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Sonnabend IS. Januar 1950

Unterhaltung und Wissen

Beilage des Vorwärts

Erich griian �rMflcIcr SpUmen

Immer wieder, wenn ich nach Brüssel komme, schlendere ich von der Gare du Nord die gleichen Straften herunter. Und nniner w-ider jst es das gleiche freudig« Entzücken, das mich befällt. Die Stadt ist nicht größer als Köln , und sie ist auch gar nicht w»'t von der Me ropale de» JRHemlands entfernt, aber wenn irgendeine Stadl in dieser Welt Paris ähnlich ist, dann ist es diese. Nicht«zanz so voll Sicht sind ihre Straßen, nicht ganz so viele monumentale Bauten stehen hier wie in der großen©chwesterstadt aber die Schönheit großartiger Perspektiven hat man hier wie dort erkannt- Alle großen Kirchen, Denkmäler und Bauten stehen so. daß man sie von weit her, eine ganze lang« Straße hindurch vor Augen hat. daß sie vor dem langsam hinschlendernden Passanten geradezu aus dem Boden herauswachsen, bis er plötzlich von ihrer Monunisn alitä! erdrückt wird. Das gilt besonders vom Justizpalast. der einer Pyramide gleich, auf dem höchsten Punkte Brüssels sich erhebt und mit seiner herrlichen Gliederung von hier das Blld der ganze» Stadt beherrscht, die am andern Ende von der Kathedrale St. Gudule überragt wird. * An Paris erinnern auch die Menschen auf den Straßen. Do sind kleine fltnke Arbeitstypen, die noch in der plumpen Werktags- lleidung etwas vom leichtlebigen Grondfeigneur an sich haben, elegante Frauen, die, als stiegen sie aus der Straßenbahn, den Schlag ihrer Wagen zuschlagen und in die prächtigen©cichafte eilen, die abends mit riesigen Leuchtbuchstaden ihr« Leiftunzssählgteit in d'e Dunkelheit hineinschreien. Zu dieser Stunde sitzt man, so man Zelt und immerhin etwas Geld hat. vor einem Cafe auf dem Platz de Brouckcre und schaut sich das Treiben der Menschen an. Hört auf die schreienden Zeitunzsverkäufer, sieht den vorüberschlender» den Menschen zu. Merkwürdig, wieviele Witwen hier über die Straße gehen. Es können gar nicht alles Witwen sein, so viele find es, die in schwarzen Kleidern gehen und von deren Kopsen der lange geteilte Schleier weht. Es liegt etwas Koketterie in diesem frühen Witwentum. das nicht vergaß die Brauen zu färben und den Lippen da» verführerische Rot aufzulegen.

Manchmal kommt mir die ganze Stadt vor als sei sie die Witwe unier den Städten. Soviel llnerfülltes, chalbvollendetes sieht man hier. Da ist die Hochbahn. So lang« ich Brüssel kenne, und das find NUN schon ein Dutzend Jahre, kenne ich auch die Ruinen dieser vor dem Kriege begonnenen aber nl« beendeten Anlage, die den Südbahnhof Brüssels mit dem Nordbahnhof verbinden sollt«. In der Näh« der Ka'hedrale St. Gudule liegt seit mehr als IS Jahren ein großes Geländestuck, auf dem ehemals ein alter Häuserblock stand, brach. Man wollte hier den Bahnhof der Hoch- bahn hinlegen Aber.die Gesellschaft. Me...d«N Bau.begann� a>ug pleite und nun ist man dabei, das kostbare Gelände Geschasw Häusern zu bebauen. Damit dürste der Traum von der Hochbahn ausgeträumt sein. Dafür träumt Brüssel jetzt von einer Unlar- grundbahn, wi« von einem zweiten Mann, der das erfüllen soll. was der erste nicht erfüllen konnte. Aber weil man nie misten kann, läßt man die howsertigen Brücken und Bahnhöfe, die lieber gange und was von dem angefanZenen Hochbahnbau steht und oom Rost schon sehr angesresien ist, einstweilen noch stehen So heben die Witwen die Kleider ihres ersten Gatten auf. Vielleicht passen st« dem Zukünftigen.

Zu einer Witwe gehört nun nicht gerade, haß sie schlampig ist. > aber manche sind's. Auch Brüssel . Die Müllabfuhr wird hier immer noch so geregelt, daß jeden Morgen jeder Hausbewohner ! feinen Abiall auf die Straße stellt, von wo er dann abgeholt wird. Borher ober kommen die Aermsten der Stadt und suchen sich aus den Abfällen das heraus, was ihnen brauchbar scheint. Bor allem sind es Lumpen und Papier, nach denen dies« Schatzgräber fahnden, die nach vollbrachter Arbeit oft drei oder vier große Säcke aus kleinen Karren fori schass en, während hinter ihnen die verstreute Asche oom Wind auigewirbeli wird. * Bahnhöfe. Wer von Deutschland kommt, kommt aus der Gare du Nord an. So sieht es da auch aus.. Kaum ein Blumenstand. Ein Schuhputzer, hohe Hotelbauten, ein Zeitunzsstand. Bertehr. Kalter Norden. Anders am Gare Midi. Bon hier fährt man nach Frankreich , in den Süden. Und südlich ist auch das Treiben um den Bahnhof herum. Die Hotels sind klein, eher Familienpensionen als Hotels und rund um den unvollendeten Hochbahnhof herum stehen Zuckerbuden, Schießstände, Ringwerferbuden. Und was so zum Jahrmarkt gehört. Da kann man von flämisch redenden Marktschreiern chemische Scherzarttkel kausen, billige Schokolade und zu Fernrohren zusammensetzbare Lupen, zu nie wiederkehrenden billigen Preisen. Abends kommen auch Artisten, die ihre Gerüste auf der S'raße aufbauen, um einige Frankstucke locker zu machen. Und sie beginnen nicht eher mit ihren dürftigen Darbietungen, als bis sie eine genügend große Summe zusammen haben, die ober oft kaum für eine dürftige Mahlzeit für alle Mitglieder der Truppe reicht, die nach vollbrachter Arbeft in ihren Kostümen, über die sie einen dünnen Mantel geworfen hoben, aufbrechen, um sich an anderer Stelle neu aufzubauen. Wer sich an den Darbietungen dieser armen Artisten hungrig gesehen, kann nebenan einen frisch gebackenen Pfannkuchen oder eine Portion roher Muscheln essen, die mft Zitronensaft serviert wird. Austern der Armen. Oder er kann sich an einen Schießstand begeben, wo er für ein paar Sous auf deutsche Pickelhauben schießen darf, vter aber, aber auch das ist nicht geschmackvoller, er kann holländischen Mädchen die blauen Augen ausschießen, die natürlich aus Blech sind. i« Der Stolz der Brüsteler Arbeiter ist seft je das große Volks- haus, in dessen schönen Sälen schon mancher bedeutungsvolle Kongreß der Arbeiterbewegung abgehalten wurde. Aber stolzer noch als auf dieses Haus, sind die Arbefte? auf die Wohnsisdluug Florial, die zwonxg Traimninutea vor der Stadt liegt und von Arbeitern und Sozialisten auf genostsnschaftlicher Bast» erbaut wurde. Wohl 130 ansnutigo Einfamilienhäuser in offener Bau- weise, imnftten des schönsten Geländes, und von Rosen umgeben. bieten sich hier dem Blick des Besuchers.. Ueberrngt wixd die ganze' Siedlung durch dchr Turm des Bolkshoufes, ohne das in Belgien keine von Arbeitern bewohnte Gemeinde denkbar ist. Hier ist ein Stück von dem verwirklicht, was den Sozialisten als Ideal oor- schwebt: diese kleinen schmucken Häuschen sind eine Bürgschaft des Familienlebens und des Glückes, auf der Erde ein liebender und geachteter Mensch zu sein. Und wo dieser Geist wirksam wird, da wandeln sich nicht nur Herzen und Menschen, sondern Länder und Städte bekommen ein neues Gesicht. Ein Gesicht, das stolzer und schöner, heller und freier ist als das dunkle Gesicht der Vergangenheit.

Alice ffierend:

MlermeueSle SncMMikeii

Billi ging mit Bob spazieren draußen vor der Stadt, neben den grünen Wiesen. Nicht etwa, weil beiden besonders daran ge- legen war. dicht nebeneinander zu gehen. Sie mchten nur beide di« Feiertage auf gesunde Weift. Sie haften beide einen Beruf und eigenen Verdienst. Villi trug einen großen Bund aufgeblühten Flieder im Arm Bob halle ihn mitgebracht, nicht aus dein altmodischen Grund, einem jungen Mädchen, mit dem man spazieren geht, Blumen zu schenken. Er hafte das Zeug einer armen Frau abkaufen müsien. Sie hatte Geld nötig für Brot, aber kein Almosen nehmen wollen. villi sagte, daß sie Flieder gern möge, daß er im Arm bequem zu tragen wäre, daß diese Wohltätigkeit also kein großes Opfer von ihr verlange. Si« wollte die Blüten daheim sofort ins'Wasser stellen. Sie dufteten so süß und rein und hatten es sich gefallen lassen müssen, als Ware des Mitleids durstend heru ingestoßen zu werden Pilll und Bob kamen damft auf Recht, Unrecht und die ganze Mannigfaltigkeit des Lebens zu sprechen. Auch auf Liebe und Ehe. Auch dies nicht aus persönlichen Gründen Man begegnete so malen, die zu Zweien fingen, daß man van selbst auf dieses Thema kommen mußte. Sich blind zu stellen, hätte wirklich den lächerlichen Verdacht erregen können, daß man au» irgandcinem Grund« dieses Gefühlsgebiet für gefährlich holte. Billi sagte, sie wundere sich darüber, daß anscheinend noch so vielen Mädchen an einem Mann gelegen wäre. Wae wäre der heutig» Mann? Höchstens ein Sportsmann. Am liebsten versucht er in Geld zu schwimmen. Ein Sjiort. der dem Amerftaner an- geboren zu sein scheine. Darum kleideten sich alle Männer wenig- stens amerikanisch. Die Schultern wären wattiert, die Ellbogen das Gegenteil. Klar, daß Laute dieser Att auf das Familienleben pfiffen. Bob jagt«, daß Billi naturlich recht habe. Rur nicht ganz. Der Mann trag, sein Herz oi-lleicht nicht mehr so nach außen, wie in der guten allen Zeit. Gr fti äußerlich nicht mehr so galant. Da- für wäre er jetzt ober wirklich besorgt um seine Gefährtin und wirk- lich vartvaut mll ihrem Wesen Trotzdem die Frau viel schwieriger geworden wäre al» früher V» f« wählerischer, kritischer, an- spruchsvolftr al» es fe früher em Mann getpcken. Sie nutze ihr« Selbstandigkeft aus. um wahr« Gefühl, zu mißachten, wenn nicht zu ve-rpoften. Billi gab Bob rechll Nur nicht ganz. Gewiß brauchten die Frauen heut« nicht mehr zimperlich und zaghaft darauf zu»arierf bis st« der Mann gnädig anzulächttn geruhe. Eine Notwendigt- t war er durchaus nicht mehr. Die Frauen verstanden jetzt ftlber zu

rechnen, sogar den pollttschen Teil der Zeitung brauchten sie sich nicht mehr erklären zu lassen. Aber daß sie deshalb wahr« Gefühle verspotteten, hielt Pillj nicht für nachweisbar Nur etwas anderes bezweifelt« Billi, ob es überhaupt nach wahre Gefühle gibt? Hier jetzt« ein kleiner Streu ein. Bob glaubt« diese Möglich­keit beschwören zu können. BW fand es leichtsinnig, etwas zu beschwören, wofür man keine Garantie übernehmen könne. Bob antwortete, daß er für sich selbst jede Garantie zu übernehmen ver­möge, dies genüg«. Das Gespräch wurde unterbrochen. Der Fliedersirauß war aus Billis Arm geglitten. Er mußte schlecht gebunden gewesen sein. Bob beeilt« sich, mitzuhelftn. die zarten Zweige zusammenzu- suchen. Billi sagt«, dies tue Bob nur aus Widerspruch, damit es aussehe, als gäbe es noch höfliche Männer. Bob erwiderte, es freue ihn eigentlich, daß Billi so ttKiiig vom Charakter des heutigen Mannes wisse. Sonst müßte ihr bekamft sein, daß dieser heutzutage imstande wäre, für seine grau Stuben zu ftgen, Teller zu waschen. Euikäuft zu machen. BW rief, sie glaube, daß gerade da« heutige Mädchen nicht wild darauf wäre, sich eine Dienstboteitnotur in Form von Ehamann zuzulegen. Bob wurde richtig heftig. Er sagte, ein rechter Mann bleibe ein solcher, womit er sich auch beschäftigen möge. Beweis dafür, ein Mann, der kochen könne, sei ein Koch und keine Köchin. Bob Halle Billi für geschell genug, um zu wissen, was er damit sogen walle. Billi lenkte ab und fragte ob Lob kochen könne? Bad über- legte. Schließlich sagt» er:Nicht alias, aber manches." Und engw betragt, antwortete ar blindlings:Gurk.nf'lat." Denn dies war eine Liebltnge'p-ile Billi?, das hafte er längst herausgesunden. Billi lacht« rückhaltlos. Bob war beleidigt. Er rief lagax etwas, da» sich anHort«, wi« wenn zum Gurkensalat immer ein« Gans gehöre. BW dankte sofort, daß ihr Bob endlich betveift, daß der Mann nicht» mehr von der Höflichkeft wisse. Bob rief, daß im Gegenteil Billi endlich den Beweis erbringe. daß Frauen von keinerlei Zartgefühl mehr beschwert wären. Jeder Streit ist gefährlich. Man weiß nie, wie er endet. Der Schluß dieser Meinungsoerschiedenh:ft war, daß Bob und Billi übereftlkainen. sich zu heiraten. Nicht etwa aus vorsintflutlichem Gefühlsüberschwang, nur. um einer dem anderen bemessen zu können, daß er es war, der recht hafte.

Jtudi Sims: Soldaien wollen heim Der Abend stand in fahlem Licht, alz das Abteilfenster zum letzten Mal« den Blick auf die Höhen um Bslfort öffnete. Dort, wo der schmale Fußweg in den Himmel mündete, hob sich«ine keichtgewölbt« Betonkuppel wie ein riesiger Pilz aus dem kurzen Gras. Nicht weit davon schmiegten sich an die Berglehne grau­braune, niedrige Gemäuer mit flachen, raftnbedeckten Dächern und kleinen vergitterten Fenstern, die wie traurige Augen in die Ferne schauten. E i n F o r t u n d Kasematten. In die friedliche Landschaft waren Kanonenrohre gerichtet. Rascher rollten die Räder. Das Dunkel der Nacht preßte sich gegen die Wände des O-Zug«s. Ms ich den Kopf durch ein Fenster des Sefteuganges iu die kühle Herbjtluft steckte, sah id) den leuchtenden Funkenslug der Lokomotive. Lichter aus menschlichen Behausungen durchlöcherten das Dunkel. Der helle Schein aus den Abteilen lieh aus dem Bahndamm Gebüsche und Telephon- stanzen erkennen. Durch Baumwipfel glänzten vereinzelte Sterne. Ein knabenhaftes Lachen riß mich aus träumerischen Ge- danken. Es kam aus dem Eoupä hinter mir. Ich wandte mich um. Bier Matrosen, braungebrannte Burschen, hockten in leb- haster Unterhaltung auf den Bänken. Eben setzte einer die Mund- Harmonika an die Lippen und dann erklang aus jugendlichen Kehlen:Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum..." Bier französische Matrosen sangen zwischen Bel« fort und Besanqon ein deutsches Lied. Derwundert trat ich in das Abteil und ließ mich in der Ecke nieder. Wir kamen rasch ins Gespräch. Rekruten saßen mit mir zusammen. Sie haften eine Woche Urlaub in ihrer französisch gewordenen lothringischen Heimat verbracht Nun fuhren sie wieder zurück nach Toulon und erzählten mir aus Tagen, als sie noch nicht die Matrosenbluse trugen. Der Kumpel, von schweißigen Nächten im«tollen; der Hüttenarbeiter, von glühendem Stahl, der sich im Walzwerk formt«: der Maurer, von halsbrecherischer Arbeit auf dem Baugerüst, und der vierte,«in sommersprossiger Junge, von dem Noppen, mit dem er daheim über den Acker schritt. Jeder wünschte das Ende der Militärzeft herbei. All« wollten wiedsr an den Arbeftsplatz. Zurück in eis nicht mehr uuifor, miertes Leber». Unsere Unterhaltung wurde gedämpfter. Die Matrosen sprachen. vonihrem Kreuzer" im Hafen von Toulon . Ich sah im Geiste vier junge Menschen im stickigen Schiffsraum in ihren Hängematten ruhen, bis sie der rauhe Ruf eines bärbeißigen Vorgesetzten aus dem Schlaf riß. Harter Dienst füllte den Tag. Granatenschleppen und Geschützexerzieren. Schwielen platzten in den Händen. Feurige Loh« schlug aus den Kesselfenern gegen nackte Oberkörper. Oel und Schweiß lag wie Patina auf erhitzten Gesichtern... Mfttags rührten die Rekruten verstimmt in den Chschüsselu und schimpften auf denelenden Fraß". Schon nach kurzer Zell knurrten die ewig hungrigey Magq, wieder, Exerzieren.., Exerzieren... Schtta- mert uich.herunigcstoßen erwartst« man dia Nacht als Erlösung- Aber noch. in. die Träume erklangen Kommondoworle. Auf Deck standen Wachtposten.. Sie kramten die Sterne der Heimat sehen. Und junge Menschen sehnten sich. .Lahrelang muß man das aushallen... Ein verfluchtes Dasein..." zischte der Maurer und stieß ärgerlich den Rauch durch die Zähne. Der Zug brauste m die Bahnhoftholle von Aoignon. Dom Perron tönten französische, englische und italienische Smnmen. Reisende drängten durch den Sefteugang. Glutäugige Südländer, Hübsche Frauen, deren Kleidung den Pariser Schneider verriet. Und jetzt? Zwei junge Burschen in.bayerischer Wichs". Wir riefen st« In unser Abteil. Sie verstauten rasch ihr« Rucksäcke und machten es sich bequem. Als die Lokomotive wieder anzog, begann ein muntere« Fragen und Aiftworten. Die neuen Reisegenossen stammten aus München . Georg, der ältere, war früher als Kohlentrimmer auf Handelsschiffen gewesen. Er tanntc viele Hafenstädte fremder Erd­teile. Alfred hatte sich dem Bruder angeschlossen, als dieser einmal nach.Hause kam und erklärte:.Letzt gehe ich mit dem Rod auf die Walze." Nun waren sie schon seit Monaten unterwegs. In Barcelona haften die beiden zum letzten Mole gearbeitet. Dann traten sie wieder in die Pedale und fuhren das Rhonetal hinauf. Ihr nächstes Ziel war Marseille . Di« Riviera lockte. Die Matrosen schauten mft resignierten Mienen auf die beide» Bayern , in deren bronzefarbenen Gesichtern Freude stand. Biel - leicht dachten sie wie ich im stillemAch. wer da mitreisen könnte!" Es war ein köstlicher Genuß, diesen munteren Gesellen zu lausche». Stierkämpfe standen noch frisch in ihrer Erinnerung. In spanischen Gärten ernteten sie Melonen und Trauben. An Quellen und Bächen kochten sie ihr Mahl und oft richteten sie bei Mutter Grün ihr Nachtquartier. Fremde Menschen und fremde Ding« wurden ihnen ein lehrreiches Erlebnis. Ein bnntbcwegtes, freies, abenieuer- lustiges Sein spiegelte sich in ihren Reden wider. Soldatcnspielen? Nein, sie bedankten sich dafür. Genug, daß unser Vater an der Sornrne fiel", meinte Georg. Der Krieg wurde eine Well« zur Achse, um die unsere Unter- Haltung kreiste. Wir redeten vom Sozialismus, von BSlkerverföhnung. vom«wigen Frieden, Und als wir Abschied nahmen, drückten uns Deutschen wier französische Rekruten die Hände, einig mit uns in der Verdammung des Mili- tarisnms, der jung« Menschen im Borwartskommen hindert, der ihnen glücklich« Jahre stiedft und nur unwürdigen Drill beschert. Ale ich in dieser Nacht in dem kleinen Hotelzimmer auf der Cannebier« in Marseille ankam, schrillte oom Hafen her eine Dampfsixen«. Ich mutzte wieder an die vier Matrosen denken. Lange lag ich wach im Bett und starrte nach dem Fenster, durch das die Stimmen des Marseiller Zlassstlebens drangen. Meine Gedanken schlugen Brücken nach der Heimat. In dieser Stund« marschierten in d-Aftschm Städten natlonalsozialistiiche Jünglinge mft ReoqncheträuMen aus Versammlungen nach Hause. Stahlhelm» leute haften sich von einem Likörfabnlanten begeistern lassen. Jung» Burschen redeten von einer Wiedergeburt Deutschlands , von Milftärdienftpflicht und lustigem Spldatenleben. Opfer falscher Propheten, die ihre militärische Jugend nicht wie di» sozialistisch«» Jungen zu schätzen und zu nützen oerstanden. Zugendliche. die«iti freies Dasein für da s Linsengericht einer betreßten Unisorm zu verkaufen bereit waren. Und in gleicher Stunde lagen jass einem Kreuzer von Toulon vier junge Matrosen In ihren Hingematten und sehnten den Tag herbei, der militärischerZucht" ei» Ende berettete und aus Unter- gebenen wieder Menschen wachte.