Oer Abgesandte.
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' »Im Namen der überwältigenden Minderheit des deutschen Volkes erkläre ich ' alles, was hier verhandelt w.rd, für ungültig!"
Die Leßner-Krise. Das Schicksal des Schauspielhauses.
Die schon seit Iahren schleichende Ießner-Kris« ist über Nacht akut geworden. Der Durchfall des Siloesterstückes, an sich eine belanglos« Affäre, hat mit«inemmal die ganzen Fragen, die seit langem um das Schicksal unseres staatlichen Schauspielhaufes schweben, zur Entscheidung gestellt. Es ist kein Zweifel mehr, dost Iehner gehen wird— wenigstens als Intendant dar Staats- theater. Die Erörterungen im Kultusministerium sind noch nicht abgeschlossen, man versucht dort«ine Lösung zu finden, die den berechtigten objettipen Anforderungen und andererseits den Rück- sichten auf den Künstler Ießner, dessen Vertrag ja zudem noch vier Jahre läuft, gUichzestig gerecht werde. Wenn Ietzner jetzt lein« Machtstellung als republikanischer Theaterleiter aufgeben muh, so ist er schließlich doch noch im gewissen Sinne«in Opfer der deutsch - nationalen Angriff«, die..ihm fest Jahren sein« Arbest erschwert haben. Der Frontalangriff wurde zwar im Sommer zurück- geschlagen, der Kultusminister kuschte nicht, aber Iestner wurde in seiner Taktik unsicher. Man kann ein Theater nicht im Stil« einer Koalitivnspolitit führen, die allen Anstoß vermeiden will und darüber Ziel und Plan aus den Augen verliert. Als d«r Hamburger Schrnispieldirettor Leopold Ießner zum Beginn der neuen republikanischen Aera nach Berlin geholt wurde, wußte man in der Neichshauptstadt noch nicht viel Von ihm. An, konnten und Lebten eigentlich nur die Schaufpieler, die an der Spitze des ersten preußischen Theaters einen Mann sehen wollten. dessen künstlerischer und moralischer Ehrgeiz sich da, Gleichgewicht hielten. In den beteiligten Kreisen wußte man, daß Leopold Jeßner als praktischer Theaterlester die Seele des Schauspielers. stets wundervoll perstanden hatte. Mst allen Nerven gehörte er zum neuen politischen Kurs. Durch Ned« und gestaltende Tat hatte er schon lange, bevor es Mode geworden war, gegen die bombasiischc Aufgeblasenheit de, Hostheator? protestiert. Er kam nach Berlin . er hielt, was er veriprochen hatte. Er verwandelt« da» preußische Staatscheater aus einer byzantinischen Erziehungsanstalt in ein« bürgerliche Kunstheimat— für die Künstler und sür die Theaterbesucher. Dos Je, zunächst festgestellt in diesem Augenblicke, da hie Pro- pheten, die NU? Äugen im Rücken haben, behaupten, daß sie alles Ilnhell der Ießner-Aera schon im Winter fsslL nqrousgeohnt und vorausgesagt hätten. Wer das.Königliche Schauspielhaus der wll- Helm misch«, Zeit kennt, der weiß, daß dort elend Theater gespiest wurde. Einige Genies glänzt«» durch die U«der füll« ihrer Gaben, doch alles übrige war hohl, kasernenmäßig«inexerziert und meilen- fern von dem Geist de? modernen Theater». Aber das Ießnersche Geistessystem war mehr einer rayolsttip- nären Übergangszeit als einer stabilisterten Erholungszeit angepaßt. Er wählte unter den Klassikern die problematischen, die aus- regenden, die empörenden Dramen. Er zeigte ustd vertieft« zum Beispiel das Kötset„Richard? II.*, der königlichen Bestie. Er zer- gliederte das genial« Napol«ondrama Grabbe« so, daß der rsnolutio- nären Masse ihr politisches und moralisches und darum auch ihr künstlerisches Recht wurde. Er entzündete neue? Leben durch das alte Drama, und überall, wo dies« politisch« Flamme heraukzu- spüren und zu perstärktem Leben anzusachen war, bewährt« sich oer Instinkt des Dramturgen und Regisseur« Jeßner ganz votrefslich. Dabei vernachlässigte er in den ersten Zeiten seiner Tätigkeit auch
die lebendige Dichtung durchaus nichl. Hier versuchte er den schlichten, den wirtlich seelischen Dichter, und er fand ihn In Barlach , dem Bildschnitzer und innerlichsten Dramenarchitekten. Dann allerdmgs wollte er seinen bis zur ätzenden Nüchternheit und grübelnden Klügelei gesteigerten Scharfsinn auch an dem Theater üben, das solch« politisierte, solche im höchsten Sinn zur Tendenz hinstrebeiche Szenenlozik istcht vertrug. Er nahm dem Jhanllct"' und auch dem„Othello" das phantastische Blut,«r liebt« die Romantik nicht und vergaß über dieser Abneigung, daß es seit Ewigkeit zum einträglichen Theaterspiel gehört, auch die großen Gefühlstiroden des klassischen Dräwas in all ihrer Ueppigkest und zitatenreichsn Pachetik und Pracht aufblühen zu lassen. . Jeßner. wcgltc immer nur-vsrsinfachen, ünmcr nur das Ideen- gerüst seiner Aassiker sk�ettieren tünd beseitigt« daher..alles, was der naive Theaterbesucher v«:langt. imd. auch verlangen darf, sind er vorrannte sich in diese kahle, auch herzlos»- und im tiefsten Sinn unmusikalische Theatertunst. In den Notzeiten de» politischen und geistigen Uebergang? brauchte man in Berlin einen solchen Thealer- puritaner. In den stabilisierten Zeiten- wünschte man aber»inen prunkvolleren R«giss»ür und Dramaturgen. Und man fing an, vor dem allzu nüchternen Mann zu warnen. Plötzlich erkannt« man: Er ist zu sehr er selbst. Cr kann nicht aus sich heraus. Er kann nicht über sich hinau». Di« sachlichen Tragödien,„Die Weber", den„Florion Geyer", meisterte er. Aber er tötete, wo? nicht zu diesem Puritanertrieb paßte, mochte es der „Don Carlos", mochte es der„Cgmont" fein Und Jeßner. der sich Müh« gab, diese Starrheit, die eine Zelt- lang seine Stärk« war. zu überwinden, versagte Cr versagte sowohl in der Auswohl feiner Stuck« wie in der Auswahl Istner Schau- spieler. Cr verfogt« schließlich auch in seinen Regismitteln. Er fördert« nur noch kurlose HalbkaleMo, die er mst schwersten Aus- gaben überlastete und bau ich bis zur Lächerlichkeit kompromittierte. Doch es reichten wohl seine Energien nicht mehr aus. damst er ans diesen Lieblingen die geheimen Kräfte herausholte. Denn die Zeit hatte es gesordert, daß auch aus dem Stach«- theater«in Geschäststheoler werde. Jeßner tonnt« aber alles sein. nur nicht Führer»ine« Kunstbetriebe», der sparen und lavier«» sollt«. Was er aus diesem Gehiet versuchte, mißlang klaglich, mochte es um den Erwerb eines lustigen Supesterstückes oder um einen reißerischen Kassenmagnaien gehen. Jeßner, der so gerade zu gehe» vermocht«, wenn man ihm seinen Willen Netz, schwankt« und strauchelte nach ollen Seiten, da er versucht«, sich fremden Ein- slüssen und Einflüsterungen zu unterwerfen. Der seelische Kompaß in Jeßner steuert» nur auf das problematische Zeittheater. Da er ander» sollte und wollt«, versiel er einer vollkommenen Kompaß- lostgkeit. Ob körperliches Leiden dies« Charakterschwäche schus,'st schwer zu entscheiden. Man mochte nur wünschen, daß«» so wifre. Denn dann bestände die Hofinuvg. daß dieser Mann, der uns so pieke Anregungen, sowohl Freuhen w'« Enttäuschungen gab, sich SZt erholen und nach einiger Zeit die alten Krqst« ipiebejr erlangen nnte. Daruiv nahmen wir jetzt dankbar von ihm Abschied. Wir wollen den Tag grüßen, da er wieder schöpferisch arbeiten kann, ohne Rücksicht auf die äußeren Intrigen, hie ihn zu Fall brachten, und aych ohne Rücksicht aus die inneren Hemmungen, die ihn niederdrückt««. Mtx Hcchdorl.
selbst Probe-Teildrucke ausgeführt werden sollten. Daß Tscherwon-. zen fertiggestellt geworden wären, will er nicht gewußt haben. Er muß ober zugeben, daß Schneider ihm eines Tages einen Brief für Karumidse hinterlassen Hab« und daß, als dieser den Umschlag in seiner Gegenwart öffnet«, er bunte Schein« sah. Auch hatte Karumidse bei ihni ein Paket abgegeben, das von Schneider ab- geholt wurde; daß es Wasierz<ichenpapier enthalten Hab«, will Weber nicht gewußt haben. Schließlich bestreitet er auch nicht, sich die Maschinen in der Schneidsrschen Druckerei angesehen zu haben. Das sei eine ganz harmlose Besichtigung gewesen, aus purer Neugierde, Tscherwonzen Hab« er nicht gesehen. �Auf Borhalt des Staateanwalts muß er eingestehen, Schneider Geld gegeben zu Vben. An eine Sitzung in der Schneiderschen Druckerei, an der auch Sadathieraschwili und Karumidse teilgenom- wen haben sollen, kann er sich nicht erinnern Brenzlich wird aber sür ihn die Situation als der Staatsanwo/t auf einen Kassiber zu sprechen kommt. Weber schrieb darin an den„lieben Hans" (das ist Schneider): „Kopf hoch, nicht irre machen lassen, Staatsanwalt und Untersuchungsrichter sind auf falscher E ä h r t e. Aufpassen: Sie haben in Ihrer Druckerei nachts roschüren zur Abwehr Frankreichs gedruckt, Sie haben allein gearbeitet, um Lohn zu sparen. Das müssen Sie fest verireten. Telegramm Sch. W. Alles abHalen. Jedenfalls daran erinnern, nur Koffer abgeholt, keinessal's Sprengstoff. Be- sprechen Sie Ihre Sache mit S., Zelle 23. Habe I. B. über Sie unierr-chtet. Wird Sie entlassen. Berliner Aerteidiger Dr. Menz vertritt Sic umsonst, eventuell schreibe ich an Ki. (Kipping)." Also Weber war über alles, ja selbst darüber orientiert, daß Sadathieraschwili in Frankfurt unter dem Namen Schwarz austrat. „Ich habe das alles von Schneider vor dessen Berhaftung erfahren." Der Staatsanwalt macht kein Hehl daraus, daß er an diese Ausrede nicht glaubt. * Leningrad . 7. Januar. 3n den nächsten Tagen beginnt in Leningrad der Prozeß gegen eine Monarchistengruppe mik dem ehemaligen Slabsrillmeister Schiller an der Spitze; den Angeklagten wird Spionage und der Vertrieb gefälschter Tscherwonzen zur Last gelegt. Schiller gehörte seit 1Ü22 der monarchistischen Organisation ..Verband der Offiziere der russischen Armee und FloUe" m D a n z i g an und war der nächste Mitarbeiter des Generals Gl a s e n ap p. des Führers der Anhänger des ehemaligen Groß- iürsten Kyrill Romanow. Im Laufe mehrerer Jahre war Schiller Leiter der Transportstellen in Letlland, Finnland und Estland zur Beförderung monarchistischer Literatur nach der Sowjet- union. 1928 begab sich Schiller im Auftrage Glosenapps illegal nach der Sowjetunion , um Spionage zu treiben, monarchistische Organisationen zu schassen und im Auslande gefälschte Tscherwonzen abzusetzen. Aus seinen ehemaligen Regimentskameraden— den Offizieren Geier, Kortaschew, Fedotow u. a.— bildete er dazu besondere Gruppen. Es gelang Schiller zweimal, aus dery Ausland erhebliche Posten gefälschter Tscherwonzen nach der Sowjetunion einzuschmuggeln. Alle Mitglieder dieser Gruppe werden jetzt vor Gericht gestellt.
Neue Anleihehetze. Hvgenberger fordern Privatisierung des Berliner Verkehr«. Gestern morgen»rußten wir von der Katastrophe berichten, die über den Berliner Arbeits markt hereingebrochen ist. und die sich in- folge der notwendig geworÄsnen Drosselung her Berliner Austräge nych verschärfen wird. Gestern abend hat mancher Arbeitslose und auch die Berliner Bauindustrie erleichtert aufgeatmet. Wir konnten nämlich die Mitteilung machen, daß die Berliner Verkehrs. g e s e l l s ch a f t. bei" der die größten Balieinstellungen drohten, begründete Hoffnung auf den Abschluß einer An- leihe von 25 Millionen Dollar oder 100 Millionen Mark hat. Selbst wenn aus diesen 100 Millionen Diark. die eventuell für Februar zu erwarten sind, ein im Juli vorigen Jahres bereit» erhobener Vorschuß von 60 Millionen Mark airf das damals schon gegeben�, jetzt einzulösende Anleihevers preckzen, zurückzuzahlen wären, bliebe noch ein recht erheblicher Betrag zur Fortführung van Bauten. Mit Sicherheit werden Zehntausende von Berliner Arbeitern auf viel« Wachen hinaus vor Arbeitslosigkeit bewahrt, wenn die Bauten sartgeführt werden können. In der Tat sind die A nlei h e a u s si ch te n sehr günstig. wenn die Berliner Derkehrsgosellschast auch mit Recht noch den Zeitpunkt zum Abschluß vorbehält, zu dem die günstigsten Kredit- bsdingunzsn zu erlangen sind. Die Fortführung der Bauten braucht durch diese.zeilliche Verschiebung nicht aufgeschoben zu worden, wenn die Anleihe nur sicher ist. Nach menschlichem Ermessen ist der Abschluß der Anleih« sicher, weil rechtlich und gesetzlich die Zustimmung der Beratungsstelle in diesem Falle nicht ersorderlich ist. da die Stadt Berlin weder «ine Haftung für di« Anleihe, noch eine zusätzliche Garantie zu übernehmen braucht. Das aber paßt den Hug«,Gerg-L«uten ganz und gar nicht. denen das Schicksal der Arbeitslosen, das Schicksal der Bauindustrie. das Schicksal der Stadt Berlin , gleichgültig ist. wenn sie nur g« g« n die Stadt Berlin und.chie sozialistische Mißwirtschaft" hetzen können: eine Hetze, die bekannlllch nur das Feigenblatt ist für die vom Prioatkapital betriebene und ersehnt« kalte Pri» vatifierung der öffentlichen Werke. Der.Lotal-An- zeig«" macht also scharf gegen den Abschluß der Dollaranleihe der Berliner Derkebrs.A..S. und lügt hinzu, daß die Stadt Berlin ja doch irgendwie für die Amerika -Anleihe zu hasten habe, womit di« Zustimmung der Beratungsstelle gegeben sei. Aber der.Lokal-Anzeiger" kann nicht ander»;«r muß doch di« Hugerrb-rg-Katze aus dem Sack lassen. Er weiß und empfiehlt näm- lich»inen Weg. auf dem di« Berliner Berkehrsgeseyschast zu Geld kommt, und zwar, ohne di- Beratungsstelle in Anspruch nehmen zu müssen(die man sowieso nicht braucht). Das tapitalfromms Huzen- berg-Blatt empfiehlt treu und bieder, alle nationale Gesinnung dem Privatkapital dabei zuliebe über Bord werfend, den Ber» kauf von Aktien der BBG. an das Inland oder das Ausland. Und damit auch der letzte Berliner weiß, daß es nur um die Perhökcrung der Berliner W«rte an da» Pnvatkapital geht, wird hinzugefügt, daß es noch zweifelhaft sei, ob irgendein privater Kapitalist sich dann mit einer Winde rheitsbeteiligung an der BVG. begnügen würde. Die kalte PrivaSisieiung der öffentlichen Werke muß also gründlich durchgeführt werden, und zwar auch zugunsten des Aus- landes, sonst gibt es nach der Meinung der nationalen Leute vom Stamme Hilgenbergs einfach kein Geld. Wir hängen dies« Hetze niedriger, damit jeder erkennen kann, was hinter ihr steckt. Dem begehrlichen Privatkapital wird aber auch hinsichtlich der Berliner Verkehrsgesellschaft der Mund sauber bleiben!
Oer Hakenkreuzler als polizeiminifier. I Die Regierungsbildung in Thüringen . Weimar , 7. Januar. (Eigenbericht) Der Thüringisch « Landtag wählt« am Dienstag in seiner konstituierenden Sitzung entgegen dem perleMen« tarjschcn Brauch nicht den ÄqnMaten der Sozialdemokratie als der stärksten Fraktion, sondern den Lendbündler von Thümmel zym Präsidenten. Die Sitzung wurde dann auf kurze Zeit unterbrochen, weil sich die sozialdempkratisch« Fraktion mst der durch di« Wahl. geschoffenen Sachlage zu beschäftigen wünschte. In der neuen Sitzung wurde der Prästdent de» allen Landtag«»,, Leber, zum 1. Vizepräsident«« gewählt. 2. Vizepräsident wurde em Nationalsozialist. Die Dsrhondlungen der Rechtspartelen über dl« N e u b i l- dung der thüringischen Regierung hoben zu der Der- •ciirbanrng geführt, daß die Nationalsozi allsten das Po«
I lizeim'nisterium übernehmen. Deutschnationale und Deutsche Bolkzpartei erhalten einen Stoatsratsposten. Entschädigung für Liquidation. In poriuoal tugesprocben. Oporlo über eissabqa. t. Januar. Auch Portugal hat im Weltkrieg da» deutsche Eigentum be- schlagnahmt. Sehr Hort betroffen wurde dle deutsche Firma vor- mester. der alle ihre Dampfer, Liegenschaft»», Wertpapiere usw. enteignet worden. Räch Beendigung des Krieges und aus Verträgen mtt Portugal fußend, strengte Burmester eine Klage auf Rückgabe seines Eigentum» und auf Schadenrrfah an. Jehl hat das höchst« Ziollgericht gesprochen. Burmesker erhält nicht nur eine Enl- schädiguag von einige« Millionen Mark, ihm wird auch feine kostbare Gemäldesammlung zurückgegeben, die ln bar Zkationalmusenm übergeführt worden»var.