Rr. 599 46. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Hoffnung Weihnachten
Man schnallt sich ein paar Tage den Beibriemen enger, um wenigftens foviel zufammen zu bringen, daß es für einige Dugend Briefe Lametta reicht. Nun steht man Tag für Tag von morgens bis abends auf der Straße, die Kälte beißt durch die fadendünne Kleidung. Man hat sich heifer geredet, bevor das erste Duzend nerfauft ist; man ist schon zehnmal mutios geworden und bangt um den kleinen Einsaz, den man leider in Lametta angelegt hat, statt sich dafür einmal halbwegs satt zu essen. Traurig sieht es auch zwischen den großen Weihnachtsbuden aus, wo auf madelig zu Jammengehauenen Gestellen, auf Kinderwagen, Leiterwagen oder auch mir in abgegriffenen Pappfartons unzählige Puppen, Blechautos, lettermagen, Teddybären, eben die vielen bunten Beihnachtsnichtigkeiten auf Käufer und schmale Kassen auf Einnahmen warten. Es spricht aus den Bewegungen, mit denen resigniert an geboten, ausgerufen wirb; es ist die einzige Weihnachtshoffnung, der erwartete Verdienst für das bunte Bielerlei, was da auf den Pappdeckeln und Kistenbrettern präsentiert wird, wofür man müh felig zusammengefragtes Geld hingegeben hat. Bird es wieder zurückkommen in die Kaffe, und wird auch noch ein kleiner Verdienst mit dranhängen, um den es gelohnt haben wird, die ganzen Tage hier zu stehen? Denn das Geschäft geht herzlich schlecht, der Zauber des Weihnachtsmarktes nerblaßt immer mehr.
Gelegenheitsfäufe.
Man muß dem Weihnachtspublikum schon mit Einfällen tom men, um ihm das Geld ein bißchen Inder zu machen, und den Zauber der vielen brennenden Christbäume und die Weihnachtsstimmung in feine Kaltulation einbeziehen. Schlängelt sich einer fuchend durch die menschengefüllten Straßen, haft sich bei einem an dem Mantel Pragen feft, hält ihm den kleinen Finger mit einem blizenden Ring unter die Nase und versucht, ihn augenzwinfernd und hartnädig aus dem Menschenstrom in den nächsten Hausflur zu ziehen. Nicht immer gelingt es, aber immerhin noch oft genug. Und dann erzählt er dem interessierten Zuhörer, der bis jetzt noch teine blaffe Ahnung hat, mas der andere überhaupt mit den Augenzwinkern beabsichtigt, eine rührende Geschichte, von bitterer Not, ständigem Hunger, von dem einzigen Andenken an die Mutter und der lleberwindung, die es nun foſtet, sich danon zu trennen, und fuchtelt dabei dem Zuhörer immer mit dem beringten fleinen Finger unter der Rase herum, redet und redet, nennt schämig den Preis von fünf Mark für das teure Andenken, redet und redet, fordert vier Mart, läßt den Mantelfragen seines Opfers nicht los und ist schließlich mit dem Breis bis auf zwei Mart herunter, zieht den Ring vom Finger und versucht ihn dem anderen ba!- in die Hand zu drücken. Nur um einmal wieder warm zu essen. Wer tann da schon widerstehen, vor einem solchen Redestrom, und vielleicht ist der Ring mirifich was mert, vielleicht das Bielfache ein billiges Geschent, mit dem sich Staat machen läßt- na, und der Ring ist verkauft. Das Straßengewühl verschluckt einen strahlenden Käufer und einen zufriedenen Verkäufer.
Zehn Minuten später.
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Auf der anderen Seite der Straße schlängelt sich einer suchend burch die Menschenmenge, haft sich bei einem an dem Mantelfragen fest, hält ihm den kleinen Finger mit einem blitzenden Ring unter die Nase und Das Geschäft macht sich mit dem Andenken an die Mutter, von denen er noch eine ganze Bortion in der Tasche hat und die, auch nur mit zwei Marf verfauft, einen ganz schönen Berdienst abmerfen.
Manchmal ist es auch eine Flasche Parfüm, flüsternd und augenzwinkernd, halb im Mantel verborgen angeboten, was eine duntele Quelle vortäuschen und einen besonders günstigen Kauf ahnen lassen foll. Bluff. Aber das goldige Berliner Herz fällt immer wieder darauf rein, na und Weihnachten nimmt man es nicht ganz so genau.
Mitleid und verbrannter Auchen.
Rein, man nimmt es jetzt wirklich nicht so genau wie sonst, und die Herzen und Hände öffnen sich leichter, und auch die Menschen, die sonst mit gemischten Gefühlen betrachtet wurden, die, denen es
letzter Ausweg ist, treppauf, treppab, vor den Türen der Mitmenschen bittend die Hand auszuftreden, hören jetzt öfter ein gutes Bort, fangen manchen freundlichen Blick auf zu einem gespendeten Sechser oder Groschen, wo es sonst ein Pfennig war oder zwei und eine schleunigst zugeklappte Tür. Sozusagen Konjunktur. Also heißt es auch hier tüchtig sein, denn schnell ist die Vormeihnachtszeit, sind die Feiertage herum, und es fommen wieder ein ganzes Jahr lang
,, Stille Nacht, heilige Nacht."
magere Tage, on denen der Groschensegen dieser Tage nur immer wiederkehrender Gesprächs- und Gedankenstoff ift. Aber es gibt nicht nur Groschen jetzt: Manche Hausfrau iſt dankbar dafür, daß fie mit ihrem verbrannten Kuchen noch Freude stiften fann. Und es scheint, daß eine ganze Menge Kuchen um diese Zeit anbrennt oder
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Kuchen- Hausse in der Herberge.
Sonntag, 22. Dezember 1929
sonst irgendwie daneben gerät. In den Herbergen und Schlupf winkeln, wo die Wermsten der Armen untertauchen, ist jetzt Hausse in Suchen. Mit pollen, meitabstehenden Taschen tommen sie abends an. Ruchen! Pafete aus Zeitungspapier, Tüten. Kuchen! Riesenftüden, Scheibchen, manchmal in der Tasche auseinandergefrümelt, und durchaus nicht immer angebrannt. Kuchen genug, sich tagelang daran sattzuessen.
, Stille Nacht, heilige Nacht."
Und da und dort setzen sich zwei, drei zusammen, framen aus der Erinnerung besserer Kindertage Beihnachtslieder hervor und üben zmeistimmig. Es ist nicht leicht, zmei, drei wenig geübte Stimmen einigermaßen harmonisch zusammenzubringen, und oft steigt dabet cin verdächtiges Würgen in der Kehle hoch. Aber was hilft es, das ist auch noch eine, vielleicht die leste Chance, etwas von dem Weihnachtsjegen in die Hände zu bekommen, denen die Arbeit verweigert ist. Wenn es endlich flappt ach Gott, so ganz wichtig ist das ja nicht-, dann geht es aber los, von Hof zu Hof, von morgens bis abends. Und die Fenster, hinter denen sich duftende Weihnachtsbäume, bunte Dinge der Freude und frohe, weihnachtsfrohe Herzen ahnen lassen, öffnen fich oft, und Groschen, Sorgfam in Papier gewickelt, knallen herunter auf die Betondecke des Hofes.
Stille Nacht. Heilige Nacht! Bielen Menschen eine Hoffnung, die einzige Hoffnung, und vielen der Ausweg, der letzte Ausweg, Luftschöpfen für viele, viele tommende Tage im Dunkel von Elend und Sorge.
Der Berliner ,, Spardiktator".
Er hat seine Arbeit sofort begonnen.
Nachdem am Freitag der Oberpräsident dem Bürgermeister Scholtz die Ueberwachung der Gefbmirtschaft. der Stadt Berlin zur besonderen Pflicht gemacht hat, hat der Bürgermeister bereits am Sonnabend vormittag den zentralen Verwaltungen amtliche Nachricht gegeben und die Einrichtung einer befonderen Kontrollftelle geschaffen, die ihm unmittelbar unterstellt ist und nach seinen Weisungen arbeitet.
Zahlungen dürfen nur noch geleistet werden, menn Zahlungsanweisungen von dieser Kontrollstelle unbeanstandet in den Kaffenverkehr gegeben werden. Unnachsichtlich wird, jagt eine aus dem Rathaus tommende amffiche Meldung, diese Stelle Unmeisun gen zurüd geben, die den freigegebenen Rahmen der Ausgabe wirtschaft überschreiten. Durch diese Stelle wird die Möglichkeit des tlefften Einblids in die Maßnahmen aller Berwaltungen gegeben, so daß bei einer Richtinnehaltung der gebotenen Sparjamkeit gegen die Verstoßenden vorgegangen werden fann. Man wird ferner durch diese Maßnahmen sehr schnell die Möglichkeiten des 21bbaus oder der Einschränkung gewiffer Einrichtungen, die zwar schön und zweckmäßig, aber nicht unbedingt notwendig find,
erkennen."
1931390
In einer Besprechung im Rathause, an der die Vorsitzenden der Bezirksämter am Sonnabend nachmittag vollzählig teilnahmen, wurde, zwischen der Zentrale und den Bezir ten ein einheitliches Borgehen sowohl hinsichtlich der zentral angeordneten wie auch der in den Bezirkshaushalten vor gefehenen Ausgaben festgestellt. Die Borsitzenden der Bezirksämter erklärten ausdrücklich, daß sie sich für notwendige Sparmaßnahmen mitverantwortlich fühlen und den Bürgermeister in jeder Hinsicht bei seinen Maßnahmen unterstützen werden.
Da darf man gespannt darauf sein, welche Maßnahmen der Spardiktator für notwendig haiten mrd.
Urlaub für den Stadikämmerer. Bertreter bis auf weiteres Stadt'yndifus Lange.
Aus dem Rathaus kommt die Meldung, daß der Stadt. fämmerer Dr. Lange infolge der seit vielen Wochen dauernden eberanstrengung einen Nervenzufammenbruch erlitten und beim Bürgermeister Scholtz um einen Urlaub gebeten hat, der ihm zunächst auf vier Wochen gewährt worden ist. Weil die unbesoldeten Mitglieder des Magistrats noch nicht wieder neu gewählt sind und auch sonst Batanzen im Magistrat vorhanden find, ist mit der Bertretung des Kämmerers bis auf weiteres der Stadtfyndifus Cange betraut worden, der zujammen mit Bürgermeister Scholtz die Geschäfte leiten wird. Zur Entlastung des Stadtfynditus Lange wird dieser vertreten in der allgemeinen Berwaltung und in kunst- und Bildungsfachen durch Stadtrat Dr. Treitel, im Personaldezernat durch Stadtrat Dr. Föliche.
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