Einzelbild herunterladen
 

BERLIN Montag 30. Dezember 1929

Der Abend

Erfcheint täglich außer Sonntags. Bugle ch Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Erpedition; Berlin SW68, Lindenstr. 3

Spalausgabe des Vorwärts

66

10 Pf.

Nr. 609

B 303 46. Jahrgang

Anzeigenpreis: Die einfpaltige Nonpareillezeile 80 Vf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Vosschecktonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin Nr. 37536. Fernforecher: Dinboff 292 bis 297

Kleinfrieg der Mordparteien.

Sowjetdolch und Hakenkreuzrevolver in Berlin .

Ein blutiger Straßenfampf spielte sich in der Sonntag. | Bacht in der Görliher Straße zwischen Kommuniffen und Hakenkreuzlern ab. Zahlreiche Schüsse wurden abgefeuert und vier Arbeiter, die der kommunistischen Partei augehören, fanten schwerverletzt zu Boden. Nach allem hat es bisher den Anschein, als ob es sich um einen regelrecht vorbereiteten Ueber. fall der faschistischen Mordbuben auf die kommunistischen Gegner handelf. Die Schwerverletzten fanden im Bethanien- Krankenhaus

Aufnahme.

In dem Hause Görlitzer Straße 58, in der Nähe des Görlizer Bahnhofes, befindet sich ein Schanklofal, in dem hauptsächlich Kommunisten vertehren. Gegen 21 Uhr verließen mehrere tom. munistische Arbeiter die Gaststätte, um heimzukehren. In diesem Augenblid tam eine Horde von Nationalsozialisten, zum Teil in Uniform, vorbei. Es gab sogleich eine heftige Auseinandersetzung, die dann einen schlimmen Ausgang nahm. Die Hakenkreuzler, alle fchmer bewaffnet, zogen plöglich Pistolen hervor, und er­öffneten ein wütendes Feuer auf ihre Widersachet. Die Arbeiter Walter Reumann aus der Oppelner Straße und Schalinsti aus der Dresdener Straße braden durch Brust-, Rüden- und Kopf­Schiffe schmerverlegt und blut überströmt zujammen. As den Bedrängten aus dem Lofal Gesinnungsgenossen zu Hilfe eilten, wurden auch sie mit Schüssen empfangen. Hierbei wurden zwei weitere Arbeiter, Erwin Schwel aus der Christianiastraße und Otto Effer aus der Petristraße durch Fußschüsse verletzt.

Die Angreifer flüchteten darauf in Richtung Wiener Straße. Beamte des Ueberfallfommandos nahmen ihre Verfolgung auf und es gelang ihnen, vier der mutmaßlichen Täter in einem Lotal in der Wiener Straße zu ermitteln und festzunehmen. Sie gehören fändlich der Nationalsozialistischen Partei an. Die Festgenommenen wurden ins Präsidium gebracht und dort heute vormittag einem eingehenden Verhör unterzogen. Sie spielen selbstverständlich die Harmlosen und bestreiten, an der Schießerei teilgenommen zu haben. Man schenkt ihren Angaben aber wenig Glauben, zumal zmei von ihnen von einem Zeugen mit Sicherheit als Revolverschügen er tannt worden find. Nach dem bisherigen Stande der Untersuchung fdeint es bereits erwiesen, daß die Halenkreuzler die Angreifer gewesen find. Sehr intereffant mar die Feststellung, daß einer der mutmaßlichen Täter noch bis zum Januar des Jahres dem in­zwischen verbotenen Roffronttämpferbund angehört hat.

Die politische Bolizei hat die Ermittlungen nach den übrigen Tätern, es soll sich noch um etwa 10 bis 12 Personen handeln, auf: genommen. Im Laufe des Tages hofft man auch einen Teil der Berlegten vernehmen zu fönnen.

In einem anderen Falle wurde in Tempelhof ein Nationai­fozialist von Kommunisten niedergestochen. Vor der Hause Frie drich Karl- Straße 17 fielen der 22jährige Karl Ba bst und ein gewisser Alfred Bartholz, die beide der KPD. angehören, in der Sonnabendnacht über den 21jährigen Nationalsozialisten Bartell aus der Schwerinstraße in Mariendorf her und verlegten ihn durch einen Messerstich in den Hals schwer. B. wurde ins Josephstrankenhaus gebracht. Die beiden Täter wurden in Gewahr­fam genommen.

Der Schauplatz einer weiteren Schlägerei zwischen Kommunisten und Rechtsradikalen war eine Gastwirtschaft in der Tauroggener Straße. Hierbei wurde der 21jährige Arbeiter Riemer aus Der Osnabrüder Straße durch einen Streisschuß am Bein verletzt. Mehrere andere an der Schlägerei Beteiligte erlitten Kopfperlegungen. Der Angeschossene mußte ins Westend - Krankenhaus gebracht werden. 19 Personen wurden ins Polizeipräsidium gebracht, davon fonnten bisher 17 nach ihrer Bernehmung wieder entlassen werden.

Politische Mörder verhaftet. Angehörige der Kommunistischen Jugend.

Halle, 30. Dezember. Begen Ermordung des Handiungsgehilfen Otto Ruffner, ber, wie mitgeteilt, auf offener Straße burch mehrere Messerstiche fchwer verletzt wurde und im Krankenhaus verstorben ist, hat bie Kriminalpolizei eine Anzahl Verhaftungen vorgenommen. Un er den Berhalteten befinden sich auch einige junge Leute, die bereits eingestanden haben, Rüffer überfallen und niedergeschlagen zu haben. Es handelt sich um Angehörige der kommunistischen and antifaschistischen Jugend.

Ein Sonntag der Stürme.

Verheerungen überall.- Schiffe in Not.

Der gestrige Sonntag, der lekte im alten Jahr, hat für den europäischen Kontinent, Deutschland , sol. land, Belgien , Frankreich , teilweise auch für England, schwere Stürme gebracht, die sich an einigen Stellen tatastrophal auswirkten.

Kircheneinsturz in Dortmund .

Dortmund , 30. Dezember.

In Dortmund hat ein orfanartiger Sturm, der am Sonntag über Westdeutschland hinwegbraufte, schmeren Schaden angerichtet. Nikolai- Gemeinde injolge des Sturmes ein. Der Kirchenneubau, Gegen Mittag stürzte die im Bau begriffene Kirche der Petri­der aus Eisenbeton ausgeführt wird, war bereits bis zur Höhe von 30 Meter gediehen. Man hatte gerade damit begonnen, die Holzverschalungen der seitlichen Tragpfeiler und die Deden verstrebungen mit Beton auszugießen, so daß das in zweimonatiger Arbeit hergestellte Werk ein Opfer des Sturmes wurde. Der Roh­bau des Kirchenschiffes mitsamt dem Chor ist wie ein Kartenhaus zufammengestürzt und bildet einen wüsten Trümmerhaufen. Nur sehrt. Der Schaden wird auf 50 000 bis 60 000 Mart geschäßt. die Rohkonstruktion der Taustapelle und der Sakristei blieben unver­Menschenleben sind nicht zu beklagen, da die Arbeit am Sonntag ruhte.

Münster , 30 Dezember.

Der in der Sonnabendnacht einsetzende ortanartige Sturm, der den ganzen Sonntag über anhielt, hat in Münster und Um gebung schwere Berheerungen angerichtet. In Münster selbst wurde u. a. der etwa 20 Meter hohe Schornstein einer Ge­treidemühle umgelegt. Auch ein großer Neubau, der im Eisen­gerüft bereits stand, wurde vom Sturm vollständig umgebrochen. Die an der einen Seite des Baues bereits fertige Mauer wurde völlig niedergelegt. Personen wurden nicht verletzt.

Orfan über Belgien .

Brüffel, 30. Dezember.

In ganz Belgien mütete am Sonntag ein gewaltiger Sturm, wote man ihn jeit langer Zeit nicht erlebt hat. Aus allen Teilen des Candes merden schwere Sturmschäden gemeldet. Das Dach der St.- Gudula- Kirche ist zum größten Teil abgedeckt worden. Im Walde von Soignes bei Brüssel hat der Sturm zahlreiche alte Bäume entwurzelt. An vielen Stellen sind die Telegraphenstangen

Der zu Haus Gelaffene

جماج

Dr.Schacht

b

MEMO

RANDUM

" Jetzt muß ich hier wieder auspaden und ich wollte doch erst im Haag- auspaden!"

auf die Gleise gestürzt und machen jeden Verkehr unmöglich. Das Schmere Steinkreuz auf der Kirche St. Henri in Brüssel ist herabgestürzt. Eines der Türmchen der Kirche in Coffelles bei Charleroi wurde vom Sturm glatt abgerissen. In Mouscron wurde ein Arbeiter von einem klavier erdrückt, das er auf einen Rollwagen geladen hatte, den der Sturm umstürzte. lleberallher wird gemeldet, daß Personen durch herabstürzende Schornsteine und Dachziegel verletzt wurden. Die Feuerwehr ist tauernd unterwegs, um die Straßen freizumachen. In den Häfen; von Antwerpen und Ostende wurden viele Schiffe beschädigt. Erst gegen Abend legte sich der Sturm.

Ein Kran stürzt auf Schlepper.

Paris , 30. Dezember.

Das schwere Unwetter, das während des Sonntags an der fran­ zösischen Küste wütete, hat in Le Havre einen schweren Unfall zur Folge gehabt. Der furchtbare Sturm stürzte einen im Hafen stehenden kran um, der auf einen Schleppdampfer fiel. Der Schleppdampfer jant sofort und riß drei Men­schen mit sich in die Tiefe. An der Küste mußfe jeder aus. Schiffsverkehr eingestellt werden und alle Fernsprechleitungen setzten

Das furchtbare Unwetter, das in der Nacht zum Sonntag iiber Nordfrankreich eingebrochen war und in den Mittagsstunden des Sonntags bedeutend nachgelassen hatte, nahm am Rachmittag wieder an Stärke zu. Aus den verschiedensten Teilen des Landes weid n schwere Sturmschäden gemeldet. In der Gegend von Lille wurde der Zugverkehr durch den herrschenden Sturm stark behindert. In Lille selbst hat das Unwetter zwei Menschenleben gefordert. Drei Personen, die sich zur Messe begeben wollten, wurden von einem umstürzenden 15 Meter hohen Baum so unglücklich getroffen, daß zwei Personen sofort tot waren, während die dritte mit schweren Verletzungen in das Krankenhaus eingeliefert wurde. In Anvin Calais wurde durch den Sturm ein Eisenbahnwagen umgestürzt, wobei vier Reisende verletzt wurden. Das Dach des Wagens wurde 40 Meter weit fortgetragen. In Saint Omer stürzte furz vor Beginn der Hauptmesse der Glodeniurm der Kirche zusammen. Aus Lorient wird gemeldet, daß der eng lische Segler Bouzee" mit 12 Mann an Bord mit zertrümmert n Masten auf dem Meere treibe und dringende Notrufe ausgesandt habe. Nach einem Telegramm aus Marseille befindet sich der el­gische Dampfer Maroc " in der Nähe von Tunis in Seenot

"

"

Folgenschwerer Hauseinsturz.

London , 30. Dezember

Nord- und Mittel- England sowie das Kanalgebiet find am Sonntag erneut von heftigen Stürmen, begleitet von starken Regen­fällen, heimgesucht worden, 3n Manchester stürzte ein Haus n, wobei zwei Personen getötet und vier Personen leicht verlegt wur­den. Der Sturm hat ein ganzes Dach abgedeckt, tas mit großer Bucht auf das Haus, insbesondere die Borderfront, zurück­fiel. Durch die starken Regengüsse ist die Themje erneut start im Steigen begriffen. Der Schiffsverkehr im Stanal weist große Ber [ pätungen auf. Der Flugverkehr nach Paris mußte geit:! ft werben

Heimwehr - Pabst.

Er hat fieben Jahre widerrechtlich Dension bezen.

Sur Angelegenheit der Pensionszahlung an den Heimwehr­führer Pabst erfahren mir, daß das deutsche Konsulat Sans­brud bereits vor einigen Jahren an die Landesregierung Don Tirol die amtliche Anfrage gerichtet hat, nb Herr Babst deutschösterreichischer Staatsbürger geworden sei. Die Tiroler Landesregierung hat darauf geantwortet, Pabst sei nicht Bürger der Republit Defterreich.

Zu dieser unrichtigen Auskunft der Tiroler Landesregie rung sei bemerkt, daß die Landesregierung unter christlichsozia.er Leitung steht und daß der Landeshauptmann Dr. Stumpf be Jeber Gelegenheit seiner Begeisterung für die Heimwehr Ausdruck gibt, die überdies von der Landesregierung geradezu als eine Bandeseinrichtung betrachtet und behandelt wird.