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?lf.?» 4?. Iahrgaag Esnniag, S. Ism»ar �930

Es wnlmt in Verlin«in Ifornt, der die Ausdauer besessen Kol. Hunden Jahr« alt zu werden. Er ist dos. was man einen würdigen. ziemlich rüstigen Greis nennt. Er hört schlecht, Hot keinen Zahn mehr im Mmrd« und hielt olle Dinge dieses Lebens unter ein Vergrößerungsglas. Nor einem hundertjährigen Menschen steht man innner etwas beklommen wie vor einem achtunggebietenden Museumsstück. Man weiß eigentlich nicht recht, was man ihm ins Ohr brüllen soll. ..Sonnen Tie sich eigentlich noch entsinnen, wie Verlin aussah, als Sie ein kZung« waren?" Ja. das konnte der alte cherr.Jans anders. Keene Elektrische und kerne Autos, ne«, die jabs erst rtlle speela. und fear elektrischet Licht." Das war wohl interessant! aber nicht ganz unbekannt. Schließlich erhob sich der würdige, ziemlich rüstige Greis, humpelte an den Bücherschrank und bolte eine alte. vergilbte Schwarte hervor. Es war �dsrBerliner Roch. weiser zu allen hiesigen Sehens- und Merk­würdigkeiten. mit welchen bekannt zu seyn Einheimischen und Fremden»rützlich ist." Ein Buch aus dem Jahr« 18. 3 0. Und dieses Buch konnte Kesier erzählen als der Hundertjährig«. DieserRachweiscr" wußte bester Bescheid, wie es in Berlin vor hundert Jahren aussah, wieviel HiursT und wieviel Straßen es hatte, und welch« Sehenswürdigkeiten es auswies. Fein säuberlich war alles aufgezahlt. Mit der Atadsmie der Künste fängt's an und rnt den Zünften hört's auf. Darum sollen wir nicht mal entige Brocken aus dieser alphabetischen Beschreibung Berlins her aus­picken? Hundert ist eine schöne runde Ziffer, und Berlin hotte damals gerade soviel Wohnungen, w«e uns heute schien. Also, Achtung: hier ist Berlin aus dem Jahre 1830. AkaAemle 6er 9Ulnfte. Sie hat ein Direktorium von 15 Personen, 4 Assessoren. 10 akademische Lehrer. 22 Mitglieder und viel« Ehrenmitglieder. In den großen Sälen derselben werden olle zwei Jahr«.Kunst- ausstellmrgen gehalten. Heb« dem Haupteingang dieses Gebäudes ist die akademische Uhr, welche immer richtig gehen soll, und deren Zifferblatt des Abends erleuchtet ist. .'Brunnen- Springbrunnen oder Rohrwasser haben wir hier nicht, wohl ober aus den Straßen gegen 800 sogenannte Pumpbriinnen, und Otis den Höfen nach mchr, welche fast alle gutes T-rinkwoster geben. Die großen, im Sommer angefüllten Dasterföfier bei den Straßen- brurmen, sind wegm Feuersgefahr vorhanden. Won&ertc. Konzert« werden in Berlin schr viel veranstaltet. Wenn die Bekanntmachung dahin lautet, daß das Konzert in dem Saal des Rationalchsoters gegeben werden soll, so ist dies ein Konzert im edkern Sinne des Wortes. Häufiger werden Konzerte in den Cafe- gärten und von den MWärmusici gegeben, und obgleich auch unter

ihnen tüchtige Künstler sind, so raucht man doch dabei Tabak und klappert mit den Kafscetassen und Bierglösern. Dir Dampf fchiSfahrtogefeUfchaff. Die Gesellschaft wurde im März 1828 mit 4 Direktoren er- öffnet und läßt ihr« Schiffe zwischen Berlin und Magdeburg und von da noch Homburg gehen. Eine frühere ähnlich« Anstalt konnte nicht bestehen. Cxersierplalsf. Ein solcher Platz siegt gleich vor dem Brandenburger Tore, ein längsiches Viereck, auf dem ein« Parade von 30000 Mann ab­gehalten werden kann. &everWfrhanflaHen. Es gibt gewiß Städte, wo die Feuerlöschmfftalten bester sind, als hier, allein diese sind doch bei uns so weit gediehen, daß ein ajisocbrochenes Feuer selten mehr als ein Haus ruinieren kann. Aus 24 Spritzhäusern können 48 Spritzen bei dem ersten Lärm herbeieilen.

Gastcrleuritlvngs�cfeUfchefh Die Londner. und deren Fabrikationsgebäudc find links vor dem Hallsschen Tor an der Mover Rr. 4. Der Anfang dieser Anstalt geschah mit Legimg der ersten Röhren om 20. August 182Z- Am 10. November 1826 fing die Gaserlcuchtnnz Unter den Linden an. und hat sich seitdem schon schr ausgebreitet. Das Licht brennt vom frühen Abend bis zum Anbruch des Tages. Den armen Hunden wurde auch schon vor hundert Jahren böse mitgespielt. Sic mußten an der Leine geführt werden, den Tier garten dursten sie überhaupt nicht betreten. Damals gab es in Berlin auch ein Zniclligenzkontor. Es lag in der Kurftr. ZZ. Dort wurden täglich 2 bis 4 Bogen der Jntelli- genzblätter herausgegeben. Der Jahrgang kostete drei Taler. lieber Leihbibliotheken weiß der Nach weiser zu melden, daß sie unter genauer Aufsicht der Polizei standen, die schlüpfrige Bücher nicht duldet«. Möblierte Zimmer kosteten 4 bis 20 Taler Monatsmiete. Nachtwächter waren 112 angestellt. Die Stunden zeigten sie durch eine Pfeife an. Feucrsgefahr durch ein Horn. 600 Schifflsteller lebten damals in Berlin . U. a. Langbein. Strcckjuß, Julius von Boß. Holthey, Franz Horn, Clauren. Ebamisio, Willibald Alexis , von Fouquä, Raupach, Larnhagen von Ense , von Arnim. Türmchen wurde das Koppcnsche Armenhaus genannt, in dessen Hinterhaus die Leichen unbekannter Verunglückter oder Selbst- mörder ausgestellt wurden. Volksfeste gab es außer dem Strolauer Fischzug nicht. Aber für Erholung om Wochenende war gesorgt. DerNachwciser" empfiehlt folgende Wasserspoziersahrtcn: Solche Fahrten geschehen oberhalb der Schleuse, von der Stralauer Brücke ab nach Stralau. Treptow und auch wohl nach Köpenick , in artigen verdeckten Gondeln zu 12 bis 20 Personen, und die Person zahlt bis Stralau oder Treptow 3 bis 4 Silbergroschen. Unterhalb der Schleuse gehen die Gondeln gewöhnlich erst bei den Zelten in» Tiergarten ab, und fahren hinüber noch Moabit oder auch nach Eharlostenburg. Die Ufer aus beiden Fahrten haben für genügsame Berliner Reiz gemrg. Drei täglich erscheinend« Zeitungen versorgten die Berliner mit, Nachrichten Es waren dies die.Hemde- und Spcnersche Zeitung", 1 diePofsische" und dieStaatszeitung ", i- 1

Sparprogramm und Bautenstillegung. Schwere Folgen für den Arbeitsmarkt.

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I» der» Spar grogra« m. zu dem der Berliner Magistrat sich entschließe««tust, spiele» die Koste» der teils erst geplante«, teils fcho» begonnenen und manchmal znm große« Teil schon fertigqestellte« Baute» eine besondere Rolle. TerVorwärts" hat bereits am Tonnabend ans de» Erörterungen der kommunalpoliti- fchen Pressekonferenz mitgeteilt, daß der Verzicht aus Beginn oder Weiterführ»ng von Bauten nicht immer so ohne weiteres möglich ist. Das Heer der Arbeitslosen, das ohnedies erschreckend groß ist, würde durch rücksichtslose Vantenstillegung noch außer- ordentlich stark vermehrt, und im übrigen kann man auch nicht gegen den Wille» der mit der Bauausführung betrauten Firme» die Verträge einfach aufheln:». Der Magistrat hat nun in feiner Dounnbendfiüung. auä der wir in der Abend-Ansgabe eine vorläufig« Mitteilung brachten, nach langen Beratungen die Grundlinien für

fei« Stillegungsprogramm beschlossen, und er will in den nächsten Tagen die Einzelheiten ausarbeiten. Im Hochbauwescn soll, soweit die Verträge es zulassen, stillgelegt«erden, was stillgelegt werden kaim. Das bedeutet, daß van 80 Millionen Mark Sauausgaben-20 M il- lionen Mark, van vornherein wegfallen, womit dann aber auch die Arbeitsgelegenheit sich c n t- sprechend stark oer mindert. Der Magistrat ist fest entschlossen, Vcrtragsbruchkostcn zu vermeiden. In den meisten Fällen werden die Unternehmer selber den Wunsch haben, sich mit der Stadt friedlich auseinander zu setzen. Im Tiesbauwesen wird die Stillegungsalt'on weniger schwierig sein, weil hier die Arbeiten möglichst so eingerichtet werden, daß sie vor Eintritt de? Frostes beendet sind. Trotzdem ist auch hier mit einem Arbeits- fortfall im Betrage von 6 bis 7 Millionen Mark zu rechnen. Vermeiden wird man die Stillegung von Bauten, die dadurch Schaden erleiden müßten, so daß vielleicht sogar eine Mehr- ausgab« entsteht. Das gilt besonders für Bauten, die der Voll­endung nahe sind. Weitergebaut wenden z. B. das Stadtbad

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Dann wird Ihr Hinterhof wie eine Mauer bekommen, weil ich Ihnen meine Meinung bereits gesagt habe." Aber Herr des Himmels, Mann, so denken Sie doch ein bißchen. Sie können dock) da nichts hinbauen. Glauben Sie, ich werde erlauben, daß mir Leute in meinen Hof hinein- gucken? Es werden weder Ihnen noch sonst wem Leute in den Hof gucken." Und wenn Sie da vorne bauen, so werde ich es Ihnen euch verbieten, mir da Fenster hinzusetzen." Ich habe nickst die Absicht, da vorn zu bauen." Was wallen Sie denn zum Teufel mit dem ganzen Tsrram anfangen?" Das ist meine Sache. Sie werden es schon eines Tages erfahren. Eines Tages wird es Ihnen leid tun, daß Sie mir das Grundstück nicht verkauft haben." Wenn es mir leid tut, so werde ich das ertragen. Ich kann Ihnen blaß sagen, daß ich es mir keineswegs gefallen lasten werde, daß sicy mir irgend jemand in den Weg stellt." Damit waren die Derhandlungen beendet. Es folgte nun ein langer und stillschweigender Kampf zwischen dem portugiesischen Kurzmoreichändler und dem portugiesischen Barbesiger. Der erstere schob den Bau seiner Mauer hinaus, bis sich fein Grundstück zum Hügel hin er- waitert hätte, und der letztere gab die Hoffnung nicht auf, einen Teil von Mirandas Hinterhof erstehen zu können, was ihm von unschätzbarem Wert zu sein schien, wenn er einmal dazu käme, den Plan zu verwirklichen, der sich seit langem In seinem dicken Schädel geformt hatte eine Siedlung im großen Stil zu bauen, eine endlose Reihe kleiner Häuser, «inen Bienenstock geradezu, lauter Mietswohnungen. wie es sie in ganz Rio nicht gab, und neben denen die vorhandenen Gemeindewohnungen in Botafogo ganz und gar verschwinden würden. Das war sein Ideal. Jahrelang hatte Ioao Romao' einzig

für die Verwirklichung dieses einen großen Zieles gelebt. Er «räumte jede Nacht davon. Niemals versäumte er eine Auktion von Baumaterialien: Bauholz aus zweiter Hand, Dachplatten und Ziegel kaufte er gierig, wenn sie billig zu haben waren; Geschäfte in Kalk waren seinem Herzen eine Wonne. M dies Material wurde rechtmäßig nach Haufe gebracht und auf dem unbebauten Gelände aufgestapelt, das bald aussah, als hätte dort ein Erdbeben gewütet, soviel oer- schiedonc Gegenstände hotten sich dort angehäuft. Bretter und Balken lagen da. Klötze und Schiffsmoste, zerbrochene Karren und Lastwagen, Schornsteine aus Eisen und Ton, demolierte Oefen, Riesenhaufen von Dachplatten in allen Formen und Größen, Berge von Sand und Lehn,, Pyramiden alter Ziegelsteine, zerbrochene Leitern, ein Schuppen voll Kalk aller nur erdenkliche Abfall, Plunder und Gerumpel. Und der Eigentümer oll dieser Schätze, wohl wissend, wie leicht so etwas gestohlen werden kann, ließ jede Nacht einen bissigen Hund los, um seinen Besitz zu hüten. Dieser Hund war der Gegenstand ständiger Zänkereien mit den verschiedenen Mitgliedern von Mirandas Haus, von denen sich keiner nach zehn llhr abends in den Hinterhof wagen konnte, ohne zu riskieren, von dem wilden Biest an- gefallen zu werden. Er soll lieber seine Mauer bauen," bemerkte Ioao Ro- mao achselzuckend. Das werde ich nicht tun," erwiderte der andere, als er von diesem Lorschlag hörte.Wenn er so einen verdammten Dickschädel hat, dann werde ich auch einen haben." Wenn andererse.us eins von Ioao Romaos Hühnern auf Mirandas Grundstück lief, so verschwand es auf geheimnis- volle Weiss. Der Schenkwirt protestierte höchst energisch gegen solch? Diebstähle, schwor Rache und drohte mit rück- sichtslosen Schüsten. Er soll seine Hühner lieber einzäunen," war das einzige, was Estellas Gatt« zu bemerken hatte. Ein paar Monate später beschloß Ioao Romao. nach einem letzten verzweifelten Versuch, seines Nachbars Hinter- Hof zu kaufen, sein Mietshaus aufzubauen. Laß ihn nur, bemerkte er vorm Einschlafen zu Berlnleza. Laß ihn nur. benutz' die Hintertür, wenn die Vordertür ver- riegelt ist. Früher oder später bekonnne ich sein Grundstück doch nicht nur ein Stückchen, sondern das ganze vielleicht sogar das Haus selber." Das sagte er mit der Ueberzeugung eines, der feiner eigenen Ausdauer und der ungeheuren Kraft

seines Geldes selfenfest vertraut des«Geldes, das niemals feine geballte Faust verließ, ohne vervielfacht zurückzukehren. <5:0 durch und durch war Ioao Romao von der Sucht noch Verdienst desesien, daß sie ihn ganz und gar beherrschte, und jede, wenn auch noch so einfache Handlung war einzig van pekuniärem Interefle geleitet und regiert." Er kannte nur eine Beschäftigung Reichtum anzuhäufen. Für sich und Bertoleza pflückte er nur die schlechtesten Früchte und die verkümmertsten Gemüse aus dein Garten, die. doch niemand kaufte. So gern er Eier. alle, die seine Hühner legten wurden ausnahmslos verkauft. Nicht selten bestand ihre Nahrung einzig und allein aus den Ueberresten von den Tellern ihrer Kunden. Das war nicht Sparsamkeit, sondern die Aeußerung einer Krankheit, die Sucht, besitzen zu wollen und alles in Geld zu verwandeln. Diese Besessenheit verriet sich schon in seiner äußeren Erscheinung in seiner dicken, untersetzten Gestalt, seinem steifen, buschigen Haar, seinem Bart, der ewig nach Rasur schrie. Er schlenderte von seinem Lädchen zum Steinbruck? und wieder zum Garten zurück, um seine Hühner zu zählen und ihre Eier zu bergen, immer in Hemdsärmel!,, die nackten Füße in klapperndentomancos", starrte mit lüsternem Blick hierhin und dorthin und gierte mit den Augen nach dem, wack er mit den Fingern nicht greifen konnte. Inzwischen hatte sich das gesamte Straßenbild verändert, die ganze Nachbarschaft vergrößerte sich rapide. Zahlreiche neue Gebäude, wenn auch leichte, entstanden überall: Land- Häuschen wuchsen gleichsam über Nacht aus dem Boden; die Mieten gingen rasend schnell in die Höhe: innerhalb von zehn Iahren hatte sich der Wert des Grundbesitzes verdoppelt. Eine Kerzenfabrik und eine Atakkaranifobrck waren die letzten Neu- gründun gen. Ihre Angestellten kamen und aingen, und die Mehrzahl van ihnen wurden Kunden des Restaurants, zu dem sich Bertolezasquitanda" ausgestaltet hatte. Neue Unternehmungen in der Art wie die Ioao Romao? wurden eröffnet, aber keine florierte so sehr wie seine. Die Bar hatte sich enorm vergrößert, der Verkauf verschiedener Schnäpse ging flott, und Bertoleza kochte ungeheure Portionen Essen iinb wurde sie alle los.. Bon früh bis abends kamen Bureau- beamts auf einen Sprung. Ein ununterbrochener Strom von Geldstücken fiel in die Ladenkosfe, von wo sie zu Ioao Romaos Safe wanderten, und seine eigenen schmutzige» Hönde trugen sie zur Stadt hinunter, um ftin erstaunliches Bankgut- haben zu schwellen.(Fortsetzung folgt.)