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Geila&e Sonnabend. 18. Januar 1930

SiVÄbnid SiutJatUaaßr Jn\bvn*4t

9agd auf SEivei JCötven Sin Stilä aus ,/lfrika/ Von Xudotf de 3taas

Eine ungeheure Ebene. Soweit der Blick schweift, kein Baum. kein Strauch. Flach wie eine Tenne. Jedoch diese ungeheure Ebene ist«in einziger schwellender Grasteppich, auf dem sich m unbändiger Lebenslust Hunderttausende von wilden Tieren herumtummeln. Ueber Nacht sind sie gekommen. Mit weit auf- gerissenen Augen starre ich auf das unerhörte Schauspiel. Seltsamer» weis« sind es nur vier Gattungen, soweit ich seststellen kann: Das silberstreifige Zebra, das schwarze Gnu, das graue Elen und die braune Gazelle. Einträchtig äsen sie miteinander. Nichts stört den Frieden. Es ist der Garten Eden, der wiedererstand Selbst mein Erscheinen bringt keine Veränderung hervor. Neugierig mustern mich die nächsten Rudel und senken dann ruhig wieder die Köpfe, ohne sich weiter um den Eindringling zu kümmern. Es ist die große Savanne südöstlich des Viktoria» s« e s in Zentralafrika , keine acht Tage Fußmarsch mehr von seinem Gestade entfernt. Eine arme Erde den größten Teil des Jahres hin- durch, wenn die unbarmherzig« Sonne des Aequators den letzten Wasserlauf aufgesogen und jeden Grasholm verbrannt hat. Ein Paradies nach der Regenzeit, wenn das saftige Grün den ersten Zauber- hauch über alle Riste und Spalten webt, die zarte Lilie ihr« Triebkraft wieder entfaltet und in allen Färben des Prismas die tausend Blumen der Steppe ihrem Beispiel folgen. Ein allzu kurzer Lenz ist es nur, der seinen Einzug hälr, aber alle Tier«, die sein Reich kennen, stellen sich zu seinem Triumphzug«in, und das Bild dieser einzigartigen März- wachen wird nirgendwo auf der weiten Erde in sein«r Schönheit übertroffen.

»Geben Sie noch diesen Tag zul* sage ich.Ich für mein Teil zieh« heute bestimmt wieder los und komme nicht eher wieder, bis ich meinenSimba" hebe!" Er läßt sich breitschlagen und bleibt. Es geht auf drei Uhr nachmittags zu. die heißeste Stunde des Tages. Die Luft flimmert im Sonnenglost. Aus der Tiefe der Steppe marschiere ich auf da, ferne Wäld- che» zu, das leider noch urner dem Horizont liegt. Ich habe einen Elenbullen geschossen, den saftigsten Broten, den Afrika austischt: ein Teil meiner Träger ist bereits«in gut Stück auf dem Heimwege

Nachdem ich sechs Stunden über die Ebene dahingezogen bin, sind nun doch endlich Bäume am Hori- zont aufgetaucht. Es ist ein Hain von. Gelbrindenakazien, den ich er- reiche. Aufatmend strecke ich djx Glieder zur wohlverdienten Rast. Ich träum« in seinem Schatten von längst vergangenen Tagen. Donner grollen vom Diktoria Nyanza her. Der Horizont hat sich mit schweren Wolken umzogen. Die Sonn« sinkt. Es wird Zeit, daß ich aufbreche, mein Lager ist etwa drei Stunden vom Wäldchen entfernt. Meine drei Schwarzen sind noch mit dem Streifen einer Hyäne beschäftigt, die ich gegen Abend hier geschosten habe; ich möchte dos Fell der Kuriosität halber mitnehmen, wenn man das auch für gewöhnlich nicht tut: es ist eben meine erst«... Di« Nacht bricht herein,«he die Leute ihr« Arbeit beendet haben. Endlich sind sie so weit. Mittlerweile ist das Gewitter be» drohlich näher gekommen. Immer lauter kracht der Donner, Blitze zucken. Merkwürdigerweise fällt noch kein Tropfen Regen Mächtig schreiten wir aus. Plötzlich stockt der Fuß. In das Krachen des Donners mischt sich ein anderer Laut. Pom Waldrand komint er, den wir eben verlosten haben. ,,S i m b a T murmelt einer der Schwarzen. S i m b a I" wiederholen die anderen.Der Löwe!" Rabenschwarze Nacht umfängt uns. Dicht zusammengedrängt schreiten wir über die ungeheure Eben« dahin� Es geht im Ge- schwindschritt. Alle Müdigkeit ist aus den Gliedern geschwunden. Mit federnden Gelenken eilen wir dahin.Drei Stunden!" grübelt jeder. Gemütlich ist der Gedanke nicht. Ja, wenn der, Simba" bei Tage gekommen wäre, aber bei Nacht? Drei Stunden sind ein« lange, lange Zeit, zumal, wenn man nicht sieht, sondern nur hört. Das Löwengebrüll wird stärker. Es kommt näher.S i m b a- total" flüstert einer der Schwarzen, als wag« er nicht, die Tat- fache laut auszusprechen,..Drei Löwen!" Schneller eilen wir dahin. Die beiden Hund«, die uns bc- gleiten, fahren zuweilen nach hinten herum und bellen in die Finsternis hinaus. Zu sehen ist nichts. Dann und wann schießen sie nach vorn und bellen dort. Es ist angenehmer, wenn die Hund« hinten sind, denke ich. Leider erraten sie meine Gedanken nicht. Sie find bald hinten, bald vorn, wie es ihnen gerade paßt. Nun regnet es, aber nur ganz kurz und nicht stark. Die Donnerschläge lassen nach und werden vom Löwengebrüll übertönt. Solange die Löwen brüllen, ist alles in Ordnung. Nur, wenn es ganz still wird, kommen einem dumm« Gedanken---- In der Frühe des folgenden Tages last« ich die Karawane auf- brechen. Den Lagerplatz verlege ich nach dem vre, Stunden ent­fernten Wäldchen, an dem die Löwen brüllten. B.elleicht kommt heute die große Stund«, an der ich meinen erstenSimba" erlege. Wie ich, denkt mein Kamerad. Froher Hoffnung voll ziehen wir in die unermeßlich« Steppe hinaus, jeder allein für sich. Die afrikanisch« Erde hat all« ihr« Wunder aufgeboten, um uns das Herz zu erfreuen. In wildem Jugendübermut sprengen di« Zebras dahin, die Gnus tanzen chren possierlichen vi« schweren Eber tauen au, ihrem Phlegma auf und vollbringen Sprünge, die ihnen kein Kenner zugetraut hätte, die Thomsongazellen sedern wie Gummibäll« mit allen ihren vier Läusen zugleich in di« Lüfte. Wer fehlt, ist der Löwe. Weder zeigt«r sich, noch läßt er sein« Stimme vernehmen. Enttäuscht kehren wir in dos Wäldchen heim. Auch am Lagerfeuer harren wir vergeblich auf fein Gebrüll. Di« Nacht vergeht, ohne daß ein Laut den Frieden d«r Wild- nis stört. Ich möchte mein« Siebenfachen packen und nach dem Viktoria- see marschieren!" meint mein Kamerad am folgend«» Morgen.Die ßöeen hoben sich|)v nn'y macht, hier ist nichts mehr zn wallen!"

Anders als der TTeifte fagl der Sdiwarse den Xötren. ttur mit Speeren betraffnel greift er ihn an. voraus. Wir stöbern ein Wildschwein aus dem Schlummer auf. Ich kann feilte Flucht genau verfolgen, die Ebene ist hier ebenfalls pacy unv uoersichluch: es nimmt die Richtung, die auch di« unser« ist. In einer Entfernung von etwa vierhundert Metern verhofst es plötzlich, windet unruhig und kommt dann wie ein Pfeil zurück- geschossen: dicht an uns rast es vorbei. Irgend etwas da vorn in der Steppe hat seinen Argwohn erregt, was mag es sein? Wir kommen bald genug dahinter Ein rötlicher Sch«in blinkt auf. Er rührt von einem Tierkörper her, einer Gazelle ver- mutlich, denn er hat nur geringen Umfang. Vermutlich ist ee ein Stück Wild, das mein Kamerad im Lauf« des Tages anschoß und nicht fand, das nun hier in der Steppe einging und verludert: sonderbar, daß di« sonst fo findigen Geier noch nicht zur Stelle sind. Ich mache einen kleinen Umweg, um es mir näher anzu- sehen-, immerhin möchte ich wissen, was für«inen Schuß es hat. Plötzlich spähe ich gespannt nach vorn.E i n L ö w e!" rufe ich erstaunt. Ich bin nahe genug herangekommen,«ine Täuschung ist nicht mehr möglich. Wenn schon ein Löwe, dann jedenfalls ein toter!" erklärt einer der Schwarzen,ein lebender hätte uns längst gewittert oder ge- sehen, der läge da nicht mehr so ruhig!" Was er sagt, leuchtet mir ein, zumal ich auch die beiden Hund« nicht rühren, die der Mann an der Kette mitführt Wir mögen bis auf zwanzig Schritt an die Stelle heran- gekommen fein, als sich zwei Pranken in die Luft heben. Zu Stein erstarrt stehen wir alle da. Nicht etwa der vermeint- lich tote Löwe hat sich gerührt, den wir deutlich vor uns sehen. Die Pranken gehören einem zweiten Löwen an. der hinter dem ersten schlummert und uns vorläufig noch nicht sichtbar ist. Eine Löwin, die ihre Jungen säugt!" sagt d«r älteste der Schwarzen, der sich verfärbt hat,Sei vorsichtig, Herr, eine Löwin ist gefährlicher als der Löwe, zumal, w«nn sie Junge hat!" Es bedarf keines Wortes mehr, ich bin mir über die Lage völilg klar. Sie könnte nicht übler fein, als sie ist. Ich verfüge nur noch über eine einzige Patrone für mein« 9,3 Büchse, die alte 71« kommt gar nicht>n Betracht. Sollten die Löwen jetzt aufipringen, ist der Fall kritisch. Wenn nur die Hunde nicht anschlagen! Die Hunde an der Kitt« schlagen nicht an, die Löwen springen nicht auf. Unhörbar schleichen wir zurück. Kein Ast knackt, t«in Stein knirscht, es gibt weder Steine noch Aefte in dieser Steppe. « In einer Entfernung von rund zweihundert Meter mache ich halt. Eine leichte Bodenerhebung li«gt zwischen mir und d«n schlafenden Raubtieren: wir können uns gegenseitig nichi mehr sehen. Ich send« einen der Schwarzen in das Standloger im Akazienwäldch«n zurück: er soll Patronen holen und meinen Kameraden mitbringen, falls er daheim ist. Wenn alles klappt, kann er in drei Stunden zurück sein. So lange muß ich mich ge- dulden. Wenn nur di« Löwen bis dahin aushalten-- Mein« bei mir veft>liebenen Schwarzen strecken sich gemächlich am Boden aus. Wahrhaftig, sie schlafen ein, obwohl die Raubtier« drüben jeden Augenblick munter werden können. Ein Rudel Gazellen tänzell heran. Di« Löwen rühren sich nicht, obwohl di« Gazellen üb«r dem Winde herankomm««: offenbar schlafen sie fest. Aus gering« Entfernung zieht das Rudel vorüber:

Im Schneckent«mpo schleichen die Minuten dahin. Es dünkt mich eine Ewigkeit, feit der Bote davonging. Endlich zeichnen sich schwarze Schattenbilder am Horizont ab. Sie kommen näher, immer näher. Wenn nur jetzt nicht noch im allerletzten Augenblick die Löwen erwachen und das Weite suchen! An der Spitze des Trupps, der da naht, stürmen der ausgesandte Schwarze und mein Kamerad heran. Es ist sechs Uhr. Sie sind natürlich längst über alle Berge?" forscht mein Kamerad. Sie sind noch da!" entgegne ich. Ungläubig starrt er mich an. Doch zum Spaßen ist nicht die Zeit, das sieht er. Borsichtig schreiten wir über di« Bodenerhebung dahin. * Sin scharfer Knall peitscht die schlummernd« Stepp« auf. Ich habe den ersten Schuß gehabt und auf den vordersten Löwen geHallen. Nur wenig ragte das bunte Fell über die Grasbüschel hinaus. Ems Staubwolke fährt wie ein« Sandhose über di« Eben«. Zwei fahl« Blitz« schießen heraus. Nach rechts und links stieben die Löwen auseinander. Es sind zwei Männchen, nicht Löwe und Löwin, wie ich vermeint, wild flottern im Sprung die Mähnen Im Kreise fahren si« herum und suchen zunächst die entgegengesetzte Richtung ab. Dann kommen si« an, dicht onein- andergedrängt, Schulter an Schulter. Kein Laut entfährt ihnen. Mit Gedankenschnelle stürmen sie her. Schüller an Schulter, wie die Löwen , sind mein Kamerad und ich. Schuß auf Schuß krocht. Mein Gott, saß kein«r? Immer noch läßt die Bewegung der kreisrunden Scheiben nicht nach, unheimlich nähern sie sich. Gleich sind sie heran. Dreißig Schritt vor uns brechen sie recht» aus der Bahn. Bier-, fünfmal blitzten die todfpeienden Läufen Der Knall, wenn schon nicht die Kugel, war für die Löwen zu viell Als schämten sie sich der feigen Flucht, verhosfen sie beide«ine Minute später. Es wird ihr Verhängnis. Das Geschoß des Käme- raden ereilt den einen. Wieder gehen sie in hohen FlurHen ab. Wir lassen die Hunde von der Kette. Die stellen sie: Den Wunden durchfährt die zweite Kug«l. Er bricht zusammen. Treu bleibt ihm der andere zur Seite. Wild peitscht der Schweis die Flanken. Atemlos vom schnellen Lauf reiße ich das Gewehr an di« Wang«. Noch im Knall beißt der Schwarzgemähnte nach dem Helleren, der eben verröchelt. In mächtigem Satz spring« er auf den Körper des anderen, das Haupt stolz aufgerichtet. Mit wildem Wut- gebrüll mustert er die Feind« Eben in diesem Augenblick geht bwtrot die Sonne unter. Mitten in der blutroten Sonne steht der wunde Löwe auf dem loten Kameraden. Ich holte in die Sonne hinein, die von dem Haupt des Königs der Tiere verdunkelt wird. Im Feuer bricht dieser zusammen.

Sin tleger

Von Alexander von Sadter-Illaloch Ich war in einer Stadt, da war Jahrmarkt und buntes Treiben. Ein wahrer Sonn-Tag mit viel Sonn« und oben lagen, im blauen Tuch des Himmels weich eingebettet, ein paar fette, schneeweiß« Wölkchen und rührten sich nicht. Unten aber, auf dem Marktplatze, herrschte reges Treiben. Viele Zelle standen in ungeordneten Reihen. Märktler mit ihren großen Plachenwagen waren aus den nahen Dörfern gekommen, um ihre Waren, Maismehl, Getreide und ungegerbtes Leder feilzubieten. Wir schlenderten durch diesen lärinenden, farivgen, aufregenden Tag, denn ich war nicht allein. Das Kind war mitgekommen. Ich führte es an der Hand, denn wir waren alle Bekannt«. Unter Geschrei und Flüchen wurde vor einer Jahrmarktsbude. in der billig« Porzellan- und Gloswaren feilgeboten wurden,« i n Neger aufgegriffen, ein Dieb auf frischer Tat ertappt. Es war sin junger Bursche und er wehrt« sich kaum. Der ganze Diebstahl war nicht der Rede wert, denn was er genommen hatte, ein« bunt gefprenkelle, billige Glasoase, kostete im Verkauf wenige Heller. Aber die Maschin« des Gesetzes arbeitete bereits. Der Neger wurde von einem eilig herbeigeholten Polizisten abgeführt. Das Kind fragte jetzt, was mit dem N«ger geschehen würde. Und was er getan habe. Und ob es denn wirklich so ein großes Derbrech«n sei. Und dann sagt« das Kind, daß ihm die Das« auch sehr gut gefiele und daß es sie gerne nehmen würde. Und ich jagte: Dazu gehört Geld. Man darf nicht alles nehmen, was inan haben möchte." Aber, wenn man viel Gell» hat," fragte das Kind,dann kann man sich alles kaufen, nicht wahr?" Ja," sagte ich daraus. Und wie kommt man zu viel Geld?" fragte das Kind. Wenn man viel arbeitet," antwortete ich, denn das hatte ich irgendwo gehört. Aber mein Vater," sagte das Kind, ,hu kennst ihn, er arbeitet von früh bis abends in der Werkstatt und doch haben wir nie' Da mußte ich schweigen. Und du?" fragt« es,arbeitest du nicht?" 0 ja." antwortete ich.auch ich arbette." Dann host du Geld, kauf mir also die Base."* Nachdem das Kind die Vase in Händen hi«U, sagte es noch: Jetzt habe ich die Vase und doch hatte ich kein Geld, um si« mir zu kaufen. Genau so wie der arme Neger keines hatte. Er aber durfte di« Das« nicht bekommen, warum?" Ich dachte angestrengt nach über die vielen Antworten, dt« man mir auf dies« Frag« gegeben hatte, als ich ein Kind war. Alle waren falsch und diese falschen Antworten wuchsen mit den Jahren in meinem Herzen zu giftigen Gedanken auf und viel« davon quälten mich noch heute. Darum antwortete ich: Ich weiß es nicht." Das Kind sah mich an und nach einer Weile sagte«« dann: Ich werde selbst darüber nachdenken."