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47.Jahrgang
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Dienstag
14 Januar 1930
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Schacht- Krife im Haag.
Reichsbank macht nicht mit!
V. Sch. Saag, 13. Januar.( Eigenbericht.) Das Eintreffen des Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht im Saag hat pünktlich zu dem vielfach prophezeiten großen Krach geführt. Schacht hat dem Vorsitzenden erklärt, daß sich die Reichsbank an der Bank für internationale Zahlungen nicht beteiligen werde.
Die deutsche Delegation, der die Erklärung Schachts nicht mehr ganz unerwartet famt, be schloß, an Stelle der Reichsbank eine Gruppe
anderer deutscher Banken zu delegieren.
Bei den ausländischen Delegationen hat das Vorgehen Schachts wesentlich dazu beigetragen, die gereizte Stim mung gegen den Reichsbankpräsidenten sowie die Vorstellung, daß dieser doch eigentlich der leitende Mann Deutschlands sei ,. zu verstärken. Der Aerger über seine Suertreiberei ist um so größer, als gerade am heutigen Bege sowohl in den finanziellen Fragen wie auch in der jogenannten Sanktionsfrage im wesentlichen eine Cinigung erzielt worden war.
Schachts Sprengversuch.
V. Sch. Haag, 13. Januar. ( Eigenbericht.)
Allmählich werden Einzelheiten über die gefährliche Wendung belannt, die die Konferenz infolge des Borgehens von Dr. Schacht plöglich genommen hat. In der Sigung des Organisationstomitees für die Internationale Banf, die, eine reine Bantiersigung unter dem Vorsitz des Amerikaners Reynolds war, verlas zunächst der Borfizzende ein Schreiben, das er von Dr. Schacht vor einiger Beit erhalten hatte. Nach der einen Version soll das Schreiben vom Zeit erhalten hatte.
Es soll im wesentlichen befagen, die Reichsbank müßte ihre Mitwirkung an der Bank für internationale Zahlungen von der Klärung der drei folgenden Punfie abhängig machen: 1. Wiederherstellung des ursprünglichen Young- Planes an Stelle des durch die Haager Konferenz verjäischten Planes, 2. Ausschaltung aller Sanftionsmöglich feiten unter dem Regime des Young- Plans und 3. Regelung der Frage des beschlagnahmten deutschen Eigentums im Sinne der deutschen Forderungen.
Angeblich soll hinsichtlich des dritten Punktes das Schreiben sogar die Wendung enthalten, daß sich Schacht nicht an einen Aufsichts ratstisch mit Leuten zusammensetzen könne, die das private Eigentum nicht respektierten. Reynolds fragte nach Verlesung. des Schreibens den Reichsbenkpräsidenten, wie er zu diesem Briefe fehe. Schacht antwortete turz, daß er bei feinem Inhalt bleibe. Darauf entstand ein heftiger Wortwechsel, und die Sitzung flog mach taum dreiviertelstündiger Dauer unter allgemeinem Krach auf. Wie man inzwischen erfährt, handelt es sich bei dem Schreiben Schachts nicht um einen persönlichen Brief, sondern unt ein Schreiben des Reichsbankdirektoriums, datiert vom 31. Dezember, gezeichnet Schacht, Drense.
Rafcher Entschluß der deutschen Delegation. Als die deutsche Delegation von dem Berlauf der Dinge unter richtet wurde, trat fie zu einer internen Beratung zusammen und beschloß, in einer für 7 Uhr abends anberaumten Sigung vorzuschlagen, daß die Reichsregierung mit einem anderen deutschen Banttonsortium zusammentreten würde, das an Stelle ber Reichsbant sich an der Bank für internationale Zahlungen beteilige.
Diesen Vorschlag unterbreitete Curtius in einer Sigung der fechs einladenden Mächte, die nur inapp eine halbe Stunde dauerte. Als Tardieu gegen 8 Uhr abends die Sigung verließ, um fich zur Bahn zu begeben zu einer 24stündigen Parisreise, erklärte er furz, daß
die Gläubigermächte diese deutsche Anregung annehmen; es handle fich um einen Konflikt, den die Reichsregierung mit Dr. Schacht allein auszutragen habe und die Gläubigermächte nichts angehe, den Gläubigern fönne es gleichgültig sein, ob
Um den Staat!
Die Verantwortung der Reichsregierung. Herr Schacht hat im Dezember die Finanzpolitit
des Reiches fommandiert. Im Januar macht er im Haag feine eigene Außenpolitit. Was tommt im Februar? Wird er sich zum Kaiser frönen lassen?
Auf alle Fälle: Der Reichsausschuß Hugenbergs nebst Stahlhelm und Werwolf braucht nicht mehr nach dem Diftator zu schreien. Er ist da!
Es gibt lange Dittaturen und turze. Die von Mussolini ist lang, die von Kapp war kurz. Und die von Schacht? Darf man hoffen, daß sie schon angefangen hat, aufzuhören?
Der Augenblick fordert eine klare Sprache. Es ist uns unvorstellbar, daß sich eine Diktatur Schacht oberhalb einer deutschen Reichsregierung befestigen könnte, in der vier Sozialdemokraten igen. Die Sozialdemokraten in der Regierung müssen dafür sorgen, daß mit diesem blamablen Zustand sofort ein Ende gemacht wird. Können fie das nicht, so fönnen sie nicht weiter die Berantwortung mittragen.
Es geht jetzt um den Staat selbst. Der Staat verfiert seinen Anspruch auf Autorität nach unten, wenn er sie nicht auch oben zu wahren versteht.
Die Schnelligkeit, mit der sich die Regierung entschlossen hat, eine andere Bankgruppe einspringen zu lassen, berechtigt zu einigen Hoffnungen. Leider bleibt aber doch manches, was fich in den letzten Tagen abgespielt hat, schwer verständlich.
Schachts Brief war der Regierung seit dem 31. Dezember bekannt. Man hat trotzdem, statt den Mannbildlich gesprochen in Schuzhaft zu nehmen, ihn durch entsprechende Gegenmaßnahmen unschädlich zu machen, mit ihm meiter ver
die Mitarbeit an der Internationalen Bank von der Reichsbank oder von einem anderen deutschen Bantenkonfortium erfolge.
Infolge dieser Zustimmung zu ihrem Vorschlage betrachtete mun die deutsche Delegation die akute Gefahr einer Sprengung der Konferenz durch Herrn Schacht als beigelegt. Sie hat sich
jofort mit den Leifern der Berliner Großbanten in Berbindung gesetzt und diese gebeien, Bevollmächtigte nach dem Haag zu enisenden.
Dr. Schacht soll erklärt haben, daß er von seinem Standpunkte aus nichts dagegen einzuwenden habe, daß deutsche Privatbanken das Experiment der Beteiligung an der Internationalen Zahlungsban auf sich nehmen.
Allgemein wird in der deutschen Delegation das größte Er staunen darüber zum Ausdruck gebracht, daß die Vertreter der Reichsbank, die seit Beginn der Haager Konferenz als Sachverständige der deutschen Delegation beigegeben sind, während der letzten Tage die Absichten ihres Chefs verschwiegen haben und im Gegenteil Stimmung in dem Einn gemacht haben, als sei von dem Erscheinen Schachts im Haag teine gefährliche Wendung zu befürchten.
Im Gegensatz zu diesem Optimismus der Reichsbanfvertreter fheinen die Delegationen der Gläubigermächte bereits feit Tagen durch Parker Gilbert auf die heutige Wendung vorbereitet gewefen zu sein,
handelt. Die Delegation soll sogar gestern noch Versuche unternommen haben, ihn umzustimmen.
Schachts Reise nach dem Haag war aber unter den gegebenen Umständen reines Theater mit einer Bombenrolle und einem Bombeneffekt. War es nicht möglich, dieses
Theater zu verhindern?
Schacht ist auf seine Weigerung hin, in die internationale Bant einzutreten, nicht sofort nach Hause geschickt morden als ein Mann, der im Haag nichts mehr verloren hat, sondern er nimmt an der Arbeit des Organisationsfomitees weiter teil!
Bird Herr Schacht also auch an dem Teil der Berhandlungen teilnehmen, der das fünftige Statut der Reichsa bank betrifft? Uns scheint, daß nicht er berufen ist, die Folgerungen zu ziehen, die sich für diese Materie aus feineni letzten Streich ergeben. Uns scheint aber auch, daß jetzt der Wunsch des deutschen Volkes, die übertriebene Macht des Reichsbanfpräsidenten herabgemindert zu sehen, bei den Vertretern des Auslands auf volles Verständnis stoßen muß. Daran hat es ja, wenn wir recht unterrichtet sind, auch zuvor schon nicht gefehlt!
Die Unabfegbarkeit des Reichsbanfpräsidenten ist eine Fessel, die uns durch den Dawes- Plan auferlegt worden ist. Die deutsche Delegation hat hundertmal recht, wenn sie die Befreiung von dieser Fessel fordern will. Wird sie es
tun?
Das deutsche Bolt wird sich eine Dittatur Schacht auf keinen Fall gefallen lassen! Es ist genug und übergenug! Die Reichsregierung hat den unermeßlichen Schaden, den dieser Mann anrichtet, mitzuverantworten, wenn sie seinem Treiben nicht Einhalt gebietet. Zeigt sie den Willen dazu, so wird sie die erdrückende Mehrheit des Volkes hinter sich haben und der Sieg wird ihr gewiß sein.
Wenn sie aber nicht siegen wollte ja, dann wäre ihr auch nicht mehr zu helfen!
flärt, daß die Forderungen seines Briefes an Reynoulds politischer Natur seien und daß er seine Kompetenzen entschieden überschritten habe. Schacht antwortete mit dem gleichen Argument wie bereits in der Gigung des Organisationsfomitees, daß es sich nicht um Fragen der Politik, sondern um Fragen der Moral handle usw. Man teilte Schacht mit, daß man nunmehr sich an andere Banken wenden werde. Er erklärte, daß er feine Einwendungen dagegen erhebe, obwohl er an sich dazu berechtigt wäre, da es sich um die Placierung deutschen Kapitals im Auslande handle; er werde jedenfalls auf diese Art ser Berantwortung ledig.
Dann wurde Schacht gebeten, die deutschen Minister unter sich zu lassen und diese beschlossen, unverzüglich an
die Reichskreditgesellschaft und die Preußische Seehandlung heranzutreten, damit diese die Aufgaben bei der Gründung der Internationalen Zahlungsbant übernehmen, die ursprünglich der Reichsbank zugedacht waren.( Man rechnet eventuell auch mit der Mitmirfung des Banfhauses at burg Hamburg.)
Mit diesem Vorschlag begab sich die deutsche Delegation in die Sitzung der Gläubigermächte, über die bereits berichtet wurde. Der deutsche Vorschlag löste nur eine kurze Diskussion aus. Lediglich der Italiener erhob einen Einwand,
nämlich, daß die Bestimmungen des Young- Blanes, wonach auch andere als staatliche Banfinstitute sich an der B33. beteiligen sollten, eigentlich nur für die Bereinigten Staaten gedacht mären. Aber dieser Einwand wurde schnell wieder fallen gelaffen und alle Mächte erklärten sich mit dem deutschen Vorschlag einverstanden unter Betonung, daß es sich um einen rein inner
die schon vor vier Tagen in einem Bericht des Vorwärts" aus deutschen Konflikt zwischen der Reichsregierung und Dr. Schacht
dem Haag signalisiert worden ist.
Empörung gegen Schacht.
V. Sch. Haag, 13. Januar. ( Eigenbericht.) Das Verhalten Schachts hat unter den deutschen Delegierten ohne Ausnahme starte Empörung ausgelöst, die ihm unverbiumt Don allen vier Ministern zum Ausdrud gebracht wurde. Das geschah am Nachmittag im Hotel der deutschen Delegation nach der stürmischen Sigung des Organisationstomitees. Es wurde ihm er
handle.
Weiter erklärten die Minister der Gläubigermächte, daß fie fich jede politische Einmischung des Dr. Schacht verbäten und daß die Konferenz ihre Arbeit fortsetzen würde, als ob Dr. Schacht nicht eriffiere.
Ergebnislose Einwirkung.
Die deutsche Delegation hat heute nun noch einmal die ft är fa ften ft en Einwirtungsverfuche auf Schacht unternommen, um