnationalen hatten sich zu einer Fraktionsgemeinschaft zu lungen der Fraktionsführer wurden gestern abend begonnen fammengeschlossen, um der Sozialdemokratic den achten Siz streitig lungen der Fraktionsführer wurden gestern abend begonnen zu machen. Bei der Wahl wurden für den sozialdemokratischen Wahlund dann auf heute vormittag vertagt. Eine Fraktionsvorschlag 38 Stimmen, für den bürgerlichen 29 Stimmen abgegeben. fizung des Zentrums endete damit, daß der Führung für Kommunisten und Nationalsozialisten gaben weiße Zettel ab. Da weitere Berhandlungen freie hand gelassen wurde. Die durch erhalten die Sozialdemokraten sieben ehrenamtliche Senatoren Mitte wird sich heute entscheiden müssen, ob fie meiter mit und die Bürgerlichen sechs. der Sozialdemokratie Politik machen will. Daß sie sich nach Laune und Zufall hier und dort ihre Mehrheiten fucht, geht natürlich nicht. Sie kann das billigerweise auch gar nicht perlangen!
Köln, 20. Dezember.( Eigenbericht.) Der Katholische Boltsvereins Berlag in Glad bach Rheydt befindet sich feit längerer Zeit wieder in Zahlungsschwierigteiten. Obwohl der Bolfsverein für Hafenkreuz, Wirtschaftspartei und Landvolk. das Katholische Deutschland alle Möglichkeiten zur Erhaltung des Weimar , 20. Dezember. Berlages und Abdeckung seiner Verpflichtungen ausgeschöpft hat, ge Heute vormittag traten die fünf über die Regierungsbildung lang es nicht, bie zur Sanierung des Verlages erforderlichen Mittel verhandelnden Barteien( Landvolk, Nationalsozialisten, Wirtschaftsusammenzubringen. Es wurde daher ein Vergleich mit den partei, Deutsche Volkspartei und Deutschnationale) zusammen. Nach Gläubigen beantragt. Der Berlag war in der Inflationszeit der Sigung wurde eine Erklärung ausgegeben, in der es heißt, daß schon einmal in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Damals wurde die Parteien sich auf eine Regierung einigen würden, deren Zu die Sanierung durch Geldmittel aus Amerika durchgeführt. janunenjeßung Gewähr dafür biete, daß sie auf fester Grundlage ruhe. Der Landtag werde am 7. Januar zusammentreten.
Kommunistentrawalle vor Rathäusern fanden in Stuttgart und Hannover statt. In Köln sind alle Umzüge und KundEs verlautet, daß Landvollpartei, Wirtschaftsgebungen unter freiem Himmel bis einschließlich 2 Januar verboten. partei und Nationalsozialisten die Minister stellen wellen, während die Deutsche Bolkspartei und die Deutschnationalen Staatsräte in die Regierung entfenden werden.
Münchens erster Bürgermeiffer. Der bisherige erfte Bürgermeister Scharnaal( Bayerische Pollspartel) wurde im zweiten Wahlgang mit 23 Stimmen gegen 17 Stimmen, die auf den Sozial demokraten Schmid entfielen, wiedergewählt. Die Nazis enthielten fich der Stimme.
Die Mitglieder der Dertschnationalen Arbeitsgemeinschaft haben zur Frage des Reverses, durch den Abgeordnete der Deutschnatio. nalen fich für den Fall ihres Ausscheidens aus der Reichstagsfraktion Aur Mandatsnieberlegung verpflichtet haben, eine Er flärung abgegebn. Sie versichern darin, daß der Revers nur für den Fall des Austritts oder Ausschluffes eines einzelnen Abgeord. neten Geltung habe. Bei ihrem Austritt handele es sich jedoch um die Abfpaltung einer ganzen Gruppe. Aus diesem Grunde fomme eine Mandatsniederlegung für sie nicht in Frage.
Die schwere
Schädigung der Zeitung durch das Wegtragen ihrer Auflage Barlamentsverhandlungen doch abzudruden. tonnte dadurch nicht wieder gutgemacht werden.
Das Breßgesetz von 1922 hatte dem ich rantenlosen. Konfiszieren ein Ende geinacht. Seither war die vor läufige" Beschlagnahme beschränkt auf versuchte Beeinflussung der Rechtsprechung, auf Vergehen gegen die öffentliche Sittlichkeit und auf den Fall, daß das Drudwerk zu eines Berbrechen auffordert und die dringende Gefahr besteht, daß die Verbreitung des Druckwerkes die Verübung des Verbrechens unmittelbar zur Folge haben fönnte". Auf jede Konfiskation mußte die Anklage vor dem( echten) Schmurgericht folgen - sonst mußte der Staat den Schaden ersehen. Nun wird das Konfiszieren mieder ermöglicht, nur muß der Staatsanwalt dazu die Erlaubnis des Untersuchungsrich= ters haben. Dazu wird verfügt, daß dem Staatsanwalt ein zwanzig Stunden des Tages: und so kann sich das KonfiszieUntersuchungsrichter immer zur Hand steht, alle vierundren des Staatsanwalts ungehemmt entfalten. Wenn er die Zeitung tonfiszieren will, die zu konfiszieren das Gesez ihm verwehrt, so mintt er einfach dem Untersuchungsrichter; der versieht das Blankett mit Stempel und Unterschrift und die gerichtliche" Beschlagnahme ist fertig. So ist der Staatsanwalt natürlich in der Lage, jede Zeitung, von der er be= hauptet, daß darin eine„ ftrafbare Handlung" begangen worden ist, mit Beschlag zu belegen; also die Zeitungen nach seiner Witttür zu konfiszieren. Indem das Gesetz für die Preffe die Schwurgerichte abschafft, führt sie die Wahrschein lichkeit herbei. daß der verantwortliche Redakteur im vorgeschriebenen Strafprozeß verurteilt wird, und die Sicherheit, daß die Konfistation nicht aufgehoben, die Zeitung für ihren Schaden nicht entschädigt wird. Die Reitun gen werden fortan nicht bloß tonfisziert, sondern ihre Redakteure werden überdies eingesperrt werden! Das bedeutet in Wahrheit die Aufhebung der Schwurgerichte, und deshalb waren sie auch so hinter dieser Aufhebung her!
Man mendet ein. daß die Aufhebung der Geschworenengerichte für die Preffe nur drei Delikte treffe: Religions gerichte für die Preffe nur drei Delikte treffe: ReligionsDelitte, öffentliche Unfittlichkeit, Ausstreuung beunruhigender Gerüchte, daß aber die andern politischen Delikte, da sie wegen ihres Charafters den Schmurgerichten ver=