Nr. 2947. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Sonnabend, 18. Januar 1930
Dr. Reinholds Bank stillgelegt. Konsumvereine weiter aufwärts
Die Mittelstandshilfe eines Finanzreformers.
Der frühere Reichsfinanzminister Dr. Reinhold ist nicht nur Der Aufsichtsrat war ein Gremium erster deutscher Brivatban. burch seine politische Aktivität als demokratischer Reichstagsabgeord- tiers und bekannter ausländischer Bankeninhaber. Die deutschen Großneter befannt. Auch auf dem Gebiete der finanzreformerischen Vor- banten hatten sich allerdings bei der Gründung auffällig zurück schläge ist er in jüngst vergangenen Monaten verschiedentlich hervorgehalten. Das lag wohl zum Teil daran, daß sie dieser Kreditierungsgetreten. Wir haben in Deutschland keinen Mangel an Aposteln, methode auf der Basis von Industriehypotheken aus den verschie am allerwenigsten auf dem Gebiete der Finanzreform. Die densten Gründen nicht allzu begeistert gegenüberstanden. Ganz gleich zweite Hälfte des Jahres 1929 hat uns mit Programmen und wie die Dinge liefen, drohte für sie ja eine Einengung ihres für Plänen überreichlich gesegnet. Man erinnere sich nur neben Rein sie durchaus rentablen Kreditgeschäftes. hold an Stolper, der mit geradezu erstaunlicher Fruchtbarkeit ständig neue Ideen produzierte und alte auf neu verarbeitete. Ueber dies war die von der Reichsregierung beabsichtigte Finanzreform mit ihrem auf fünf Jahre sich erstreckenden Programm und Plan ein Resultat jenes Hagels von Verkündigungen und Predigten.
Papier ist geduldig und rednerische Erfolge find bei einiger Begabung nicht schwierig. Es ist leicht, ein artiges Feuerwerf tühner Gedanken so abzubrennen, daß die Zuschauer und Zu hörer dapon entzückt sind.
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Erst die Probe aufs Erempel beweist, ob in den Ideen eines Finanzreformers mehr steckt, als Gedanken, ob die Tatsachen spekulativ oder plastisch real gesehen sind.
Der frühere Reichsfinanzminister Dr. Reinhold hat es mit einer Verwirklichung seiner Ideen, oder richtiger eines Gedankens jeiner Ideen versucht. Er gründete im Herbst 1928 die 3entral. bant deutscher Industrie A.-G., deren Aufsichtsratsvorfizender er wurde. Der Plan dieser Bank war gut und flang verständig. Es wurde verkündet, daß die Bank zu dem Zwecke gegründet sei, der Industrie langfristige Kredite bei angemeffenen Bedingungen zu beschaffen. Es unterliege feinem Zweifel, daß in der mittleren und fleineren Industrie sehr beachtliche lebendige Werte stecken, aber dieser Mittelstand der Industrie bleibe bei der Herabdrückung der Produktionskosten durch Rationalisierung hinter der großen Industrie zurück, weil er nicht die gleiche Stapitalfraft befize. Hier solle eingegriffen werden. Die Bank werde bis zum zehnfachen Betrage ihres Aftienkapitals, also bis zu 175 Millionen Mart, im Ausland, insbesondere in Amerifa Anleihen aufnehmen. Das Geld werde auf dem Wege der langfristigen Kreditierung gegen hypothetarische Sicherstellung der kleineren und mittleren deutschen Industrie zufließen. Nicht nur die Kredite würden für die Nehmer günstig sein, auch die Bank werde dabei rentabel arbeiten...
Es meldeten sich sofort kritische Stimmen, die darauf hinwiesen, daß das System der hypothefarischen Kollektivhaftung aller Schuldner und die starre Finanzierung durch jahrzehntelange Festlegung des Zinssages die Kredite möglicherweise für den industriellen Mittelstand mindestens ebenso teuer machen würden, wie die Kontotorrentfrebite bei den deutschen Großbanten. Aber diese Kritit perflummte balb. Bei der Zentralbant deutscher Industrie-G. landeten sofort zahlreiche Kreditgefuche, sah doch die Neugründung erfttlaffig feriös aus.
Der Giemens- Konzern.
850 Millionen Umfah. Mit Beteiligungen auf eine Milliarde zu schätzen.
Die Generalversammlung des Siemens Konzerns ge nehmigte gestern den Abschluß für das am 30. September beendete Betriebsjahr 1928/29, der für Siemens und Halste eine Divibende von 14 Proz und Siemens- Schudert eine Dividende non 12 Broz. Dorfieht.
Daß das lezte Betriebsajhr den Berliner Elettrofonzernen eine jehr gute Konjunktur brachte, ist bekannt. Die Umsatzsteigerung bei Siemens aber zeigt, daß das Ausmaß der Konjunkturbefferung 1929 gegenüber dem gleichfalls sehr ertragreichen Borjahr vielfach unterschäßt wurde.
Nach den Angaben des Herrn von Siemens stiegen die Umfäge bei Siemens- Schuckert von 500 auf mehr als 350 millionen und bei Siemens u. Halsfe von 250 auf fast 300 Millionen Mart. Diese Zahlen um fassen jedoch nur die Stammbetriebe und die zu 100 Broz. im Siemens- Besiz befindlichen Beteiligun gen. Die Umsätze haben sich also allein im engeren Siemens- Konzern von 750 auf 850 Millionen Mark, das sind mehr als 13 Broz. erhöht.
Da die Umfäße sämtlicher anderen Beteiligungen, die fich nidyt reftios in ten Händen von Siemens befinden, in den genannten Zahlen nicht enthalten sind, tommen in den 850 Millionen die tat sächlichen Umsage des arbeitenden Siemens- Kapitals auch nicht annähernd zum Ausdrud. Von der großen Anzahl dieser Unternehmungen wollen wir nur die wichtigsten Gesellschaften, in benen Kapital von Siemens arbeitet, aufzählen:
Siemens Planiamerte.
Ber. Signalbau
Elektr Licht und Kraft
Reiniger, Gebbert u. Schall
Rapital
Davon im Siemens- Beft
40 Proz
38 Millionen
18
über 50
12
9
etwa 40
16,5
30
"
30
25
6,5
etwa 80 20
99
Soc. Continent Photomaton 52,5 mill. Fr.
Hierzu kommen noch eine Anzahl anderer wichtiger Beteiligun gen bei Telephon -, Radio, Telefunken- und Sprechfilmunternehmen, bei der in der ganzen Welt tätigen Siemens- Bauunion und anderen
Dann hörte man von der Zentralbant deutscher Industrie A.-G. sehr lange nichts mehr. In dieser Woche gab sie endlich wieder einmal ein Lebenszeichen von sich, das aber
zugleich der letzte Seufzer eines Sterbenden ift. In einer offiziellen Mitteilung wird erklärt, daß der gesamte Geschäftsplan fich als undurchführbar erwiesen habe: Es sei nicht möglich gewesen, in Amerita die Gelder auf zunehmen, die der deutschen mittleren und Kleineren Industrie in Form von langfristigen Krediten zufließen sollten. Der ausländische Geldmarkt habe sich eben verschlechtert, das sei nicht vorauszusehen gewesen! Das vorläufig eingezahlte Attienkapital der Zentralbant deutscher Industrie, 10 Millionen Mart, ist in der Zwischenzeit als Monats und Tagesgeld ausgeliehen worden! So hat man die laufenden Kosten des Betriebes gedeckt. Jegt werden die Aktionäre gebeten, ihre Attien den Gründerbanken zurückzugeben, die dafür etwa 95 Proz. des Nominalmertes zu zahlen gewillt sind. Die Aktionäre formen also mit einem blauen Auge davon. Sie haben im wesentlichen nichts meiter verloren, als die Berzinsung des hingegebenen Kapitals. Die mittlere und fleinere Industrie hat von dem schönen Plan nichts weiter gehabt, als eine Hoffnung, die sich nunmehr endgültig verflüchtigt hat.
Selbstverständlich kann niemand, und sei er auch noch so thig, alle wirtschaftlichen Geschehnisse voraussehen. Aber die fehlgeschlagene Industriefinanzierung des früheren demokratischen Reichsfinanzministers Dr. Reinhold zeigt doch wieder einmal,
wie berechtigt die Stepsis gegenüber temperamentvollen Finanzreformern ist.
Ihre Ideen stützen sich zu leicht auf einen einzigen Punkt, der fich wie die Tatsachen zeigen aber auch als falsch erweisen fann. Es ist ebenso unmöglich, auf Jahre hinaus im voraus ton struierte Finanzreformprogramme mit einiger Aussicht auf Reali sierung festzulegen. Das ist aber gar nicht nötig. Es genügt, wenn heute der feste Wille besteht, in der Gegenwart das Not mendige zu tun; daraus ermächst die flare Zukunft. Das mag manchen phantafiebegabten Angletifer oder Propagandisten sehr langweilig erscheinen. Aber es hat den Vorteil für sich, daß solche Arbeit auf dem Boden der nüchternen Tatsachen por sich geht. Kurt Heinig .
Gesellschaften. Bei vorsichtigster Schäzung dürften die Umsätze, die in diesen Unternehmen auf das darin investierte Siemens- Kapital entfallen, weitere 150 Millionen erreichen. Damit würde ber Gesamtumfag bei Siemens im letzten Jahr eine Milliarde Marf erreichen, was einem faft fünffachen Umschlag des Rapitals entspricht.
lleber den gegenmärtigen Geschäftsstand wurde mitgeteilt, daß bei Siemens u. Halste bisher faft die volle Belegschaft ge= halten werden konnte, während in den Startstrombetrieben von Schuckert Betriebseinschränkungen allerdings geringeren 11mfanges erforderlich wurden.
Ein glänzendes Stahljahr. Rekordziffern von 1927 im letzten Jahr fast erreicht.
Die türzlich veröffentlichten Leistungen der deutschen Ho öfenbetriebe im letzten Jahr gaben bereits einen Gesamt überblick über die sehr starke Stahlfonjunktur von 1929. Nicht nur die Ergebnisse des im allgemeinen guten Eisenjahres 1928, die aller dings megen der vierwöchigen Ausfperrung an der Ruhr zum Bergleich nicht herangezogen werden können, wurden bei meitem übertroffen, sondern fogar die Rétorbziffern aus der Hoch fonjunttur von 1927. murden noch in den Schatten gestellt.
Fast ebenso günstig lautet die Bilanz der Stahlmerfs= produktion, die jetzt von der Zeitschrift Stahl und Eisen" veröffentlicht wird. Insgesamt stellten sich die Leistungen der Stahl merte auf 16,24 Millionen Tonnen und lagen damit nur um rund 64 800 Tonnen unter der Refordproduktion von 1927. Auch wenn man für 1928 die Aussperrung an der Ruhr in die Berechnung einfeẞzt, bleibt die durchschnittliche monatliche Produktion um rund 50 000 Tonnen, also um vier Prozent hinter 1929 zurück.
Im Monat Dezember stellte sich die Rohstahlerzeugung an 24 Arbeitstagen auf 1,15 gegen 1,28 Millionen Tonnen an 25 Arbeitstagen im November Es ist also ein ziemlicher Rückgang der arbeitstäglichen Produktion von 51 462 auf 48 171 Tonnen, also um rund 6 Proz eingetreten.
Milde Witterung schafft Arbeitslosigkeit, nämlich in der Braunfohlenindustrie, teren Brifettabsatz durch das relativ warme Wetter natürgemäß zurückgeht. Die Braunschweigische Kohlen bergwerfe 2.-G. in Helmstedt hat drei Britettfabriken stillgelegt.
Oftdeutsche Konsumvereine schneiden besonders gut ab.
Nach dem Dezemberbericht des Zentralverbandes Deutscher Ronfumvereine erhöhte fich der wöchentliche Mitgliedsumjah im Weihnachtsmonat gegenüber November von 9,69 m. auf 10,90 m. Die durchschnittliche Umjazsteigerung pro Mitglied und Woche betrug aljo 1,21 m. gegen 1,42 M: in den beiden entsprechenden Monaten des Jahres 1928 und 1,52 M. im November und Dezember 1927. Es ist also ein langsames Absinken der Zunahme festzustellen, was sich zum Teil wohl aus der feit 1928 rückgängigen Konjunktur, zum anderen aus einem etwas langsameren Tempo der Ausdehnung der Konsumvereine erklärt, die in den ersten Jahren nach der Inflation ganz außergewöhnlich stürmisch mar. Dasselbe zeigt der Vergleich der einzelnen Dezembermonate in den letzten dret Jahren. Immerhin verbleibt ein Aufstieg von einer sehr erfreulichen Intnfität.
Der Verband Ostdeutscher Konsumvereine, der durch die rapide Entwidlung der Konsumgenossenschaft Berlin fich in den letzten Jahren besonders schnell entmidelt hat, schneidet wieder lehr günstig ab. Der Dezemberzumachs ist von 1927 auf 1928 und von 1928 auf 1929 rund doppelt so groß gewesen, wie im Durch schnitt der Berbände.
Für das gesamte Kalenderjahr ergibt sich bei der Großeinkaufsgesellschaft Deutscher Konsumvereine wieder ein sehr erfreulicher Erfolg. Die Umsätze der GEG. mit den Vereinen fflegen gegenüber dem Vorjahr um 12,8 Proz. und überschriften mit 501,3 millionen zum ersten Male die halbe Milliarde. Der Umsatz aus eigenen Produktionsbetrieben der GEG. stieg von 104,7 auf 123,8 Millionen
Mart.
Weitere Kreditverbilligung!
Refordentlaffung der Reichsbank nach Distontermäßigung.
Wenn eine Diskontermäßigung rechtzeitig und ausreichend ers folgt, so muß die Verbilligung der Kredite den Anreiz zur Kreditinanspruchnahme erhöhen. Nach diesem Gesichtspunkt ist die letzte Distontermäßigung der Reichsbank zu spät erfolgt und nicht ausreichend gewesen. Trotz der Herabsetzung des Reichsbankfatzes von 7 auf 6% Pro3. ist nämlich in der Woche vom 15. Januar die Inanspruchnahme der Reichsbant durch Kredite außerordentlich start zurückgegangen.
Die Bestände an Wechseln und Schecks santen um 476,1 auf 1893,8 Millionen, die Bestände an Reichsschatzwechseln, die Ende der Borwoche noch 23,8 Millionen betrugen, fanfen auf Null Auch die zur Monatsmitte regelmäßig ansteigende Kreditgewährung gegen Berpför dung von Wertpapieren( Lombarddarlehen) nahm mur ganz geringfügig, nämlich im 16.6 auf 67,9 millionen zu. Obwo trop des Reichstredits von 350 Millionen die Reichsbank Ende 1929 um 3 Millionen weniger start angespannt murde als ein Jahr vorher, war die Kreditentlastung der Reichsbank bis zum 15. Januar um 11 Broz größer als in dem vergleichbaren Zeitpunkt des vorigen Jahres.
Der Notenumlauf verringerte sich um 417,6 auf 4187,0 milionen. Die Deckungsbestände nahmen leicht ab; die Goldbestände nur sehr geringfügig, nämlich um 55 000 Mart, die Bestände an deckungsfähigen Devisen dagegen um 6,2 Millionen Mart. Durch. die starken Rückzahlungen an die Reichsbant hat sich bie Notenturch Gold allein stieg gegenüber der Borwoche von 49,6 auf 54,5, deckung wieder refordmäßig erhöht; die Dedung die burch Gold und Devisen zusammen von 58,5 auf 64,0 Bros. il m faft 40 Broz mar die Rotenbedung am 15. 30nuar höher als das Gefeß es verlangt. Die Boraussetzungen für eine weitere Kreditverbilligung find mit dieser Entwidlung bereits jetzt gegeben.
Ein neues Eisensyndikat.
Der Mittelblech- Berband gegründet.
Im Anschlug an die Neuorganisation der Eisensynditate mird der Kartellring jegt auch noch den Fabritaten umgelegt, bie bisher mur lose und gar nicht erfaßt waren.
Zunächst ist aus der bestehenden losen Breistonvention für
Mittelble de ein Verband entstanden, der die Kartellierung für
den Inlandsmarkt und zugleich für den Export, vorfieht. In der Organisation ist die 3 ahlung einer Umlage von den Erlösen aus dem Inlandsgeschäft vorgesehen, ein beliebtes Mittel, um die Berluste aus Schleuderverkäufen im Ausland auszugleichen. Also auch in der Zeit der internationalen Syndizierung von Cisen und Stahl lebt der Dumpinggebante fröhlich weiter.
Damit find also auch die Schmerzenstinder der Eisenfartelisten, die Blechfabrikate pon der 3- Millimeter- Stärke an fyndila smäßig erfaßt. Wird das seit Jahren umstrittene Feinblechlynpitot nun auch noch das Licht der Welt erblicken und damit den Ring schließen?
Hausbesitzer kaufen eine Hypothekenbank. Bom Michael- Konzern.
Der Jakob- Michael - Konzern hat seine Herrschaft über die Mitteldeutsche Bodenkreditanstalt, in Greiz der Konzern besaß die überwiegende Majorität des 5- MillionenAktienkapitals- verkauft. Erwerber ist die Aktienverwertungsund Verwaltungs- G. m. b. H., die eine Tochtergesellschaft der Ber liner Bant für Handel und Grundbesitz ist, die ihrerseits als führendes Banfinftitat des 3entralverbandes der Haus besiger fungiert.
Der Zentralverband der Haus- und Grundbesizer hat längst
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