Beilage
Montag, 23. Dezember 1929
A
Der Abend
Shalaureabe des Vorwärt
In bas legt: literarische Wert, das uns pon Roald Amunt fen), dem großen Erforscher von Arttis und Antartils, über. tommen ist, hat der Herausgeber ein ergreifendes Lichtbild gefügt. Es trägt die Ueberschrift Amundsen und Gullbaud vor dem Start zum Fluge, auf dem sie 1928 Nobile fuchten und von dem sie nicht wiederfamen."
Roald Amundsen , der nicht zögerte, zur Rettung Nobiles und feiner Gefährten in die Todeszone des Eismeeres aufzusteigen, hat Robile nie geliebt. Im Gegenteil, er hat ihn gehabt und verachtet. Das beweist in seinem Buche„ Mein Leben als Entdeder jede Zeile, in der er sich mit Nabile beschäftigt. Gewiß, Amundsen mag in manchem auch ungerecht fein und übertreiben, diese beiden Naturen påßten eben zu menig zueinander: auf der einen Se te der ernsthafte Forscher, der pon Jugend an sich tärperlich und geistig stählte, um Jein Lebensziel, die Entdedung der Bole, die Bezwingung der Nordmestpaffage und am Ende, als Abschluß, den Transpolarflug zu bemerfitelligen, der. Mann, der alle Nöte des Eises ebenso wie die Nötz der Geldforgen und des Widerstandes der Deffentlichkeit, der Mihachtung und der Feindschaft früherer Freunde um seiner Lebensaufgabe millen getragen hatte, und auf der anderen Seite der eitle italienische Dffizier", dem nach der Ansicht des Norwegers jegliche wissenschaftliche Borkenntnis, jede physische Eignung für seine angemaßte Tätigkeit als Polarfor scher fehlte, ein Mann, der feinen anderen Ehrgeiz hatte, als zum höheren Glanze des eigenen Namens und das faschistischen Italien über Nacht berühmt zu werden.
1924 faß Roald Amundsen in Oslo , schmer von Geomángel und Gemütsdepreffionen heimgesucht. Dut, Billenstraft, uner. schütterlicher Glauben diese genschaften hatten mich durch viele Gefahren zu vielen Erfolgen geführt. Nun schienen fie nichts mehr zu fruchten. Ich war der Berzweiflung näher als jemals in ben 54 Jahren meines Lebens." Da läutete das Telephon und eine fremde Stimme Sprach: 3h intereffiere mich als Amateur lebhaft für Entdedungsreifen und fann Ihnen vielleicht Mittel zu einer neuen Expedition zur Berfügung stellen. Fünf Mi. nuten später war Amundsen in eine Unterredung mit Lincoln Ellsworth vertieft.
Ellsworth wollte unter der Bedingung, an der Leitung der Er pedition beteiligt zu sein,
das Polarmeer überfliegen
D
Die Anklagen eines Tolen
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nichtend für den italienischen Offizier ist das Persönliche, das Amundfen mitteilt:
„ Tatsächlich nahm Mobile noch in Italien vor der Abreise der „ Norge Riiser- Larsen einmal beifeite und ließ sich von ihm das Berfprechen geben, daß die Normeger im Falle einer Noflandung auf dem Eise die Italiener ( es maren außer Nobile an der Fahrt noch fünf Italiener beteiligt) nicht im Stiche laffen würden, um fich allein zu retten.
Daß dieser Mensch auf den Gedanken fommen fonnte, Männer unseres Schlages tännten lo gemein fein, daß es erst eines solchen Bersprechens bedurfte, bas verrät bloß seine eigene Gefinnung." Nobile hat als Bilat Anordnung gegeben, daß jedermann fich auf das Mindestmaß pon Gepäd, welcher Art auch inumer, beschränke. Mie Nobile selbst diese Borschrift befolgte, zeigt Amundsens Beschrei bung von der Ueberflegung des Nordpols:
als Mobile bei der Candung von Kopf bis zu Fuß la der glänzenden Uniform eines Oberften der italienischen Armee erichien!
Das grenzte pohl schon an Berfidie. Daß Nobile feine eigenen Borschriften dadurch egoistischermeise verlegt hatte, daß er die am Nordpol abgemorfenen Waggen mitnahm, hatte uns mehr unter halten als erzürnt; aber nun mußten wir erfahren, daß er in ber Rorge" auf dem Fluge über das Eismeer obwohl nach seinen eigenen Worten jedes überflüssige Pfund Gefahr für unser affer Leben bedeutete- heimlich die Fracht und das Gewicht schwerer Uniformen nicht nur für sich, sondern auch für zwei feiner Landsleute mitgeführt hette!"
Immer wieder brängte sich der Italiener, obgleich Amundsen und Elsworth die Expeditionsleiter maren, in den Bordergrund: bet Empfängen, bei Beröffentlichungen in der Preffe bei Borträgen und Veranstaltungen aller Art, so daß Amundsen nicht umhin fanm, tungen vorzuwerfen. ihm Bertragsuntreue und Ridsteinhaltung eingegangener Verpflich
Samphl Ellsworth und ich hatten natürlich Flaggen mitgenom. Ellsworth das Sternenbanner und ich die norwegische Flagge. No men, die bei Ueberfliegung des Bols abgeworfen merden sollten, biles Borschrift gemäß waren unsere Flaggen nicht größer als Amundsen hat sein Bush, das jetzt erschien, 1926 geschrieben. ein Taschentuch. Als wir den Pol überflogen, warfen wir fie Sein Rapitel über den Flug der Norge " und über Nobile schließt er mit einem Hurra für unfere Länder ab. Aber mer beschreibt unser mit den Worten Ich fann auch offen hinzufügen, daß dies ble legte große Unternehmung meines Lebens gewesen Erstaunen, als mir sahen, wie Nobile nicht eine, sondern einen ganzen Arm voll Flaggen abwarf! Einige Augenblide ist. Denn ich will dem Zefer anvertrauen, daß ich meine Entdeder lang sah die norge wie ein fliegender Birtuswagen aus, denn laufbahn als abgefchloffen betrachte. Es ist mir befchieden geweſen, große Fahnen jeder form und Farbe umflatterten sie. Nobile alles zu vollenden, was ich mir vorgenommen hatte. Das ist Ehre brachte außerdem eine riefenbofte italienische Flagge genug für einen einzigen Menschen. Von nun an werde ich woht zum Borichein. Sie war so groß, daß er Mühe batte, fie durch das immer noch lebhaftes Intereffe für die noch ungelüften Rätsel ber Rajütenfenster zu bringen Dort faßte fie der Mind und sie blieb an Bolarregionen haben, aber ich tann nicht hoffen, noch ein fo m der Gondel hangen. Che er fie losmachen fonnte, waren wir fünftiges Betätigungsfeld zu finden wie ienes, das hinter mir liegt. Meilen jenjcits des Bols. Als sie endlich frei mar, schlug fie gegen Ich werde mich daher mit wissenschaftlichen Broblemen bescheident die hintere Gondel und schien sich dort in den Propeller zu und den größten Teil meiner Zeit dem Schreiben, den Borträgen verfangen und uns in ernste Schmierigkeiten zu bringen. End- und dem geselligen Zusammensein mit meinen vielen Freunden it lidh fam fie auch dort los und fant schnell auf die Eisfläche unter Amerita und Europa widmen."
uns.
Die Sache mit den lächerlichen Fahnen schien Amundsen und Ellsworth für einen erwachsenen Mann und Difister jo fomufch, so toonsch, daß sie laut auflachten. Die persönliche Ettelteit Nobiles zeigte sich immer wieder. Er wurde nicht müde, zu wiederholen, er fei italienischer Offizier, und man ließe es an der Achtung fehlen, zu ter ihn fein Rang berechtige" Wiederholt mußte ihm Amundsen flarmachen, daß er während seiner Zugehörigkeit zu der Norge- Expedition feln italienischer Difizier, fondern Expedi. tionsteilnehmer sei. Dieser lächerliche und engftirnige Offiglersftolz zeigte sich auch, als Mobile bei der Anlandfchaffung tionsteilnehmer fet. Dieser lächerliche und engftirnice Offiben handen in der Tasche müßig daftand. der Motore, als alle Teilnehmer angeftrengt arbeiteten, mit
und die Mittel zum Anlauf zweter Flugboote und zur Dedung ber anderen Ausgaben zur Verfügung stellen. Amundsen schlug ein, und die Folge dieser Unterhaltung war der denkwürdige Flug nom Mai 1925, an dem Amundsen, Ellsworth, Riiser- Larsen, Dietrichson, Dmdal und der Deutsche Feucht teilnahmen. Man er Nichts ist so bezeichnend als Nobiles Berhalten bei der Rüdfehr reichte den 88. nördlichen Brettegrad, als ein Unglüd eintrat: cins nach Seattle . Amundsen erzählt: Als das Schiff Seattle näher der beiden Flugboote hatte einen Maschinenbefett Man fam, nedten Ellsworth und ich einander mit dem Anblic. den wir mußte landen, und nach einer Arbeit im Eise von mehr als brei der Menge bieten würden. Nobiles wiederholte Mahnung befal Wochen stieg: man unter größten Anstrengungen mit dem verbiegend, unser Gepäd auf das äußerste einzuschränken, hatten wir auch henen Flugboot wieder auf, um unter Todesgefahr nach feinen zweiten Anzug bei uns. Wer beschreibt daher unfere Berblüffung,
Spizbergen zurückzukehren.
Nun wurde eine neue Lösung vorbereitet: man wollte den Transozeanflug mit einem Cuffschiff
unternehmen. Das Glüd schien zu Hilfe zu tommen! Die ita. lianische Regierung mollte das Luftschiff N 1 zu annehmi baren Breisen vertaufen. Seit der Bervollkommnung der Luftfchri war Amundsens großer Gedante die Bezwingung der Arktis son der Luft aus gewesen. Er begann die Berhandlungen mit der taFenischen Regierung, und er wurde zusammengebracht mit dem Ronstrufteur des Luftschiffes, dem Offizier der italienischen Militärluftschiffahrt Oberst Nobile.
Gleich bei der ersten Unterredung in Oslo trat das persönliche und das faschistisch- italienische. Interese Nobiles in den Bordergrund. Er machte das Angebot, daß die italienische Regierung den NI stiften molle, wenn man damit einverstanden wäre, daß b'e Er pedition die italienische Flagge führe. Das wurde abge lehnt, und es tam zu langwierigen Berhandlungen. En sich einigte man sich dahin, daß Gülsmorth und Amundsen durch Bermittlurg des norwegischen Aeroklubs das Luftschiff tauften und Nobile als Piloten der Expedition anstellten.
Das Luftschiff, auf den Namen„ Norge( Norwegen ) um. getauft, murde übernommen und von Nobile nach Spigbergen gebracht. Am 11. mai 1926, 10 Uhr morgens Ortszeit, war es, als die Norge zu ihrer epochemachenden Fahrt von Spißbergen auf. tieg Amundsen schreibt:
„ 24 Stunden später sichteten wir Boint Barrom an der Nord. füste von Alaska . Mein Traum vieler Jahre war in Erfüllung gegangen! Mein Lebenslauf als Entdecker war in dieser eigentlich höchsten aller durchführbaren Leistungen von Erfolg gefront wor den. Wir hatten das nördliche Eismer Don Konti nent zu kontinent überquert"
Es war eine große Tat aber nach der Ansicht Amundsens ist die aeronautische Leistung nicht von Nobile fondern von Riiser. Larsen durchgeführt worden:
Dreimal unterwegs rettete uns feine( Riffer- Larsens) Geistesgegenwart vor Katastrophen, in die uns Nobiles Nervosität und mangelnde Selbstbeherrschung zu stürzen drohte.
Ich würde das nicht anführen hätte Nobile nicht die Stirn gehabt, außer dem Ruhm des Piloten, als der er sich einzig und allein betätigt hat, auch den größeren Ruhm der Expedition selbst für sich in Anspruch zu nehmen."
Amumbjen belegt diese Behauptung; aber menschlich mehr ver, Roald Amundsen ; Mein Leben als Entdeder. Mit brei Karten und 7 Bildern und einem Borwort pon Dr. Franz Behounel, beutsch von Georg Sdymarz, 1929, A. B. Tal u. Co. Berlag, Leipzig Sien
Fast tragisch wirken diese Zilen; Amundsen hat den friedlichen Lebensabend, ben er erhoffte, nicht erlebt: als Rabiles britte Bol fahrt an seiner Unzulänglichtet jämmerlich scheiterte, bas Luftschiff in Trimmer ging und Nobile, den Amundsen mit gutem Grunde haßte, in Cisnot geriet, bestieg Amundsen , um ihn zu retten, bas Flugzeug und fehrte nicht wieder.
Der tapfere Profeffor Behounet aus Prag hat in einem
Rachwort zu Amundsens leztem Flug aus einem anerkennenswerten Eifer und Zorn mit bestem Willen versucht hat, sich in Leben und Kameradschaftsgefühl heraus Nobile zu verteidigen und zu rechtfertigen gefüdit. Es ist ihm nicht gelungen. Der Mensch, ber ohne Sterben Amundsens und in das Dasein Nobiles zu vertiefen, schließt mit dem Dichter: Denn Patrotlus liegt begraben, Und Thersites tommt zurück!"
Und noch einmal betrachtet er mit Bewunderung und Behnut das Bild: Amundsen und Gailbaud vor dem Start zum Fluge, auf dem fie 1928 Mobile fuchten und von dem sie nicht wiederfamen.
Henning Duderstadt.
Erna Kühne, achtzehnjährig, heute tanzt sie In dem Borstadtsaal und lächelt! Sommerlaub ziert noch die Wände, Aber bald tonunt fühl der Herbst. Kühl find auch die weißen Härde Erna Kühnes, fühl die Lippén, Nur das Herz ist flammenheiß. Auch die andern Mädchen tanzen, Biegen fich im Kreis. Es flattern Biel zu dünne Sommertleidchen. Doch die Mädchen tangen affe Bie im Purpur ihres Blutes, In den Flammen großer Sehnsucht. Erna tanzt mit offnen Augen Und vergeht in milder Süße.
Hans, der Länger, führt sie strahlend.
Breit, mit schwingend großen Geften, Offiziersstand, alter Adel ,,
Der sich hier in grauer Borstadt Bei Plebejern, fleinen Mädchen Aus Bergnügen eingefunden, Tanzt Graf Egon mit Luisa. Sie, Luisa, macht ein Mäulchen, Aber Egon lächelt höflich," Tanzt, als ritte er ein Reitpferd, Edelraffe, selbstverständlich, Selbstverständlich auch der S'ammbaum, Durch das niedre Volk und stößt, Stößt die fleine Erna Kühne Aus Bersehen in die Hüfte, Daß fie taumelt.
Und da murrt das niedre Boll. Niedres Bolt, das sind hier Bortolaffe, deutsche Lyrit, Kaufmann, Ladenmädchen, Nutte, Auch ein fleines Wölfchen Buder Und ein Düftlein Casanova.. Aber Erna, achtzehnjährig, Steht schon wieder, lächelt und Blendet mit dem schwarzen Lichtblik Schöner Augen grell den Grafen,
Daß er friert und sehr verlegen Auf das Mädchen zutritt:
Froilln, jestatten! Ohne Absicht! Bin Graf Egon...
Blut ist nun im weißen Antlig, Rot find mun die bleichen Lippen, Seht, fie lächelt sehr geschnielchelt, 3ft verwirrt und sagt sehr mühsam: ch, ich heiße Erna Kühne, Bitte, Mauergaffe fleben... Die Mufiter sind sehr tüchtig, Sehen diefen fleinen Jahrmarkt, Diesen kümmerlichen Trubel. Wie in einer Donnerwolfe Thronen sie auf ihren Sigen. Einer trommelt, der trompetet, Jener bläft, und der spielt Geige, Einer heult im Saxophon, ein Irrer, Der melodisch einer talten Marmorstatue Seine Liebe will erklären.
Doch der Hauptherr über allen Menschen und auch Musikanten Ist der Mann der großen Pauke.. Frühling ist es nun geworden, Frühling auch für Erna Kühne 3ft nun lange nicht mehr blutarm, Tragt schon lange seldne Kleider, Bohnt auch nicht mehr an der Maver. Denn Graf Egon tanzt, als ritte Er ein Reitpferd, nun mit Erna.
Erna Rühne, neunzehnjährig, Große Dame und im nächsten Ja, im nächsten Jahr schon zwanzig, Ift ganz glühend aufgestiegen Wie des Nachts die Lichtratete. Erna Kühne, einundzwanzig, Immer noch voll Mut und Leuchtkraft, Um dann rascher und viel greller In das schwarze Nichts zu fallen... Laßt uns trauern, liebe Freunde, Trauern um die Erna Rühne!