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STADT

BEILAGE

Zwei Jahre Pflegeamt der Stadt Berlin  

Eine Hilfsstelle für sittlich Gefährdete

Das Pflegeamt der Stadt Berlin   fonnte jetzt auf eine zwei-| jährige erfolgreiche Tätigkeit zurücbliden. Es ist gegründet mit dem Jufrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechts­frankheiten und hatte zunächst die Akten der Frauenhilfsstelle bei der Sittenpolizei zu übernehmen. Wie wenig die frühere Sitten­polizei, im Vergleich mit dem heutigen Pflegeamt zur Befämp­fung der Prostitution ausrichten konnte, ergibt sich einfach aus den Zahlen: die Sittenpolizei tannte eiwa 5000 Proffituierte, die fie ,, überwachte", das Pflegeamt hat in den zwei Jahren seines Bestehens etwa 20 000 Frauen, junge Mädchen und Jugendliche beraten und betreut. War die Hauptauf­gabe der Sittenpolizei auf eine Ueberwachung gerichtet, so verfolgt das Pflegeamt andere Ziele. Es geht von dem Grundsatz aus, daß

die Prostitution in erster Linie eine Begleiterscheinung schlechter jozialer Verhältnisse ist. Man bemüht sich, die wirtschaft­lichen Verhältnisse des einzelnen zu ordnen und zu fördern. Zu diesem Zwed scheut das Pflegeamt feine Kosten und Arbeit.

Groß ist die Zahl der Jugendlichen, die dem Pflegeamt zugeführt werden. Wird heute in Berlin   eine jugendliche Person nagabundierend oder in zweifelhafter Situation aufgegriffen, fo tommt sie nicht mehr zur Polizei, sondern zum Pflegeamt. Schon der Polizeibeamte hat die Anweisung, Jugendliche nicht eima erst mit anderen, älteren Personen, die man aufgegriffen hat, zu­jammenzubringen. Vielmehr werden die Jugendlichen sofort vom Beamten im Auto zum Pflegeamt gebracht, wo Tag und Nacht Dienst angesetzt ist. Sind die Jugendlichen aus Berlin   und haben hier eine Wohnung, so werden sie noch in der Nacht von der Pflegerin persönlich nach Hause gebracht. Meist aber handelt es sich um 2us­wärtige, die hier fein Unterkommen haben. Diese bleiben dann die Nacht im Heim, wo zwar enge, aber saubere Schlafräume zur Ver­Kigung stehen.

Fürsorge und Hilfe für die Geftrauchelten. Am anderen Morgen werden die Jugendlichen dann der Aerztin zugeführt. Nicht zwangsweise, sondern es wird ihnen klargemacht, daß eine Untersuchung in ihrem Interesse liegt. Die Fest­stellung ergibt meist, daß die Hälfte der Jugendlichen geschlechts. Frank ist. Mädchen von 14 Jahren befinden sich unter den un­

glücklichen Kranken. Selbstverständlich sorgt das Amt dafür, daß bei Kranten sofort die erforderliche ärztliche Behandlung etnicht und es macht auch därilber, daß mit dieser Behandlung nicht vorzeitig Schluß gemacht wird.

Neben Jugendlichen hat das Pflegenmt auch noch andere, sittlich gefährdete weibliche Personen zu betreuen. Meist handelt es sich hier um Personen, die von außerhalb nach Berlin   gekommen find, hier aber ihre Eristenz verloren und mittellos auf die schiefe Ebene geraten sind. Das Pflegeamt betätigt sich hier besonders als Arbeitsvermittler. Es steht mit sämtlichen Arbeitsnach weisen der Stadt in Verbindung und hat die Möglichkeit, dieje sittlich gefährdeten Personen bevorzugt in der Industrie unterzubringen. Im ersten Jahr seines Bestehens tonnte das Pflegeamt 1000 weib­lichen Personen Stellen verschaffen, 500 Frauen und Mädchen find heute noch in der gleichen Stellung. Notfalls sorgt das Pflegeamt auch dafür, daß eine Berufsschulung vorgenommen wird. Auf Kosten des Amts, also der Stadt, sind eine ganze Reihe von Personen, die sich vorher durch Prostitution ernährten, in ver schiedenen Berufen ausgebildet worden. Selbst einer Tänzerin ist Dom Pflegeamt auf diese Art der Weg geebnet worden.

Ge

Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten. Beitere Gebiete sind die Beratung und die Betreuung der jenigen, die sich selbst an das Pflegeamt wenden, und weiterhin die Ermittlungen im Interesse der Bekämpfung der fchlechtstrantheiten. Es gibt zahlreiche Prostituierte, die fich an das Pflegeamt wenden, um durch dessen Vermittlung einem ordentlichen Beruf zugeführt zu werden. Es gibt aber auch zahl reiche Frauen, die völlig mittellos in Berlin   fitzen und nur die Wahl zwischen Prostitution und Pflegeamt haben. Bei den Ermittlungen im Interesse der Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten sind die An­zeigen zu prüfen, die namentlich oder anonym bei den verschiedenen Behörden eingehen. Die Nachprüfungen erfolgen stets sehr dis tret. In mehr als einem Drittel aller Fälle wird festgestellt, daß die. Anzeige auf Wahrheit beruht.

Das traurigste Kapitel ist das der Kinderprostitution. Es gibt in Berlin   zahlreiche als Massagesalons oder Schönheits­institute per fappte Bordelle, die aber der Polizei sämtlich

Sie

RK.

DES

VORWARTS

bekannt sind. In diesen Unternehmen werden zum großen Teil Jugendliche beschäftigt". Das Pflegeamt versucht von den ihnen zugeführten Jugendlichen herauszubekommen, wo noch andere Jugendliche zur Prostitution angehalten werden. Erst wenn das Pflegeamt mit großer Mühe eine Adresse festgestellt hat, greift die Polizei ein. Aus eigener Initiative scheint die Polizei nicht. vor­zugehen. Neben der Frauenabteilung hat das Pflegeamt noch eine we än ne rabteilung, die sich in der Hauptsache auf Bekämpfung der Geschlechtstrankheiten beschränkt. Auch hier ist leider die Zahl der Jugendlichen, die betreut werden müssen, recht hoch. Das Pflegeamt hat in den zwei Jahren seines Bestehens eine außerordentlich wertvolle Arbeit geleistet. Es hätte zweifellos noch mehr leisten können, wenn es nicht räumlich so überaus be­schränkt wäre. Gegenwärtig ist das Amt am Alexanderplatz  untergebracht. In Kürze wird es dort verschwinden müssen, da die Häuser beim Umbau des platzes mit abgerissen werden. Es wäre zu wünschen, daß dann dem Pflegeamt ausreichende Räumlichkeiten zur Berfügung gestellt werden, die seiner wichtigen sozialen Aufgabe entsprechen.

Nationale Ehrenretter.

Wie die Wut des Stammtischphilifters sich austobt. Zeiten großer Erregung, zumal wenn sie durch eine verant. wortungslose Bresse geschürt wird, erzeugen den Mut des Stamm tischphilisters, auch zu einer aktiven Beteiligung vorzustoßen. Solcher Mut äußert sich in Postkarten und Briefen, die meist anonym oder unter Decknamen an verhaßte Persönlichkeiten geschickt werden. Zu den Stammtischphilistern gesellen sich die meist noch stärker fanatisierten Damen ,, paterländischer" Vereine.

In letzter Zeit gingen mir allerlei derartige Kulturdokumente zu; eine offene Postfarte lautete: ,, Lump! Eine deutsche Frau!" Ich kalkuliere, fie ist ein weiblicher Stahlhelm, eine Amazone im Hinterhalt, tapfer im Dunkel der Nacht. Ein Brief eines Dr. Ku­nert( so muß der Name wohl entziffert werden, Poststempel  Eine Breslau  ) droht, ich müsse eigentlich gelyncht werden. richtige Visitenkarte abzugeben, riskiert dieser akademische Vor­fämpfer für deutsche Selbstbefreiung nicht. Er wird wohl Alter Herr einer schlagenden studentischen Verbindung mit besonders ent­wideltem Ehrgefühl sein. Eine einzige der zahlreichen Buschidungen trug Namen tid Adresse. Man muß zugeben, bei weitem der tapferste und anständigste der Gegner, ſittlich die anonymen Helden und Heldinnen weit überragend. Dieser moralisch höchststehende nationale Ehrenretter ist ein ehemaliger Justizbeamter. Eine Anfrage beim preußischen Justizministerium ergab folgendes Bild: ,, Der Verfasser der Postkarte ist den Behörden seines Heimats ortes seit langem als Psychopath und Querulant bekannt. Er ist 1911 megen eines Bergehens zu längerer Freiheitsstrafe verurteilt und anschließend aus dem Justizdienst entlassen worden. Er ist bereits in einem im Jahre 1925 über ihn erstatteten Gutachten als eine abgeartete Persönlichkeit bezeichnet worden, die u. a. an großer Reizbarkeit, ausgesprochenem Mißtrauen, überwertigen Beziehungs­vorftellungen und uneinfichtiger, querulatorischer, fampfartiger Ein­fiellung gegen vermeintlich übelpollende Dritte leide. Dieser Ge: sundheitszustand dürfte sich im Laufe der Jahre eher verschlechtert als verbessert haben. Ein Strafverfahren wegen Beleidigung und Bedrohung würde unter diesen Umständen möglicherweise zu einem Freispruch wegen Unzurechnungsfähigkeit führen..." Welchen geistigen Zustand würde mun erst eine Nachprüfung der Seelenverfassung jener anonymen Helden und Heldinnen in Dr. Siegfried Kawerau  . Bresse und Korespondenz ergeben?

Durchbruch Lindenstraße wird fortgesetzt.

Der Magistrat hat in seiner Sizung vom 15. Januar beschlossen, die eingeleiteten Abbruchsarbeiten für den Durchbruch der Lindenstraße fortzusehen. Die Gebäude auf dem Grundstück Kommandantenstr. 80/81( Staref) sollen sofort nach der Räumung abgebrochen werden. Mit dem Abbruch dürfte vor April, Mai d. 3. nicht zu rechnen sein, da die Abwicklung des Konfurses vorher taum zu erwarten sein wird. Die neue Durchbruchsstraße soll in einer Breite von 32 Meter angelegt werden. Das zuständige Bezirksamt beabsichtigt in der Zeit zwischen provisorischer und endgültiger Straßenanlegung, soweit die Restparzellen nicht sofort zur Bebauung Berwendung finden fönnen, dort eingeschossige Läden zu errichten, ähnlich wie am Potsdamer Platz  , um die eingehenden Bachtsummen für die spätere Straßenanlage mit zu verwenden.

Unseren alten Kämpfern!

Zu einer würdigen Feier für ihre Jubilare hatte die 55. Abtei­lung der Berliner   Sozialdemokratie ihre Mitglieder und Freunde eingeladen. Der überaus stimmungsvoll in unseren Farben ges schmückte Saal vermochte die Fülle der festlich gekleideten Besucher faum zu fassen. Prächtige von der Hauskapelle ausgeführte Musit leitete mit dem ,, Einzug der Gäste auf die Wartburg  " zum offiziellen Teil des Programms über, das umrahmt war von den alten Kampj­liedern, die uns so manches Mal zum Siege geführt haben. Da jaßen sie, die Jubilare, viele in weißem und grauem Haar, und durchlebten in Gedanken erneut die Kämpfe vergangener Zeiten, auch Erinnerungen freudiger Art zogen an ihrem Geiste norbei. Erinne rungen an 25jähriges Kämpfertum! Ihren Empfindungen gab Ge­nosse Landtagsabgeordneter Meier beredten Ausdruc.

Das Programm murde ergänzt durch Liedervorträge des Bolts­chors Harmonie- Charlottenburg und des Chores der Sozialistischen Arbeiterjugend Charlottenburgs   sowie durch wir Die Namen der Jubilare, die durch tungsvolle Rezitationen. llebergabe von wertvollen Büchern geehrt wurden, sind Carl Blod, Friedrich Brandt  , Reichstagsabgeordneter Ennil Girbig. Paul Hammer, Hans Herrmann  , Gottlieb Karrer, August Klig, Richard Klose, Oskar Laib, Otto Reimann, Ostar Schulze, Alois Stieffenhofer, Martin Gressel. Dreizehn sozialistische Jubilare, Kämpfer der Arbeit, in einer einzigen Abteilung!

Radau, ihre einzige Stärke! Kommuniffentrach in der Bezirksversammlung Mitte. In der Einführungs- und Berpflichtungsfizung der Beziris versammlung Mitte legten die Kommunisten nach alter Manier einige Dringlichkeitsanträge vor, die offensichtlich darauf hinzielten, den üblichen Krach hervorzurufen.

Als jedoch in der Geschäftsordnungsdebatte Genosse Riese den kommunistischen   Neulingen sehr ruhig und fachlich erklärte, daß in der Einführungssigung die Behandlung von Anträgen dieser Art nicht möglich sei und daß in Zukunft die sozialdemokratische Fraktion allen Dringlichkeitsanträgen widersprechen werde, die nicht vorher den Fraktionen zur Kenntnis gebracht seien, wurden die fommunistischen Schreihälse schnell ruhig. Nur ihr sattsam bekannter Stadtverordneter Wisnewsti fonnte es sich nicht verkneifen, dieje fachliche Erklärung mit müſtem Schimpfen zu beantworten, wobei die Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion als Lumpen und Strolche bezeichnet wurden. Als ihm von unserer Fraktion der

ersehnten Anlaß zum- Radau. Der fommunistische Begirisverordnete " ump" sehr deutlich quittiert wurde, hatten die Kommunisten den Lehmann. drang auf den Genossen& aewn ein, umur dem Eingreifen. rubiger und besonnener Genoffen war es möglich, cine Schlägerei zu vermeiden. Da uns aber die Kommunisten sehr viel­fagend auf die nächsten Sisungen hingewiefen haben, werden wir schon jetzt beginnen müssen, den Berlinern flarzumachen, in welcher Weise die Interessen der arbeitenden Bevölkerung von den Moskau  . jüngern wahrgenommen werden.

Schutz den Minderbemittelten.

7. Bezirk Charlottenburg  .

Die Konstituierung der Bezirksversammlung erfolgte trok aller Eigenbrötelei der Flügelparteien: Borsteher wurde als Ber­treter der Fraktion der Mitte Dr. Kunz( Bolkspartei), die beiden an deren Borsteher stellten die Sozialdemokraten( Dr. Kapperau) und Deutschnationalen( Behrens). Im weiteren Büro sind wir noch durch den Genossen Bidler vertreten. Nach der Konstituierung trat die Versammlung auf einmütigen Beschluß nach Borschlag des Alterspräsidenten Brig in eine Beratung der Vorlagen und An­träge ein.

Die eigentlichen Verhandlungen drehten sich um die Anträge der KPD  . und SPD  . Genosse Dr. Kamerau begründete einen Antrag der SPD.  , der gegen die Politik des Oberpräsidenten und des Bürgermeisters Scholz und Augustin Einspruch erhob. Juristisch und sachlich brandmarkte er die Maßnahmen dieser Diktatur und forderte, bei Anerkennung der Notwendigkeit von Eparmaßnahmen, daß sie nicht auf Kosten der minderbemittelfen Bevölkerung erfolgen dürften Bezeichnendermeise stimmten die Kommunisten gegen diese Forderung! Zehnte damit die Versammlung die eigentlichen Einsprüche unserer Fraftion cb und konnte sich nicht für eine Verteidigung der Selbst­waltung erklären, so stimmte sie der praktischen Schlußfolgerung unseres Antrages zu, daß notwendige Sparmaß­nahmen auf ihre soziale Tragweite geprüft und nur mit Zustimmung der Bezirksversammlung

befchloffen werden dürfen.

,, mit Kurbel und Bremse durch Berlin  ." Heute finbett Berliner   Rundfunt um 17.30 Uhr ein interessantes 3wie­gespräch zwischen dem Leiter der Literarischen Abteilung der BBG. Billy Mabus und einem Straßenbahnführer statt.

rauchen die 15Zigarre

RESTPOSTEN

LOESER a WOLFF

ZENTRALE: BERLIN   W 35, POTSDAMER STRASSE 24/25

CASINO FLOR

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