Morgenausgabe
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47.Jahrgang
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Mittwoch
15. Januar 1930
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Fort mit Schacht!
Sein Rücktritt eine Forderung des arbeitenden Volfes.
Was ist nun im Haag gewefen? Eine 24- Stunden- Revolution hat mit der Wiederherstellung des Zustandes von vorher geendet.
Die Reichsbant macht bei der internationalen Reparationsbank mit, Herr Schacht bleibt ihr Präsident, und es ist alles wieder gut.]
Wirklich?
Allerdings, der Zustand ist wieder hergestellt, der bestand, bevor Schacht sich meigerte, in Basel mitzutun. Herr Schacht weigert sich nicht mehr. Aber zwischendurch ist doch etwas passiert.
Der Präsident der deutschen Reichsbank hat vor der ganzen Welt ein bemerkenswertes Beispiel natio: naler Disziplinlosigkeit gegeben. Die Vertreter des Auslands sahen im Hang Deutsche und Deutsche mit gerofeten Gefichtern und geschwollenen Stirnadern einander gegenüber und hörten zornige Worte. Sie erlebten dann wahrscheinlich mit sehr gemischten Gefühlen eine ebenso rasche wie rührende Versöhnung. Das Ganze: eine Blamage. vor aller Welf. Wir verdanten sie Herrn Schacht.
Wahrscheinlich haben diejenigen recht, die mit einer gewiffen Schadenfreude behaupten, daß der Blamier te fte bei diefer ganzen Angelegenheit Herr Schacht selbst ist. Wir fönnen aber die Feststellung, daß der Präsident unserer Reichshank vor dem Ausland eine lächerliche Rolle gespielt hat, feineswegs mit Genugtuung aufnehmen. Wir fragen vielmehr: Was folgt daraus?" und ,, Wie lange noch?"
Selt längerer Zeit hatten wir hier und seit kurzem mit besonderem Nachdruck- die Meinung vertreten, daß die Präsidentschaft des Herrn Schacht einen furchtbaren Schaden für die Wirtschaft und einen unerträglichen 3ustand für den Staat bedeute. Darum haben wir gefordert, daß im Haag diejenigen Bestimmungen des Reichsbankstatuts beseitigt werden, die Herrn Schacht eine inter national geschützte Stellung neben oder über der deut schen
Regierung anweisen.
Rann etwa jemand finden, daß diese Meinung und diese Kann etwa jemand finden, daß diese Meinung und diese Forderung nach dem Theater vom Montag widerlegt oder überholt feien? Das wäre eine sonderbare Logik!
Gerade das Theater, das Herr Schacht am Montag im Haag aufführte, hat einen neuen unwiderleglichen Beweis dafür geliefert, daß Schacht ein unmöglicher Reichsbantpräsident ist und daß er per schwinden muß.
Der Ruf erhebt sich: Fort mit Schacht!" Die Gewerkschaften sagen:„ Er hat durch die systematische Abschnürung der deutschen Wirtschaft von der ausländischen Kapitalzufuhr den Baumarkt, die wichtigste Schlüsselindustrie, erdrosselt. Er hat Hunderttausende und aber Hunderttausende von Arbeitslosen geschaffen. Darum fort mit Schacht!" Die Sozialdemokratische Partei fügt hinzu:„ Er hat nicht nur das getan, sondern er hat die Machtstellung, die er uns aufgezwungenen internationalen Bindungen verdankt, dazu mißbraucht, Innenpolitik und Außenpolitif auf eigene Faust zu treiben. Ihn weiter schalten lassen wie bisher, heißt die Verfassung entseelen, den demokratischen Staat entmachten, dem internationalen Finanzkapital die Hertschaft überlassen. Weil wir das nicht wollen, darum fort mit Schacht!"
Niemand täusche sich darüber: es ist eine Bolts bewegung im Werden, eine Volksbewegung, die nichts zu tun haben will mit dem sinnlosen Treiben nationalsozialisti scher oder kommunistischer Radaubrüder. Sie ist getragen von ernsten Männern und Frauen, die getrieben sind von der Sorge um das Los der arbeitenden Menschen, um ihr eigenes Los und von der Sorge um die Zukunft der deutschen Demokratie. Die Losung dieser Volksbewegung wird lauten: Fort mit Schacht!"
Der Kampf gegen die Diktatur Schachts ist ein Kampf für die deutsche Wirtschaft und ein Kampf für den deutschen Staat. Es ist ein Kampf gegen eine Feffel, die uns infolge unferer Niederlage von unseren einstigen Kriegsgegnern auf
Gestern mittag gegen 2 Uhr wurde von der deutschen | Sizung mit dem Gang der Haager Verhandlun Delegation im Haag das folgende offizielle Kom muniqué herausgegeben:
Die deutsche Delegation wird in der morgigen Sitzung die erforderlichen Schritte tun, um die Beteiligung der Reichsbank an der Bank für internationale Zahlungen und die Mitwirkung der Reichsbank an der Bank für internationale Zahlungen gesetzlich zu gewährleisten.
Wie wir weiter hören, hat der Reichsbankpräsident in einer Besprechung mit dem Reichsfinanzminister Dr. Moldenhauer erklärt, sich für diesen Fall den daraus ergebenden Verpflichtungen nicht zu ent. ziehen. Damit ist die Mitwirkung der Reichsbank gesichert.
gen befaßt und, soweit ein Ergebnis vorliegt, der Hal tung der deutschen Delegation zugestimmt.
Nachdem die Reichsregierung im Einvernehmen mit dem Reichsbankpräsidenten die Reichskreditgesell schaft A.-G. und die Preußische Staatsbant ( Seehandlung) ersucht hat, an Stelle der Reichsbank bis auf weiteres als Gründer der Bank für den Internationaleu Zahlungsausgezich aufzutreten, haben sich diese Banken dazu bereit erklärt. Zum Zwecke der not. wendigen Verhandlungen reisen im Laufe des heutigen Abends die Herren Direktor Ritscher und Präsident Schroeder nach dem Haag.
Der preußische Finanzminister hat die Genehmigung zur Beteiligung der Preußischen Staatsbank an der Bank für Internationale Zahlungen erteilt. Die Seehandlung und die Reichskreditgesellschaft werden zunächst an den Gründungsverhandlungen der BI3. teilnehmen, um dann nach Das Reichskabinett hat sich in seiner gestrigen Annahme des Gesetzes den Plaz der Reichsbank zu übergeben.
Gleichzeitig beriet in Berlin das Reichskabinett über die durch die Schachtsche Haltung geschaffene Lage. Ueber die Beratung wird amtlich mitgeteilt:
erlegt worden ist. Denn dem Diktat dieser Gegner, hinter| denen dabei das internationale Finanzkapital stand, dankt Schacht seine Machtstellung. Die Massen, die gegen diese Machtstellung angehen, werden sich nicht aufhalten lassen durch den Hinweis auf einen Paragraphen des Reichsbankstatuts. Alle juristischen Argumentationen wird ihr Ruf übertönen: Fort mit Schacht!"
Steht nicht auch in der Reichsverfassung: Die Staatsgewalt geht vom Volte aus" und trotzdem haben die Volksvertreter nach Schachts Befehlen Gesetze machen müssen? Wenn Schacht nicht über die Verfassung stolpert, warum sollen wir halt machen vor einem Bankstatut? Also, frog alledem: Fort mit Schacht!"
Schacht ist, der ist für eine neue Inflation. Antwort: es gibt unter den Gegnern Schachts feinen Dummtopf und keinen Verbrecher, der das will. Wir sind mit jedem Reichsbankpräsidenten zufrieden, der die Währung schützt. Wir Schuldentilgung, Sparsamkeit, Ausgleich des Reichshaus find für jedes Gesez, das diesem Zweck dient. Wir sind für halts, wir sind bereit, alle Opfer zu bringen, um die deut schen Finanzen auf gesunde Grundlagen zu, stellen- aber mir haben uns nicht von Wilhelm befreit, um uns von einem anderen Narren regieren zu lassen: Darum fort mit Schacht!"
Da kommen nun die Gegner und sagen, wer gegen
So denken heute in Deutschland Millionen gewerkschaftlich organisierte Arbeiter, Millionen Wähler der Sozialdemofratischen Partei, Millionen überzeugte Republikaner. Eine Boltsbewegung ist im Gange. Wer in Deutschland oder im Ausland Politik treibt, gleichviel wo und wie er steht, wird gut tun, mit dieser Tatsache zu rechnen.
Schachts Erfolg:
Ein Stoß gegen die Autorität des Reichs.
V. Sch. Haag, 14. Januar. ( Eigenbericht.) Dr. Schacht hat sich im Hotel der deutschen Delegation ganz ungeniert als Nebenregierung etabliert und hält ununterbrochen Pressekonferenzen ab. Er empfing einzeln und in verschiebenen Gruppen die Vertreter der bürgerlichen deutschen Preffe, um 7 Uhr hielt er sogar eine englische Pressekonferenz ab. an den Empfängen der Nebenregierung Schacht teilzunehmen, mir Der Vertreter des ,, Vorwärts" kann, weil er es ablehnen muß, aus zweiter Hand die Aeußerungen des Reichsbankpräsidenten wiedergeben, somie die Eindrücke derer, die diesen Empfängen velgewohnt haben. Selbst solche Berichterstatter, die bisher zu Dr. Schacht hielten, hatten den Einbrud, daß sie es mit einem Mann zu tun haben, der einen
atuten Anfall von Cäsarenwahnsinn durchmacht. Vor dem Beginn der Versuche der deutschen Delegation, fich mit Schacht zu einigen", hatte er u. a. erklärt: Weder ich noch die Reichsbant werde an einem Geschäft teilnehmen, deffen moralische
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Grundlagen wir nicht für gesichert halten wenigstens nicht freiwillig.
Wenn die Regierung gegen mich irgendwelche Maßnahmen ergreift, müßte ich als loyaler Staatsbürger sie ausführen. Denn jeder Staatsbürger muß das Gesetz respektieren oder auswandern, und ich will nicht auswandern."
,, Es liegt mir fern, politische Entscheidungen zu beeinflussen; wenn die Delegation mit anderen Banken als der Reichsbank für die Mitwirkung an der B33. verhandeln will, so werde ich das nicht verhindern, denn das wäre Sabotage."
Ich demissioniere nicht, wenn es auch einigen Leuten passen würde, denn ich habe eine Verantwortung nicht nur vor Deutschland , sondern vor der gesamten Welt. Ich habe ein internationales Mandat, dem ich mich nicht durch die Flucht entziehen werde."
Bei diesen Worten soll nach dem Bericht von Zeugen Herr manche ihm jogar nahestehende Zuhörer Schacht so grotest pathetisch deklamiert haben, daß an feiner 3ua rechnungsfähigkeit zweifelten.
Dreimal wiederholte er im Verlauf einer einzigen Besprechung: 3d irre mich nie!"
unterbrach Schacht schroff:„ Ich fürchte überhaupt nichts!" Als jemand ihn fragte, fürchten Sie nicht, Herr Präsident...?
mitzuarbeiten und durch seinen Beschluß das Feld zweitklassigea Andere fragten, ob nicht durch seine Weigerung an der BIZ. Banfinstituten zu überlassen, Schädigungen entstehen könnten, darauf Schacht: Ja, wenn man die Sache jo blöd anfängt, dann aller bings".
Diese Kostproben genügen wohl, um auf allen Lippen jene gleiche besorgte Frage auftauchen zu laffen, die man nach gewiffen Reden Wilhelms II. oder Pilsudskis gestellt hat.
überhaupt noch verhandelt und warum fie mit ihm eine Eini Man muß fragen, warum die deutsche Delegation mit Schacht überhaupt noch verhandelt und warum sie mit ihn eine„ Einigung" gesucht und gefunden hat, die es ihm geftattet, fich als vergewaltigte nationale Tugend hinzustellen. Jetzt wird er nach seiner Rückkehr nach Deutschland deklamieren: Ich wollte ja fämpfen, ich wollte die Augustbeschlüsse auf der Haager Schlußkonferenz wieder rüdgängig machen, ich weigerte mich, den infolge seiner Berfälschung ,, unmoralisch" gewordenen Young- Plan auszuführen aber die Regierung ist mir in den Rücken gefallen und hat mich durch die Drohung mit einer Gefeßesänderung gezwungen, den unmoralischer Young- Plan auszuführen. Ich füge mich, aber nur unter Protest."
Das Ausland wird ihn zwar austachen, und es nimmt ihn ab heute nicht mehr ernst, aber es wird genug Dumme in Deutschland geben, die in ihm den verhinderten nationalen Heros feiern und die Reichsregierung des Landesverrats beschuldigen werden. So gibt es
in Wirklichkeit als Ergebnis des heutigen Kampfes feine Sieger, 814 sani honfondern nur Befiegte.90
Denn darüber darf sich die Regierung nicht täuschen: Trotz der scheinbaren Kapitulation Schachts hat die Autorität des Reiches vor den Augen der versammelten Staatsmänner der Welt den empfindlichsten Stoß erlitten.
Wir fragen: Welche Regierung, welches Bolt auf der Welt hätte sich das bieten lassen? Wer glaubt, daß Tardieu auch nur eine minute länger mit dem Gouverneur der Bank von Frankreich Moreau verhandelt hätte, wenn er sich so aufgeführt haben würde,