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Nr. 6

47. Jahrgang

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Technik

Hollow Sonnabend

4. Januar 1930

Das Jahr 1929 im Spiegel der Technik.

Das größte und bedeutungsvollste Ereignis des Jahres 1929 war zweifellos der Weltflug des Luftschiffes Graf Zeppelin ", der von der Freiheitsstatue in New Yort ab begann und über Fried richshafen- Tokio Los Angeles wieder bis zur Frei heitsstatue ging. Rund 355 000 Kilometer lang war die Strecke, die in 21 Tagen, 5 Stunden und 25 Minuten durchflogen wurde. Zieht man die Landungspausen auf den drei Zwischenstationen ab, dann bleibt eine reine Flugzeit von nur 12 Tagen und 35 Minuten. Begonnen wurde die Fahrt am 8. August, beendet am 29. August. Wie wenige aber nur wissen, daß im Jahr 1929 die ersten deutschen Kleinluftschiffe vollendet wurden? Luftschiffchen möchte man fie nennen und doch hat man sie ebenfalls angestaunt, wenn man sie über den Häusern der Städte kreuzen sah. Das erste dieser Kleinluftschiffe wurde von den Raab- Ragenstein- Flugzeugwerken in Kassel vollendet und startete am 4. Mai.

Für den Luftverkehr zu Land ist das größte lugzeug in der G 38 fertiggestellt worden, dem fliegende Haus" von Professor Junkers in Dessau Dieses Riesenflugzeug stellt die Berwirklichung

es bei voller Fahrt mit einem Radius von etwa 6 Meter menden finden, da das neue Wert nicht der hohen Anpassungsfähigkeit an und ohne Fahrt auf der Stelle wenden fann!

3m. Ottober wurden zwei neue Rheinbrüden eingeweiht. Die eine in Düsseldorf , die andere in Köln . Die bedeutungsvollere und auch technisch interessantere iſt die von Köln nach Mülheim . Inter­effant dadurch, daß sie als Drahtseilbrücke gebaut wurde, daß sie die erste Rheinbrüde ohne Strompfeller und zugleich die größte Kabelbrüde Europas ist. Die Entfernung der beiden Brückenpfeiler, die die beiden Drahtseilfabel tragen, beträgt 315 Meter. Jedes Kabel besteht aus 37 Geilen, jedes Seil wiederum aus 271 Einzeldrähten. Die beiden gewaltigen Kabel find je 50 Zentimeter dick.

Im Landverkehr ist zu erwähnen, daß im Mai die Elektrifizie rung der Berliner Stadt- und Ringbahn beendet wurde, an der man seit zwei Jahren gearbeitet hat. Während beim Dampfbetrieb ein 3ug Berlin in 120 Minuten umfuhr, braucht der elektrische Zug hierfür nur 70 Minuten. Im Berliner Hoch und Untergrundbahn neg ist am 4. August der größte Hochbahnhof Europas , die Station

die Belastungsschwantungen bedarf, vielmehr nur die an Tage in Berlin vorhandene Grundlast des Stromnetzes liefern soll, und ferner, weil die Kohlenstaubfeuerung des Klingenberg- Werkes zu Klagen der Anwohner über Flugaschenbelästigung geführt hat. Die Fundierungsarbeiten, die wegen ungünstiger Bedenverhältnisse jehr schwierig waren, wurden in fast zwei Monaten durchgeführt, und bereits im Herbst 1930 soll das Wert mit mehr als 50 Proz. seiner Gesamtleistung in Betrieb genommen werden, während das ganze Wert mit insgesamt 230 000 Kilowatt bis zum Herbst 1931 betriebs­fertig sein soll. Hier ist eine andere Höchstdruckdampfanlage zu nennen, die im November bei der Ilse Bergbau- Aktiengesellschaft in der Niederlaufig in Betrieb genommen wurde. Die Dampfanlage arbeitet mit 125 Atmosphären- lleberdruck. Wenige Wechen vorher wurde einer der höchften Schornsteine Deutschlands fertiggestellt. Er ist beim Leipziger Fernheizwert errichtet und 156 Meter hoch. Auf einem Eisenbetonunterwert von 32 Meter erhebt sich die gemauerte Säule von 124 Meter Höhe, die am Fuß eine Wandstärke von

DoX"

Zeppelin

Junkers G.38

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Moderne Rheinbrücke

bei der Reichsbahndirektion Halle a. S. die ersten Kohlenstaub­lokomotiven zur Erprobung im Güterzugdienst eingestellt. Im September nahin die Reichsbahn den ersten Turmwagen" in Be­trieb, der eine tombinierte elektrische Lokomotive darstellt, und zwar in der Weise fombiniert, daß der Wagen sowohl für Strom­antrieb befißt, so daß er auch auf Strecken ohne Oberleitung fahren tann.

eines Junkersschen Batentes vom Jahr 1910 dar. Damals fchon ließ| Rottbusser Tor", eröffnet morden. Zu Anfang des Jahres wurden sich Junkers ein Nur- Flügel- Flugzeug" patentieren, und jetzt darf der Historiker wohl behaupten, daß alle bisherigen Junkers- Flug­selbst die großen und viel bewunderten dreimptorigen myr Etappen eines genialen Gedankens und seiner Ausführung waren! Im Anfang des kommenden Jahres soll das, fliegende Haus" zeigen, was er fann. Glück auf! ihm und feinem Schöpfer! Basabnahme aus Dberleitungen eingerichtet ist, als auch Akkumulatoren­die G 38 für den Luftverkehr zu Lande darstellt, das ist für den Luftverkehr über Wasser das Flugboot von Dr. Claudius Dornier, das die Inpenbezeichnung Do. X. trägt. Hier sei einmal verraten, daß das Luftschiff Graf Zeppelin " und das Flug. boot Do. X eigentlich miteinander verwandt sind, wenn auch etwas entfernt. Denn Dr. Dornier war jahrelang Mitarbeiter des Grafen Zeppelin, und dieser stellte dem Vater des Do. X im Jahr 1914 in großzügigerweise Geld zur Verfügung, so daß Dr. Dornier sich selbständig machen und den Grundstock des heutigen Unternehmens das natürlich manche Wandlung durchgemacht hat legen konnte. Aber ein Ereignis ist am faufenden Webstuhl der Zeit im Februar faum gehört worden: Das Knattern und Brummen eines Schwerölmotors im Flugzeug über dem Dessauer Flugplatz der Junters- Werte. Wohin diese Bersuche führen, ist heute noch nicht abzufchen, aber selbst dieser erste Versuch verdient beachtet zu

merden.

Der Segelflug hat Riesenfortschritte gemacht. Im April ist Robert Kronfeld in der Rhön bis auf 1275 Dieter hinaufgefegelt, und zur felben Zeit war schon ein fchwanzloses Segelflugzeug der Rhön - Rofitten Gesellschaft im Bau, das beachtenswerte Erfolge er zielte und im Herbst bei seinem Berliner Besuch. viele Neugierige zum Tempelhofer Flughafen zog.

Beniger bedeutungsvoll für die Gegenwart als die Groß­leistungen im Flugmejen, aber dafür um fo origineller sind die Bersuche dieses Jahres, ein Flugzeug durch Rafetentraft anzutreiben, und die Kraft der Ratete zur Borwärtsbewegung eines Schlittens zu verwenden; dies geschah am 22. Januar durch Mag Balier zu München .

Bezeichnend für unsere Zeit ist die Anwendung zweier ganz verschiedener Mittel zur Zeitersparnis. Ich meine die Vereinigung von Schiff und Flugzeug. Nicht nur, daß die Bremen das Blaue Band" erwarb, dem ruhelojen Gegenwartsmenschen ist selbst die große Schiffsgeschwindigkeit der Bremen nicht ausreichend, und so startet eine Tagereife vom Ziel entfernt mit Hilfe eines Drucklufttatapultes auf dem in voller Fahrt befindlichen Dampfer ein Flugzeug, das viele Stunden vor dem Schiff landen kann. Die Anwendung des Katapultes zum Start von Flugzeugen ist bereits mehrere Jahre alt, aber am 29. Juni startete so ein Heinkel Flugzeug zum erstenmal auf einem Dampfer, auf der Bremen ". Im Juni 1929 wurde zum erstenmal der Voith- Schneider­Propeller als Schiffsantrieb bei Potsdam öffentlich gezeigt Diefer Propeller, der von dem Wiener Ingenieur Ernst Schneider tonstruiert und von der Maschinenfabrik Voith in Heidenheim gebaut wurde, stellt einen ganz neuartigen Schiffsantrieb dar, der zugleich Schiffssteuer ist. Das bei Potsdam vorgeführte Schiff, der Tor quen I", ist 13 Meter lang. Der Propeller sizt etwa in der Mitte der hinteren Schiffshälfte am Kiel des Bootes, und er wirkt so, daß das Schiff bei voller Fahrt auf etwa 12 Meter abſtoppen fann, daß

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Am 18. Mai ist in Berlin in der Winterfeldtstraße ein neues Fernamt eröffnet worden. Hier werden mehr als 1600 Beamte be­schäftigt. Es ist eine der größten Fernvermittlungsstellen der Welt. Bom Rundfunt sei hier die Einführung des Bildfunts in das Tagesprogramm erwähnt, doch wird er bald aus dem Programm wieder verschwinden. Dann ist am 29. Mai in Berlin in unmittel­barer Nähe des Funkturms der Grundstein zum Neubau des Reichs­Rundfunkgebäudes gelegt worden, darin die Reichs- Rundfunk- Gesell: schaft, die Zentralstelle des deutschen Rundfunks, ihren Siz haben wird und die in Berlin befindlichen Sender untergebracht werden sollen. Ende August wurde der Weltrundfunksender Königswuster­haufen in Betrieb genommen.

Das Jahr 1929 ist für Deutschland auch das Geburtsjahr des Tonfilms. Außer den ersten ausländischen Vorführungen der erste amerikanische Tonfilm Singing Fool"( Der singende Narr) wurde am 3. Juni in Berlin als erster in Deutschland aufgeführt murde am 1. Mai in Neubabelsberg mit dem Bau des ersten deutschen Tonfilmaufnahmeateliers begonnen.

Bemerkenswert ist die am 6. Juli vom Verband Deutscher Elektrotechniker zu Aachen veranstaltete erfte internationale Fern­tagung", an der außer Deutschland die Länder Desterreich. Ungarn und Holland teilnahmen. Die ausländischen Rongreß teilnehmer brauchten nicht, wie das bei internationalen Tagungen bisher üblich war, zum Hauptversammlungsort zu fahren, sondern nur bis zu den Hauptstädten ihrer Länder, also Wien , Budapest und Haag. Auf telephonischem Wege wurden nun die Versamm fungen, die in den vier Kongreßstädten stattfanden, in den anderen Orten hörbar gemacht. Wenn also ein Ungar in Budapest sprach, dann konnten ihn die Deutschen in Aachen , die Desterreicher in Wien und die Holländer im Hoag hören, ja, auf diese Weise tonnten jogar die Diskussionen erledigt und Rebe und Gegenrebe übertragen werben!

90 Zentimetern hat! Der Außendurchmesser am Fuß der Säule beträgt 11,26 meter, während er oben 7,26 Meter mißt.

Dann brachte das Jahr 1929 den Abschluß e'ner hervorragenden Ingenieurleistung: Die Inbetriebnahme des Wasserkraftwerkes am Shannonfluß, das ganz Irland mit elektrischem Strom versorgen soll. Gilbert W. Feldhaus.

Im Laufe des vergangenen Jahres wurde die größte Funk­station der Welt in Nagona in Japan in Betrieb genommen. Der von Telefunken erbaute Maschinenfender hat eine Leistung von 150 000 milliampère in der Antenne. Diefe Energie wird von einer Hochfrequenzmaschine von 650 KB. erzeugt.

In Deutschland wird der Welfrundfunksender in Königswuffer­hausen eröffnet, der auf einer Wellenlänge von 31,38 Meter arbeitet. Unter den technischen Bauten, die in Deutschland vollendet wur­den, ist auch die Schleuse bei Fürstenberg a. d. Oder zu nennen,

die einen Höhenunterschied van 14,8 Meter überwindet und dadurch drei hintereinanderliegende Schleusen entbehrlich macht. Dadurch nicht unerheblich abgekürzt.

wurde der Weg durch den Oder- Spree- Kanal für die Schiffahrt

In England erreichte Kapitän Drlobar auf dem Flugzeug Supermarine S 6" die geradezu phantastische Geschwindigkeit von 600 kilometern in der Stunde.

Für Deutschland war der 3. Februar des vergangenen Jahres auf dem Gebiete der Luftfahrt ein wichtiger Gedenktag. Die deutsche Luftfahrt konnte ihr 10jähriges Bellehen feiern. Während im Jahre 1919 die Flugstreckenleistung 580 000 Kilometer beirug, ist sie in­zwischen auf fast 10 Millionen gewondysen. Die Zahl der Bassa­giere und die Menge des beförderten Gepäcks sind dementsprechend ftändig gestiegen. Die Berbefferung der nautischen Geräte gestattet auch das Befliegen solcher Strecken, die teine durchgebildete Boden­organisation befizen. Bemerkenswert sind die Flüge der Deutschen Lufthansa nach den Kanarischen Inseln, die zunächst vollen Erfolg versprachen, dann aber mit dem Tod zweier hervorragender Piloten anläßlich der Katastrophe des Flugzeugs Teneriffa " einen trauri­gen Abschluß fanden.

Zum Schluß möge noch daran erinnert werden, daß die elet­frische Eisenbahn am 1. Mai vergangenen Jahres in Alter von 50 Jahren erreicht hatte. Auf der Gewerbeausstellung, die 1879 in Berlin stattfand, führte Werner von Siemens eine kleine, au Rund­fahrten auf dem Ausstellungsgelände eingerichtete Eisenbahn vor. Die erfte Höchstbrudteffelanlage nach dem System Benson Auf Grund der hier erzielten Erfolge wurden alsbald in der Welt ( Benson- Kessel) wurde in den Siemenswerten am 15. Juli in Betrieb elettrische Bahnen gebaut. Die Elektrifizierung der Elfenbahn genommen. genommen. Die Anlage enthält eine Rohlenstaub- Aufbereitungsfeiert heute ihre größten Triumphe. Der elektrische Betrieb bietet anlage, die Steffelanlage für Kohlenstaubfeuerung und die Elektro- gegenüber jedem anderen große Vorteile, denen nur ein Nachteil filteranlage zur Rauchgasentstaubung, wobei die Rauchgase zur gegenübersteht, daß die ganze Anlage von einer zentralen Kraft­Trocknung der Kohle verwendet werden. In dem im Besten quelle abhängig ist. Berlins im Bau befindlichen Großkraftwerk zur Entlastung des im Often der Stadt gelegenen Großtraftwerks Klingenberg- follten ursprünglich Benson- Höchstdruckteffelanlagen eingebaut werden, doch hat man sich entschlossen, hiervon abzusehen, weil die zwar äußerst rationell arbeitenden Benson- Keffel bis zur Fertigstellung des West­kraftwerkes" technisch noch nicht so durchgebildet werden können, daß man ein ganzes Großtrastwert nach diesem System ausstatten tönnte. Auch die Kohlenstaubfeuerung wird keine Anwendung|

Heute übersehen wir bereits diese Entwicklung, und wenn auch das technische Jahr 1929 teine in ähnlichem Sinne wirkende: m- wälzende Erfindung brachte, so zeigte es doch auf so vielen Gebieten Spigenleistungen, daß man hier mit Recht von technischen Wunder­werken sprechen kann. Von uns Sozialisten aber wird die Technik erst dann als Befreierin anerkannt werden können, wenn sie aus den Fesseln des Kapitalismus erlöst ist und befreit von allem Profit­streben dem Wohle aller dient.

Bremen