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Der britische Botschafter in Mostau, Sir Esmond Ovey, ist beauftragt worden, von der Sowjetregierung Aufklärung über die Hausfuchungen und Berhaffungen bei der Cena Goldfields Co. zu verlangen. Ein Bericht des Botschafters über diese Vorgänge ist nach Condon unterwegs. Der Borsitzende des Borstandes der Cena Goldfields, Herbert Gedalla, erklärte in einem Jnterview, daß die Berwaltung der Gesellschaft teine Nachrichten über die Gründe für das Vorgehen der Sowjetregierung erhalten habe. Er nehme an, daß die Aktion der GPU. wegen des Konflikts mit der Sowjetregierung über die Steuereinziehung erfolgt fel. Ein Teil des Personals der Lena Goldfields in Rußland erhalte sein Gehalt in Rubeln, ein anderer Teil in englischer Währung. Dies habe bereits mehrfach zu Streitigkeiten mit der ruffischen Steuerbehörde geführt.
Der ostsibirische Riesenstrom des Lena führt Gold, das schon seit vielen Jahrzehnten durch Wäscherei des Ufergesteins am Oberlauf gewonnen wird. So mancher attive Berschwörer gegen den 3arismus, besonders menn Widerseßlich teit gegen die Berbannungs- oder Gefängnisbehörden dazu fam, hat dort in der Katorga( 3wangsarbeit) leben und leiden müssen. Bor etwa zwanzig Jahren fam es bei einer Lohnbewegung der Arbeiter in den Lena- Goldwäschereien zu einem Blutbad, das die Gendarmen anrichteten.
Der Sowjetstaat hat die Ausbeutung der Lena- Goldfelder englischem Rapital als Ronzession" übergeben. Nächt liche Haussuchung und Beamtenverhaftung in dem Bureau dieser Gesellschaft ist der Moskauer Anlaß zu dem Borgehen der britischen Regierung, das fo rasch auf die Wiederaufnahme der solang unterbrochenen diplomatischen Beziehungen folgt.
Indien fordert Unabhängigkeit. Resolutionsentwurf für den Nationalfongreß.
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Die Eretutive des all indischen Nationalfongresses, der am Sonnabend oder Sonntag in der Nähe von Lahore offiziell eröffnet wird, hat den unter der Führung Gandhis ausgearbeiteten Entwurf einer Resolution angenommen und beschlossen, diese Entschließung dem Kongreß zur Annahme zu empfehlen. Die Resolution ersetzt die frühere Forderung durch das Berlangen nach voller Unab: hängigkeit Indiens . In dieser Entschließung heißt es u. a.:
Der Rongreß ist der Auffassung, daß eine Bertretung auf der Konferenz( mit der britischen Regierung in London . Amm. d. Red.) nicht zweddienlich ist. Der Rongreß erklärt, daß Swaraj" nach der Auffassung des Kongresses volle Unabhängig teit bedeutet. Er erflärt ferner, daß der Nehru Plan für eine Ueberführung Indiens in ein Dominium verfallen ist und hofft, daß alle auf dem Kongreß anwesenden Barbeien ihre ausfchließliche Aufmerffamteit auf die Erzielung voller Unabhängig. teit für Indien lenten werden. Der Kongreß hofft, daß diejenigen Inder, die die Lösung des Moflem.hindu.Problems im Rahmen des ursprünglichen Berfaffungsentwurfes von einer Teilnahme am Kongreß ferngehalten hat, sich jetzt den Kongreß wieder anschließen.
Der Konare verlangt völlinen Bontott der zentralen und provinziellen gefehgebenden Körperschaften Indiens und ruft die Teilnehmer am Kongreß auf, meder direkt noch indirekt an zukünffigen Wahlen teilzunehmen;
forbert die gegenwärtigen Mitglieder diefer gefeggebenden Berjammlung auf, ihre Mandate nieberzulegen. Der Ron. greß fordert die Nation auf, ihre Aufmerksamkeit auf die tonftruttive Seite des nationalen Brogramms zu lenten. Der Kongreß autorisiert das Rongreßtomitee, das Programm des pas gres autorisiert das Rongreßtomitee, das Brogramum des pas finen Widerstandes einschließlich der Bermeigerung ber Steuerzahlung zu jedem ihm günstig scheinenden Zeit punti zu proflamieren.
Der Wortlaut der Resolution hat in London schwere Be forgriffe über die zufünftige Entwidlung der englisch - indischen Beziehungen ausgelöst.
Stimson gegen Nankings Absicht. Reine einseitige Aufhebung der Egterritorialitätsrechte, fondern Berhandlungen.
Zu den Meldungen aus China , wonach die Regierung von Tauting vom 1. Januar ab die Egterritorialität durch eine Berordnung aufheben, werde, bemerkte Staatssekretär Stimjon, die Bereinigten Staaten würden einer Aufhebung der Erterritorialität durch eine ein feitige Berfügung nicht zustim
men.
Er glaube aber nicht, daß Nanking einen solchen Att gegenüber Amerika beabsichtige, da ja zwischen beiden Ländern Berhandlungen über einen allmählichen Abbau der amerikanischen Gerichtsbarkeit schwebten. Die amerikanische Regierung halte an ihrer grundfählichen Einstellung zu dieser Frage feft, wie sie in der am 4. September veröffentlichten Note vom 10. August an die Regierung von Nanking zum Ausdrud gebracht worden sei.
Neuer Alarm in Jerufalem.
Maltar in der Alstadt.
London , 27. Dezember. Eine Kompagnie des Northamptonshire - Regiments ist in friegsmäßiger Ausrüstung in die Altstadt von Jerufalem eingerückt und hat alle strategischen Bunfte befeßt. Daneben hat die britische Bolizei einen umfangreichen Sicherheitsdienst eingerichtet. Diese Dagnahmen werden damit begründet, daß im Zusammenhang mit ben Gebentfeiern für den Irak - Ministerpräsidenten, Sir Abdul Buhsin, der vor einiger Zeit Selbstmord beging, eine ungewöhnlich große Anzahl Araber nach Jerusalem gekommen ist und die letzten Unruhen bei ähnlichen Feiern zu Ehren des ver Storbenen ägyptischen Ministerpräsidenten 3aglul Basha ihren Anfang genommen hätten.
Tagung der internationalen fozialistischen Asrüstungskommiffion. In die vor brei Jahren von der Sozialistischen Arbeiterinternationale eingefente om mission für Abrüftungsfragen ist für lich als deutsches Mitglied, an Stelle des Genoffan Hermann Müller , der ihr por feiner Ranzlerschaft angehörte, auf Borschlag des Barteivorstandes und mit Zustimmung des Parteiausschusses Genoffe Breitscheid belegiert worden. Diese Kommission wird furz por ber Londoner Seeabrüftungstonferenz zusammentreten. Ur sprünglich war als Termin der 21. Dezember und als Tagungsort Baris vorgesehen, doch waren verschiedene Mitglieder unabfömmlich. Man hat sich jetzt geeinigt, die Tagung am 3. Januar im Haag, dem Wohnfig des Kommissionsvorsitzenden, des holländi schen Abgeordneten barba, begimen zu faffen.
Kabale und Liebe
Aft II, Szene 7.
-DR. HERTZ
DR.
SCHACHT
MORGAN
Dr. Hertz: 3hr führt sie zum Pranger fort. Unterdeffen erzähl' ich am Mikrophon eine Geschichte, wie man nicht Finanzminister wird!"
Ausbau der Labour- Presse.
Ein gewaltiges Experiment.
Nach monatelangen Berhandlungen ist unter dem Titel„ The Daily Herald( 1929) Limited" in London eine neue Ge= fellschaft gegründet worden, die das offizielle Organ der bri tischen Arbeiterbewegung auf eine
neue finanzielle und technisch- organisatorische Grundlage stellen soll. Der besondere Charakter der neuen Begründung verleiht dem Vorgang alle Merkmale eines großen Experiments, das für die gesamte sozialistische Arbeiterbewegung von großer Bedeutung ist. Sein Gelingen oder Mißlingen wird weitreichende Rüd. mirkungen auf die Entwicklung der sozialistischen Weltpreffe ausüben. Im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern mit einer starten sozialistischen Arbeiterbewegung befigt Großbritannien nur eine einzige Tageszeitung der Arbeiterschaft. Da der ,, Daily Herald" überdies nurwochentags erscheint, so findet die offizielle Politit der Partei am Sonntag überhaupt feinen Aus brud. Erst die par turzem erfolgte Uebernahme von Reynolds Illustrated News" durch die Genossenschaften hat der Arbeiter, bemegung am Sonntag überhaupt ein Sprachrohr gegeben. Eine sozialistische Zeitung in dem uns gewohnten Sinne ist jedoch Reynolds Blatt auch nach seiner Uebernahme durch die Genossenschaften nicht geworden.
Der ,, Daily Herald" selbst, non George Sansbury als ein ganz inoffizielles, ja gegen die offizielle Bartei gerichtetes Streitblatt gegründet, hat ein bewegtes und wechselvolles Schicksal gehabt. Erst im Jahre 1923 ging er vollständig in den Besitz der Labour Party und der Bewertschaften über, die bami: die volle finanzielle und politische Verantwortung für das Blatt übernahmen. Später ist eine weitere Beränderung erfolgt, als die Mehrheit der Aftien und damit die ausschließliche politische Kontrolle auf die Gewertschaften überging, da sich die Arbeiterpartei nicht in der Lage befand, ihren zugesicherten Anteil an den notwendigen Zuschüssen zu leisten. Hand in Hand mit dieser Umwandlung seiner finanziellen Grundlage ging in den letzten Jahren eine unverfennbare Veränderung der politischen Haltung des Blattes. Mehr und mehr wurde der herald", ins. besondere seit Uebernahme der Redaktion durch William Mellor , zum Ausdrud der offiziellen Politit von Partei und Gewerkschaften.
Trotzdem der Daily Herald", in ständigem Aufstieg be griffen, eine Auflage von 300 000 remplaren zu er reichen vermochte, blieb die Zeitung passiv. Verfuche, fie nach der Kapitalseite hin zu verbreitern, scheiterten am Mangel an Mitteln. Es wurde immer deutlicher, daß der„ Daily Herald" in seiner heutigen Form niemals feine Kapitalreserven finden werde, die einen Ausbau zur modernen Tageszeitung ermöglichen würden. Gleichzeitig wurde das
Mißverhältnis zwischen der Auflage des„ Daily Herald" und der freigenden Anzahl der sozialistischen Wähler von Jahr zu Jahr sichtbarer. So reifte der Entschluß, das Blatt auf anderem Wege zu einem großen, mit fapitalistischen Zeitungen tonturrenzfähigen Organ auszubauen und die Londoner Ausgabe durch eine in Nordengland erscheinenbe Provinzaus. gabe zu ergänzen. Der naheliegende Weg der Reorganisation aus eigener Kraft hatte sich infolge der besonberen, in England herrschen, den Berhältnisse als umgangbar erwiesen. Man braucht nicht weniger als eine Million Pfund Sterling ( 20 Millionen Marf) und fonnte niemals hoffen, diese Summe unter den eigenen Anhängern flüssig zu machen.
Da tam das Angebot eines großen fapitalistischen Konzerns, das eine Entwicklung in dieser Richtung in Aussicht stellte, und man entschloß sich zu dem ungewöhnlichen Schritt, in Zusammen. arbeit mit einem fapitalistischen Unternehmen, der Obhams Breß, jene technisch organisatorische Grundlage zu schaffen, die ben„ Daily Herald" im fommenden Frühjahr zur größten jogia listischen Zeitung der Welt vermandeln joll
Nach der finanziellen Seite hin erfolgt die Umformung des Daily Heralb" auf folgender Grundlage: Der bisherige Befizer ber Zeitung, der britische Gewertschaftsbund, tritt als Teilhaber oder Partner in die neugegründete Gesellschaft Odhams ein. Der andere Bariner ist Odhams Breß Limited, einer der großen englischen fapitalistischen Zeitungskonzerne. Obhams bejaßen bisher das weitverbreitete Sonntagsblatt People", die Zeitschrift John Bull " mit ihrer Millionenauflage und eine Reihe von illustrierten und Fachblättern nicht politischer Natur. Die Uebernahme des Daily Herald" durch Ddhams stellt mit dem neuen Daily Herald" nicht nur den ganzen technischen Apparat biefes Konzerns zur Verfügung, sondern verschafft ihm vor allem
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Zugang zu Inseraten und Annoncen, die dem Blatt bisher versagt geblieben find. Odhams schaffen dem ,, Daily Herald" unter rein tapitalistischen Gesichtspunkten die Grundlage, auf dem er seinen redaktionellen Teil im Sinne der großen Londoner populären Presse, wie ,, Daily Mail“ und„ Daily Expreß ", aus= bauen fann.
Das Zustandekommen dieser ganzen Transaktion ist dadurch möglich geworden, daß sich Odhams bereit erklärt haben, die
politische Unabhängigkeit der Redaktionsführung zu garantieren. Der abgeschlossene Vertrag sichert nach allen Richtungen und für alle Seiten diese Unabhängigkeit. Die Politik des ,, Daily Herald" wird sich nach wie vor auf die von der Arbeiterpartei und den Gemertschaften verfolgten Linie stügen. Obwohl die Gewerkschaften in der neuen Gesellschaft nur 49 Proz. der Attien besigen werden, gegenüber 51 Proz. in den Händen von Ddhams, ist dafür gesorgt, daß die Bertreter der Arbeiterbewegung im Direttorium der neuen Gesellschaft in politischer Hinsicht die entschei dende Stimme haben. In diesem Sinne stellt der Bertrag ein Unitum in der Geschichte der Presse dar.
So interessant diese finanzielle Seite der Umgründung des ,, Daily Herald" auch sein mag, grundsäglich wichtiger sind die journalistischen Zukunftspläne, die sich an diese Umformung tnüpfen.
Die Absicht der führenden Männer auf der Gemertschaftsseite geht dahin, eine Zeitung mit einer Millionenauflage zu schaffen, die in jeder Hinsicht mit der populären Bresse fonturrenz fähig ist. War der„ Daily Herald" schon in der Bergangenheit ſtets meniger Parteiblatt als unsere eigenen Barteizeitungen, fo wird er sich in Butunft noch weiter von dem uns gewohnten Charakter einer sozialistischen Zeitung entfernen. Er wird in erster Linie an die große Masse der Zeitungslefer appellieren, die in der Zeitung vorwiegend Unterhaltung, Nachrichten und Informationen suchen. Die Politik wird in seinen Spalten einen geringeren Umfang einnehmen als in irgendeinem sozialistischen Blatt des Kontinents und die Darstellung der politischen Vorgänge wird weniger direkt sozialistisch sein, als in. direkt zum Sozialismus erziehen. Mit anderen Worten: die Zeitung wird
ein fozialistisches Boulevardblatt sein, das durch seinen Nachrichtendienst, die Güte seiner Beiträge, die technische Bortrefflichkeit Leser und Käufer in allen Volksschichten anzieht und diese vielfach unpolitischen Schichten mehr oder minder unbewußt zugunsten der Arbeiterpartei zu beeinflussen fucht.
In Verfolgung dieser Politik wird die Zeitung dem Bilderteil einen großen Raum einräumen; sie wird bie Sport berichterstattung in einem uns ungewohnten Maße ausbauen; sie wird den Abonnenten und Lesern dieselbe Art von Unfallversicherung bieten, wie sie eine Reihe englischer Tageszeitungen mit so riesigem Erfolg eingeführt hat. Man muß es offen aussprechen: um seine sozialistische Weltanschauung in bie größtmögliche Anzahl von Röpfen mühelos einzuhämmern, wird der neue Daily Herald" teines der populären Mittel ber Sensationspresse verschmähen, soweit sie gewisse Grenzen des guten Geschmacs nicht überschreiten. Der Zwed foll die Mittel heiligen.
Wir stehen hier por einem ernsten Problem, dem sich die heutige sozialistische Preffe der Welt, die mit den tapitalistischen Tageszeitungen überall tonfurrieren muß, allenthalben gegenüber befindet. Auch die fontinentale Parteipreffe hat sich in den letzten Jahren, einer anscheinend unaufhaltsamen Enimidlung Folge leistend, gezwungen gesehen, vielfach von ihrer alten Form abzugehen, das Bolitische zurüdzubrangen und ten unpolitischen Nachrichten sowie der Sportberichterstattung größeren Raum zuzumeffen. Sie ist hierin so weit gegangen, daß die alten Pioniere ber Barteibewegung erfchredt aufbliden würden, wenn sie ein heutiges Parteiblatt in die Hand betämen. Aber tie fonti nentale Parteipresse hat doch weit vor dem Punkt hett gemacht, den der neuc ,, Daily Herald" nunmehr bewußt. überschreiten gebentt.
Das Experiment, das sich im tommenden Frühjahr, wenn ber neue Daily Herald" herauskommen soll. vor unseren Augen ab spielen wird, verdient die allergrößte Beachtung der internati sozialistischen Bewegung, weil hier der Versuch gemacht wen wird, diese Entwicklung logisch zu Ende zu führen und die
fapitalistische Preffe in ihrem ureigensten Gebiet zu schlagen. Gelingt der Verfuch aber in England, so dürfte das Ereriment nicht ohne Folgen auf die heimische Arbeiterpresse bleiben.
Dr. Egon Wertheim