Einzelbild herunterladen
 

Mittwoch

1. Januar 1930

Armin T. Wegner :

Unterhaltung und Wissen

Durch die Wüste von Schnee

Schnee, Schnee, Schnee.

Der Nebel draußen vermischt sich mit den weißen Aeckern. Man nickt über einem Buche ein und öffnet erst wieder nach ein oder zwei Stunden schläfrig die Augen, blidt in das gleiche un­durchdringliche Weiß mie gegen eine Wand.

Hinter dieser grauen unabsehbaren Schneesteppe muß der Raufafus beginnen. Jemand im Zuge spricht vom Elbrus , aber man fann ihn nicht sehen. Hundert, zweihundert Kilometer jüdwärts muß die Sonne glühen, müssen reife Orangen in den 3meigen hängen. Dorf, Wald, Teich, Wege, alles verschwindet unter dem Schnee. Mit ihrer unabsehbaren weißen Weite nimmt die russische Ebene jene Einförmigkeit und Größe an, wie sie nur noch das Meer und die Wüste besigen. Die Dächer der Bauern bülten sind mit bereiftem Gras und Kräutern bewachsen, als trügen fie weißes Haar in der Stirn. Ein einsamer Schlitten zieht über die endlose Fläche mie ein schleichender Boif.

Ich wollte in Wladikamstas den Zug verlassen und mit dem: Bostwagen über die grusinische Heerstraße nach Tiflis fahren; aber der strenge Winter dieses Jahres hat alle Schluchten und Bässe mit Schnee verschüttet. Ich werde die grufinische Heerstraße, das Eis haupt des Rasbet nicht sehen. Ich hatte davon geträumt, mit Tscherkessen in den Bergen um ein Feuer zu liegen, ich dachte an wirbelnde Massentänze und den Knall von Gewehrschüssen, der in den Schluchten verhallt, und an den heißen Blick dieser fremden Frauen, der uns unerwartet auf einem stillen Weg durch ein ab­geschiedenes Darf die Seele versengt.

All dies werde ich wahrscheinlich niemals erleben. Seit zwei Tagen habe ich den Zug nicht mehr verlassen. Man lebt hier, wie in einem fahrenden Hause; aber man wird auch müde durch das ewige Schaufeln des Zuges wie ein Kind in der Wiege und möchte immerzu schlafen. Die Leute im Zuge gleichen den Reisenden in einem Schiffe auf hoher See; fast alle fennen einander. Man begegnet sich im Speisemagen oder auf den Bahnsteigen der feltenen Stationen. Dann tritt man einen Augenblick ins Freie. Die Eisenbahnwagen dampfen in der Kälte mie Teemaschinen, und die Baffagiere eilen mit den neugefüllten kochenden Leefesseln den ver­

laffenen Bahnsteig entlang, um eilig wieder in den vereisten Wagen

zu verschwinden.

Heute mittag faß ich zu Tisch dem persischen Prinzen Arfa d gegenüber. Ein alter und eitler Mann, noll französischer Höflich­feit, der Bertreter Persiens beim Bölkerbund, der von Genf nach Teheran zurückkehrt. In seiner Gesellschaft befinden sich zmei junge Perser, die in Baris fundierten, junge Leute der Aristokratie, die stets unordentlich und ohne Kragen umherlaufen.

Gestern abend machte ich die Bekanntschaft eines jungen Armeniers aus Batum, eines früheren Revolutionärs, der 1918 mit Joffe aus Deutschland ausgewiesen wurde. Er befand sich auf der rufftschen Botschaft bei einer Besprechung mit Start Lieb fnecht und Roja Luxemburg, als man fie feftnahm. Seitdem ist er in der ganzen Welt gewesen, in Paris , in der Schweiz , in Italien . In seiner modernen Bariser Kleidung mit dem steifen Hut sieht er mehr wie ein amerikanischer Geschäftsmann als ein russischer

Revolutionär aus.

Seit acht Jahren fehytt er zum erstenmal nach Rußland zurück, boll von Erwartungen. Aber man merkt es seinem jungen Gesicht an, daß er trotz der drei Tage feines hierfeins schon Enttäuschungen erlebt hat. Er verbirgt sein Erstaunen nicht über die große Zahl der Arbeitslosen, denen er überall begegnet, über die ungerechte Verteilung der Wohnungen und Aemter. Ein liebenswürdiger, zugleich bitterer 3ug spielt dabei um den Mund des jungen Armeniers.

Es dämmert. Ich blicke noch immer hinaus auf das stille Schneeland. Die Wolfen haben den Himmel verlassen, und zum ersten Male in Rußland erblicke ich die Sonne. Unter ihrem Glänzen nimmt die verschneite Landschaft etwas 3artes und Frühlings­haftes an. Mitten im Felde steht eine völlig mit Eis bedeckte Pappel, steil und einsam wie eine weiße 3ypresse.

Als ich am nächsten Morgen aufwache, bin ich nicht mehr allein. Ein altes Spiel Karten, Sigarettentasche, russische Zeit­schriften, fallen nacheinander an mir vorbei auf die Erde. Ein junger magentranter Schauspieler, der in der Nacht eingestiegen ist, liegt über mir. Er ist der Unternehmer des russischen Dichters Majatomity, ein blasses scharfgeschnittenes Gesicht mit jpär lichem Blondhaar. Majakowsky, ein revolutionärer Lyriker und Futurist, befindet sich auf einer Vortragsreise nach dem Süden. Seltsames Land der Arbeiter und Bauern, das einem Lyrifer für jede Vorlesung zmeihundertfünfzig Rubel zahit und dessen Säle immer gefüllt find!

Eine Stunde später treffe ich Majakowsky selbst im Gange des Zuges, wo er wie ein gefangener Bär an den Wagenfenstern entlangstreicht, die Hände in den Taschen seiner breiten, ein wenig auf die Füße schleppenden Hose. Eine mächtige Gestalt mit fraft vollen Armen, tönnte er weit eher der Unternehmer feines franten Impresarios sein. Sein turzgeschorener Kopf, das kantige nieredige und glattrasierte Geficht erinnern mehr an einen Amerikaner als an einen Ruffen.

Als Majakowsky mich in mein Tagebuch schreiben sicht, sagt er in einem ausgezeichneten Englisch : Sie arbeiten den ganzen Tag, Sie müssen viel Geld verdienen!"( Ich denke an seine zweihundert­fünfzig Rubel.) Er erzählt mir, daß er für jede Zeile in einer russischen Zeitung euren Rubel erhält, ein gewöhnlicher Schrift steller aber nur fünfzig Kopeten. Ist das kommunistisch?" frage ich ihn. Er: ,, Ein großer Schriftsteller ist eine große Fabrit und ein kleiner nur eine fleine. Deshalb muß er auch mehr ver­

Dienen!"

"

-

-

Ich erwidere nichts darauf. Etwas später fragt er mich, welche neuen russischen Schriftsteller in das Deutsche übersetzt sind. Ich ,, Wird er viel gelesen?" Ja." ermähne Gladkow. ,, O, er ist ein sehr schlechter Schriftsteller!" Auch darauf erwidere ich nichts. Ich sehe ihn an und dente, daß diefer gewaltige, fast vier edige Mund weit eher imftande scheint, mächtig zu brüllen, als zarte Verse zu singen. Ein fäuftetrommelnder Gorilla mit ciner Inrischen Tonpfeife im Mund!

Regen. Wir halten im Dunkel auf einer fleinen Station. Sier muß das Kaspische Meer beginnen. Wasser tropft die noch immer schneebedeckten Dächer hinab, große Pfützen auf den vereiften Bahnsteigen. Allmählich schimmert die blauschwarze Erde durch die dünner werdende Schneedecke hindurch.

Bewaffnete Poften begleiten unseren Zug. Auf jeder Station verschließen die Schaffner ängstlich die Fenster. Große Kohlen ftüde werden von innen vor die Wagentüren gewälzt. Die zer­lumpten Gestalten der heimatlosen Kinder, die in Rußland noch immer die Züge nach dem Süden begleiten, streifen bettelnd und stehlend im Dunkeln an den Wagen heran.

Es sind zwei oder drei verwahrlofte Knaben mit alten Sport­müßen, die icy seit heute morgen immer wieder auf jeder Station aus ihrem geheimnisvollen Schlupfwinkel in dem eisernen Räder­gestell unter dem Wagen auftauchen jehe. Sie öffnen jedes alte Stüd Papier und greifen nach jeder fortgeworfenen Apfelsinen schale, um daran zu tauen. Einer wurde soeben auf dem Bahnhof von einem Polizisten festgenommen. An dem zu langen Aermel feines fotschwarzen Roces zerrend, fietsat er in dem beschmutzten Gesicht voll But wie eine fleine Ratte gegen den Polizisten die Zähne und schreit:

,, Du, wenn du mich nicht losläßt, beiße ich dich in die Hand ich habe die Syphilis, und dann mußt du auch verreden!"

Die dritte Nacht. Wir sitzen noch immer spät im Speisewagen, dessen Lische schon abgeräumt sind. Der alte persische Prinz erhebt fich mühjam, um sich schlafen zu legen. Ein französischer Ingenieur, der nach Teheran will, und der armenische Genosse unterhalten sich

Anton Tschechow :

Die Neujahrsmärtyrer

Die Straßen erinnern an ein goldumrahmtes Bild der Hölle. Man könnte glauben, die Hauptstadt sei vom Feinde belagert, menn die Hausbesorger und Schußleute nicht so festlich drein­ichauen würden. Schlitten und Wagen huschen mit Gepolter und Gerassel hin und her... Auf dem Gehsteig haften die Gratulanten mit heraushängenden Zungen und starren Augen...

Blötzlich ertönt ein schriller Polizeipfiff. Was ist denn los? Man eilt nach der Stelle hin, wo sich die Menge staut.

,, Nicht stehen bleiben! Bitte weiter gehen! Hier gibt es nichts zum Gaffen! Habt ihr noch nie einen Toten gesehen, mas? Marsch..." stil

Bei einer Torcinfahrt liegt am Gehsteig ein gutgekleideter Mann in einem Biberpelz und neuen Galoschen. Neben seinem todblassen, frisch rasiertem Gesicht die zerbrochene Brille. Sein Biberpelz hat sich geöffnet und eine Fradfalte, mit einem Stanislausorden darauf, lugt bernor. Der Mann atmet schwer und langfam; feine Augen find geschlossen...

Mein Herr!" rüttelt das Bachorgan den Unbekannten an, gnädiger Herr, das Liegen hier ift verboten! Euer Wohlgeboren!" Doch der Herr gibt teinen Laut von fich. Als es dem Polizisten nicht gelingt, den Herrn aufzurichten, wird der Mann auf das Kom­miffariat getragen.

"

,, Schauen Sie sich, bitte, die Hosen an!" sagt der Inspektor zum Bolizeiarzt, der sich bemüht, den Kranken auszuziehen. Die fosten sicherlich sechzig Rubel. Und die Beste ist auch großartig. Nach den Hosen zu urteilen, dürfte es sicherlich ein Adliger sein..."

Nach längerem Liegen und ausgiebigem Baldriangenuß erholt sich der Herr allmählich. Man erfährt, daß er der Regierungsrat Gerafim Kusmiz Sintletejeff ift.

Beilage des Borwärts

über Kolumbien . Sie sind sich irgendwo dort oben in dieser schrecklichsten Stadt der Erde, die von viertausend Dirnen unter zwanzigtausend Menschen bewohnt wird, einmal in einem Hotel begegnet. Die Kellner flappern mit den Messern. Der Zug rauscht. Die Mehrzahl der Menschen im Zuge schlafen schon. Wie Gepäckstüde liegen sie in der dritten Klasse in ihre Deden zusammen gerollt auf den Holzpritschen. Windeln sind unter dem Wagendach Ein Kind meint. Die Nacht draußen ist grau, fo aufgehängt. finster, als führe der Zug durch einen endlosen Tunnel. Eine Brücke donnert. Ein paar Steine draußen hocken wie frierende Raben auf den Gräben. Die eiserne Harmonika des Zuges fingt.

Baku . Bier Uhr früh. Der Zug hält, fährt wieder weiter. Ich bin zu müde, um aufzustehen. Es ist so schön, im Zuge zu liegen und zu träumen.

Deltürme, Sanddünen. Den Kopf aufgefügt, blide ich durch das Fenster. Jay hatte mir die Ufer des Kaspischen Meeres nicht so flach vorgestellt. Rameltaramanen begleiten den Zug im Ufer fand und bleiben zurück. Die Schatten der Dampfwolfen liegen auf der besonnten Erde und ziehen uns wie eine zweite Sarawané entgegen. Tatarische Dörfer stecken im Schmutz, Schweine wälzen fich und Kinder planschen in den Pfützen.

Hier tragen die Bäume noch Blätter, eine septembergrüne Wiese breitet sich aus. Vom Winter bin ich in den Herbst ge tommen, es ist, als erlebte man die Jahreszeiten rückwärts. Fahre ich weiter, werde ich noch einmal in den Frühling tommen. Der Himmel ist rein und blau geworden. Ein heller Sonnenstrahl hängt spielend zum Fenster herein wie eine Strähne blonden Haares.

hinterher heiße Bürstchen und Kraut zu essen... War fortwährend gut gelaunt und fühlte mich ausgezeichnet... Erst nach dem Besuche bei Ryschkom merite ich im Kopfe was... eine Dämmerung ich wurde schwach... Weiß nicht, warum

904

,, Sie sind abgespannt... Ruhen Sie sich ein wenig aus. Dann werden wir Sie nach Hause bringen lassen."

,, Darf nicht nach Hause", fiöhnt Sinfletejeff. Muß noch meinen Schwiegervater, den Erefutor, Natalja Egerowna und viele andere besuchen."

,, Sie dürfen feine Besuche mehr machen."

,, Inmöglich... Wie kann man denn zum Neuen Jahr nicht gratulieren gehen? Das ist doch meine Pflicht... Lassen Sie mich gehen, Herr Doktor halten Sie mich nicht gefangen...

Ginfletejeff steht auf und blickt auf seine Kleider. Fahren Sie nach Hause, wenn Sie wollen!" meint der Arzt, An weitere Besuche ist doch nicht mehr zu denken

,, Tut nichts; der Aumächtige wird mir schon helfen..." seufzt Sinkletejeff. Ich werde schön langsam marschieren...

Er zieht sich lange an, hüllt sich in seinen Pelz und verfäßt unsicheren Schrittes das Kommiffariat.

,, Roch fünf Personen sind eingeliefert worden", meldet der Wach mann. Wo soll man die nur alle hinlegen?" ( Deutsch von 5. Boriffoff)

Die Eiben von Palerzell

An der Straße, die von Weilheim in Oberbayern nach der

uralten Kulturstätte von Bessobrunn führt, liegen in dem ersten Hochmoorgebiet am Abhang eines dunkel bewaldeten Höhenzuges die wenigen Häuser der Ortschaft Baterzell, und in dieser Landschaft von tiefernster Schönheit findet sich der größte Gibenwald, den wir gegenwärtig innerhalb der deutschen Grenzen besigen. Seitdem der Biesbusch" der Tuchler Heide mit seinen 5500 Eiben mit großen Teilen mestpreußischen Landes für Deutschland verlorengegangen

Haben Sie Schmerzen?" fragt ihn der Polizeiarzt. Profit Neujahr, wünsche alles Gute..." stanunelt der Herr, ist, steht dieser Eibenwald mit seinen etwa 2700 Stämmen an erster wobei er zur Decke hinaufstarrt und schmer atmet.

PI

"

Profit! Profit! Aber... was für Beschwerden haben Sie? Wieso sind Sie gestürzt? Erinnern Sie sich doch! Haben Sie viel Wein getrunken?"

ein..."

,, Was war denn die Ursache Ihres plöglichen Unwohlfeins?" ,, Ich kam aus der Fassung... Ich ich habe Besuche abge­stattet..."

,, Baren Sie bei vielen Bekannten?"

,,... ein, nicht besonders... Wie ich vom Hochamt nach Hause zurüdgekommen bin, habe ich einen Tee getrunken und mich alsbald zu Nikolai Michailowitsch begeben. War doch meine Pflicht, meinen Namen in das Gratulationsbuch einzutragen... Bon ihm bin ich zum Katschaloff gegangen. Natürlich habe ich mich auch dort unterschrieben, wobei ich mich noch gut erinnern fann, daß im Bor­Bom Katschaloff zimmer mich der Wind arg durchzogen hat... war mein Weg zum Jwan Iwanowitsch. Ließ mich dort ebenfalls ins Buch eintragen."

,, Es ist noch ein Herr gebracht worden", meldet der dienst­habende Polizist.

,, Bom Iwan Iwanowitsch" jeßt Sinfletejeff. fortu dem Kaufmann Chrymoff sind bloß einige Schritte. Bin also hinauf­gegangen, um der Familie zu gratulieren. Wurde natürlich gleich eingeladen, anläßlich des Feiertages etwas zu mir zu nehmen... Wie soll man da nicht trinten? Eine Beleidigung wäre es gewefen, wenn ich abgelehnt hätte. Habe bloß drei Gläschen und hinterher Burst gegessen. Bon dort ging ich zum Lichodejeff... Ein lieber Mann...

,, Und find Sie überall hin zu Fuß gegangen?"

Jawohl, Herr Doftor, zu Fuß... Nun habe ich mich auch beim Lichodejeff in das Gratulationsbuch eintragen lassen und bin von dort zur Belageja Emeljanowna gegangen. Weiß genau, daß fie mir mit herrlichem Kaffee aufgewartet hat... Bon Belageja Emeljanowna machte ich einen Sprung zum Obleucow, der gerade feinen Namenstag feierte... Der alte Freund zwang mich, dem fabelhaften Suchen energisch zuzusprechen...

Ein Offizier und zwei Beamte sind eingeliefert worden", meldet der diensthabende Polizist...

Hab also den Studien vertilgt", feist Sinfletejeff fort, mit cinigen Gläschen Kognaf die Kehle angefeuchtet und mich auf der Weg zum Isjumoff gemacht. Das falte Bier, das ich bei ihm ge­trunten habe, hat meinem Halse nicht besonders gut getan... Dann mußte ich meine Nichte Nastja befuchen, die mir mit einer Taffe Schotolabe aufwartete... Bon der Nichte Nistja bin ich zu Liapfin gegangen. Wie ich mich inzwischen gefühlt habe? Ausgezeichnet, Herr Doftor! Kann mich noch erinnern, daß ich später bei dem Oberst Boroschtoff war, wo ich mich glänzend unterhielt... Der brave. Hausherr zwang mich, einige Gläschen Wodka zu trinken und

Stelle.

Diesem Naturdenkmal, das wie eine Vision aus ferner Ver gangenheit anmutet, widmet Hermann Schoepf in der bei Hugo Bermühler in Berlin erscheinenden Monatsschrift Der Natur­forscher" eine eingehende Schilderung. Die Eibe, die eine übrige gebliebene bezeichnende Form der diluvialen Nadelhölzer ist, genoß bei den alten Deutschen eine besondere Verehrung, die noch heate in alten Sagen fortlebt. Bom Eibenholzbogen schwirrten schon die Pfeile steinzeitlicher Schützen, und die Landsknechte haben aus ihnen ihre Armbrüste geschaffen. Der Eibenwald von Paterzell ist für die Bissenschaft erst vor furzem entdeckt worden und wurde 1908 zum Schutzgebiet erklärt. Die ältesten der heute noch stehenden Stämine 3ählen etwa 700 Jahre. Der ganze Bald besteht vorwiegend aus dichten, Tannen und Rotbuchen, zwischen denen als Unterwuchs die Eiben auftreten, da sie ja in der Regel nur im Schatten der großen Waldbäume gedeihen. Immerhin wäre der Ausdruck Unterhalz" für viele dieser Bäume, die einen Umfang bis zu Meter und Höhen bis zu 12 Meter erreichen, nicht angebracht. Die Batérzeller Eiben sind meist sehr verwitterte, unter Sturin und Schneedruck eigenartig ausgebildete Bäume, und so ist es erfreulich, daß sich in bem sorgfältig gefchonten Nachwuchs freudiges junges Leben zeigt. Wenn einst die heutigen vielhundertjährigen Alten nicht mehr stehen merden, dann sind an ihre Stelle die stattlichen Jungbäume getreten, die den Ruhm dieses altertümlichen Waldbestandes noch lange er­halten werden.

Ein wenig befanntes Massenerzeugnis Ostajiens. Wer heute durch die Mandschurei reist, wird einen Eindrud von der gewaltigen Bedeutung erhalten, die die Kultur der Sojabohne für den fernent Often befizt. Ueberall türmen sich in den wichtigen Verkehrs- und Verschiffungsorten gemaltige Berge von Säden mit Sojabohnen. Ganz besonders im Hafen van Dairen in der Mandschurei wird der Fremde die Ueberzeugung gewinnen, daß sich nahezu die gesamte Ausfuhr um die Sojaerzeugniffe dreht. Hier werden im Hafen ſelbſt Laderäumen der Frachtschiffe verstaut zu werden. Auch die großen die Sojabohnen gereinigt und eingesackt, um dann sogleich in den gepreßten runden Platten der Sojabohnen, die sog. Bohnenfuchen, fann man hier in riesigen Mengen aufgestapelt fehen. Sie bilden als vortreffliches Bichfutter ein wichtiges Ausfuhrgut, während das aus den Sojabohnen gemonnene Sojaöl 3. B. auf dem deutschen Martt hauptsächlich bei der Margarineherstellung Berwendung findet. Bon der machsenden Bedeutung des Sojamehls auch für den europäischen Berbrauch werden nur die menigsten Menschen eine Ahnung haben. 1909 mar die Sojabohne auf dem europäischen Martt noch so gut wie unbekannt. 1927 wurden allein in Deutschland schon 576 000 Tonnen Sojamehl eingeführt, und 1928 bereits nicht viel weniger als 1 Million Tonnen! Das Sojamehl dient nicht nur als allgemeines Nahrungsmittel im fernen Often, sondern es wird aus der Sojabohne auch eine recht wohlschmedende Bohnensauce betellet, die auch den Weg nach Europa gefunden hat und z. B. die Grund­lage der Tunten bildet, mit denen man Beefsteats, Ragouts usw. würzt.