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Morgenausgabe

Ar. 5 A3

47.Jahrgang

Bachentlich 85f, manatlich 3,60 2.

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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, bie Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend, Illustrierte Beilagen Bolt und Zeit" und, Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen", Frauen ftimme", Techni!". Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts"

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Vorwärts

Berliner   Bolksblatt

Sonnabend

4. Januar 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einipaltige Nonpareillezetle 80 Pfennig. Reflame eile 5.- Reichs. mart. Kleine Anzeigen das tettge brudte Wort 25 Pfennig( auläffig zwei fettgebrudte Worte), jedes weitere Wort 12 Bfennig. Stellengesuche das erite Wort 15 Bfennig, jedes meitere Mort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Seile 60 Pfennig. Familienanzeigen Ze.le 40 Pfennig. Anzeigenannahme im Haupt Gefchäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

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Der Beginn der Konferenz. Schuß der Republik  ...

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Das Verfahren geregelt.- Harmlose Zwischenfälle.

tretern zusammengefeßt wissen wollten, während Titulescu  ( Rumä­ nien  ) den Wunsch äußerte, daß ihm auch die kleinen Gläubiger angehören sollten, zumal fie bisher über die Baden- Badener und Schließlich einigte man sich dahin, daß das Komitee zwar nur aus fonstigen Kommissionsbeschlüsse nicht informiert worden seien. Bertretern der sechs großen Mächte bestehen wird, aber vor seiner Berichterstattung auch die Vertreter der kleinen Mächte informiert und ihnen damit die Möglichkeit gegeben wird, sich zu diesem Bericht zu äußern. Mit dieser rein formalen Konzession gaben sich Titulescu und Genoffen zufrieden.

V. Sch. Haag, 3. Jamuar.( Eigenbericht.) Die feierliche Eröffnungssigung der Haager Schlußtonferenz fand heute vormittag in dem Gigungsjaal der zweiten holländischen Kammer statt, also in einem anderen Flügel des Binnenhofgebäudes als im Auguft. Der Plenarjaal der zweiten Kammer ist geräumiger als der der ersten Kammer, was auch nötig ist, um die viel zah! reicheren Delegationen alle an einem Konferenztisch unterzubringen. Jaspar Belgien eröffnete die Tagung in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Konferenz, den er nach allgemeinem Uebereinfom­men seit August beibehalten hat, mit einer längeren Ansprache. Er Das Komitee für die ungarischen, österreichischen und bulga ehrte zunächst in warmen Worten das Andenken Dr. Streferischen Reparationen tritt am Sonnabendvormittag zusammen. manns und erinnerte daran, wie man gerade mährend der August­konferenz die Fortschritte seiner verhängnisvollen Krankheit hätte jestitellen können. Dann begrüßte Jaspar die neu erschienenen feststellen können. Dann begrüßte Jaspar die neu erschienenen Konferenzteilnehmer, zunächst Tardieu, der nun mit seinem,.lächeln den Optimismus" an den Konferenzarbeiten teilnehmen werde, die neuen deutschen   Reichsminister Moldenhauer und Robert Schmidt und die Vertreter Desterreichs( Schober), Ungarns  ( Bethlen) und Bulgariens  ( Buroff). Den Rest feiner Rede bildeten die üblichen Wendungen über Frieden und Freundschaft zwischen den Nationen, sowie der Dank an die Niederlande  .

Danach war die öffentliche Sigung, die einschließlich der Ueber­fegung dieser Rede, inapp zwanzig Minuten gedauert hatte, zu Ende. In der darauf folgenden nichtöffentlichen Sitzung wurde

die Technik der Konferenzarbeifen vereinbart.

Man bildete zwei Romitees, das eine für die deutschen Reparationen, das andere für die Ostreparationen. Zum Borsigenden des ersten Romitees wurde Jaspar, zum Vorsitzenden des zweiten Komitees Loucheur ernannt. Das erste Komitee trat sofort zusammen und fegfe ein Unterkomitee ein, das einen Bericht über die Arbeit der verschiedenen Ausschüsse vorzulegen hat, die seit September in Paris  , Baden- Baden   und Brüssel   getagt haben. Es gab da

ein fleines Gepläntel,

Noch in der Plenarsizung gab es einen fleinen Zwischenfall, dessen Bedeutung man allerdings nicht übertreiben soll. Der Ver­treter Bolens überreichte dem Borsitzenden Jaspar ein Exemplar des deutsch  - polnischen Liquidationsabkommens mit einer Bemerkung, die jo hätte gedeutet werden können, als bildete dieses Abkommen einen integrierenden Bestandteil der Haager Konferenz. Reichsminister Dr. Curtius bestätigte, daß mit Polen   vereinbart worden sei, das Abkommen im Haag zu überreichen, fügte aber ausdrücklich hinzu, daß das

deutsch  - polnische Abfommen fich wohl aus den Haager Berhand­lungen hiftorisch ergeben habe, daß es aber seine Rechtstraff unabhängig von den Haager Reparationsbeschlüssen erlange. Diese Feststellung wurde widerspruchslos zur Kenntnis

genommen.

Es fällt allgemein auf, daß England nur den Schazkanzler Snowden und den Handelsminister Graham entsandt hat, daß aber das britische Auswärtige Amt weder durch Henderson noch durch einen prominenten Diplomaten vertreten ist. Lediglich der Gesandte Sir Eric Phipps   ist für das Foreign Office" anwesend, aber, we die Engländer scherzhaft selbst hinzufügen ,,, nur als Beobachter" Damit hat die englische Regierung offenfundig zum Ausdruck bringen wollen, daß sie die Haager Schlußkonferenz als eine rein finan­zielle und wirtschaftliche Angelegenheit anfieht, fie aber weder erwartet noch wünscht, daß irgendwelche politischen Fragen

weil die einladenden Mächte dieses Romitee mur aus ihren Ber  - von Bedeutung aufgeworfen werden.

Vom Hugenberg- Krach.

Die Ausgeschiedenen bekommen den Agrarierterror zu spüren.

Der aus der Hugenberg- Partei ausgetretene Reichstags­abgeordnete ülser hat vor vier Jahren in Schlesien   ein Blatt gegründet, das für die christlichen Arbeiter bestimmt mar und den Namen Schlesische Landpost" führt. Nach dem Krach in der Hugenberg- Partei und dem Austritt Hülfers haben die allmächtigen Großagrarier eine Boykott­bewegung gegen die ,, Landpost" eingeleitet, voran der Vor­figende des Landesverbandes der Deutschnationalen   Bolts­partei, von Goßler, der zugleich verkündet, daß der Reichstagsabgeordnete ülser das in ihn gesezte Ver­

trauen schwer enttäuscht" habe. Hülfer flagt nun, daß unter diesem Drud eine große Anzahl von Abonnenten die Schlesische Landpost" abbestellt hätten, und fährt dann fort:

,, Gleichzeitig führt die altkonservative ,, Schlesische Tages post", die in vielen tausend Exemplaren von Guts befigern für ihre Landarbeiter gehalten wird, einen höchst unfachlichen Kampf gegen meine politische Haltung und vor allem meinen Austritt aus der Deutschnationalen Volkspartei  , ohne daß ich in der Lage bin, auch meine Auffaffung in der ,, Tages­ post  " wiederzugeben. So follen die Landarbeiter ihres einzigen eigenen christlich- nationalen und so­zialen schlesischen Blattes beraubt und der sozial­reaktionären Beeinflussung der Herren von Seidlig- San­dreczki und von Freytagh- Loringhoven ausgeliefert

werden.

Mit der Haltung der Schlesischen Tagespost" werden sich die leitenden Stellen der chriftlich- nationalen Arbeitnehmerbemegung und vor allem der christlich- nationalen Landarbeiterbewegung als: bald befassen. Ihre herausfordernde und beleidigende Schreibweise wird die erforderliche Antwort und praktische Auswirkung be­

tommen.

Die ländlichen Arbeitnehmer sollten lieber die örtlichen Kreis. blätter auf eigene Roften halten, als ein Blatt umsonst zu lejen, bas für ihre Standes und Kulturbedürfnisse so wenig Ber ständnis hat wie die Schlesische Tagespost".

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Das ist ein bezeichnendes Kulturbild aus Ostelbien! Die christlich- nationalen" Landarbeiter müssen das Leiborgan der Gutsherren lesen, das ihnen gratis geliefert wird. So erhält ein deutschnationales Blatt eine größere Auflage, und

die Arbeiter werden geistig verblödet. Daneben dürfen sie ein eigenes christlich- nationales Organ auf eigene Roften lesen, aber nur, solange dessen Leiter mit den Grundherren durch dick und dünn gehen. Wagen sie zu mudsen wie der noch eine solche Zeitung im Hause hat! Hülfer, so fommt der Terror, und wehe dem Gutsarbeiter,

Oberbürgermeisterschub.

Neuwahlen in Leipzig  , Dresden   und Chemnitz   bevorstehend

Außer dem Leipziger   Oberbürgermeister Dr. Rothe beabsichtigen auch der Oberbürgermeister von Dresden  , Dr. Blüher, und der Oberbürgermeister von Chemniz, Dr. Hübschmann, zurückzutreten. Der Ausgang der legten Gemeindewahlen und die neue Kommunaltaktik der Rommunisten haben die Aussichten der Bürgerblöckler in den Gemeinden verstärkt. In Chemnitz   hat sich bereits eine bür gerliche Arbeitsgemeinschaft von den Demokraten bis zu den Hatenfreuglern zusammengefunden. Die bevorstehenden Oberbürgermeisterwahlen scheinen demnach im Zeichen des Bürgerblocks zu stehen.

Schulraub in Dirschau  . Ein Zerroraft des Magistrats.

Der neue polnische Innenminister ze wsti( sprich Jusewifi) ist in den Telegrammen als Freund gerechter Behandlung der Minderheitenvöller vorgestellt worden. Man wird ihn also noch Man wird ihn also noch nicht für entgegengesetzte Handlungen seiner Unterbehörden verant wortlich, ihn aber darauf aufmerksam machen müssen.

Der Magistrat der Stadt Dirschau  ( jetzt Tichem) hat beim Jahreswechsel dem Deutschen   Schulverein die Räume im Evange­lischen St.- Georgen- Hospital zum 1. Juli d. 3. gefündigt, die für das deutsche Progymnasium gemietet sind. Nach Ablauf eines Semesters würde das Progymnasium ohne Schulräume da­stehen.

Dolendenkmal in Ostroberschlesien gesprengt. Katfowitz, 3. Januar.

Freitag morgens gegen 4 Uhr murde in Boguschüß das Aufständischen denkmal gefprengt. Die Detonation war so heftig, daß in den umliegenden Häufern Scheiben durch den Luft brud zertrümmert wurden,

ist Schutz der Freiheit!

Wenn sich der Reichstag   am Ende dieses Monats wieder versammelt, wird zu den vielen Aufgaben, die er dann zu lösen haben wird, auch die Verabschiedung des Gesetzes zum Schutz der Republik   gehören. Nach einer ziemlich haftigen ersten Lesung ist der Entwurf zur Beratung im Straf­rechtsausschuß reif geworden, aus der er wahrscheinlich nicht ohne erhebliche Veränderungen hervorgehen wird.

Der Entwurf will bekanntlich eine Lücke ausfüllen, die durch den Fall des alten Republifschußgejeges im Sommer vorigen Jahres entstanden war. Zeitlich will er die Distanz überbrücken bis zum Inkrafttreten des neuen deutschen Straf­gesetzbuches.

Das alte Republikschußgefeß, das im Sommer vorigen Kaiserparagraphen nicht aufzutreiben war, entsprang einer be­Jahres fiel, weil die erforderliche Zweidrittelmehrheit für den stimmten geschichtlichen Situation und war ganz auf sie zu geschnitten. Es richtete sich gegen eine organisierte Heze, die fich in einer Reihe von Attentaten auf führende Männer, zuletzt in der Ermordung Rathenaus, ausgewirkt hatte. Heute können wir die Periode der politischen Attentate als abgeschloffen betrachten, und es darf überlegt werden, in­wieweit noch besondere gesetzliche Schutzmaßnahmen gegen ihre Wiederholung erforderlich sind.

Man kann vielleicht finden, daß der vorliegende Entwurf im Ehrenschuh für Minister etwas weitergeht, als notwendig ist. Damit soll nicht gesagt sein, daß eine kurz fristige Gefängnisstrafe für grobe Beschimpfung oder. Vers leumdung eines Ministers zuviel ist. Aber die Eigenart dieses Geleges besteht eben darin, daß als Subjekte der in ihm auf­gezählten Straftaten nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Vereine und Zeitungen in Betracht kommen. Sie verfallen, menn fie gegen das Gefeß verstoßen, der Auflösung und dem Verbot. Es kann also unter Umständen wie das übrigens auch unter dem alten Gesetz der Fall war eine Beitung verboten werden, weil sie ein lebendes oder ver­ſtorbenes Mitglied einer Reichs- oder Landesregierung be­ichimpft oder verleumdet hat. Wenn auch in der Braris ein Mißbrauch dieser weitmaschigen Bestimmung und ähnlicher nicht zu verzeichnen war, so fönnte man sie doch auf ihre weitere Unentbehrlichkeit prüfen und das um so mehr, als die Zeitungsverbote in Zukunft viel wirkungsvoller

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gestaltet werden sollen als bisher.

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Bisher war es nämlich möglich, Zeitungsverbote zu um­gehen, indem der Verlag den Abonnenten eine Eria­zeitung lieferte. In Zukunft sollen solche Ersatzeitungen, die der Umgehung des Berbotes dienen sollen, gleichfalls ver­boten werden. Natürlich bleibt dem Abonnenten das Recht, nach dem Verbot seines Leibblattes diejenige Zeitung zu abonnieren, die ihm unter den erlaubten am besten gefällt. Aber er muß selbständig aus eigenem Willen zu dieser anderen Zeitung in Beziehung treten, fie darf ihm nicht vom Verlag des verbotenen Blattes als Ersatz ins Haus geschickt werden, sonst verfällt auch sie dem Verbot.

Wegen dieser sehr weitgehenden Möglichkeiten sollte man sich im Ausschuß die einzelnen Delikte des Gesekentwurfs ge­nauer ansehen. Man soll die Auflösung von Vereinen und das Berbot von Zeitungen auf solche Fälle beschränken, in denen sie wirtlich notwendig sind.

wendigkeit überhaupt gegeben ist. Wie heute die Dinge liegen, Hier entsteht die grundsätzliche Frage, ob eine solche Not­muß diese Frage bejaht werden.. Man fönnte in äußerster Berfechtung liberaler Grundsäge sogar die Anreizung zu Verbrechen als freie Meinungsäußerung" ungehindert passieren lassen-- aber nur solange, als diese Anreizung ohne Wirkung bliebe. In dem Augenblick jedoch, in dem die Wirkung sichtbar wird, ist der Punkt erreicht, an dem es auch für den Fanatiker der schrankenlosesten Rede- und Presse­freiheit einfach nicht mehr so weitergeht, wo das Einschreiten der Staatsgewalt unvermeidlich wird.

Der neue Entwurf nennt als feinen 3wed nicht mehr bloß den Schuß der Republik  ", sondern auch ,, die Befriedung des politischen Lebens". Man kann nicht mit Unrecht behaupten, daß die Republik   als solche heute nicht mehr gefährdet ist, eines gerichtlichen Sonderschutzes also auch nicht bedarf. Desto notwendiger ist jedoch das, was der Gesekentwurf die Be­friedung des politischen Lebens" nennt. Hier handelt es sich nicht darum, irgend welche Freiheit zu unterdrücken, sondern im Gegenteil die Freiheit des Kampfes mit geisti­riegeln gegen den Einbruch des politischen Rowdy­gen Waffen zu schüßen, die Arena der Demokratie abzu­riegeln gegen den Einbruch des politischen Rowdy­

tums.

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Tagtäglich liest man von Schießereien und Messer­stechereien, nicht selten mit tödlichem Ausgang, die in fo= genannten politischen Meinungsverschiedenheiten ihre Ursache haben. Jeder Mensch von anständiger Gesinnung er mag mit seiner politischen Ueberzeugung in welchem Lager immer stehen muß es aufs tiefste bedauern, wenn diesem sinnlosen Treiben ein junges Menschenleben nach dem andern zum Opfer fällt. Wenn es nun Organisationen gibt, die sich die Schlägerei mit politischem Vorwand zum