Morgenausgabe& sid 9bilo 1900 nij
Nr. 3
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47.Jahrgang
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Freitag
5. Januar 1930
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Vorwärts- Verlag G.m.b..
Haag, 2. Januar.
Wie das Generalsekretariat der Konferenz amtlich Paris , 2. Januar. ( Eigenbericht.) mitteilt, wird die zweite Haager Konferenz am Freitag= Unmittelbar vor dem Konferenzbeginn schwirren hier die wider. nachmittag, 17 Uhr, in der Abgeordnetenkammer des sprechendsten Gerüchte. Obwohl man offiziell nach wie vor Optimis Binnenhofes mit einer öffentlichen Sigung eröffnet mus betont, werden Schwierigkeiten hervorgehoben, die vor allem in werden. Um 15 Uhr ist eine private Zusammenkunft der Frage der Ergänzung der Statuten der Internationalen der Abordnungen, in der Tagesordnung und weiteres Reparationsbant immer noch bestehen. So gab dem ,, Intransigeant" Arbeitsprogramm festgelegt werden sollen. deiner der amerikanischen Young- Sachverständigen zu, daß das taff ons deutsch- amerikanische Sonderabkommen tatsächlich alle Berechnungen im young- Plan ändere.
Die Delegationen unterweas.
Die deutsche Delegation für den Haag hat am Donnerstagabend 9.47 Uhr mit dem fahrplanmäßigen Zuge Berlin verlassen. Auf dem Bahnhof waren zur Berabschiedung erschienen der spanische Botschafter, der niederländische Gesandte, als Vertreter der Reichsregierung Reichswehrminister Dr. Groener, ferner Bertreter der Reichskanzlei, des Auswärtigen Amtes und der Presseabteilung
der Reichsregierung.
Entsprechende Meldungen liegen aus den Hauptstädten afler anderen Konferenzländer vor.
Die Borbereitungen.
Haag, 2. Januar.
Die Borbereitungen für die zweite Haager Konferenz konnten biesmal mit weit größerer Sorgfalt und Ruhe getroffen werden als Bei der zeitlichen Begrenzung der ersten Konferenz möglich war. Meistens hat man dieselben Einrichtungen benutzt, die sich damals gut bewährt haben, so die Drganisation des besonderen Post-, Fern fprech und Telegrapheñverkehrs sowie die Vorkehrungen zugunsten der Presse.
Der Binnenhof, in dem die Konferenzgebäude und die Arbeits: räume der Bresse liegent, wird für die Dauer der Sitzungen von der Außenwelt durch Bolizei abgeschlossen werden. Zu Ehren der Konferenzteilnehmer find auch verschiebenne Empfänge geplant, so beim Magistrat und bei der Königin.
Amerifa lege nach wie vor den größten Wert darauf, daß feine Forderungen an Deutschland nicht mit der interalliierten asia Schuldenfrage vermengt werden.
Es sei daher. durchaus noch nicht abzusehen, was Amerifa für oder gegen den Young- Plan unternehme. Auch in der Frage der Sant tionen tömne im Augenblick noch nicht übersehen werden, wie weit die Dinge in den Verhandlungen gediehen seien.
Dem Reichsbantpräsidenten Dr. Schacht ist in dem früheren Ministerpräsidenten Poincaré ein Verteidiger entstanden. In dem füdamerikanischen Blatt, La Nacion" hat Poincaré einen Artikel südamerikanischen Blatt, La Nacion" hat Poincaré einen Artikel veröffentlicht, in dem er über das Schachtsche Memorandum erklärt, veröffentlicht, in dem er über das Schachtsche Memorandum erklärt, Schacht habe zweifellos im guten Glauben gehandelt. Seine Kritik
der Finanzgebarung des Kabinetts Müller verdiene große Auf
merffamfeit; in der Tat habe
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Großreinemachen im Haag.
Der Streit um den Papierdolch der Sanktionen.
Heute nachmittag beginnt in der holländischen Haupt-, Residenz- und Bankierstadt die zweite Konferenz zur Rege= lung der Reparationsfragen, die das Werk der ersten Konfe= renz vom vergangenen August zu Ende führen soll. Es handelt sich dabei um die endgültige Vereinbarung einer Gesamtsumme für Deutschlands Reparationsschuld in der Höhe von etwa 35 Milliarden Goldmart- gegen die 132 Milliarden des Londoner Ultimatums von 1921, um die Erleichterung der deutschen Zahlungen um mehrere 100 Millionen Mart jährlich für das nächste Jahrzehnt, und die Gründung der Bant für den internationalen Zahlungsaus gleich." Wie die Abwesenheit des englischen Außenministers Henderson andeutet, dreht es sich aber nicht mehr um die politischen Folgen dieser finanziellen Vereinbarungen: die Räumung auch der dritten und legten Rheinzone ist eine beschloffene Sache, die spätestens bis Mitte 1930 durchgeführt wird und die beginnt, sobald die Haager Vereinbarungen der Minister von den Parlamenten oder sonstigen Instanzen ratifiziert sein werden.
Aber es handelt sich nicht nur um Deutschland und seine Gläubiger, nicht nur darum, daß dieje jezt für die gleiche Zeit möchten, die sie für den Wiederaufbau anlegten und die sie an die gleichen Summen von Deutschland garantiert erhalten neben dem großen Reparationsproblem dreht es sich Amerifa als interalliierte Kriegsschulden zurückzuzahlen haben: über elf Jahre nach dem Waffenstilstandum viele fleine Reparationsprobleme, die den europäischen Osten betreffen. So sind im Haag von heute ab, wer meiß für wie viele Tage über die Hälfte Europas , zur Beratung versammelt. Aus oder Wochen, im ganzen sechzehn Regierungen, weit Warschau , Prag , Wien , Budapest , Belgrad , Bukarest und Athen eilen die Delegationen herbei, um sich an den Aufräumungsarbeiten des Weltkrieges zu beteiligen und dafür zu forgen, daß feiner schlechter, feiner besser als der andere megtommt. Desterreich möchte dabei erreichen, daß ihm die Repa distrationen gestrichen werden, die es somieso schon nicht zahlt. Bulgarien und Ungarn streben die gleiche Regelung an, die ihnen die internationale Kreditfähigkeit wiedergeben foll: aber noch will Ungarn auf die ihm von den anderen Nachfolgerstaaten gestellte Gegenforderung nicht eingehen, daß es dafür die Ansprüche auf Entschädigung seiner Bauern und Feudal herren aufgibt, die Rumänien , Jugoslawien und Tschechoslowafei aus nationalen Gründen enteigneten. Diese Staaten wieder sollen untereinander und mit jenen drei anderen zu einer endgültigen Bereinigung der finanziellen Kriegsfolgen Pommen.
bereits der Reparationsagent Parter Gilbert darauf hingewiesen, daß ohne fofortige und tiefgreifende Reform der Finanzen, das Reich weder den Dawes noch den Young- Plan finanzieren fönne.
Allerdings scheint Poincaré mit seiner Meinung ziemlich allein zu stehen. Die gesamte Bresse verurteilt das Borgehen Dr. Schachts nach wie vor aufs schärffte und beglückwünscht die Regierung, mit Schacht nicht an einem Verhandlungstisch sizzen zu müssen.
Prinz Lippe, der Polensiedler.
Kotau der Hugenberg- Preffe vor fürstlichem Berrat am Deutschtum.
Die ehemals fürstliche Familie zu Lippe hat nach der Revolution durch mehrere ihrer Exemplare von sich reden gemacht. In unsympathischer Erinnerung ist der Prinz Friedrich Wilhelm zu Lippe, der von der Republik Pension bezieht, dafür alle republikanischen Minister für 3uchthäusler erflärt, einen Landesgerichtspräsidenten, der ihm mißfällt, in einem Rüpelbrief nach Balästina versehen möchte, um dann vor Gericht, als er 500 m. Geldstrafe zahlen soll, weinend die Hände zu ringen, - er sei zu arm dazu!
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Hugenberg- Organ, ob hier nicht etwa ein Versagen des preußischen Landwirtschaftsministeriums vorliege! Aber nicht ein Wort des Borwurfs, nicht eine Silbe des Zornes findet der L.- 2." gegen den Prinzen Bernhard zu Lippe!
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Bei all diesen komplizierten, bis jetzt noch nicht zu Ende geführten Verhandlungen ist Deutschland insoweit interessiert, als es noch in zweiter Linie für die Kriegsschulden seiner Kriegsverbündeten haften sollte. Davon wird aber ernstlich nicht die Rede sein: es ist das Interesse der Gläubiger an der Leistungsfähigkeit ihres Hauptschuldners selbst, das eine solche Haftung praktisch ausschließt. Auch sonst wird der Kompler der Ostfragen den Gang der Haager Verhandlungen nicht stören: im Hinblick auf ihre eigenen Schuldzahlungen an Amerika ist regelung so groß, daß sie ihre Verständigung mit Deutschland nicht durch die Ünversöhnlichkeit ungarischer Magnaten stören lassen werden: der Young- Plan wird von den sechs Hauptmächten aus eigenem Recht in Kraft gesetzt werden, auch dann, wenn manche der fleinen Gläubiger- und Schuldnerregierungen wähnen, durch Hartnäckigkeit ihre Interessen eher als durch Versöhnlichkeit fördern zu können.
Das ist die Presse des gleichen Hugenberg, der Minister wegen Landesverrats mit 3uchthaus bedroht, wenn sie den Young- das Intereffe der Hauptmächte an der endlichen Reparations Bian unterzeichnen. Hier, wo mirtlicher Landesverrat vor sliegt, hier, wo für Judaslohn ein deutscher Prinz deutsches Land preisgibt, da find die Hugenbergschen Landesverratsfreier mudsmäuschenstill! Da hackt man auf den Staat los, aber der Berräter, der ja ein Prinz ist, bleibt ungeschoren. Man spricht von einem„ Bersagen des Landwirtschafts. ministeriums"( beileibe nicht von einem Bersagen der fürstlichen Baterlandsliebe), obwohl nachweislich die amtlichen deutschen Stellen sich nach Kräften bemüht haben, den Verkauf zu verhindern bzw. rüd gängig zu machen! bzw. rüdgängig zu machen!
Da ist sein Better, der ehemalige Prinz Bernhard zu Lippe , ein anderer Mann. Er weiß, wo Bartel den Most und ein Fürst Geld herholt. Daß fich Bernhard in finanziellen Schwierigkeiten befindet, gehört ja wohl zum standesgemäßen Auftreten eines ehemaligen Prinzen. Selbst für fürstliche Moral auffällig aber ist die 2rt, wie er sich aus seinen Schwierigkeiten zu helfen weiß: Bring Bernhard zu Lippe befigt nämlich größere Liegenschaften in der Grenzmart, und zwar im füdlichen Teil des Kreises Bomst . Da hat er nun ein Rittergut Woynowo, hart an der polnischen Grenze gelegen, verkauft. An wen? An die Leute, die am besten zahlten, im vorliegenden
Falle also umar m
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an polnische Bauern, die mit Hilfe reicher finanzieller Subsidien aus polnischen Fonds in der Grenzmark Land auftauften, um fich dort anzujiedeln.
Da es sich um politische Expansionsbestrebungen des polni schen Staates. handelt, so spielt der Bodenpreis nur eine untergeordnete Rolle. Nach der gewiß unverdächtigen Information des Hugenbergschen Lokal- Anzeigers" sind die Polen durch zins lose Kredite aus staatlich polnischen Fonds imitande, Breise zu zahlen, die das Biersache des Wertes betragen. Mit diesem Polen geld macht sich der Bruder eines vormals regierenden. deutschen Fürsten gesund.
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In der Grenzmart hat dieses verräterische Verhalten helle Empörung hervorgerufen. Interessant ist, wie sich die deutschnationale Hugenberg Presse mit diesem Fürsten abfindet, der sein Land für polnische Siedlungen vertauft. Wehmütig schüttelt der Lofol- Anzeiger" das Haupt und findet, daß dieser Fall ein Reweis für die ungeheuren Schmierigkeiten sei, in denen sich die deutsche Landwirtschaft befinde! Stirnrunzelnd fragt das
Es wiederholt sich hier in potenzierter Form, was wir vor wenigen Tagen bei
der Verschacherung des Welfenschatzes an das Ausland erlebt haben. Damals schrieb ein welfenmonarchistisches hanno veranisches Blatt, die Niederdeutsche Zeitung", von einem ,, unge wöhnlichen Streich". Wessen? Des Braunschweigers, der den Sahab an das Ausland verhöfert? O, nein der hannoverschen Sozialdemokratie, die nicht durch lebernahme des Schatzes die Finanzen der Stadt Hannover ruinieren will!
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Wenn ein ehemaliger deutscher Fürst unerseßliche Kunstschäße an das Ausland verhöfert, wenn ein deutscher Prinz deutschen Boden an die Polen verschachert, dann sind alle möglichen Leute, denn find Republikaner, Sozialisten daran schuld, bloß die allerhöchsten Herrschaften sind gänzlich unschuldig! Ganz gewiß wird der Lokal- Anzeiger" demnächst herausfinden, daß auch der Verlauf, menschlichen Kanonenfutters im 18. Jahrhundert an ausländische Staaten, nicht Schuld der Fürsten , sondern ihrer Untertanen war, die den armen Fürsten zu wenig Steuern für den Unterhalt ihrer Maitreffen gezahlt haben. Rex peccare non rotest" der König fann nicht Unrecht tun, so lautete ein Rechtsfaß des Absolutismus. Für den Lokal- Anzeiger gilt der Saß für alle Angehörigen aller fürstlichen Häuser auch noch in der Republik .
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Zwischen Deutschland und den Gläubigerstaaten nauer gejagt zwischen Deutschland und Frankreich , das deshalb auch den Ministerpräsidenten Tardieu entfendet gibt es nur eine Streiffrage, die manche Gemüter diesseits und jenseits des Rheines und der Vogesen erhigt: die Santtione n. Soziologisch und ökonomisch gesehen ist der Gedanke absurd, Frankreich dürfe auf das Recht auf militärische und andere Sanktionen gegen Deutschland im Fall einer absichtlichen Zahlungsverfäumnis zurückgreifen: nichts würde eine Stockung deutscher Zahlungen so verschärfen und feine völlige Zahlungsunfähigkeit so sicher herbeiführen wie die Drohung und Durchführung von Sanktionen es braucht nur an die fatastrophale Währungszerrüttung von 1923 erinnert zu werden. Juristisch ist die Idee, auch nur den Schein eines Rechts auf Santtionen zu bewahren, nicht weniger verdreht: hat doch der Vertrag von Locarno für alle Rukunft Gewaltmaßnahmen von der Art des Ruhreinbruchs ebenso gut wie den Krieg selbst zwischen den beiden Nachbarvölkern ausgeschlossen; und wenn es sich seine Mitglieder ernsthaft überlegen, so wird selbst der auswärtige Ausschuß der französischen Rammer bahinter temmen, daß er Frantreichs Friedensliebe diskreditiert, wenn er die Regierung zwingt, auf Versailles gegen Locarno zu bestehen. Der Plan, das Sanktionsrecht aufrecht zu erhalten, wäre um jo abjurder, als die Reparationstommission endgültig und für immer verschwindet- also die Instanz, die einzig dazu berechtigt war, eine deutsche Verfehlung festzu