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des Abg. Paaschs: Ueberproduktion I) Das ist ganz Nebensache. Wer billiger produzirt, nimmt doch die Preise, die er bekommen kann. Der Herr Schatzsekretär fragt) wie die Einnahmen aus den Schutzzöllen anderweitig gedeckt werden sollen; er hat dabei die indirekten Steuern mit dem Schutzzoll verwechselt, denn die Schutzzölle sind dann die besten, wenn sie gar keine Einnahmen bringen. England hat gar keine Schutzzölle, aber sehr hohe Einnahmen aus indirekten Steuern. Was Graf Posadowsky aus einer Rede des Lord Salisbury mitgetheilt hat, waren doch nur allgemeine Wendungen und Vertröstungen, aber Lord Salisburi) hat nirgend zu erkennen gegeben, daß er durch irgend welche projektionistische Mittel der Landwirthschast bei springen will! Abg. v. Staudt,(dk.): Meine Bedenken bezüglich der Kon- tingentirung hat der Staatssekretär nicht widerlegt. Abg. Schultz-Lupitz verzichtet auf das Wort.(Lebhafter Beifall.) Damit schließt die Diskussion. Abg. Götz v. Olenhusen(persönlich): Ich halte in vollem Umfange das aufrecht, was ich gegen denBund derLandwirthegesagt habe, weil der Bund der Landwirthe eine unangemessene Agitation in Hannover ins Werk gesetzt hat. Aber ich kann den Herren nur sagen: Glaubt nicht, wenn Ihr Skandal erregt, daß Ihr damit die Welt bewegt.(Heiterkeit.) Die Vorlage wird einer Kommission von LI Mitgliedern überwiesen. Schluß 43/4 Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr.(Zweite Berathung der Novelle zur Gewerbe-Ordnung.) Varlmnenkcmsiches. Aus der Justiznovcllc- Kommission. Soll das freie Er- messen, soll Willkür des Gerichts darüber befinden, ob und welche Beweise in der Hauptverhandlung zu erhebe» sind, oder soll im Interesse der Ermittelung der Wahrheit und der Rechte des Angeklagten sich die Beweisaufnahme wenigstens auf sämmtliche vorgeladenen Zeuge» und Sachverständigen und auf die anderen herbeigeschafften Beweismittel erstrecken? In letztcrem Sinne entscheidet das bestehende Gesetz. Die Regierungen verlangen statt dessen in der Justiznovelle die Aufnahme einer Bestimmung nach der unbehindert um Anträge oder herbeigeschafftes Beweis- materiel jedes Gericht, mit Ausnahme des Schwurgerichts und Reichsgerichts, künftig den Umfang der Beweisaufnahme be stimmen kann. Es soll allein von seinem Ermeffen, seiner Laune abhängen, inwiefern eine Beweisaufnahme stattfinde. Dieser Vor schlag zum Gesetz erhoben, würde der lüderlichsten Rechtspflege den erheblichsten Vorschub leisten und das Volk aller Willkür der Richter in Strafsachen ausliefern. Der Vorschlag ist deshalb selbst von angesehenen Mitglieder» des Reichsgerichts, wie z. B vom Reichsgerichtsrath Stenglein, auf das energischste bekämpft worden. Die Regierung hält aber nach ihren Dar legungen in der Kommission solche Bestimmung für absolut nothwendig. Nach langer lebhafter Debatte lehnte die Kommission den Antrag, das bestehende Gefetz nach dieser Rich tung hin einfach aufrecht zu erhalten, mit II gegen 9 Stimmen ob. Für Aufrechterhaltung stimmten Schmidt(Warburg ) und B r o e k ni a n n(Z.), M u n ck e l und B e ck h(frs. Vp.), v.Wolszlegier(Pole), F r o h m e und Stadt Hagen (Soz.), Schröder(srs. Vg.) und Förster(Ant). Derfreisinnige" Abgeordnete L e n z m a n n enthielt sich der Abstimmung. Die Zentrums» Abgeordneten Rintelen, Wollstein und Stephan stimmten mit den Konservativen, Freikonservativcn und Nationalliberalen gegen Aufrechlerhaltung des bestehenden Gesetzes. Den Ultrareaktionären gelang die Durchsetzung des Regierungsprinzips indeß doch nicht. Nach vielem Hin und Her gelang es, folgenden Zusatz zum bestehenden Gesetz durchzusetzen:In den Hauplverhand- lungen vor dein Landgericht in e r st e r Instanz kann das Gericht die Erhebung eines einzelnen Beweises ablehnen, falls es die Thatsache. welche dadurch bewiese» werden soll, ein« stimmig für unerheblich erachtet. Das Gericht hat die Gründe, weshalb die Thatsache unerheblich sei, in dem Ablehnnngsbesckluß anzugeben." Aus der weiteren Ver Handlung der Kommission ist hervorzuheben, daß der Vorschlag, die Schädlichkeit des Dreimännerkollegiums durch das Ersorderniß der Einstimmigkeit über die Schuldsrage abzuschwächen, gegen die Stimmen der Freisinnigen und Sozialdemokraten abgelehnt wurde. Die nächste Sitzung findet Freitag Vormittag statt. Die Wahlpriifunas- Kommission prüfte in ihren letzten beiden Sitzungen zunächst die Wahl des Abg. Rother(S. Breslau). Da ein umfangreicher Protest gegen diese Wahl vorliegt, beschloß die Kommisston, Erhebungen zu veranlassen und die Entscheidung über die Gilligkeit der Wahl bis auf weiteres auszufetzen. Weiter wurde die Wahl des Abg. Graf v. Dönhoff-Friedrichstein (4. Königsberg ) für giltig erklärt und die Erhebungen über die Wahl des Abg. Fuchs(Köln > Land). welche früher bereits sür giltig erklärt worden ist, durch das negative Ergebniß der Er Hebungen für erledigt erachtet. Im preußischen Landtage ist ein N a ch t r a g s- E t a t von 4000 M. als persönliche Zulage für einen Stellvertreter des Direktors der Staatsarchive eingegangen. Viotummmles. Stadtverordueten-Versammlung. Oefsentliche Sitzung vom Donnerstag, S. März. Stadtverordneten- Vorsteher Langerhans eröffnet die Sitzung un> Bl/s Uhr. Der neugewählte Stadtbaurath H o f m a n n dankt in einem Schreiben für seine Ernennung und bittet, sein Amt am I. Oktober d. I. übernehmen zu können, da er bis dahin noch beim Reichsgerichts-Gebäude beschäftigt sei. Der verstorbene Rentier Simon B l a d hat die Stadt Berlin zur Universalerbin der Hälfte seines Vermögens und die Städte Mainz nnd Bingen zu Erben der anderen Hälfte desselben eingesetzt. Das Vermögen beträgt l1/« Millionen Mark. Der zur Berathung über die fernere Behandlung der Bau- platz st euer eingesetzte Ausschuß beantragt folgende Beschluß­fassung: Die Versammlung erkennt die Nothwendigkeit an, die Härten, welche sich bei der Veranlagung der Bauplatzsteuer er- geben haben, zu mildern, nimmt aber zur Zeit von einer Aende- rung der Bauplatzsteuer-Ordnung Abstand und ermächtigt den Magistrat, die Einziehung der veranlagten und noch zu veran- lagenden Bauplatzsteuer bis längstens am l. Januar 1897 ein­zustellen. Stadtv. Sachs verwirft die Bauplatzsteuer an sich nicht. meint vielmehr, daß sie einen richtigen Kern enthalte. Nur müsse der Prozentsatz der Steuer erniedrigt werden. Der Ausschuß erkenne an, daß Gründe zur Sistirung der Einziehung der Steuer vorhanden seien, wolle es aber in die diskretionäre Macht des Magistrats legen, ob er die Einziehung sistiren wolle oder nicht. Redner beantragt, dahin zu beschließen, daß die Einziehung der Steuer sistirt werden muß. wenn der Steuerzahler nicht freiwillig bezahlt, sondern Einspruch gegen die Veranlagung erhebt. Die Werthermittelung der zu besteuernden Grundstücke sei nach der Steuerordnung nicht richtig. Es frage sich, ob der Werth in jetziger Zeit veranlagt werden solle, oder der Werth zur Zeit der Festlegung der Bau- fluchtlinie. Ein Mangel sei ferner, daß die Straßen, an welchen die Baupläye liegen, nicht regulirt sein brauchen, sondern allein die Feststellung der Baufluchtlinie genüge, um die Steuer zu ver- anlagen. Das bedeute eine Vermögenskonfiskation. Stadtv. Kreitling beantragt, den Magistrat nicht nur zur Einstellung der Einziehung zu ermächtigen, sondern die Ein- ftellimg der Einziehung und Veranlagung der Steuer obligatorisch zu machen. Die Bauplatzsteuer enthalte einen gesunden Kern und für die Härten könnte eigentlich schon jetzt Remedur ge schaffen werden. Indessen füge er sich dem Antrag des Aus schusses, wenn nur die Einziehung nnd Veranlagung der Steuer bis zum 1. Januar unterbliebe. Stadtv. M o m m s e n meint, daß man jetzt die Steuer wenigstens so ausführen müsse, wie sie sei: das Ober-Verwaltungs- gericht könne ja nachher entscheiden, ob die Steuerordnung der Bauplatzsteuer richtig ausgeführt werde oder nicht. Unter den obwaltenden Umständen sei es am besten, den Magistrat zur Einstellung der Einziehung zu ermächtigen; der Magistrat werde auch keinen falschen Gebrauch davon machen. Stadtrath Hir f ekorn theill mit, daß schon jetzt die Ein ziehung sistirt werde, wenn Einspruch gegen die Steuerveranlagung erfolge. Stadtv. Es man» beantragt, daß die bereits gezahlten Steuerbeträge vorläufig zurückgezahlt werden. Nach allen An- trägen bleiben immer noch Härten übrig für die, welche schon die Steuer bezahlt haben, umsomehr da die definitive Ent- scheidung des Gerichts über die Steuer sich sehr lange hinziehen könne. Stadtv. F r i e d e m a n n widerspricht diesem Antrage schon wegen der technische» Schwierigkeiten der Rückzahlung und stimmt dem Antrag Kreitling zu, der anch dem Magistrat am angenehmsten sein könne, da er ihm eine bestimmte Norm vorschreibe, nach welcher zu verfahren ist. Stadtv. M o m m s e n spricht sich noch besonders dagegen aus, daß der Antrag Kreitling auch die Veranlagung der Steuer sistiren wolle. Dadurch würde die definitive Entscheidung viel- leicht noch um zwei Jahre verschoben werden. Unter Ablehnung aller anderen Anträge wird der Ausschuß- antrag angenommen. Der'Ausschuß zur Vorberathung der Vorlage, betreffend die Ueberweisung eines städtischen Grundstücks behufs Benutzung als Spiel- und Eisplatz beantragt: Die Versammlung erklärt sich damit einverstanden, daß von dem städtischen Grund- stücke Pankstraße 11/12 und Wiesenstrnße 49/S4 die als Eisbahn benutzte Fläche von 3749 Quadratmetern, sowie von dem am grenzenden Lagerplatze eine Parzelle von ca. 2099 Quadratmeter vom 1. April 1399 ab bis auf weiteres der Deputation für das städtische Turn- und Badewesen zu dem bezeichneten Zwecke unter Vorbehalt des Widerrufs überlassen iverde. Der Ausschußantrag wird ohne Debatte angenommen. Die Borlage, betreffend die Herstellung eines Fußgänger Tunnels unter den, Bahnkörper der S t e t t i n e r Eisen- bahn im Zuge der Sckwartzkopff- und der Feldstraße, wird einem Ausschuß von 15 Mitgliedern überwiese», desgleichen die Vorlage, betr. die Erwerbung einer Fläche des Grundstücks Alte Jakobstraße 23 zur Straßenverbreiternng. Schluß 7>/e Uhr. Es folgt eine geheime Sitzung. UoKstles. Ter neueste EntriistungSstnrm. Es giebt zwei Arten, die Sozialdemokratie zu bekämpfen, die rüpelhast-rohe und die zum Kugeln komische. Von der letzten Sorte finden wir in der frei- herrlich von Stnmm'schenVolkswirthschaftlichen Korrespondenz" ein geradezu erschütterndes Beispiel. Bekanntlich haben in diesen Tagen die Zeitungen einen Aufruf veröffentlicht, der sich mit einem in gefnndheitlicher Beziehung schlimmen Mißstände befaßte, unter deni die Verkäuferinnen in Ladengeschäften zu leiden haben. Auch wir brachten den Ausruf in der Nummer vom Mittwoch und wiesen darauf hin, daß er zum theil Namen enthält, die auch in der S o z i a l- demokratie einen guten Klang haben. Dieser Umstand trägt die Schuld, daß wegen einer so harnilose» Sache gewisse einflußreiche Kreise, die sich namentlich des Verdienstes rühmen, eine Sozialresorm vor der Hand hintertrieben zu habe», wild geworden sind und nunmehr einenEntrüstungs stürm" inszeniren, der die zum Lachen reizende Gewalt früherer Stürme ähnlicher Slrt vielleicht noch hinter sich lassen wird. Schon dieN a t i o n a l- Z e i t u n g" brachte am Mittwoch einen Artikel, der an dein Aufruf tadelte, es scheine in ihm die Voraussetzung obzuwalten, daß man höre das Ent- setzliche die Sozialdemokratie als ein berechtigtes Glied innerhalb der bürgerlichen Ordnung anerkannt werde. Doch dies Gesalbader hielt sich noch in Schranken, die wenigstens äußerlich den Schein der Gesittung trugen. Diesem Vorstoß folgte aber ein zweiter in der soeben herausgegebenen Nr. 13 der Deutschen Volkswirthschaftlichen Korrespon- denz". Die Leistung ist zu klassisch, als daß wir dem Versuch widerstehen können, den Artikel ganz abzudrucken. Er lautet dem Titel nachNothhelfer der So.zialdeinokratie" und hat einen Inhalt, den unsere Gegner gefälligst einmal gründ- lich auf seine klassenverhetzende Wirkung hin prüfen wollen. Hier ist er: Den Berliner Zeitungen ist dieser Tage ein Aufruf zu- gegangen einige haben ihn abgedruckt, andere, die sich die Sache offenbar gründlicher überlegt haben, nicht. An sich war allerdings der mit dem Aufrufe verfolgte Zweck sehr u n v e r- f ä» g l i ch und durste als w o h l l ö b l i ch zensirt werden. Bereine, insbesondere Franenvereine wandten sich an die Käuferinnen" Berlins , sie in der Forderung, daß die Geschäfts- »»Haber ihrem weiblichen Ladenpersonal für die Zeit, in welcher es keinen Kunde» zu bedienen hat, zu sitzen gestatten sollen, zu unterstützen, eine Forderung, die, weil aus gesundheitlichen Gründen gerechtfertigt, aus Humanitären Gesichtspunkten begründet erscheint. DieKäuferinnen" werden in dem Aufrufe aufgefordert, nur in solchen Geschäften ferner zu kaufen, welche das Sitzverbot für ihre Verkäuferinnen ausgehoben haben. Schmeckt freilich letztere Aufforderung schon ein klein wenig nach Boykott, und wird durch sie die an sich gute Sache dieser Agitation kaum verbessert, so darf man billiger Weise e r st a u n t sein, wenn Vorstände von zwölf Frauenvereinen den bürgerlichen Blättern der Residenz zumuthen, ihren Aufruf abzudrucken, nachdem sie ihre Unterschriften durch die deS sozialdemokratischen Partei­häuptlings A. Bebel kompletirt haben. Diese Zumuthung grenzt so dicht an Unverschämtheit, daß die bürgerliche Presse wohl gethan hätte, sie einmüthig als solche zurück- zuweisen. Natürlich werden sich die Vorsteherinnen der Franenvereine auf die Einrede zurückziehen, sie verstünden nichts von Politik. Letzteres ist gewiß richtig. Indessen giebt es leider Frauen, welche in die Politik hineinzupfuschen sich nicht scheuen, obwohl sie nichts davon verstehen, und da die a in o s e Gesellschaft sür ethische Kultur durch Frau Lily von G i z y ck i unter dem Aufrufe vertrete» ist, wäre es wohl nicht allzu schwer gewesen, den anderen Damen klar zu machen, daß, wenn man einen Aufruf erläßt, mag der Zwcck auch ein noch so berechtigter sei», nnd manA. Bebel, Mitglied des Reichstages", an der Spitze der Unterschriften paradiren läßt, man damit einer ganz unpolitischen Sache eine» politischen Stempel aufdrückt, der patriotisch em- zfindendcn Leuten gebietet, ihre Sympathie einem Ver- iangen vorzuenthalten, dem sie um seines Humanitären Zweckes willen sich gern zuwenden möchten. Sollte aber Frau Lily von Gizycki nicht politisch genug veranlagt gewesen sein, um an der Unterschrift des A. Bebel Anstoß zu nehmen, so hätte vielleicht der L a n d t a g s- A b- geordnete von Schenckendorff oder einer der übrigen Männer, deren Namen unter dem Aufruf stehen, sicherlich Ver- anlassung gehabt, die prinzipielle Seite der Frage zur Erörterung zustellen, bis zu welchem Grade der Verwirrung es führen muß, wenn die Frauen der ersten Männer der Stadt, wie z. B. Frau Bürger meister Margarethe Kirchner oder Frau Henriette Schräder ihre Namen in einem öffentlichen Aufruf unter den A. Bebel's setzen. Diejenigen, welch« den Frauen das Recht bestreiten wollen, in öffentlichen Angelegenheiten überhaupt mitzuwirken, können aus derartiger N o t h h e l f e r e i bei den Sozialdemokraten nur in ihrer Meinung bestärkt werden. Die Sozialdemokratie aber, welche den Haupträdelsführer der sozialrcvolutionären Umsturz- Partei vielleicht deshalb, weil er als Verfasser des albernen BuchesDie Frau", wie man zu sagen pflegt,berühmt" geworden ist von achtbaren, gebildeten Frauen so geehrt sieht, kann sie an den E r n st des Kampfes glauben, welchen die Männer jener Frauen ihr verkündigen, jenes K a m p f e s, zu dem Kaiser Wilhelm II. den gesittteten und g e- bildeten Theil der Nation aufgerissen hat, und zu dem eben die Bahn frei zu werden anfing, nachdem die a n t i k a p i t a- listischen Schrullen zu verschwinden begannen? Jene Vereine aber, deren Vorsteherinen diesen kaux pas machlen und die Unterzeichner des Aufrufs, die vielleicht nicht wußten, daß ,,A. Bebel" ihnen alsKollege" beigesellt wurde, oder die Bedeutung dieser Kollegialität nicht kannten, werden gut thun, nachdem diefer Aufruf einmal veröffentlicht worden ist, klarzustellen, ob sie wirklich damit ein- verstanden sind. dnrch Zusammenkoppelung mit dem ärgsten Feinde des Vaterlandes sozialdemokratische Nothhelfer wider Willen zu sein." Es hieße das Behagen stören, mit dem unsere Parteigenossen sich an diesem Angstprodukl weiden werden, wollten wir es ein- gehend kommentiren. Der hiermit niedriger gehängte Entrüstungs- ärtikcl spricht nur zu deutlich für die ergötzliche Furcht und das böse Gewissen derer, die in wahnsinniger Vermessenheit meinen. eine dem Untergang geweihte Weltordnung müsse ihnen und ihrem Interesse zu liebe mit allen, auch den schäbigsten Mitteln aufrecht erhalten werden. Welch ein Stück überwältigender Komik liegt in diesem Größenwahn und in dieser Furcht! Der hiersclbst verstorbene Rentier Simon Blad hat die Stadtgemeinde Berlin in Gemeinschaft mit den Stadt- gemeinden Mainz und Bingen zu Universalerben seines, nach oberflächlicher Schätzung mindestens V/i Millionen Mark be­tragenden Nachlasses eingesetzt, dergestalt, daß Berlin die eine Hälfte und Mainz und Bingen die andere Hälfte erhalten sollen. Der Erblasser hat bestimmt, daß der Nachlaß zur Gründung einer Stiftung zwecks Belohnung von hervorragenden Leistungen auf dem Gebiete der Kunst, der Wissenschast und des Handwerks verwendet werden soll. Nichts ist erhebender nnd bernhigender für das bllrger- liche Gewissen, als wenn man sieht, wie Ehrenmänner, die nach eigener Versicherung nie sür sich selber sorgen, sondern stets das öffentliche Wohl ins Auge fassen, sich von dem man weiß nicht wie aufgetauchten Verdacht des Eigennutzes und der unlauteren Profitsucht reinigen. DieVossische Zeitung", das berufene Organ der bürgerlichen Wohlanständigkeit hatte die drei Mitglieder des Arbettsausschusses der Berliner Gewerbe- ausstellung laut und vernehmlich zur Feuerprobe aufgefordert. Und sie kamen, die Siecke», ernsten Angesichts zwar, aber mit sichern Schritten. Zuerst gaben die Herren Felisch und Goldberger feierlich im Redaklionsburcau derVossischen Zeitung" die Erklärung ab, daß sie in keiner Weise an irgend einer gewinn- bringenden Arbeil für die Ausstellung mittelbar oder unmittelbar betheiligt seien. Das waren zweie, der dritte fehlte aber noch, der Kommerzienrath Kühnemann. Eine feierliche, lange Pause entstand, ähnlich wie in der OperLohengrin " vor der Ankunft des Ritters hoch und hehr zu schauen. Ein abermaliger Trom- petenton in derVosstschenZeilung", abermalige lange Erwartungs- pause. Und dann rückt Schwanenritter Kühnemann heran und legt gleichfalls feierlich vor seinen gestrengen Richter» ein um- fassendes Reinlichkeits- Bekenntniß nieder, das folgendermaßen schließt: Ich erkläre endlich, daß ich niemals, weder direkt noch indirekt, weder jetzt noch je in meiner bald dreißigjährigen Thätigkeit im öffentlichen Leben diese Stellung zum Vortheil meines Geschäfts benutzt habe. Nichts liegt mir ferner als Selbstsucht; rm Gegentheil, ich habe in meinem öffentlichen Leben stets nur da? Gelingen des Werke? im Auge gehabt und oft über Gebühr Geschäft, Familie und Gesundheit vernachlässigt. Ich weise also jene» ausgesprochenen Verdacht mit Gntrüflung im Bewußtsein meines guten Gewissens zurück." Daß solches Selbflbekenntniß richtig ist. wissen bekanntlich auch die Berliner Arbeiter von der selbstlosen Opferspende her. die Herr Kühnemann am I.Mai 1899 der Berliner Schutzmann- 'chaft für die Wahrnehmung der Interessen von seinesgleichen darbrachte. Nach dem solennen Akte von gestern wird hoffentlich nicht nur in derVossischen Zeitung", sondern in der ganzen bürger- lichen Welt Berlins jeder Zweifel an der Lauterkeit der Aus- tellungssörderer sür jetzt und alle Zeiten behoben sein. Literarisches Rüpclthum. Zwei Vorkommnisse der letzten Zeit lassen deutlich erkennen, wie die Schneidigkeit, jenes wider- liche Gemisch von Feigheit, Dummheit und Rohhcit, bereits in bürgerliche» Kreisen um sich gefressen hat. Ende Januar zer- .aust Herr Kerr, der Thealerreferent des WochenblattesDie Welt am Montag" irgend ein gleichgiltiges Stück des Reserve- Unteroffiziers und Lustspiel- Fabrikanten Skowronnek. Dieser liest die Rezension und schickt dann zwei Leute zu Kerr, die den Auftrag haben, den Rezensenten zu einer Duellrauserei einzuladen. Herr Kerr war, wenn wir recht unterrichtet sind, verständig Peinig, die Ab- gesandten auszulachen und die Einladung zur Prügelei abzu- lehnen. Ueber das zweite Vorkommniß, das sich am Mittwoch Abend im Kassenflur des Schiller-Theaters zugetragen hat, berichtet der Berliner Börsen-Kurier": Als gegen 8 Uhr abends der Theaterreferent derBerliner Börscn-Zeilung" Herr Paul Linseinann in Begleitung eines Kollegen den Raum betrat, kam ihm der Schriftsteller Herr Arent äußerst aufgeregt entgegen und fragte ihn, ob er den Ausdruckunanständig", den Herr Linsemann für einen persönlichen literarischen Angriff von Seite Arent's gebraucht halte, zurücknehmen wolle. Als Herr Linsemann sich den un- gehörigen Ton verbat und Herrn Arent anheimstellte, ihn auf einer Redaktion auszusuchen, zog Arent plötzlich aus den Falten eines Mantels eine verborgen gehaltene Reitpeitsche hervor und versuchte damit, nach Linsemann zu schlagen, der in demselben Augenblicke seinem Augreifer mit dem Spazierstocke einen wuchtigen Hieb über den Kopf versetzte. Herr Arent. der zurück- getaumelt war, beklagte sich nun bei den herbeigeeilten Schutz- leuten, daß er geschlagen und verletzt worden sei«ine Be- merknng, die das peinliche der Szene insofern milderte, als sie eine gewisse Heilerkeit hervorrief. Jedenfalls ist das eine kuriose Logik für einen Mann, der zuerst angegriffen hat." Man kann der Meinung sein, daß Leute, deren geistige Fähigkeiten entweder gänzlich unbekannt sind, oder, soweit die Welt von ihnen weiß, auf der kulturelle» Höhe des Schauspiel- Hauses stehen, sich nach einer Seite hin beliebt machen wollen. wo die Rohheit ganz besonders wohlgefällige Pflege findet. Wie dem aber anch sei, jedenfalls sieht die Arbeiterschaft deutlich an 'olchen Vorkommnissen, wie es mit der Bildung moderner deutscher Geisteshelden bestellt ist. Ter Großbetrieb legt sich nunmehr in umfassender Weise auch auf die Z e i t u n g s- B e r i ch t e r st a t t u n g. Das be- kannte offiziöse Wolss'sche Telegraphenburcau. das den politischen Nachrichtendienst fast ganz in Händen hat, und. wie das Fest vom 18. Januar lehrte, anscheinend auch den Hofbericht als Monopol erhalten soll, versandte gestern an die Zeitungen ein Probematerial von Lokalnachrichten. Es sind meistenZ Mittheilungen, die aus polizei-amtlicher Quelle stammen müssen. Verallgemeinert sich der Wolss'sche Lokalnachrichtendienst, so find die unabhängigen Berichterstalter bald überflüssig geworden. wenigstens aus dem Arbeitsgebiet, das sie jetzt ausbeuten. Wie qnge wird es währen und es liegt von der kleinsten Polizefthat