Ein Winter der Stürme.
Orfan in England.- Große Verwüstungen.
Wir haben einen selten milden Winter, an Stelle des bis jeht ausgebliebenen Schnees ist ganz Europa von Orkanen heimgesucht worden. Auch über Berlin raste in der letzten Nacht ein schwerer Sturm.
Der gestrige Sturm über England, der sich stellenweise zum Orfan entwickelte, hat überall große Berwüstungen angerichtet. Bei Beachy Head erreichte der Wind die Rekordgeschwindigkeit von 190 Kilometer in der Stunde. Im ganzen Lande sind Zerstörungen an Telephonleitungen, zerbrochene Fensterscheiben, eingestürzte Ramine und Dächer zu verzeichnen. An verschiedenen Stellen wurden große Bäume entwurzelt bzw. zerbrochen, wodurch eine Frau getötet und insgesamt sechs Personen verletzt wurden. eine Frau getötet und insgesamt sechs Personen verletzt wurden. Zahlreiche Wege und Eisenbahnlinien wurden durch die umgestürzten Bäume blockiert. Jn Ramsgate wurde ein Junge von dem Sturm von der Anlegebrüde ins meer geweht und erfrant. Die Schiffahrt wurde durch den Orfan start in Mitleidenschaft gezogen. Dem britischen Dampfer Griffith" ist das Steuer gebrochen, wodurch der Dampfer hilflos bei Landsend umhertreibt und bereits not. signale ausfandte. Der 4300 Tonnen große italienische Dampfer Biana", der ebenfalls Notfignale ausgefandt hatte, konnte nach Dielen Schwierigkeiten nach Deal eingeschleppt werden. Der Cunardbampfer Antonia" aus New York fonnte wegen des hohen Seegangs Queenstown nicht anlaufen, so daß die Passagiere für Irland in Liverpool gelandet werden mußten. Ein Rettungsboot aus Balmer, das einem in not befindlichen Dampfer zu Hilfe eilen wollte, fonnte das einem in not befindlichen Dampfer zu Hilfe eilen wollte, konnte bei dem Seegang nicht zu Wasser gebracht werben, da die Sturzwellen das Boot sofort vollschlugen. New York , 11. Januar.
Das Goodyear- Luftschiff Ruritan" zerschellte bei dichtem Nebel in der Nähe von Campton( Kentucky ) in einer Baumreihe. Die Besatzung blieb unverlegt.
Politik mit Knüppeln.
Sonntagsfrawalle.- Hafenkreuz gegen Sowjetffern.
Am geftrigen Sonntag ist es wieder an verschiedenen Stellen der Stadt zu Schlägereien zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten gekommen. Insgesamt wurden etwa 30 personen festgenommen und dem Polizeipräsidium zugeführt.
Am Sonntagnachmittag gegen 16 Uhr stießen in der Grenadierstraße und am Bülowplay mehrere Trupps von Ronimunisten und Hafenfreuzlern aufeinander. Die Polizei griff rechtzeitig ein und nahm 13 Personen, die an den Schlägereien beteiligt waren, fest. In der Bofener Straße wurden 6 Teilnehmer eines kommunistischen Demonstrationszuges wegen Widerstandes festgenommen. Bei der Durchsuchung von Nationalsozialisten nach affen am Neuen Marft wurden 5 Personen, die Schlagringe bei sich führten, zwangsgestellt. Desgleichen wurden in der Kreuzbergstraße bei einer Durchsuchung von Nationalsozialisten sechs 3wangsgestellungen wegen Widerstandes und Nichtbefolgung vor. genommen. In der Stralauer Straße nahm die Polizei einen Straßenpassanten wegen Beschimpfungen der Republit feft.
Große Aufregung rief am Sonntagabend eine Schießerei an der Ede Bärmalb und Blücherstraße hervor. Cha 15 Kommunisten und 10 Nationalsozialisten gerieten in einen Wort. wertfel, der sogleich in eine Schlägerei ausartete. Blöglich fielen mehrere Schüsse; glücklicherweise wurde niemand ver= lett Beamten bes alarmierten Ueberfalltommandos gelang es, noch drei der Täter zu verhaften.
Alle diese Borfälle beweisen, daß sich in den Händen der Radifalen von links und rechts noch erhebliche affenmengen befinden müssen Sie scheinen aus einem nie versiegenden Arsenal zu stammen, und die Polizei wird noch viel Mühe haben, dieses lebensgefährdende Kampfspiel auf offener Straße endgültig zu unter.
binden.
Frankreichs Muffolini- Polizei.. Eine sehr bemerkenswerte Proteftfundoebung.
Repräsentations- und Luxusoper.
Alljährlich, wenn der Etat des Preußischen Ministeriums für| modernen Kam meroper für Berlin nicht existiert, weil die BielWissenschaft, Kunst und Bolksbildung zur Beratung steht werden millionenstadt ihr feine Stätte zu bieten hat. Und hier wie dort Stimmen laut, daß endlich durchgegriffen" werden müsse, um die im Durchschnitt aller Leistungen ein höchst fragwürdiges niveau- Kosten der Berliner Staatstheater einzuschränken. Die Stimmen mit dem Unterschied allerdings, daß in der Städtischen Oper mehr werden lauter und die Kosten merden höher von Jahr zu Jahr. fünstlerische Aktivität und Leistungsmille fühlbar wird. Und hier 10 Millionen Mart haben 1928 die Ausgaben betragen, 1927 waren mie dort Unzulänglichkeit des tünstlerischen Fundamentes: des am 31. März 1930 ab es nicht ganz 9 Millionen, für 1929 das Rechnungsjahr läuft Sänger ensembles. Die Führerfrage, in der Städtischen Oper sind im Etat 11,2 millionen vorgesehen. ungelöst seit dem Ausscheiden Bruno Walters und durch DirigentenDas sind in der Tat beunruhigende Ziffern; doppelt beunruhigend gaftspiele teinesfalls zu lösen, bleibt in der Lindenoper ungenügend ist ihr, wie man sieht, tontinuierliches Steigen, dem eine ent- beantwortet, folange Kleiber als Generalmusikdirektor fungieren sprechende Aufwärtsentwicklung der jährlichen Zuschüsse entspricht. darf. Nicht all diese Mängel, selbstverständlich, sind unmittelbar auf Dazu tommen noch ein paar Millionen für den Aufwand der Staats die Arbeitsgemeinschaft" zurückzuführen. Doch daß diese in ihrer theater in Wiesbaden und Kaffel Dazu kommen noch die Aus- jezigen Form teinen Segen geftiftet hat, läßt sich nicht verkennen. gaben für die Organisation der Landesbühnen; ihre Not ist groß. Den Bandertrieb, richtiger Abwanderungstrieb, der Stars hat sie und sie sind durchaus auf staatliche Hilfe angewiesen. Abet: in nicht zu hemmen vermocht; nicht einmal der Sängeraustausch von Jahr insgesamt etwa 2,7 millionen als tatsächlichen Zuschuß in Ansei es, daß fie nicht vermieden oder gemacht werden. Bon Spiel Berlin haben wir ja auch noch die Städtische Oper, die im vorigen Haus zu Haus vollzieht sich ohne administrative Schwierigkeiten spruch genommen hat Das ist an sich nicht viel mehr, als große planwirtschaft bann teine Rede sein. Alles in allem iſt es ein läh Städte wie Frankfurt oder Köln für ihre Dper ausgeben; immerhin, mender Zustand der Untlarheit und Unbestimmtheit, ber feſt weitere 2,7 millionen aus öffentlichen Mitteln ob aus städtischen gefahrenen Halbheit, aus der es fein Zurüd mehr aber auch fein oder staatlichen, das bleibt für die Gesamtsumme und für die Gesamt Borwärts gibt, solange nicht auf dem Weg, der zögernd und heit am Ende gleichgültig... Nun gewiß, wer will so fulturfeind versuchsweise beschritten worden ist, der entscheidende Durchbruch ich erscheinen, sich gegen Aufwendungen zu ereifern, durch die gewagt wird: der Durchbruch zur Verwaltungseinheit und fünstlerisch ideale 3mede gefördert werden sollen? Aber es ist eine bamit zur Bereinigung auch im Künstlerischen. Ein Opernbetrieb turzsichtige, schlechte Stulturpolitit, burch unnötige Ausgaben die Kritit tulturfeindlicher Kreise herauszufordern.
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Bon den Ausgaben für die Berliner Staatstheater entfallen etma brei Biertel auf die beiden Opernhäuser. Zwei Staatsopern was haben sie zu leisten? Die Aufgaben sind klar geschieden: Bolts und Repräsentationsoper, Arbeiter- und Gesellschaftsoper, die Schei dung entspricht der typischen Gruppierung, Halbierung der Mensch heit im Klassenstaat im Holz- und Bolstertlaffenstaat, den nun einmal unser Boltsstaat bildet. Das Bedürfnis der städtischen Ar beiterschaft nach Opern tann heute unmöglich geleugnet werden, die Bedürfnisfrage, und damit die Frage nach der Notwendigkeit der Republikoper, ist durch deren Besuch eindeutig bejaht. Es dürfte zur Zeit in Deutschland fein Operntheater geben, das einen höheren Prozentsaz seiner Ausgaben durch die Einnahmen ausgleicht. Ein anderes aber ist das Bedürfnis nach einer weltstädtischen Lugus und Gesellschaftsoper, die jährlich Millionen verschlingt. Bugegeben, daß dies Bedürfnis in Berlin besteht: ist es Staates Sache, es zu befriedigen? Gewiß nicht so unzweifelhaft, wie die Oper als Bolfsbildungsstätte in den Bereich der staatlichen Kultur aufgaben gehört. Und gewiß nicht ausschließlich Sache des Staatesseit dem Tag, an dem die Stadt Berlin durch die Gründung der Städtischen Oper ihren Willen tundgetan hat, aus eigener Kraft der Reichshauptstadt eine reichsrepräsentative Oper zu geben. Stärker nicht nur, als die drei Berliner Opernhäuser durch Intendantengemeinschaft, auch stärker als die beiden Staatsopern durch. Wirtschafts- und Berwaltungsgemeinschaft sind Stadt und Lindenoper durch Gemeinsamkeit der Aufgabe verbunden Das ist gelegentlich der Debatten über die Gestaltung ber Arbeits. gemeinschaft" immer wieder zutage getreten. Beide follen und mollen dasselbe. Zur Erfüllung bes luguriösen 3medes märe es genug, wenn mir eine von beiden menn mir... welche von beiben - eine mären. hätten? Es wäre genug und mehr, wenn beide
Die Städtische Oper stellt nicht einen neuen, vom Vorbild der alten Staatsoper und einstigen Hofoper irgendwie abweichenden Theatertyp bar. Auf den Trümmern des Deutschen Opernhauses er. richtet, deffen künstlerischen Nachlaß wir nie ganz losgeworden find, ist sie typische Repertoire Oper geblieben und geworden wie die Lindenoper. Hier wie dort alle gangbaren Opern von Mozart bis Strauß; hier wie dort die chronische Verlegenheit, durch neue Reize den althergebrachten Spielplan zu beleben und den freifenden Leerlauf und Zwangslauf seiner Abwechslung zu durchbrechen. Und hier mie dort räumliche Dimensionen, in denen von Figaro" bis Ariabne" alle Art intimen Opernspiels fich reitungslos verliert banon nicht zu reden, daß die heraufkommende Kunstgattung ber
Die französische Liga für Menschenrechte protestierte Begegnung mit einem Tagesgespenst.
am Sonntag gegen die Komplottschnüffelei der Polizei. Die Entschließung fagt, die Polizei habe sich anscheinend mit der faschistischen Spikelorganisation verbrüdert und wolle liberale und republikanische italienische Politiker zu Anarchisten stempeln. Die Polizei täte besser, wenn fie sich mit den Umtrieben der Faschisten befaßte. In dem Aufruf der Faschisten zu einer Kundgebung in Carca çonne heiße es zen Beispiel:
,, Auf Befehl des königlich italienischen Konsuls in Toulouse und des politischen Sekretärs ber füdfranzösischen Faschistenverbände." Die Liga für Menschenrechte, so heißt es in der Entschließung weiter, habe schon früher Gelegenheit gehabt, gegen Umtriebe der italienischen Konsularbeamten zu protestieren, die, wie mehrfach be. wiesen sei, umfangreiche Spitelorganisationen unter hielten und ihre faschistischen Anhänger in regelrechten Kampfverbänden, zusammenfaßten.
Schifane gegen Schwerkriegsbeschädigte
Eine Klage vor dem Reichsarbeitsgericht. Ceipzig, 13. Januar.( Eigenbericht.) Der Kläger M. ist im Betrieb der Firma Rubland- Bert 21.-G. in Rathenow als Lagerist tätig. Er ist Schwerkriegsbeschädigter. Bom 1. Januar 1929. bis 16. März 1929 mar er infolge seiner Kriegsbeld, ädigung tranf und arbeitsunfähig Die Firma weigert fich für diese Krantfelerzeit zu zahlen. Sie bestreitet jede Zahlungs verpflichtung und weist auf die Bestimmungen der 88 23 und 616 des BGB hin, die belagen, daß Lohnzahlung nicht gewährt mer ben muß, wenn die Krankheit nur furze Zeit dauert Die Vorinstanzen entschieden zugunsten des Klägers, do naa, einer Reichs arbeitsgerichtsentscheidung der Mäger Anspruch auf Lohnzahlung während seiner Krankheit hat.
Das Reidsarbeitsgericht hob diese Entscheidunger auf und wies die Klage an die Borinstanz zurüd, ba erst festgestellt werden müsse, ob der Kläger als Angestellter oder Arbeiter gelte. Wenn der Kläger als Arbeiter gelte, müsse die Bohnzahlung erfolgen, im anberen Falle tomme eine Bohnzahlung nicht in Frage.
Die Bekanntschaft des Nachtgespenstes gemacht zu haben, gehört schon beinahe zum guten Ton. Taggespenste find feltener, wir glaubten bis vor wenigen Tagen überhaupt nicht an ihre Eristenz Aber bann wurden wir eines Besseren belehrt...
Singend zogen wir durch die Straßen von Ertner, um irgendwo dort draußen in den Wäldern flare Winterluft zu atmen. Dit Aus uns zieht die neue Zeit, mit uns zieht die neue Zeit pielen frischen Jungenfehlen erflang es, und bie tleinen Mandolinen jubelten jo fröhtich mit, als verſtänden auch sie den Tegt unseres Liedes. Aber warum verstummten denn plötzlich die ersten der Schar? Jetzt blieben sie sogar stehen und starrten geradeaus, und dann sahen wir es alle: in einer fantastischen Generalsuniform leib eines Obersten) kam ein Mensch näher, ein Besen mit unerhört ( niemand von uns mußte es genau, vielleicht war's auch mur bas mürdig ernster Miene, gemessenen Schritts gezwungen aufrechten Ganges , sporen- und ordentlirrend. Die ganze Brust war in brei Reihen mit bunten Bändern und Schildern dekoriert. Und bann, als er uns ganz nahe war, fchen wir ein Gesicht, dessen Anblick uns für einen Augenblick das Blut erstarren ließ: eine graugrüne, welte Haut, unzählige Falten und Runzeln, tiefe Tränensäcke unter den starr und haßerfüllt blidenden Augen. So schritt er vorüber.
In mir erwacht plötzlich ein Bild aus früher Jugend. An der Hand des Baters gehe ich durch Caftans Panoptikum und sehe bunt toftümierte Puppen, zu denen mir Vater eine Erflärung gibt, Da find Mörder, Brantstifter. Wahnsinnige, Könige, viele Puppen tragen Uniformen; ich faffe Baters Hand fester und fürchte mich, Noch in pieten Nächten tamen diese Gestalten zu mir und ängstigten mich
im Traum.
Da hörte ich um mich herum ein Lachen, ein fröhliches, helles, befreiendes Bachen. Ein paar Spaziergänger blieben ebenfalls stehen und lachten mit uns. So ftanben wir, bis die graue Gestalt unseren Bliden entschwand.
Dann marschierten wir weiter. Unsere Augen waren heller und bie Stimmen fangen flarer, denn unsere Herzen fühlten, daß ber Geift einer verfuntenen Beit an uns vorübergegangen war. Ein Beift. ber uns mun ebenso erbeiterte, wie er unsere Bäter ge ängstigt hat.
mur, und legte, doch dann unausbleibliche Konsequenz sammengeschloffen in einem Theater: das Ziel steht unerbittlich tlar vor unsern Augen.
Jährlich 300 Opernvorstellungen anstatt 600 wie bisher, wirb das für die Kunst und für das Ansehen des Kunstzentrums Berlin ein Verluft sein? Gewiß nicht; schlecht gerechnet 300 tönnten im Interesse der Kunst gar nichts Besseres tun, als auszufallen. Doch alles in einem Hause tonzentriert, was zur Zeit beide an Kunstwillen, Kunstträften, mitteln und möglichkeiten, an Prominenzen und Attraktionen aufzubieten haben: was das als Gewinn bedeutete, ist kaum zu ermeffen. Doch was unter den heute gegebenen Berhält. nissen unerfüllbar war: dem einen großen Opernbetrieb ließe sich vielleicht, aus seinen Kräften gespeist, eine Kammeroper angliedern. Und besser jedenfalls, viel besser ein festlich ausverkauftes Haus jeden Tag als zwei, für die ihr Publikum nicht reicht, und mag es noch so weitherzig durch Dienst- und Freifarten gestreckt werden. Endlich aber, welches der beiden Häuser nur um das Gebäude handelt sich's wird sich eher ausschalten lassen? Dabei fragt es fich vielleicht, welches sich leichter und vorteilhafter anderweitig vermenden, etwa verpachten ließe, nur selbstverständlich nicht an einen Unternehmer, der vorhätte, barin auf eigene Fauft und Rechnung Ronkurrenzoper zu spielen.
Spätere Sorge, ob Oper in der Bismarckstraße oder Unter den Linden . Für das ehemals Königliche Opernhaus, aus dem die Tradition der Hohenzollern sich so schwer austreiben läßt mie der Geist der wilhelminischen Bürokratie, haben wir gewiß feine Borliebe; aber es verfügt über die modernere, leistungsfähigere Bühnenmaschinerie, der man nur Zeit laffen muß. fich einzuspielen, und, unbestreitbar, über die bessere Afustit... Auch die Zusammenziehung und Berschmelzung der Befriebe wird Zeit brauchen, aber fie wird die öffentliche Hand um ein paar Millionen im Jahr entlaften. Ueber Art und Umfang der staatlichen und städtischen Beteili gung zu reben, der Beteiligung an der Verwaltung und am Gewinn der Berwaltungsersparnis, erschiene wohl verfrüht. Doch wenn es im Ernst zu dieser gründlichen Neuordnung tommen sollte, vielleicht wäre es für die Reichsregierung ein Anlaß, sich zu besinnen, ob sie in der Reichshauptstadt für repräsentative Zwede immer auf Eine die Gastfreundschaft Preußens angewiesen bleiben soll Reichs, Staats, Stabtoper in Berlin -, neben dem Bolfsbildungsinstitut, Boltstunsthaus der Republitoper eine Stätte des fünstlerischen Glanzes und der festlichen Repräsentation, das wäre eine Sache, gegen die der grimmigste Spardittator und der aufrichtigste Arbeiterfreund wohl nichts einzuwenden vermöchten. Klaus Pringsheim .
Deutsches Bolfstheater.
Erich Ebermayer hat mit vielen Dichtern, Psychologiedoktoren und Archivstaubsaugern gefragt: War Kaspar Hauser , geboren in der großen Napoleonzeit, ein edelgeborener, von eifersüchtigen Bermandten ausgesetzter Prinz oder nur ein gewöhnlicher Bauernbursch? Ebermayers Gefühl entscheidet fich für die fürstliche Geburt und zeigt in fieben Bildern, die er bramatische Begende nennt, was mit dem armen Prinzen geschieht.
Kaspar Hauser wird bis zu seinem 17. Lebensjahre von einem bäuerlichen Pflegevater wie ein Stüd Vieh im dunklen Stall ge fangen gehalten. Wasser und Brot find seine einzige Nahrung. Im Auftrag der noblen Familie sollte der Bauer feinen Schützling eigent. lich umbringen. Doch diese Untat geht gegen bas Gewissen des Mannes. Immerhin entschließt er sich, da ihm zwet Ochsen, ein
Bferb und ein neuer Pflug dafür geboten werden, den Jungen in den Wald hinauszutreiben. Die Nürnberger nehmen sich des Wild mirb lings an. Raspar schlägt gut ein, er lernt fleißig, wird brav und glaubt selber daran, daß er vom Schicksal zum Throne bestimmt ist. Aber Leutnant Sidel, ein böser Offizier, verkauft für fünftaufend Taler seine Ehre und ersticht zu Ansbach auf nächtlicher Straße ben unschuldigen Raspar, der gerade davon schwärmt, daß seine fürst. liche Frau Mama nun endlich gekommen ist, um ihn zum Prinzenglück, vielleicht gar zum Rönigsglüd abzuholen.
Ebermayers dramatische Legende wurde schon im Lande gespielt, pelobt und sogar gepriesen, als Wert jener Jugend, die unfere Butunft vorbereitet. Hier in Berlin war davon nichts zu spüren. Man horchte: Süßigkeit der Jugend? Nein, nur die schalen Worte,
die auf Kinotiteln gebräuchlich sind. Man horchte weiter: Empörung, Anmaßung oder Borheit der Jugend, die berechtigt und befäbiot iſt, ben morschen Kunstbetrieb zu zerstören? Nein, mur Auliffen fompromiß und die Sehnsucht nach hausbadenem ober fnalligem
Groscheneffett. Der Dichter ift weder alt noch fung. Selbst mit größter Mühe und Liebenswürdigkeit ist nichts zu entreden. was den originalen Herzensbeuter und Wortefinder verriete. Der Dichter ift mur Mie Bierhe feiner Freundesfamilie.
Heinz Goldberg inszenierte. Start Bathaus, Baul hendels und Ferdinand art milberten mit ihrem schöner Talent all bie diefen Situationen.
m. h.
Eine Schaufpieler- Rad tvorf'elung von ulla bi Bulla mit Guido Thielicher und der Premierenbelegung findet Dienstag, 11% Uhr, in der
Theaternof überoll. Die Breslauer Deer wird in diesem Fabre mit Silfe Preußens aufrechterhalten, im nächsten aber gefchloffen. Das Stabiverordnetenkollegium von Blauen will Theater und Orchester ein Stomischen Dper ftatt. gehen laffen.