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Berlins   Nachtragshaushalt.

Gesamtanforderung von rund 20 Millionen Mart.

Der Nachtragshaushalt für das Jahr 1929/30 lag dem Magiftrat in seiner gestrigen Sigung zur ersten Beratung vor. Be­schlüsse wurden noch nicht gefaßt. Der Nachtragsetat enthält eine Gesamtforderung in Höhe von faft 70 millionen Mart, die fowohl durch ungünftigere Einnahmen als durch vermehrte Ausgaben entstanden ist. Einem Mehr an Einnahmen in Höhe von 4,267 mill. stegt eine Mindereinnahme von 27,142 mill. gegen­über, wovon etwa 26 Millionen auf die Betriebe entfallen. 3,7 mil lionen Mark Verluste sind durch die Herabsehung der Beiträge für die Straßenreinigung von 95 Pro3. auf 75 Pro3. der Ausgaben entstanden.( Auf Grund der Entscheidung des Oberverwaltungs­gerichtes.) Die Ausgaben des Haushaltes haben sich insgesamt auf rund 47 Millionen vermehrt. Hiervon entfallen auf die Wohl­fahrt rund 29 Mill., auf das Gesundheitsweien 2,9 mil­lionen, auf das Schulwesen 1,3 millionen

Einen sehr erheblichen Anteil an den Ausgaben des Nachtragshaushalts hat die unerwartet hohe endgültige Feftfehung der Polizeitosten für die Jahre 1926 bis 1928 und die voraussichtliche Erhöhung für das Jahr 1929. Jm Etat standen an Resten früherer Jehre nur 13.6 Millionen, im Dezember 1929 find aber die Gesamt­fosten für die Jahre 1926 bis 1928 vom Staate auf 18 254 Millionen festgefeßt worden. Der Haushaltsaufaz für das Jahr 1929 betrug 15 Millionen. Es werden nunmehr aber voraussichtlich 21 Millionen 311 zahlen sein. Es muß immer wieder darauf hingewiesen werden, daß die ganz außergewöhnliche Berspätung der Fest­fetzung der Polizeifosten durch das Land eine erafte Etatsfestsetzung nahezu unmöglich macht. Das unerwartete Mehr an Polizeitoften, das in diesem Nachtragsetat angefordert werden muß, beträgt ins. gesamt 10,7 Millionen Mart. Auf dem Gebiete des S dul mesens find über 650 000 m. Mindereinnahme durch die Herabsehung des staatlichen Beschulungsgeldes von monatlich 4 m. auf 3,80 m. für jedes schulpflichtige Kind entstanden. Im Berufs- und Fachschul­wesen zeigt sich die Auswirkung des Besoldungsgefeges in einer Mehrausgabe von 1,35 Millionen. Den größten Bosten im Nach­tragsetat machen mit ungefähr 29 Millionen Mark Ausgaben der Stadtverwaltung für die Wohlfahrt aus.

wangs.

Auch auf diesem Gebiete waren diese Ausgaben zwangs­läufig. Die Stadt Berlin   mußte nicht nur der Verschlechterung der allgemeinen Wirtschaftslage, sondern vor allem auch den reichs­und landesgesetzlichen Vorschriften Rechnung tragen. Für das Unterstügungswesen werden infolgedessen im Nachtrags­etat insgesamt 16 Millionen Mart angefordert. Die Zahl der laufend Unterstüßten war seit dem 1. April 1929 bis zum Ende des Jahres um 7 Proz. gestiegen, das bedeutet eine Steigerung der Ausgaben um 4,5 Millionen Mart. Außerdem mußten im Laufe des letzten Jahres wegen der Steigerung der Reichsindex­8iffer die Unterstüßungsrichtsfäße erhöht werden, um den gefeßlichen Vorschriften, sie den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen anzu­passen, nachzukommen. Dies bedeutet eine Erhöhung von ungefähr 2 Millionen Mark. Da auch die Unterstützungsfäße für die städti ichen Pflegefinder erhöht werden mußten und die Zahl dieser Kinder erheblich gestiegen ist, entstehen hierdurch Mehraus­gaben von ungefähr 3,2 Millionen Mart. Dazu kommt die Heraufe segung der Tagesfäße in den nichtstädtischen Anstalten, in denen sich städtische Pfleglinge befinden, was ungefähr 2 Millionen Mart aus­macht.

Für den Posten Allgemeine Wohlfahrt werden 9,89 Millionen nachgefordert Diese Nachforderung betrifft vor allem die Unterstüẞung der Erwerbslosen. Die Zahl der in der Notstandsaktion der Stadt Berlin   zu betreuenden Erwerbslosen mar pom 1. April bis Ende Oftober 1929 bereits um 31 Proz. ge= stiegen und hat sich seitdem wieder erhöht. Dieses Ansteigen ter Erwerbslosenziffer, ferner die Herauffeßung der Unterstügungsricht fäße für diese Erwerbslosen um 3 m im Monat hat eine Mehr. belastung von über 8 Millionen Mark gebracht.

Tragödie einer Mutter.

Aus Berzweiflung erwürgte sie ihr Kind.

Die erschütternde Tragödie einer jungen Mutter, die ihr 5 Wochen altes Kind, dem sie eine unheilbare Krankheit vererbt hatte, tötete, beschäftigte heute das Schwurgericht I.

Die Anflage gegen die 21jährige Frau Ilse G. lautet auf I ot­slag. Die Angeklagte, die vor ihrer Heirat me tere Stellen als Lauf oder Dienstmädchen innehatte, lernte vor Jahren in Berlin   den Schriftseger G. fennen. Als sie ein Kind von ihm er­wartete, heirateten sie Die junge Frau wohnte aber noch bei ihrer Mutter, da sie noch teine eigene Wohnung hatte. Am 23, April wurde das Kind geboren, das zuerst gesund und träftig war. Aber noch im Krankenhaus erfuhr die Angeklagte, daß sie selbst an einer schweren Bluttrantheit leide. Einige Wochen später ze gie sich auch bei dem Kinde die Krankheitserscheinung. Die Kleine schrie Tag und Nacht und erhielt einen bösartigen Ausschlag. Die Mutter ging mit ihm zum Arzt und zur Säuglingsfürsorgestelle und entnahm aus dem Krankenschein, daß die Krankheit ihres in des wohl taum noch heilbar sei. In den nächsten Tagen verschlim. merte sich der Zustand des Kindes, so daß die Mutter ganz ver­zweifelte und beschloß, gemeinsam mit dem Kinde aus dem Leben zu scheiden. Am 27. Mai erwürgte sie das Kind und versuchte, sich selbst die Pulsadern aufzuschneiden. Als thr dies nicht gelang, knüpfte fie eine Wäscheleine, um sich aufzuhängen. Inzwischen flingelte aber ihr Mann, dem sie öffnete, um ihn an die Leiche des Kindes zu führen. Diese Angaben rachte die Angeflagte in der Berhandlung nur nach langem Zögern und mit fargen Worten. Der Berteidiger machte darauf aufmerksam, baß der Mann die Tat feiner Frau zuerst auf sich nehmen wollte. Als die Angeklagte aber diese Abficht merkte, legte sie selbst sofort ein umfassendes Beständnis nor dem Kriminalbeamten ab. Heute lebt die Angeflagte in glud. licher Ehe mit ihrem Mann weiter

Schutz der Republik  .

Das Schuhgefeh im Rechtsausschuß.

Der Rechtsausschuß des Reichstags begann heute die Beiter beratung des Republitschuhgesezes. Nach furzer Debatte murbe§ 4 in folgender Form angenommen:

Ber gegen den Reichspräsidenten aber gegen ein Mitglied der Reichsregierung oder Länderregierung einen 2n. griff auf Leib ober Leben( Gewalttätigkeit) begeht, wird, oweit nicht andere Borschriften eine schwerere Strafe androhen, Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.

Der Geldgeber der Notenfälscher.

Nationale Politik und Geschäft im Tscherwonzenprozeß.

Die heufige Morgenfihung brachte eine Ueberraschung. Der fleine" Buchdruckereibefißer Schmidt offenbarte fich als äußerst flarer Kopf, der sich in der Politik als einem einträglichen Geschäft vorzüglich zurecht findet; noch besser versteht er sich in der Ber­quidung von Ges häft und Politit. Er unterstühle Herrn Bell mit großen Geldsummen, als dieser angeblich im Auftrage des faukasischen Komitees nach dem Orient ging. Er lat das in der spekulativen Hoffnung auf Gewinn. Auch Herr Bell ist eine ganz famose Figur. Er erklärt zum Vergnügen der Anwesen­den, daß er eigentlich Sozialdemokrat sei, nur habe das mit dieser Angelegenheit nichts zu tun.

Herr Schmidt tam als erster zu Wort. Sein Vater ist Fabritbefizer in Nürnberg  , er selbst hat das Gymnasium besucht, ging als Freiwilliger in den Krieg, bradte es bis zum Unteroffister, Schloß sich der Freiforpsbewegung an und erhielt hier seine erste Er ziehung zum Antikommunismas. Ja Jahre 1924 trat er mit General Hoffmann in Verbindung. Er machte fi.h dessen Bestrebungen zu eigen, es galt, den Süden Rußlands   von der Sowjetunion   loszureißen, ihn wirtschaftlich zu erschließen und

Die Angeklagten Sadathieraschwili( stehend) und Karumidse( an der Brüstung).

ihn für den deutschen   Markt zugänglich zu machen Mit der Tscher. monzenangelegenheit, sagt der Angeklagte, habe er eigentlich nichts zu tun. Erst später sei er mit dem Kaufafischen Kom tee in Baris in Berbindung getreten, habe es auch mehrmals aufgesucht und Der­sucht, sein Interesse für die Ufraine mit den Interessen des Rautasus zu vereinen. Karumible lernte er vor etwa vier Jahren anläßlich einer Aussprache in München   fennen. Von General Hoffmann und von den Kreisen um Herrn oon Dirchsen vom Auswärt gen Amt weiß er, daß a rumid se eine äußerst ernst zu nehmende Bersönlichkeit sei; während des Krieges habe er durch Sabotage im Kaukasus der deutschen   Sache die größten Dienste geleistet.

Bors: Boher fennen Sie den Angeflagten Bell, Angefl: Bell fenne ich von Nürnberg   aus, ich war mit ihm zusammen in der Freikorpsbewegung tätig. Während er das laufafische Problem bearbeitete, bearbeitete ich die ukrainische Sache. Es war ihm flar, daß im Baltan Politif mit Geschäft eng verknüpft fel; daß man unmöglich Politif machen fönne, wenn man nicht irgendwiz in geschäftlichen Dingen tätig fet. Bell erzählte ihm eines Tages, daß er eine Summe in Höhe von 10 000 bis 15 000 m. benötige, um auf dem Balkan   die in Frage kommenden Stellen zu inter­effieren. Natürlich wurde bei dieser Gelegenheit der Gesamtkompleg der taukasischen Probleme aufgerollt. Da er zu Bell volles Bers trauen hatte,

stellte er ihm 5000 M. zur Verfügung und veranlaßte seinen Be­fannten Dr. Jörs und einen Berliner   Großkaufmann Rieger, ihrerseits je 5000 m. zur Spekulation zur Verfügung zu stellen.

Bors.: Dr. Jörs behauptet, daß er immer gewartet habe, daß er das Geld mit Prozenten zurüderhalten würde, und auch Rieger soll sehr ungehalten gewesen sein, daß Bells geschäftliche Tätigkeit auf dem Balkan   jo wenig einbringend war. Der Angeklagte Schinidt bestreitet das und erklärt, daß die Geldgeber von vornherein ge wußt hätten, worum es sich gehandelt habe. Er macht verschiedene gewundene Redensarten, um flar zu machen, in welcher Weise Bell als tommerz1ler Agent gleichzeitig poli tisch tätig sein sollte. Man merkt, wie fein Verteidiger auf ihn energisch einspricht und ihn schließlich gewissermaßen pers anlaßt, zu sagen: Für mich persönlich war natürlich das Wichtigste die politische Seite der Sache. Während aber Bell sich in Sofia  befand, und wie sich der Vorsitzende ausdrüct- herumfumpfte, traten an den Angeklagten Schmidt verschiedene Leute mit dem Er. suchen heran, ob er ihnen nicht den Posten eines bul

abrebet oder nachdem sie begangen worden ist, belohnt, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren, jedoch nicht unter einen Monat, bestraft.

garischen Ronsuls besorgen tönnte. Der Zeuge Dorn behauptet übrigens, daß Schmidt an ihn mit dem Anerbieten herangetreten sei. Besonders amüsant entwidelt sich die Konsul­

Der Angeklagte Bell.

affäre des Berliner Großlaufmannes" Rieger. Er erhielt von Bell ein Telegramm, in dem es unter anderem hieß:

Konrad genehmigt. Das sollte heißen: Konsulatsposten erworben. In einer zweiten Depesche wurden 3000 Mt. Spesen gefordert. Ein brittes Telegramm besagte: Kommen Sie nach Sofia  , um sich bem König vorzustellen. Rieger fuhr midjt nach Sofia   zum König, Bell drückte ihm nach der Rückfehr aus Bulgarien   sein Beileid über den Mißerfolg aus und erhielt trotzdem seine 3000 m., wovon Schmidt 1000 in seine Tasche steden durfte. Er habe, so meinte er, wenigstens einen Teil der großen Spesen, die er stets aus seiner Tasche gedeckt habe.

Bell erzählt.

Nun soll sich Bell zu dieser bulgarischen Angelegenheit äußern. Karumides Berteidiger, Rechtsanwalt Baer  , beantragt aber den Ausschluß der Deffentlichkeit, um ein Dokument ver lesen zu fönnen, das für die Beurteilung der politischen Persönlich feit feines Mandanten von höchster Wichtigteit sei. Eine öffent­liche Berlesung dieses Dotumentes würde die Stactssicherheit ge­fährden. Das Gericht befchließt den Ausschluß der Deffentlichkeit, um Rechtsanwalt Baer   die Möglichkeit zu geben, seinen Antrag zu begründen. Die Geheimsizung hat ein ganz unerwartetes Ergebnis: Nach Wiederherstellung der Deffent lichkeit erklärt Rechtsanwalt Baer  , daß er von der Berlesung der Dokumente Abstand nehmen wolle. Die Reihe ist an dem Ange­flagten Bell Bors: Wie war es eigentlich mit dem Geld, das Sie von Schmidt bezogen haben? Wieviel haben Sie im ganzen erhalten? Angeflagter: Es werden ungefähr 20 000 m. ge wesen sein. Schmidt hat mir immer wieder Geld angeboten. Er wollte im politischen Leben unbedingt eine Rolle spielen. Dorf.: Generalfeldmarschall einer Inflationsarmee wollte er bod nicht werben. Angefl: Er war in die Polifit geroiffermaßen verliebt da macht man schon verschiedene Sachen. Vors: Was machten Sie also in Bulgarien  ? Angefl: Bulgarien   war gewissermaßen die erste Etappe beim Vorbringen in den Orient. Es war das erste Land, in dem ich auf Grund von Karumidjes Beziehungen zu bui

Der Pressechet der Sowjetbotschatt Stem und sein Kollege, die amtlich dem Prozeß beiwohnen. garischen Wirtschaftsleuten und Politikern für Deutschland   werben und für die Lösung des Bölferproblems um das Schwarze Meer  herum tätig sein sollte. Tie Bulgaren   befla jten sich, daß dis beutsche Auswärtige Amt für fie fein Berständnis habe. Das Geld, das ich von Schmidt zur Verfügung bekommen hatte, galt meiner politischen Mission. Ich war überzeugt, daß es aus seiner Tasche

fam.

Bells Vernehmung ist noch lange nicht abgefchloffen.

Berlin   erhält ein Luftfahrtmuseum. Eröffnung Ende Februar.

Die Stadt Berlin   hat befanntlich den Beschluß gefaßt, im Flughafen Tempelhof   ein vorläufig noch fleines, später

Alsdann trat der Ausschuß in die Beratung des§ 5 des Ent murfes ein, nach welchem mit Gefängnis nicht unter drei Monaten derjenige bestraft werden soll, der an einer Geheim- oder staatsmeiterzuentwickelndes Luftfahrtmuseum zu schaffen, dessen feindlichen Verbindung, die die Bestrebung verfolgt, die verfaffungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform des Reiches oder eines Landes zu untergraben, teilnimmt, oder wer eine solche Berbindung unterstützt oder wer sich an einer geheimen und staats­feindlichen Verbindung anschließt, die selbst oder deren Mitglieder unbefugt Waffen befizen,

Die Beratung dauert bei Schluß der Redaktion noch fort.

Niederschläge. milde Nacht. fonit menin Aenderung fübweftfide Wetter für Berlin  : Wechselnde Bewölkung ohne erhebliche Winde. Für Deutschland  : Im Südosten und Süden noch ver breitete Nachtfröfle, im übrigen Deutschland   wechselnd wollig, um

er eine solche Gemalitätigteit mit einem anderen ver| Norden vereinzelt etwas Regen.

Leitung Hauptmann a. D. Krupp, der bisherige Geschäftsführer der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Luftfahrt, übernimmt. Zur Unterbringung dieser Schau werden an der Nordostecke des Plazzes wei ola ballen errichtet, von denen die eine bereits fertig Berlin  ". Mit der Sammlung des zur Ausstellung fommenden Luft­gestellt ist und die Ausschrift trägt ,, Luftfahrtsammlung der Stadt fahrtmaterials ist ebenfalls schon begonnen worten. Das Museum dürfte, wenn feine unvorhergesehenen Schwierigteiten eintreten, etwa Ende des nächsten Monats der Deffentlichkeit über geben werden.

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Der

des" Beleidigungsprozeffes Gajda Kratovil Solowjem Es ist Zeit, die Aften zu flouen." In Prag   sind die Akten schwunden; es handelt sich um Spionagebeschuldigungen gegen den gemejenen Generalstabschef Gajda.